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Kinderbetreuungsgeld: Unmittelbar aus dem Unionsrecht abgeleitetes Aufenthaltsrecht der Mutter

KRISZTINAJUHASZ

Die Kl ist mongolische Staatsbürgerin und hielt sich im Zeitraum von 1.2.2011 bis 31.1.2012 rechtmäßig in Österreich auf. Ab 1.2.2012 verfügte sie über keinen Aufenthaltstitel mehr. Am 30.4.2016 brachte sie in Österreich ihren Sohn zur Welt, der die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt. Die Kl hat die alleinige Obsorge, sie bezog die Familienbeihilfe und lebte mit dem Kind im gemeinsamen Haushalt in Wien. Auf Antrag erteilte ihr das Bundesverwaltungsgericht am 28.3.2017 den Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ für die Dauer von zwölf Monaten.

Gegenstand des Revisionsverfahrens war der Anspruch der Kl auf pauschales Kinderbetreuungsgeld für den Zeitraum von 30.4.2016 bis 27.3.2017. Strittige Anspruchsvoraussetzung war die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts der Kl in Österreich gem § 2 Abs 1 Z 5 KBGG im genannten Zeitraum.

Das Erstgericht und Berufungsgericht sprachen der Kl das Kinderbetreuungsgeld zu.

Die außerordentliche Revision der Bekl wurde mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung als nicht zulässig zurückgewiesen, da der OGH in der zu einem gleichgelagerten Fall ergangenen, ausführlich begründeten OGH-E vom 13.9.2017, 10 ObS 64/17k, den Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld bereits bejaht hatte.

Der Sohn der Kl kann sich – als österreichischer Staatsbürger – gegenüber Österreich als Mitgliedstaat der EU auf die mit seinem Unionsbürgerstatus gem Art 20 AEUV verbundenen Rechte berufen. Er hat ua das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (Art 20 Abs 2 lit a AEUV).

In besonderen Konstellationen kann einzelfallbezogen aus der Unionsbürgerschaft einer Person ein Aufenthaltsrecht einer dritten Person abgeleitet werden, selbst wenn der Unionsbürger sein Freizügigkeitsrecht gar nicht ausgeübt hat. Ein sol-180cher Fall liegt nach der Rsp des EuGH dann vor, wenn andernfalls die Unionsbürgerschaft ihrer Wirksamkeit beraubt wäre, weil sich der Unionsbürger infolge Verweigerung des Aufenthaltsrechts de facto gezwungen sähe, das Gebiet der Union als Ganzes zu verlassen und ihm dadurch der tatsächliche Genuss des Kernbestands der Rechte, die ihm dieser Status verleiht, verwehrt wäre (EuGH 15.11.2011, C-256/11, Dereci ua, Rz 66 und 67; RS0131664).

Dass ein neugeborenes Baby nur mit dem Vater und ohne (drittstaatsangehörige) Mutter in der Union verbleiben sollte, ist unzumutbar (VfGH 11.6.2012, U 128/12). Es wäre demnach die Unionsbürgerschaft ihrer Wirksamkeit beraubt, weil sich der Sohn der Kl infolge Verweigerung des Aufenthaltsrechts seiner Mutter gezwungen sähe, die EU zu verlassen. Daher kommt der Kl für den Anspruchszeitraum ein aus Art 20 AEUV abgeleitetes Aufenthaltsrecht zu. Dieses Aufenthaltsrecht ergibt sich unmittelbar aus dem Unionsrecht und nicht aus einer nationalen gesetzlichen Berechtigung (VwGH 26.4.2016, Ra 2015/09/0137). Eine Verleihung durch nationales Recht wäre daher überflüssig.

In einem Fall wie dem vorliegenden ist es Sache des nationalen Gerichts, die Voraussetzungen für das Vorliegen eines unionsrechtlich abgeleiteten Aufenthaltsrechts eines Drittstaatsangehörigen zu prüfen (EuGH 10.5.2017, C-133/15, Chavez-Vilchez, Rz 75, 76; OGH 10 ObS 64/17k SSV-NF 31/42). Die Vorinstanzen haben sich bei dieser Prüfung nicht über die Bindungswirkung einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung hinweggesetzt. Die Entscheidung des BVwG über die der Kl erteilte Aufenthaltsberechtigung enthält in ihrem Spruch keine Aussage zur Rechtmäßigkeit des Aufenthalts für den davorliegenden Anspruchszeitraum.

Im Hinblick auf den Anwendungsvorrang des Unionsrechts und die zitierte Rsp des EuGH zeigte die Revisionswerberin auch mit ihrem weiteren Vorbringen, wonach die aus dem Unionsrecht abgeleitete Pflicht – mangels eines Vorliegens eines Freizügigkeitstatbestands – nur durch Erteilung eines konstitutiven Aufenthaltstitels nach § 8 iVm § 47 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) oder § 54 AsylG zu erfüllen gewesen wäre, keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf.