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Voraussetzungen der Unionsbürger-Richtlinie nicht erfüllt – kein Anspruch auf Ausgleichszulage für rumänischen Pensionisten in Österreich

MONIKAWEISSENSTEINER

Der 1950 geborene Kl ist rumänischer Staatsangehöriger; er bezieht eine österreichische Alterspension in Höhe von € 26,73 und eine rumänische Pension von monatlich € 204,-. Nach dem Tod seiner Gattin ist er zu seiner in Österreich lebenden Tochter gezogen; er hält sich seit 21.8.2013 ununterbrochen in Österreich auf. Von 1.10.2013 bis zu seiner Pensionierung am 31.8.2015 arbeitete er geringfügig in der Trafik seines Schwiegersohns. Von 1.4.2016 bis 1.2.2017 arbeitete er 20 Stunden in der mittlerweile von seiner Tochter übernommenen Trafik, wobei die Anstellung mit 20 Stunden nur zur Erlangung der Anmeldebescheinigung als AN gem § 51 Abs 1 Z 1 Niederlassungsund Aufenthaltsgesetz (NAG) erfolgte und er tatsächlich weniger arbeitete.

Sowohl Erstgericht als auch Berufungsgericht hatten den Anspruch auf Ausgleichszulage abgelehnt.

Der OGH gibt nun der Revision des Kl unter Bezugnahme auf die E des EuGH keine Folge. Nach § 292 Abs 1 ASVG hat ein Pensionsberechtigter Anspruch auf Ausgleichszulage, solange er seinen rechtmäßigen Aufenthalt im Inland hat. Nach Art 16 Abs 1 der RL 2004/38 (Unionsbürger-RL) hat der Unionsbürger ein Recht auf Daueraufenthalt, der sich fünf Jahre lang rechtmäßig ununterbrochen im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten hat. Art 17 Abs 1 der RL gewährt das Recht auf Daueraufenthalt unter bestimmten Voraussetzungen vor Ablauf dieses Zeitraums von fünf Jahren.

In seinem Urteil vom 22.1.2020, C-32/19, legte der Gerichtshof der Europäischen Union Art 17 Abs 1 lit a der Unionsbürger-RL so aus, dass die Voraussetzungen für den Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat vor Ablauf eines ununterbrochenen fünfjährigen Aufenthaltszeitraums, nämlich seine Erwerbstätigkeit zuletzt mindestens während der letzten 12 Monate ausgeübt zu haben und sich dort seit mindestens drei Jahren ununterbrochen aufgehalten zu haben, auch für einen AN gelten, der zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Erwerbsleben das von diesem Mitgliedstaat die Geltendmachung einer Altersrente gesetzlich vorgesehene Alter erreicht hat.

Diese Voraussetzungen hat der Kl nicht erfüllt. Am 31.8.2015, als er seine Erwerbstätigkeit in Österreich zum ersten Mal aufgab, war er zwar die zwölf Monate zuvor beschäftigt, hatte sich aber noch nicht drei Jahre in Österreich aufgehalten. Als seine zweite Beschäftigung dann am 1.2.2017 endete, hatte sein Aufenthalt in Österreich zwar mehr als drei Jahre gedauert, sein zweites Dienstverhältnis vor dem endgültigen Ausscheiden aus dem Erwerbsleben jedoch nur zehn Monate. 182

Die Ausgleichszulage ist nach der Rsp des EuGH auch eine Sozialleistung iSd Unionsbürger-RL. Vor dem Ablauf von fünf Jahren hat ein wirtschaftlich inaktiver Unionsbürger wie der Kl keinen Anspruch auf Daueraufenthalt, wenn er eine Sozialhilfeleistung in Anspruch nehmen muss. Eine Beschäftigung im Inland verschafft einen eigenen Aufenthaltstitel, nach Beendigung der Beschäftigung kommt aber nur Art 17 Abs 1 lit a der RL in Betracht.

Diese Voraussetzungen hat der Kl, wie oben ausgeführt wurde, nicht erfüllt. Zum maßgeblichen Stichtag 1.5.2017 hatte der Kl daher keinen rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich; daran scheitert sein Begehren auf Ausgleichszulage.

ANMERKUNG DER BEARBEITERIN:
Diese E hat der OGH im nach der EuGH-E vom 22.1.2020, C-32/19 fortgesetzten Revisionsverfahren getroffen. Der OGH hatte mit Beschluss vom 19.12.2018 zu 10 ObS 105/18s dem EuGH (primär) die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob Art 17 Abs 1 lit a der Unionsbürger-RL so auszulegen ist, dass AN, die zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Erwerbsleben das im Beschäftigungsstaat für die Geltendmachung einer Altersrente gesetzlich vorgesehene Alter erreicht haben, ihre Erwerbstätigkeit zuletzt mindestens während der letzten zwölf Monate ausgeübt und sich im Beschäftigungsstaat seit mindestens drei Jahren ununterbrochen aufgehalten haben müssen, um das Recht auf Daueraufenthalt vor Ablauf eines fünfjährigen Zeitraums zu erwerben (vgl DRdA-infas 2019/2, 94).