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Tätigkeit auf einer geronto-psychiatrischen Station als Schwerarbeit gem § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV

ALEXANDERDE BRITO
§ 1 Abs 1 Z 5 Schwerarbeits- VO

Der Kl war seit 1993 auf einer geronto-psychiatrischen Station eines Spitals tätig, zuerst als Pflegehelfer, ab 2001 als Diplomierter psychiatrischer Gesundheits- und Krankenpfleger. Zunächst war diese Station für Patienten ab dem 60. Lebensjahr. Die Patienten litten an unterschiedlichen psychiatrischen Erkrankungen, etwa an Schizophrenie, Depression, manischer Depression, Persönlichkeitsstörungen und schwerer Demenz. Diese Patienten wurden vor allem dann auf der Station des Kl aufgenommen, wenn sie nicht einmal mehr im Pflegeheim oder sonst im Krankenhaus „geführt“ werden konnten. Die meisten Patienten waren aufgrund ihrer Erkrankung nicht krankheitseinsichtig, es mangelte ihnen deswegen an der Compliance. Ähnliches galt für Patienten, die an demenziellen Erkrankungen litten; diese waren überdies oft auch nicht in der Lage, sich selbst zu pflegen, wobei aus Sicht eines Pflegenden insb Inkontinenz und Immobilität ein Problem darstellten. Auf der Station, in der der Kl arbeitete, gab es immer wieder Angriffe gegen das Pflegepersonal. Der Kl selbst wurde zwar noch nicht geschlagen, aber schon gekratzt, seine Kleidung wurde zerrissen, er musste Beschimpfungen und Drohungen, auch gegen seine Familie, erdulden. Kollegen von ihm wurden auch schon verletzt. Viele Patienten, die auf der Station des Kl betreut wurden, bezogen Pflegegeld; am häufigsten Pflegegeld der Stufe 3.

Die Pensionsversicherungsanstalt lehne die Anerkennung von Schwerarbeitszeiten mit Bescheid ab.

Das Erstgericht stellte sechs Monate als Schwerarbeitsmonate gem § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV (Nachtdienste) fest. Die restlichen Monate wurden nicht als Schwerarbeitsmonate anerkannt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung nicht Folge.

Der OGH hat der Revision des Kl Folge gegeben, die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben und zur Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Der OGH hält fest, dass bei der Pflege von Schwerstkranken jedenfalls Schwerarbeit (wegen psychischer Belastung) gem § 1 Abs 1 Z 5 SchwerarbeitsV vorliegt, wenn berufsbedingte Pflege in der Hospiz- oder Palliativmedizin erbracht wird. Diese beiden Bereiche sind aber nur als Beispiele genannt, daher müssen auch noch andere Tätigkeiten mit vergleichbaren Belastungen erfasst sein. Maßgeblich ist der unmittelbare Kontakt mit den Patienten mit erhöhtem Pflegeaufwand und deren besonders schwierigen Lebenslagen.

Wenn innerhalb einer Einrichtung (einer Station) Menschen mit unterschiedlichem Pflegebedarf zu pflegen sind, kann Schwerarbeit vorliegen, wenn die unmittelbare Pflege an Menschen mit besonderem Pflegebedarf – zeitlich gesehen – überwiegend erbracht wird oder sich das Überwiegen aus der Anzahl der zu pflegenden Patienten mit besonderem Behandlungs- und Pflegebedarf in der Einrichtung (Station) ergeben.

Diese Voraussetzungen sind jeweils im Einzelfall zu prüfen. Das Vorliegen von Schwerarbeit im vorliegenden Fall wird insb aus der Feststellung deutlich, dass diese Patienten vor allem dann auf der Station aufgenommen wurden, wenn sie nicht einmal mehr in einem Pflegeheim oder Krankenhaus „geführt“ werden konnten. Die besondere psychische Belastung bei der Pflege dieser Patienten lag ua darin, dass der Kl immer wieder Angriffen ausgesetzt war und beispielsweise gekratzt, beschimpft und bedroht wurde. Dies gilt unabhängig davon, ob die Patienten die Voraussetzungen für die Pflegegeldstufe 3, 4 oder 5 erfüllen. Die Zurückverweisung an das Erstgericht erfolgte, weil besonders für die Zeit ab 2013 (ab 184 dann wurden auch jüngere PatientInnen aufgenommen) Feststellungen fehlten, die eine abschließende Beurteilung ermöglichen, ob die vom Kl geleistete berufsbedingte Betreuungstätigkeit zeitlich überwogen hat oder sich aus der Anzahl dieser Patienten ergibt, dass Schwerarbeit iSd § 1 Abs 1 Z 5 der SchwerarbeitsV vorliegt. Nach den Feststellungen wurden die meisten Patienten wieder nach Hause (oder in eine geeignete Einrichtung) entlassen. Ganz allgemein könnte die Möglichkeit der Entlassung nach Hause oder in eine geeignete Einrichtung dafür sprechen, dass die Pflege dieser Patienten nicht der Pflege von Schwersterkrankten mit besonderen Behandlungs- und Pflegebedarf gleichgehalten werden kann.