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Anspruch auf immateriellen Schadenersatz bei dauernder Überwachung des Dienstfahrzeuges

BIRGITSCHRATTBAUER

Ein immaterieller Schadenersatzanspruch nach § 1328a ABGB steht dem Verletzten nur bei „erheblichen“ Verletzungen der Privatsphäre zu. Bei Beurteilung der Erheblichkeit eines Eingriffs kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an: Je „privater“ ein Umstand ist, in den eingegriffen oder der verwertet wird, je schwerwiegender das Verschulden des Störers ist und je gravierender die Folgen für den betroffenen Menschen sind, desto eher ist an immaterielle Schadenersatzansprüche zu denken. Entscheidend sind daher die Intensität und das Ausmaß der Verletzung.

Hält der AG an der rechtswidrigen Kontrollmaßnahme der dauernden Überwachung des Dienstfahrzeuges fest, obwohl sich der AN mehrmals über diese Vorgangsweise beschwert und ihn zur Unterlassung der Kontrollmaßnahme auffordert, so liegt eine erhebliche Verletzung der Privatsphäre des AN iSd § 1328a Abs 1 ABGB vor.

SACHVERHALT

Der Kl war bei der Bekl von 8.5.2017 bis 31.1.2018 als Außendienstmitarbeiter beschäftigt. Zusätzlich zum Bruttomonatsgehalt von € 2.857,14 erhielt der Kl eine Umsatzprovision sowie einen Dienstwagen zur Verfügung gestellt, den er auch privat – unter Verrechnung eines Sachbezugs – nutzen durfte. In diesem Dienstfahrzeug hatte die Bekl von Beginn an – ohne Kenntnis des Kl – ein GPS-Ortungssystem eingebaut.

Dieses GPS-Ortungssystem, das die Bekl in jedem Dienstfahrzeug des Vertriebs eingebaut hatte, konnte die GPS-Daten rund um die Uhr übertragen, wodurch diese Fahrzeuge von der Bekl auch in der Freizeit ihrer AN geortet wurden. Zudem konnte das GPS-System auch den Batteriepegel der Fahrzeuge überwachen und erkennen, wann die Zündung eingeschaltet wird. Diese Daten konnten vom Geschäftsführer der Bekl, dem Vertriebsleiter, dem Produktionsleiter und einer Innendienstleiterin jederzeit über das Internet angesehen werden. Eine BV über diese GPS-Ortung gab es bei der Bekl nicht, zumal im Betrieb kein BR existierte.

Nachdem der Kl erstmals am 19.7.2019 zufällig Kenntnis von der ständig erfolgten GPS-Überwachung durch die Bekl erlangte, erklärte er gegenüber dem Vertriebsleiter, dass er mit der durchgehenden GPS-Ortung, vor allem in der Freizeit, nicht einverstanden sei. Den mehrmaligen schriftlichen und mündlichen Aufforderungen des Kl, die Überwachung zumindest in der Freizeit zu unterlassen, kam die Bekl jedoch nicht nach.

Die GPS-Ortung brachte für den Kl erhebliche Unannehmlichkeiten. Oft wurde er von seinem Vorgesetzten angerufen und gefragt, warum er so spät von daheim weggefahren sei. Da der Kl nicht wollte, dass sein Privatleben durch die GPS-Ortung des Dienstfahrzeugs kontrolliert und überwacht wurde, fuhr er auch nicht mit dem Dienstfahrzeug, sondern mit einem anderen Auto auf Urlaub.

Das Dienstverhältnis des Kl endete durch Kündigung der Bekl vom 18.12.2017.

Der Kl begehrt von der Bekl ua gestützt auf § 1328a ABGB einen ideellen Schadenersatz von € 6.000,- (ca € 1.000,- pro Monat). Durch die ständige rechtswidrige und schuldhafte GPS-Überwachung, auch in der Freizeit, habe die Bekl erheblich in seine Privatsphäre eingegriffen. Durch die ständige Überwachung sei er massiv unter psychischem Druck gestanden.

Die Bekl bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, dass der Kl auf das im Dienstfahrzeug eingebaute GPS-Ortungssystem aufmerksam gemacht worden sei, er jedenfalls davon gewusst habe und damit einverstanden gewesen sei, die Dienstfahrzeuge aus Gründen des effizienten Fuhrparkmanagements und des Ressourceneinsatzes mit dem GPS-Ortungssystem ausgestattet worden seien und der Kl ohnehin nicht in seiner Freizeit überwacht worden sei. Eine erhebliche Verletzung der Privatsphäre des Kl liege nicht vor, weil die Bekl keine Umstände verwertet habe, die geeignet seien, den Kl in der Öffentlichkeit bloßzustellen.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Das Erstgericht sprach dem Kl einen immateriellen Schadenersatz von € 2.400,- (€ 400,- pro Monat) zu. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es ließ die Revision zu, weil zur Frage, ob ein ideeller Schadenersatz nach § 1328a ABGB gebühre, wenn die Einführung und Verwendung von Kontrollmaßnahmen und technischen Systemen, die die Menschenwürde berührten, ohne Einhaltung der Vorgaben des § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG bzw des § 10 Abs 1 AVRAG erfolgt sei, noch keine oberstgerichtliche Rsp vorliege.144

Der OGH sah die Revision als zulässig, jedoch als nicht berechtigt an.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

1.1. § 1328a Abs 1 ABGB lautet:

Wer rechtswidrig und schuldhaft in die Privatsphäre eines Menschen eingreift oder Umstände aus der Privatsphäre eines Menschen offenbart oder verwertet, hat ihm den dadurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Bei erheblichen Verletzungen der Privatsphäre, etwa wenn Umstände daraus in einer Weise verwertet werden, die geeignet ist, den Menschen in der Öffentlichkeit bloßzustellen, umfasst der Ersatzanspruch auch eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung.

1.2. Diese mit dem Zivilrechts-Änderungsgesetz 2004 – ZivRÄG 2004 (BGBl I 2003/91) – in das ABGB eingefügte Bestimmung versteht sich als Ausführungsbestimmung zur Durchsetzung der in § 16 ABGB verankerten Persönlichkeitsrechte in ihrem Kernbereich der Würde des Einzelnen. Geschütztes Rechtsgut der Norm ist die Privatsphäre (4 Ob 51/12x Pkt 6.3.). Mit § 1328a ABGB wurde das Recht auf Wahrung der Privatsphäre, das sich bis dahin schon aus zahlreichen gesetzlichen Bestimmungen ableiten ließ, als eigenständiges Persönlichkeitsrecht ausdrücklich im ABGB verankert […]. Nach den Gesetzesmaterialien (RV 173 BlgNR 22. GP 1) wurde dem bislang nicht ausreichenden Schutz der Privatsphäre durch das Zivilrecht dadurch Rechnung getragen, dass dem Verletzten gegen erhebliche rechtswidrige Eingriffe in seine Privat- und Intimsphäre nun auch ein Anspruch auf immateriellen Schadenersatz gewährt wurde.

1.3. Unter den Begriff der Privatsphäre fällt der (höchst-)persönliche Lebensbereich eines Menschen, der nur einem eingeschränkten Personenkreis bekannt ist und üblicherweise nicht einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird […]. Einen Anhaltspunkt für die Auslegung des Begriffs ‚Privatsphäre‘ kann der verwandte Begriff des ‚Privatlebens‘ in Art 8 Abs 1 EMRK bieten […].

1.4. Die ‚persönlichen Rechte‘ sind absolute Rechte und genießen als solche Schutz gegen Eingriffe Dritter (RS0008999). Nach herrschender Auffassung sind auch im Arbeitsverhältnis die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer zu berücksichtigen. Dies ergibt sich insbesondere aus den §§ 16, 1157 ABGB und § 18 AngG (Grünanger, Videoüberwachung im Betrieb, ARD 6467/5/2015; vgl 9 ObA 109/06d; 9 ObA 95/08y; 9 ObA 82/15x).

2.1. Gemäß § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG bedarf die Einführung von Kontrollmaßnahmen und technischen Systemen zur Kontrolle der Arbeitnehmer durch den Betriebsinhaber, sofern diese Maßnahmen (Systeme) die Menschenwürde berühren, zu ihrer Rechtswirksamkeit der Zustimmung des Betriebsrats. Korrespondierend dazu normiert § 10 Abs 1 AVRAG, dass die Einführung und Verwendung von Kontrollmaßnahmen und technischen Systemen, welche die Menschenwürde berühren, unzulässig ist, es sei denn, diese Maßnahmen werden durch eine Betriebsvereinbarung iSd § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG geregelt oder erfolgen in Betrieben, in denen kein Betriebsrat eingerichtet ist, mit Zustimmung des Arbeitnehmers.

2.2. Unstrittig liegt hier für die Einführung und Verwendung des GPS-Ortungssystems in bestimmten Dienstfahrzeugen der Beklagten (so auch in jenem des Klägers) weder eine Betriebsvereinbarung noch eine Zustimmung des Klägers vor. Dies wäre aber […] erforderlich gewesen:

[…]

3.1. Bei Maßnahmen oder Systemen, die – wie hier – die objektive Eignung zur Kontrolle der Arbeitnehmer erfüllen, ist […] gemäß § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG bzw § 10 Abs 1 AVRAG […] zu prüfen, ob dadurch die Menschenwürde berührt ist. Zum unbestimmten Wert- und Rechtsbegriff ‚Menschenwürde‘ wurde bereits in der Entscheidung 9 ObA 109/06d (Fingerprint-Scanner) ausgeführt, dass er aus der Konkretisierung von Generalklauseln des Zivilrechts (insbesondere § 879 ABGB) bzw des Arbeitsrechts (insbesondere Fürsorgepflicht iSd § 18 AngG, § 1157 ABGB) gewonnen werden muss. Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang § 16 ABGB zu, wonach jeder Mensch über angeborene natürliche Rechte verfügt. […] Der Gesetzgeber will mit der Anknüpfung an die ‚Menschenwürde‘ in § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG erreichen, dass die freie Entfaltung der Persönlichkeit des Arbeitnehmers keinen übermäßigen Eingriffen ausgesetzt ist (9 ObA 23/15w Pkt 3. mwN). Auch die Privatsphäre eines Arbeitnehmers ist zu den von § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG geschützten Rechtsgütern zu zählen (9 ObA 23/15w Pkt 3. mwN).

3.2. Die Menschenwürde wird von einer Kontrollmaßnahme oder einem Kontrollsystem dann ‚berührt‘, wenn dadurch die vom Arbeitnehmer in den Betrieb miteingebrachte Privatsphäre kontrolliert wird. Von der Privatsphäre abgesehen, kann aber auch durch die Kontrollintensität der Arbeitsleistung und des arbeitsbezogenen Verhaltens des Arbeitnehmers eine Berührung der Menschenwürde bewirkt werden, und zwar vor allem dann, wenn diese Kontrolle in übersteigerter Intensität organisiert wird und jenes Maß überschreitet, das für Arbeitsverhältnisse dieser Art typisch und geboten ist (9 ObA 109/06d mwN; 9 ObA 23/15w Pkt 5.). Andererseits verlangt das ‚Berühren‘ der Menschenwürde keine solche Eingriffsdichte, die bereits als ‚Verletzung‘ anzusehen wäre. Durch § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG soll nach den Vorstellungen des Gesetzgebers vielmehr der schmale Grenzbereich zwischen den die Menschenwürde verletzenden (und damit ohnehin sittenwidrigen) Maßnahmen und den die Menschenwürde überhaupt nicht tangierenden Maßnahmen des Betriebsinhabers geregelt werden (9 ObA 23/15w Pkt 4.).

3.3. Die Beantwortung der Frage, ob die Menschenwürde durch eine Kontrollmaßnahme auch nur berührt wird, bedarf einer umfassenden Abwägung der wechselseitigen Interessen […]. […]145

Persönlichkeitsrechte dürfen nur so weit beschränkt werden, als dies durch ein legitimes Kontrollinteresse des Arbeitgebers geboten ist. Es ist das schonendste – noch zum Ziel führende – Mittel zu wählen (9 ObA 23/15w Pkt 8. mwN; vgl RS0116695).

3.4. Die Beklagte hat sich im erstinstanzlichen Verfahren ausschließlich darauf berufen, dass die hier vorzunehmende Interessenabwägung deshalb zu ihren Gunsten ausfallen müsste, weil das GPS-Ortungssystem einem effizienten Fuhrparkmanagement und dem Ressourceneinsatz diene. Dies ist nach den bindenden Feststellungen aber nicht der Fall. Soweit die Beklagte nun in ihrer Revision erstmals ihr Interesse an der Verwendung des GPS-Ortungssystems mit ihrem Recht als Eigentümerin, das Dienstfahrzeug während der Arbeitszeit des Klägers zu lokalisieren, begründet, verstößt sie gegen das Neuerungsverbot des § 504 Abs 2 ZPO. Damit ist der Beklagten aber der ihr obliegende Beweis (RS0120423), dass sie in Verfolgung eines berechtigten Interesses gehandelt habe und dass die gesetzte Maßnahme ihrer Art nach zur Zweckerreichung geeignet gewesen sei, nicht gelungen. Durch die Verwendung des GPS-Ortungssystems im Dienstfahrzeug des Klägers während dessen Arbeitszeit (und Freizeit) hat sie rechtswidrig und schuldhaft (vorsätzlich) in die Privatsphäre des Klägers, nämlich seinen höchstpersönlichen Lebensbereich, eingegriffen (§ 1328a ABGB Abs 1 1. Fall).

3.5. Ausgehend von diesen Überlegungen berührt die dauernde Ortungsmöglichkeit während der Arbeitszeit des Klägers jedenfalls die Menschenwürde […]. Solche Kontrollen des Arbeitgebers außerhalb der Dienstzeit sind jedenfalls unzulässig […].

4. Ein immaterieller Schadenersatzanspruch nach § 1328a ABGB steht dem Verletzten nur bei ‚erheblichen‘ Verletzungen der Privatsphäre zu. Die ‚Erheblichkeitsschwelle‘ ist eine allgemeine Schranke für Ansprüche auf Ersatz immaterieller Schäden bei Eingriffen in die Persönlichkeitsrechte. Bei Beurteilung der Erheblichkeit eines Eingriffs kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an: Je ‚privater‘ ein Umstand ist, in den eingegriffen oder der verwertet wird, je schwerwiegender das Verschulden des Störers ist und je gravierender die Folgen für den betroffenen Menschen sind, desto eher ist an immaterielle Schadenersatzansprüche zu denken (RV 173 BlgNR 22. GP 19). Entscheidend sind daher die Intensität und das Ausmaß der Verletzung (Reischauer in Rummel, ABGB3 § 1328a ABGB Rz 11). […] Auch beim Ersatz dieses ideellen Schadens steht der dem österreichischen Haftpflichtrecht immanente Ausgleichsgedanke im Vordergrund. Immaterieller Schadenersatz soll dann zugesprochen werden, wenn der Betroffene den Eingriff in seine Privatsphäre auch als solchen empfindet […]. Als Beispiel nennt das Gesetz für die Erheblichkeit des Eingriffs in die Privatsphäre die Verwertung von privaten Umständen in einer Weise, die geeignet ist, den Betroffenen in der Öffentlichkeit bloßzustellen. Dies wurde den Bestimmungen der § 7 Abs 1 MedienG und § 33 Abs 2 DSG 2000 in den damals gültigen Fassungen entnommen (RV 173 BlgNR 22. GP 19).

5. Das in der Revision hervorgehobene Argument, der Eingriff in die Privatsphäre des Klägers sei hier schon deshalb nicht erheblich gewesen, weil die Beklagte keine privaten Umstände des Klägers in einer Weise verwertet habe, die geeignet gewesen sei, den Kläger in der Öffentlichkeit bloßzustellen, greift zu kurz. Die Beklagte übergeht, dass sie an ihrer rechtswidrigen Kontrollmaßnahme festhielt, obwohl sich der Kläger mehrmals bei ihr über deren Vorgangsweise beschwerte und diese aufforderte, die Überwachung des Dienstfahrzeugs zu unterlassen. Die Beklagte nahm nicht von ihrer rechtswidrigen Vorgangsweise Abstand, was zu beträchtlichen Unannehmlichkeiten für den Kläger führte. Nach Lage des Falls kann nicht von einem unerheblichen Eingriff in Persönlichkeitsrechte ausgegangen werden. Vielmehr liegt eine erhebliche Verletzung der Privatsphäre des Klägers iSd § 1328a Abs 1 ABGB vor.

6. Damit erweist sich der Zuspruch eines Schadenersatzes iSd § 1328a ABGB an den Kläger als berechtigt.“

ERLÄUTERUNG

Zentrales Thema der vorliegenden E sind die Rechtsfolgen einer vom AG ohne notwendige BV bzw ohne Zustimmung des AN im betriebsratslosen Betrieb eingerichteten, die Menschenwürde berührenden (oder gar verletzenden) Kontrollmaßnahme. Während die Menschenwürde verletzende Maßnahmen ausnahmslos unzulässig sind, bedürfen Kontrollmaßnahmen, die die Menschenwürde des AN lediglich „berühren“, gem § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG der notwendigen Zustimmung des BR; diese Zustimmung, die in Form einer BV zu erfolgen hat, kann – anders als bei den in § 96a ArbVG angeführten Maßnahmen – auch nicht durch Entscheidung der Schlichtungsstelle ersetzt werden. Eine Ausnahme besteht gem § 10 Abs 1 AVRAG für betriebsratslose Betriebe; dort ist für die Einführung einer die Menschenwürde berührenden Kontrollmaßnahme die Zustimmung jedes einzelnen betroffenen AN erforderlich.

Die Bewertung der entscheidungsgegenständlichen Kontrollmaßnahme durch den OGH liegt völlig auf Linie der bisherigen Rsp zu § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG. Dass es sich bei dem seitens der Bekl in sämtliche Dienstfahrzeuge eingebauten GPS-Ortungssystem um eine systematische Überwachungsmöglichkeit der AN handelt, steht ebenso außer Zweifel wie die objektive Kontrolleignung der Maßnahme. Die Überwachung des AN in seiner Freizeit ist als die Menschenwürde verletzende Maßnahme jedenfalls unzulässig und könnte somit nicht einmal durch eine entsprechende Regelung in einer BV bzw durch individuelle Zustimmung der AN in betriebsratslosen Betrieben geheilt werden. Die dauernde Überwachung (nur) während der Arbeitszeit ist dagegen 146 aufgrund der hohen Kontrollintensität als eine die Menschenwürde zumindest berührende Maßnahme zu qualifizieren. Der OGH vertritt in stRsp die Ansicht, dass für die Beantwortung der Frage des Berührens der Menschenwürde eine Interessenabwägung durchzuführen ist und Zustimmungspflichtigkeit nur dann vorliegt, wenn nicht die Kontrollinteressen des AG gegenüber dem Interesse der AN an der Wahrung ihrer Persönlichkeitsrechte überwiegen. Selbst unter Zugrundelegung dieser in der Literatur durchaus kritisch reflektierten Einschränkung (vgl nur mwN Felten/Preiss in Gahleitner/Mosler, ArbVG5 § 96 Rz 54) kommt der OGH hier wenig überraschend zum Ergebnis, dass ein Überwiegen legitimer Kontrollinteressen des AG im gegebenen Fall nicht vorlag, da das gewählte Kontrollmittel im Hinblick auf das vorgebrachte Ziel (effizienter Ressourceneinsatz) überschießend war und dessen Einsatz deshalb aufgrund der übersteigerten Kontrollintensität jedenfalls der – im Anlassfall nicht vorliegenden – Zustimmung der einzelnen AN im betriebsratslosen Betrieb bedurft hätte.

Was sich nun im vorliegenden Fall ganz deutlich zeigt, ist die insb in betriebsratslosen Betrieben schwierige Rechtsdurchsetzung durch den einzelnen AN. Der Kl hat noch während des aufrechten Arbeitsverhältnisses, nachdem er Kenntnis von der umfangreichen Überwachung des Dienstfahrzeuges erlangt hat, gegen die Kontrollmaßnahme protestiert, allerdings ohne Erfolg. Nun wäre ihm zwar die Möglichkeit offen gestanden, auf Unterlassung bzw Beseitigung der Kontrollmaßnahme zu klagen; solange ein AN aber noch Interesse an der Aufrechterhaltung seines Arbeitsplatzes hat, wird er sich einen solchen Schritt gründlich überlegen, da sich ein Gerichtsstreit im Regelfall höchst nachteilig auf das Verhältnis zwischen den Arbeitsvertragsparteien auswirken wird. Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses müsste der AN darauf nicht mehr Rücksicht nehmen – dann aber stehen Unterlassungs- bzw Beseitigungsansprüche nicht mehr zur Verfügung. Vor diesem Hintergrund erscheint die nun erstmals vom OGH entschiedene Frage des Bestehens von immateriellen Schadenersatzansprüchen für eine rechtswidrige Überwachung von hoher praktischer Bedeutung.

Der OGH hatte dabei vor allem zu klären, ob die in § 1328a ABGB normierte Erheblichkeitsschwelle im gegebenen Fall überschritten war. Zur Klärung dieser Frage stellt der OGH zum einen auf Intensität und Ausmaß des Eingriffs in die Privatsphäre ab und rückt zum anderen den Ausgleichsgedanken des Haftpflichtrechts in den Mittelpunkt: Immaterieller Schadenersatz nach § 1328a ABGB setzt ua voraus, dass der Geschädigte den Eingriff in seine Privatsphäre auch als einen solchen empfindet. Vor diesem Hintergrund anerkennt der OGH im vorliegenden Fall insb angesichts des besonders weitreichenden Eingriffs in die Privatsphäre des Kl (durch das Kontrollieren auch der außerhalb der Dienstzeit liegenden Verwendung des Kfz) sowie des schwerwiegenden Verschuldens der Bekl, die trotz des wiederholten Protests des Kl nicht von der Kontrollmaßnahme abgelassen hat, das Vorliegen einer erheblichen Verletzung der Privatsphäre und den darauf gegründeten Anspruch des AN auf immateriellen Schadenersatz. Somit steht AN, die unzulässigen Kontrollmaßnahmen unterworfen waren, zumindest in gravierenden Fällen auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein rechtliches Instrument zur Verfügung, um die Rechtswidrigkeit der Kontrolle aufzugreifen und einen Ausgleich für die erlittene persönliche Beeinträchtigung geltend zu machen.