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Die Sicherung einer Diensterfindungsvergütung nach der Novellierung des § 3a Abs 1 IESG

JULIAHERLER (GRAZ)
  1. Bei einer Erfindungsvergütung nach § 8 Patentgesetz (PatG) handelt es sich um einen Teil des Arbeitsentgelts iSd § 1 Abs 2 Z 1 IESG.

  2. Mit der Novelle BGBl I 2017/123BGBl I 2017/123wurde § 3a IESG dahin abgeändert, dass die ansonsten unverändert gebliebenen Sicherungszeiträume nunmehr für alle Arten von Entgeltansprüchen gelten.

  3. Die Einschränkung auf „laufendes Entgelt“ wurde durch die Novelle ebenso eliminiert wie die vorher bestehende Differenzierung zwischen dem Entstehen des Anspruchs und seiner Fälligkeit. Es kommt nur noch darauf an, ob ein Entgeltanspruch aus dem Arbeitsverhältnis geltend gemacht wird und wann die Fälligkeit eintritt.

Der Kl war vom 1.3.2013 bis 31.1.2017 bei der späteren Schuldnerin als Angestellter beschäftigt. Der Kl hat während des aufrechten Dienstverhältnisses an einer Erfindung mitgewirkt und dadurch einen Anspruch auf Patentvergütung und Diensterfindungsvergütung erworben. Die Fälligkeit der Vergütung trat erst am 31.8.2017 ein, Zahlung erfolgte nicht.

Über das Vermögen der ehemaligen DG wurde am 26.1.2018 das Konkursverfahren eröffnet.

Die Klage richtet sich gegen den Bescheid der Bekl vom 14.1.2019, mit dem sie die Gewährung von Insolvenz-Entgelt für die Patent- und Diensterfindungsvergütung abgelehnt hatte. Die Bekl wandte ein, der Anspruch sei nicht gesichert, weil sein Fälligkeitsdatum außerhalb des in § 3a Abs 1 erster Satz IESG definierten Zeitraums gelegen sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Anspruch auf Patentvergütung und Erfindungsvergütung stelle einen aperiodischen Bestandteil des Arbeitsentgelts dar, dessen Sicherung im Insolvenzfall möglich sei, aber den zeitlichen Grenzen des § 3a Abs 1 IESG unterliege. [...] Im Anlassfall sei die zweite Alternative anzuwenden.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. [...] Die beiden unterschiedlichen Sicherungszeiträume seien nicht kumulativ anzuwenden. Es stehe auch mit dem auf einen Mindestschutz 354 beschränkten Regelungszweck im Einklang, dass bestimmte AN-Ansprüche aus der Sicherung herausgenommen und Grenzbeträge sowie Sicherungszeiträume eingeführt wurden. [...]

Rechtliche Beurteilung

Die von der Bekl beantwortete Revision des Kl ist zulässig [...]. Die Revision ist jedoch nicht berechtigt.

1. Nach § 8 PatG gebührt dem DN für die Überlassung einer von ihm gemachten Erfindung an den DG sowie für die Einräumung eines Benützungsrechts [...] grundsätzlich eine angemessene besondere Vergütung.

Wenn der DN ausdrücklich zur Erfindertätigkeit im Unternehmen des DG angestellt und auch tatsächlich damit vorwiegend beschäftigt ist und wenn die ihm obliegende Erfindertätigkeit zu der Erfindung geführt hat, so gebührt ihm nach § 8 Abs 2 PatG eine besondere Vergütung nur insoweit, als nicht schon in dem ihm auf Grund des Dienstverhältnisses im Hinblick auf seine Erfindertätigkeit zukommenden höheren Entgelt eine angemessene Vergütung für die Erfindung gelegen ist.

2. Bei der Bemessung eines Anspruchs auf Diensterfindungsvergütung ist gem § 9 PatG nach den Umständen des Falles insb

  1. auf die wirtschaftliche Bedeutung der Erfindung für das Unternehmen,

  2. auf eine sonst etwa erfolgte Verwertung der Erfindung im Inland oder Ausland,

  3. auf den Anteil, den Anregungen, Erfahrungen, Vorarbeiten oder Hilfsmittel des Unternehmens des DG oder dienstliche Weisungen an dem Zustandekommen der Erfindung gehabt haben,

Bedacht zu nehmen. [...]

3. Die Vorinstanzen sind im Einklang mit der stRsp davon ausgegangen, dass es sich bei einer Erfindungsvergütung nach § 8 PatG um einen Teil des Arbeitsentgelts iSd § 1 Abs 2 Z 1 IESG handelt (vgl RS0076555; 8 ObS 16/94).

Dieser Anspruch weist aber die Besonderheit auf, dass er von einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht berührt wird (RS0034035; RS0071291 [T2]) und daher nicht unter den engeren Begriff des „laufenden Entgelts“ iSd IESG fällt. Zum laufenden Entgelt werden jene zeitbezogenen Ansprüche des AN gezählt, die ihm für die Zurverfügungstellung seiner Arbeitskraft als Erfüllung des zweiseitigen Arbeitsvertrags zustehen (8 ObS 6/11g; 8 ObS 5/03ymwN; Liebeg, IESG3 § 1 Rz 346).

Bei der Diensterfindungsvergütung spielt das Synallagma zu den vom DN erbrachten Arbeitsleistungen für die Bemessung des Vergütungsanspruchs eine untergeordnete Rolle. Es kommt hier auf den wirtschaftlichen Wert und den schöpferischen Anteil des DN im Verhältnis zu anderen die Erfindung ermöglichenden Faktoren an [...].

4. Gem § 3a IESG idF BGBl I 123/2017BGBl I 123/2017[...] gebührt Insolvenz-Entgelt für das dem AN gebührende Entgelt einschließlich der gebührenden Sonderzahlungen, das in den letzten sechs Monaten vor dem Stichtag (§ 3 Abs 1 IESG) oder, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem Stichtag geendet hat, in den letzten sechs Monaten vor dessen arbeitsrechtlichem Ende fällig geworden ist.

Die Frist von sechs Monaten gilt nicht, soweit Ansprüche auf Entgelt binnen sechs Monaten nach ihrer Fälligkeit gerichtlich oder im Rahmen eines gesetzlich oder in Normen der kollektiven Rechtsgestaltung vorgesehenen Schlichtungsverfahrens oder eines Verfahrens vor der Gleichbehandlungskommission zulässigerweise geltend gemacht wurden und das diesbezügliche Verfahren gehörig fortgesetzt wird [...].

Mit der Novelle BGBl I 2017/123BGBl I 2017/123wurde § 3a IESG dahin abgeändert, dass die ansonsten unverändert gebliebenen Sicherungszeiträume nunmehr für alle Arten von Entgeltansprüchen gelten. Die Einschränkung auf „laufendes Entgelt“ wurde ebenso eliminiert wie die vorher bestehende Differenzierung zwischen dem Entstehen des Anspruchs und seiner Fälligkeit. Es kommt nur noch darauf an, ob ein Entgeltanspruch aus dem Arbeitsverhältnis geltend gemacht wird und wann die Fälligkeit eintritt.

Nach den Materialien (AB 1691 BlgNR 25. GP 2) sind von diesem Entgeltbegriff bewusst auch solche Ansprüche erfasst, die nur ausnahmsweise oder einmalig anfallen (vgl Gahleitner in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 3a IESG Rz 4).

5. Der Kl vertritt den Standpunkt, die Auslegung der Vorinstanzen entspreche nicht dem Willen des Gesetzgebers. Nach der Entstehungsgeschichte des § 3a IESG liege sein wesentlicher Regelungszweck darin, missbräuchlichen Inanspruchnahmen des Insolvenzfonds dadurch entgegenzuwirken, dass überlang ohne gerichtliche Geltendmachung stehengelassene Ansprüche von der Sicherung ausgeschlossen sein sollen.

Bei Entgeltansprüchen, die überhaupt erst nach der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig werden und innerhalb des davor liegenden Sechsmonatszeitraums gar nicht hätten geltend gemacht werden können, bestehe die dargelegte Gefahr nicht. Solche Ansprüche seien überhaupt nicht erfasst, sondern unterlägen dem Sechsmonatszeitraum nach dem ersten Halbsatz des § 3a Abs 1 IESG.

6. Diese Ausführungen vermögen nicht zu überzeugen. Die Interpretation des § 3a IESG idgF durch die Vorinstanzen entspricht seinem eindeutigen Wortlaut und dem in den Materialien zutage tretenden Intentionen.

Diese Änderung der Rechtslage führt dazu, dass die bestehende höchstgerichtliche Rsp, mit der die Sicherung einer erst nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses, aber vor dem Insolvenzstichtag fällig werdenden Erfindungsvergütung dem Grunde nach bejaht wurde (8 ObS 7/09a), nicht mehr aktuell ist. Die Entscheidung des Gesetzgebers, die Beschränkung des § 3a IESG nur auf laufendes Entgelt aufzugeben und seine Anwendung auf alle Entgeltarten zu erweitern, hat die Sicherung von Ansprüchen wie dem in Frage stehenden ausdrücklich beendet.

Diese Änderung der Rechtslage führt dazu, dass die bestehende höchstgerichtliche Rsp, mit der die Sicherung einer erst nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses, aber vor dem Insolvenzstichtag fällig werdenden Erfindungsvergütung dem Grunde nach bejaht wurde (8 ObS 7/09a), nicht mehr aktuell ist. Die Entscheidung des Gesetzgebers, die Beschränkung des § 3a IESG nur auf laufendes Entgelt aufzugeben und seine Anwendung auf alle Entgeltarten zu erweitern, hat die Sicherung von Ansprüchen wie dem in Frage stehenden ausdrücklich beendet.

7. Dieses Ergebnis steht [...] auch mit den wesentlichen Zielen der Entgeltsicherung im Einklang.

Zweck des IESG ist die Versicherung gegen die von den AN normalerweise nicht selbst abwendbare und absicherbare Gefahr des gänzlichen oder teilweisen Verlustes ihrer Entgeltansprüche, auf 355 die sie typischerweise zur Bestreitung des eigenen Lebensunterhalts sowie des Lebensunterhalts ihrer unterhaltsberechtigten Angehörigen angewiesen sind. In diesen geschützten Kernbereich fällt ein Anspruch wie der vorliegende nicht [...]. [...]

ANMERKUNG
1.
Einleitung und Rechtsfragen

Der OGH hatte sich im gegenständlichen Fall mit der Nicht-Gewährung von Insolvenz-Entgelt durch die IEF Service GmbH (Bekl) wegen einer Patent- und Diensterfindungsvergütung zu befassen. Die Vergütung des (früheren) AN (Kl) wurde erst sieben Monate nachdem das Arbeitsverhältnis beendet worden war fällig (31.8.2017). Dieser Zeitpunkt lag vor der Konkurseröffnung (26.1.2018) des ehemaligen AG. Das Höchstgericht hat sich erstmals mit der Auslegung des § 3a Abs 1 IESG idF BGB I 2017/123bzw mit der Frage, ob Entgeltansprüche gesichert sind, die zwar erst nach der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses aber innerhalb des sechsmonatigen Sicherungszeitraums (ausgehend vom Stichtag) fällig werden, auseinandergesetzt.

2.
Patent- und Diensterfindungsvergütungen als gesicherte Ansprüche iSd § 1 Abs 2 IESG?

Gem § 1 Abs 2 Z 1 IESG sind aufrechte, nicht verjährte [...] Entgeltansprüche – insb auf laufendes Entgelt und aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses – gesichert. Zu prüfen war zunächst, ob die Vergütung für eine Diensterfindung von § 1 Abs 2 leg cit erfasst und damit gesichert ist.

Eine solche Vergütung gebührt dem AN gem § 8 Abs 1 PatG für die Überlassung einer von ihm gemachten Erfindung an den DG sowie für die Einräumung eines Benützungsrechtes hinsichtlich einer solchen Erfindung. Ist der AN allerdings ausdrücklich zur Erfindertätigkeit angestellt, auch tatsächlich damit vorwiegend beschäftigt und hat die ihm obliegende Erfindertätigkeit zur Erfindung geführt, so gebührt ihm gem § 8 Abs 2 PatG eine besondere Vergütung nur insoweit, als nicht schon in dem ihm auf Grund des Dienstverhältnisses im Hinblick auf seine Erfindertätigkeit zukommenden höheren Entgelt eine angemessene Vergütung für die Erfindung gelegen ist. Unabhängig davon, ob der Anspruch des Kl auf § 8 Abs 1 oder Abs 2 PatG zurückzuführen ist (dies ergab sich aus den Urteilen nicht), ist iVm der Vergütung für eine Diensterfindung § 16 PatG zu beachten. Diese Bestimmung normiert, dass ua Ansprüche nach § 8 PatG durch die Auflösung des Dienstverhältnisses unberührt bleiben. Dh, dass der Anspruch auch nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses bestehen kann (K. Mayr in Neumayr/Reissner [Hrsg], ZellKomm3 § 16 PatG Rz 1 [Stand 1.1.2018, rdb.at]).

Vom Entgeltbegriff des § 1 Abs 2 Z 1 IESG ist nicht nur laufendes Entgelt und Entgelt aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses umfasst, sondern bspw auch ein einmaliges Entgelt für eine außergewöhnliche Leistung. Die Vergütung für Diensterfindungen ist daher unter den Entgeltbegriff des § 1 Abs 2 Z 1 zu subsumieren (OGH8 ObS 16/94

= ecolex 1995, 360; RIS-Justiz RS0076555; Gahleitner in Neumayr/Reissner [Hrsg], ZellKomm3 § 1 IESG Rz 41 [Stand 1.1.2018, rdb.at]; Reissner/Sundl in Nunner-Krautgasser/Reissner [Hrsg], Praxishandbuch Insolvenz und Arbeitsrecht2 [2019] 97; Liebeg, Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz3 [2007] § 1 Rz 520). Der Anspruch des Kl wäre somit grundsätzlich gesichert.

Die Besonderheit des gegenständlichen Sachverhalts liegt darin, dass der Anspruch zwar vor der Eröffnung des Konkursverfahrens, aber erst nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses fällig geworden ist. Der Umstand, dass eine Vergütung iSd § 8 PatG gem § 16 leg cit auch noch bestehen kann, wenn das Arbeitsverhältnis bereits beendet worden ist, ist in Zusammenschau mit den in § 3a IESG normierten Fristen bezüglich der gesicherten Entgeltansprüche genauer zu untersuchen.

Anzumerken ist, dass § 3b IESG im gegenständlichen Fall aufgrund der Novellierung des § 3a IESG nicht heranzuziehen war. Diese Bestimmung ist nur auf jene Ansprüche des AN anzuwenden, die nicht als Entgelt oder Sonderzahlung iSd § 3a IESG zu qualifizieren sind (Gahleitner in Neumayr/Reissner [Hrsg], ZellKomm3 § 3b IESG Rz 1 [Stand 1.1.2018, rdb.at]).

3.
Zur Novellierung des § 3a Abs 1 IESG

§ 3a IESG begrenzt die Entgeltsicherung innerhalb bestimmter Zeiträume vor bzw nach dem Stichtag (§ 3 Abs 1 IESG), da es wiederholt zu missbräuchlichen Inanspruchnahmen des Insolvenzentgeltfonds kam (Gahleitner in Neumayr/Reissner [Hrsg], ZellKomm3 § 3a IESG Rz 1 [Stand 1.1.2018, rdb.at]). Ursprünglich waren keine zeitlichen Grenzen betreffend die Sicherung jener Ansprüche des AN vorgesehen, die in der Zeit vor der Insolvenzeröffnung entstanden sind (ErläutRV 464 BlgNR 14. GP 8). Wenngleich sich deren Einführung aufgrund der missbräuchlichen Inanspruchnahmen des Fonds als notwendig erwiesen hat, ist auf die grundlegende Absicht des Gesetzgebers, Ansprüche, die bereits vor der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens entstanden sind, möglichst umfangreich sichern zu wollen, hinzuweisen. Die letzte Änderung erfuhr die gegenständliche Bestimmung durch das BGBl I 2017/123BGBl I 2017/123. Zum Zweck der Klarstellung wurde der Begriff des laufenden Entgelts in § 3a IESG beseitigt, wodurch ua die Abgrenzung zu § 3b IESG verdeutlicht, inhaltlich aber nicht verändert werden sollte (AB 1691 25. GP 2).

Die Novellierung des § 3a IESG geht allerdings über die beabsichtigte Klarstellung hinaus, da die Fristen nun nicht mehr nur auf laufendes Entgelt Anwendung finden, sondern darüber hinaus bspw auch iVm einmaligen Entgeltansprüchen, wie etwa der Vergütung für eine Diensterfindung (Sundl in Reissner [Hrsg], Arbeitsverhältnis und Insolvenz5 [2018] § 3a Rz 1; AB 1691 BlgNR 25. GP 2), zu beachten sind. Dies verdeutlicht auch der Sachverhalt, 356 der der gegenständlichen E des OGH zugrunde liegt. Vom Begriff des laufenden Entgelts iSd IESG sind sämtliche Arten von Entgelt umfasst, die im Rahmen des Arbeitsverhältnisses normalerweise zu leisten sind (Reissner in Reissner [Hrsg], Arbeitsverhältnis und Insolvenz5 § 1 Rz 269; Reissner/Sundl in Nunner-Krautgasser/Reissner [Hrsg], Praxishandbuch Insolvenz und Arbeitsrecht2 96 f). Ausschlaggebend für die Qualifikation als laufendes Entgelt ist ein Synallagma zur Arbeitsleistung (siehe hiezu allgemein RS0127035; Gahleitner in Neumayr/Reissner [Hrsg], ZellKomm3 § 1 IESG Rz 50 [Stand 1.1.2018, rdb.at]). Da der Anspruch auf die Vergütung der Diensterfindung – diese wird gem § 9 PatG vor allem am wirtschaftlichen Wert und der Bedeutung des DN-Beitrags im Vergleich zu den übrigen Faktoren, die maßgebend für die Erfindung gewesen sind, bemessen – durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht berührt wird und das Synallagma auch bei der Berechnung eine untergeordnete Rolle spielt, hat das Höchstgericht die Vergütung des Kl zwar als Entgelt, nicht aber als laufendes Entgelt iSd IESG qualifiziert.

Vor der Novellierung des § 3a Abs 1 IESG hätten iVm dem gegenständlichen Anspruch die Sicherungszeiträume des § 3b IESG herangezogen werden müssen (siehe hierzu: OGH 29.9.2009, 8 ObS 7/09a). § 3b IESG war auf alle Ansprüche anzuwenden, die nicht als „laufendes Entgelt“ (inklusive Sonderzahlungen) qualifiziert wurden (Gahleitner in Neumayr/Reissner [Hrsg], Zell- Komm2 § 3b IESG Rz 1 [Stand 1.9.2011, rdb.at]; vgl auch ErläutRV 737 BlgNR 20. GP 9). Obwohl der Begriff des laufenden Entgelts sehr weit zu verstehen bzw auszulegen ist (Reissner in Reissner [Hrsg], Arbeitsverhältnis und Insolvenz5 § 1 Rz 269 mwN auf die Rsp), verdeutlicht die gegenständliche E, dass nicht sämtliche Entgeltansprüche als laufendes Entgelt zu beurteilen sind. In diesem Zusammenhang ist vor allem der Umstand hervorzuheben, dass § 3b IESG die Sicherung von Ansprüchen aus der Zeit vor dem Stichtag, anders als § 3a Abs 1 leg cit (siehe hierzu unter 4.), nicht einschränkt (Sundl in Reissner [Hrsg], Arbeitsverhältnis und Insolvenz5 § 3b Rz 2).

4.
Die Sechsmonatsfrist des § 3a Abs 1 IESG

Aufgrund von § 3a Abs 1 IESG idgF gebührt Insolvenz-Entgelt für das dem AN gebührende Entgelt (einschließlich Sonderzahlungen), das in den letzten sechs Monaten vor dem Stichtag (§ 3 Abs 1) oder, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem Stichtag geendet hat, in den letzten sechs Monaten vor dessen arbeitsrechtlichem Ende fällig geworden ist.

Die Bestimmung differenziert somit hinsichtlich jener Entgeltansprüche, die innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Stichtag – das war im gegenständlichen Fall die Eröffnung des Konkursverfahrens – fällig geworden sind (1. Fall), und jenen, die innerhalb der letzten sechs Monate vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig geworden sind, wenn dieses vor dem Stichtag beendet worden ist (2. Fall). Alle drei Instanzen haben den Anspruch des Kl unter den zweiten Fall subsumiert.

Das Erstgericht ging davon aus, dass die gegenständliche Bestimmung klar und deutlich formuliert und eine berichtigende Auslegung weder möglich noch notwendig sei. Es entspreche dem Willen des historischen Gesetzgebers zwischen dem Stichtag und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu differenzieren. Das Landesgericht war (unter Verweis auf das OLG Graz [14.9.2017, 6 Rs 31/17a]) der Ansicht, dass im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor dem Stichtag der Anspruch, damit dieser gesichert ist, innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses fällig werden müsse. Auch das Berufungsgericht ging davon aus, dass die Ansicht des Kl, es sei unter Außerachtlassung des Beendigungszeitpunkts der erste Fall des § 3a Abs 1 IESG heranzuziehen, mit dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nicht vereinbar sei. Die Auffassung des Kl würde vielmehr dazu führen, dass es keine zeitlichen Grenzen für Ansprüche gebe, die erst nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses fällig werden. Die Möglichkeit, beide Fälle des § 3a Abs 1 IESG zu kombinieren, widerspreche nicht nur dem Gesetzeswortlaut, sondern auch dem Zweck der Regelung, gesicherte Ansprüche zeitlich und betragsmäßig zu limitieren. Der OGH schloss sich der Auffassung der Vorinstanzen an. Er ging (entgegen der in OGH 29.9.2009, 8 ObS 7/09a vertretenen Ansicht) davon aus, dass Ansprüche, die nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses, aber vor der Eröffnung des Konkursverfahrens fällig werden, überhaupt nicht gesichert seien. Die Novellierung des § 3a Abs 1 IESG durch das BGBl I 2017/123BGBl I 2017/123 habe die Sicherung von derartigen Ansprüchen beendet, was im Einklang mit den Zielen der Entgeltsicherung stehe. Zweck des IESG sei es, jene Entgeltansprüche der AN zu sichern, die typischerweise dem (eigenen) Lebensunterhalt (unterhaltsberechtigter Angehöriger) dienen (siehe auch die stRsp: RIS-Justiz RS0076409; RS0076384). Der Anspruch auf die Vergütung einer Diensterfindung sei vom geschützten Kernbereich nicht umfasst, da diesem kein Versorgungszweck innewohne und er abseits des arbeitsvertraglichen Synallagmas stehe. Dieser Standpunkt ist zunächst insb aus unionsrechtlicher Perspektive kritisch zu würdigen. Der RL der EU zum Schutz der AN bei Zahlungsunfähigkeit des AG (2008/94/EG) bzw ihren Erwägungsgründen ist eine derartige Einschränkung in Bezug auf den Anspruch als solchen nicht zu entnehmen. Zwar entspricht es der stRsp des OGH, das IESG bezwecke nur jene Ansprüche zu sichern, die dem Lebensunterhalt dienen, allerdings fordert die RL allgemein, die AN bei Zahlungsunfähigkeit des AG zu schützen und die Zahlung ihrer Ansprüche zu gewährleisten (Art 3 bzw Erwägungsgrund 3). Die Mitgliedstaaten sind zwar berechtigt, Grenzen betreffend die Anspruchssicherung festzulegen (Art 4 bzw Erwägungsgrund 7) und Regelungen zu erlassen, die der Vermeidung von Missbräuchen – diese wurden im gegenständlichen Verfahren weder behauptet noch festgestellt – dienen (Art 12). Aus der RL geht aber nicht hervor, dass durch die nationalen Bestimmungen nur jene Ansprüche geschützt werden sollen, die der Sicherung des Lebensunterhalts 357 dienen. Die existenzsichernde Funktion der Entgeltsicherung ist aus praktischer Perspektive unzweifelhaft eine bedeutsame Auswirkung des IESG. Sie kann aber nicht mit dessen alleinigem Zweck gleichgesetzt werden (M. Mayr, Der Zweck der Erwerbstätigkeit und die Sicherung durch das IESG, wbl 2012, 127 [128] bzw ders, Vorstandsmitglied der AG fällt nicht in den Schutzbereich des IESG, GesRZ 2014, 260 [263]).

Abgesehen von den europarechtlichen Aspekten ist die Absicht des Gesetzgebers, den zweiten Fall im § 3a Abs 1 IESG aufzunehmen, näher zu betrachten. Dieser hat durch das BGBl I 1999/73 Eingang in das Gesetz gefunden. Vor dieser Novelle hat § 3a Abs 1 IESG auf das dem AN für die regelmäßige Arbeitsleistung in der Normalarbeitszeit gebührende Entgelt einschließlich der gebührenden Sonderzahlungen, das vor mehr als sechs Monaten vor dem Stichtag (§ 3 Abs 1) fällig geworden ist, abgestellt. Einen eigenen Sicherungszeitraum für Ansprüche des AN, die vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses entstanden bzw fällig geworden sind, sah das Gesetz nicht vor. Grund für die Aufnahme des 2. Falls im § 3a Abs 1 IESG waren praktische Umstände: Wenn ein AN gerechtfertigt aus dem Arbeitsverhältnis aufgrund von Entgeltrückständen austrat, konnte die Situation eintreten, dass diese Entgeltansprüche nach wie vor offen, aber nicht gesichert waren, da sie vor der Sechsmonatsgrenze – gerechnet ab dem Stichtag – fällig geworden sind. Der Gesetzgeber beabsichtigte durch die am 1.4.1998 in Kraft getretene Novellierung offensichtlich eine Erweiterung des Zeitraums der Entgeltsicherung, da er verhindern wollte, dass derartige Ansprüche nicht gesichert sind (ErläutRV 1589 BlgNR 20. GP 21). Auf diese Erweiterung berief sich auch der Kl: Wird ein Anspruch erst nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses fällig, sei die Sicherung nach § 3a IESG idgF (1. Fall des Abs 1) gegeben, wenn der Anspruch innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Stichtag fällig wird. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass das „oder“ zwischen dem ersten und dem zweiten Fall erst durch das BGBl I 2000/142aufgenommen wurde. Davor stand zwischen den beiden Fällen ein „bzw.“. Warum es im Rahmen dieser Novellierung, die ua die Gleichbehandlung der Abgeltung von Zeitguthaben bzw Überstunden und laufendem Entgelt zum Gegenstand hatte (ErläutRV 311 BlgNR 21. GP 212), auch zu dieser Änderung gekommen ist, ergibt sich aus den Materialien nicht. Der Wortlaut des § 3a Abs 1 IESG alleine schließt aber nicht notwendigerweise aus, einen Anspruch, der erst nach dem Ende des Dienstverhältnisses fällig wird, unter den 1. Fall leg cit zu subsumieren. Dass ein derartiger Anspruch überhaupt nicht gesichert sein soll, widerspricht wohl auch dem Willen des Gesetzgebers, da dieser durch die Aufnahme des 2. Falls durch das BGBl I 1999/73schließlich eine Erweiterung des Sicherungszeitraumes bewirken wollte. Darüber hinaus sind auch die Intentionen des Gesetzgebers iZm der jüngsten Novellierung des § 3a IESG zu beachten. Durch die Eliminierung der irreführenden Beschränkung auf „laufendes Entgelt“ sollte nur eine Klarstellung in Bezug auf die Abgrenzung der §§ 3a und 3b IESG erfolgen. Wenngleich diese Änderung zu weiteren Konsequenzen in Bezug auf die Behandlung von sonstigen Entgeltansprüchen geführt hat, darf im Hinblick auf die klarstellenden Absichten des Gesetzgebers nicht unberücksichtigt bleiben, dass vor dieser Novelle auf den Anspruch des Kl die Grenzen des § 3b IESG anzuwenden gewesen wären. Diese Bestimmung schränkt die Sicherung von Ansprüchen aus der Zeit vor dem Stichtag, anders als § 3a Abs 1 IESG, nicht ein (siehe hiezu unter 3.). Dass es dem Willen des Gesetzgebers entspreche, einen Anspruch, der zwar erst nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses, aber innerhalb des gesicherten Zeitraums des § 3a Abs 1 1. Fall IESG fällig wird, nun überhaupt nicht (mehr) zu sichern, kann aus all dem nicht geschlossen werden.

Weiters ist zu bedenken, dass der Grenzbetrag des § 1 Abs 4 Z 2 IESG, der eine unkontrollierte Belastung des Insolvenz-Entgelt-Fonds verhindern soll, auf Vergütungen für Diensterfindungen heran zuziehen ist (OGH8 ObS 7/09ainfas 2010 A 25; Liebeg, Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz3 § 1 Rz 520).

Abschließend ist auch auf § 3a Abs 1 2. Satz IESG hinzuweisen. Folgt man der Auffassung der Gerichte und erachtet ausschließlich den 2. Fall als einschlägig, ist fraglich, wie die Rechtslage im Falle einer gerichtlichen oder dieser gleichgesetzten Geltendmachung zu beurteilen wäre. Der 2. Satz leg cit normiert nämlich, dass die Frist von sechs Monaten nicht gilt, soweit Ansprüche auf Entgelt binnen sechs Monaten nach ihrer Fälligkeit gerichtlich oder im Rahmen eines gesetzlich oder in Normen der kollektiven Rechtsgestaltung vorgesehenen Schlichtungsverfahrens oder eines Verfahrens vor der Gleichbehandlungskommission zulässigerweise geltend gemacht wurden und das diesbezügliche Verfahren gehörig fortgesetzt wird [...]. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass ein Anspruch, wie jener des Kl, vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mangels Fälligkeit nicht hätte geltend gemacht werden können.

Das Berufungsgericht ist auf die Konsequenzen einer gerichtlichen Geltendmachung nicht näher eingegangen, da sich keine der Parteien darauf berufen hat. Die erste Instanz ist – wiederum unter Verweis auf OLG Graz 14.9.2017, 6 Rs 31/17a – davon ausgegangen, dass aufgrund einer entsprechenden Geltendmachung die Sechsmonatsfrist nur für jene Ansprüche nicht anzuwenden sei, die vor den Fristen des Abs 1 fällig werden. In Bezug auf Ansprüche, die erst nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses fällig werden, könne der Sicherungszeitraum nicht erweitert werden. Gahleitner (in Neumayr/Reissner [Hrsg], ZellKomm3 § 3a IESG Rz 2 [Stand 1.1.2018, rdb.at]) äußert sich dahingehend, dass Ansprüche, die vor der Sechsmonatsfrist fällig werden, nur gesichert seien, wenn diese innerhalb von sechs Monaten nach ihrer Fälligkeit gerichtlich oder in einem in § 3a Abs 1 IESG genannten Verfahren geltend gemacht werden. Daraus ist nicht notwendigerweise zu schließen, dass für Ansprüche, die erst nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses fällig werden, der Sicherungszeitraum nicht 358erweitert werden kann. Vielmehr geht sie in ihren Ausführungen auf Ansprüche, deren Fälligkeit erst nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eintritt, nicht ein. Wie das Höchstgericht § 3a Abs 1 2. Satz IESG bezüglich jener Ansprüche interpretiert, die erst nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses fällig werden, aber innerhalb von sechs Monaten gerichtlich bzw in einem in § 3a Abs 1 IESG genannten Verfahren geltend gemacht werden, bleibt abzuwarten.

5.
Fazit

Einig ist sich die hA, dass ein Anspruch auf die Vergütung einer Diensterfindung vom Entgeltbegriff des § 1 Abs 2 IESG erfasst und somit grundsätzlich gesichert ist. Abgesehen vom Grenzbetrag des § 1 Abs 4 Z 2 IESG sind seit dem BGBl I 2017/123BGBl I 2017/123bei allen gesicherten Entgeltansprüchen, wenn sie vor der Eröffnung des Konkursverfahrens fällig werden, die Fristen des § 3a Abs 1 IESG zu beachten. Nach Ansicht der Rsp ist im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor dem Stichtag zwingend der 2. Fall dieser Bestimmung unabhängig davon, ob der Anspruch erst nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses fällig wird, heranzuziehen, was dazu führt, dass solche Ansprüche nicht gesichert sind. Dies soll auch dann zutreffen, wenn die Fälligkeit innerhalb der sechsmonatigen Frist des 1. Falls eintritt. Da aus dem Wortlaut der Bestimmung nicht zwingend abzuleiten ist, dass für derartige Ansprüche keine Sicherung besteht, hätte, abgesehen von der unionsrechtlichen Zielsetzung der Insolvenzentgeltsicherung, bei der Beurteilung des gegenständlichen Sachverhalts insb die Intention des Gesetzgebers, durch das BGBl I 1999/73eine Erweiterung des Zeitraums, in dem Ansprüche gesichert sind (ErläutRV 1589 BlgNR 20. GP 21), bewirken zu wollen, Berücksichtigung finden müssen. Im Ergebnis gibt es daher gewichtige Gründe, die für eine abweichende Interpretation des § 3a Abs 1 IESG bezüglich jener Ansprüche sprechen, die erst nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses aber vor der Konkurseröffnung fällig werden.