Kietaibl/Resch (Hrsg)Aktuelle Neuerungen im Arbeitsrecht – Gleichstellung Arbeiter und Angestellte und Datenschutz NEU

Verlag des ÖGB, Wien 2019, 96 Seiten, kartoniert, € 24,90

MONIKADRS (WIEN)

Der vorliegende Band basiert auf den im Juni 2018 – im Rahmen des vom Institut für Rechtswissenschaften der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt und von der AK Kärnten veranstalteten 40. Praktikerseminars – gehaltenen Vorträgen von Nora Melzer-Azodanloo, Lisa Mayer und Thomas Riesenecker-Caba.

Das Buch bietet eine gelungene Darstellung und Analyse der im Nationalratswahlkampf 2017 aufgrund eines Initiativantrags von SPÖ, FPÖ und Grünen verabschiedeten Neuregelungen zur weiteren Angleichung der Regelungen für Arbeiter und Angestellte (BGBl I 2017/153BGBl I 2017/153) in Bezug auf die Entgeltfortzahlungsbestimmungen bei Dienstverhinderung durch Krankheit oder andere wichtige, die Person des AN betreffende Gründe und die Kündigungsfristen einerseits und zu den durch die Datenschutzgrundverordnung in Österreich eintretenden Neuerungen andererseits. Gleich vorweg sei erwähnt, dass durch die Novelle die Unterschiede zwischen Arbeitern und Angestellten zB in Bezug auf die Sonderzahlungen, die Entlassungs- bzw Austrittsgründe, aber auch in Bezug auf die Fälligkeit des Entgelts nicht beseitigt wurden, obwohl letztere für die Arbeiter sogar durch die Streichung der alten Bestimmung der GewO 1859 (§ 77) de facto neu geregelt wurde (für sie gilt ab 2021 die subsidiär heranzuziehende, aber unverändert gebliebene Bestimmung des § 1154 ABGB).

Im ersten Beitrag mit dem Titel „Neuerungen bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall“ werden von Nora Melzer-Azodanloo die neuen Entgeltfortzahlungsbestimmungen im AngG für den Fall einer Dienstverhinderung durch Krankheit, Unglücksfall, Arbeitsunfall oder Berufskrankheit und die gleichzeitig im EFZG eingeführten Änderungen beleuchtet. Dabei geht es vor allem um die weitgehende Übernahme der bisher im EFZG normierten Entgeltfortzahlungsbestimmungen in das AngG (dh Übernahme des Arbeitsjahres als Bezugszeitraum, Wegfall des zusätzlichen Entgeltfortzahlungstopfs für Wiedererkrankungen, gesonderter Entgeltfortzahlungstopf bei Dienstverhinderungen durch Arbeitsunfall und Berufskrankheit und das pro Anlassfall) und die gleichzeitig für alle AN eingeführte Erhöhung des Entgeltfortzahlungsanspruches nach einem statt wie bisher erst nach fünf Jahren. Darüber hinaus werden in diesem Beitrag auch folgende Themen behandelt: die Neuregelung der Entgeltfortzahlungsbestimmungen für Lehrlinge (§ 17a BAG), die Inkrafttretens- und Übergangsbestimmungen (weshalb die Neuregelungen für einzelne AN – je nach Beginn des Arbeitsjahres – noch bis 30.6.2019 gegolten haben), die nun auch im AngG (§ 8 Abs 9) vorgesehene Möglichkeit einer Umstellung vom Arbeitsjahr auf das Kalenderjahr, aber abweichend vom Titel des Beitrages auch die Neuerungen zum Entgeltfortzahlungsanspruch anlässlich einer Dienstverhinderung aufgrund anderer wichtiger, die Person des AN betreffender Gründe. Nicht erwähnt wird hingegen die Neuregelung in Bezug auf den Entgeltfortzahlungsanspruch bei einvernehmlicher Lösung des Arbeitsverhältnisses während bzw im Hinblick auf eine Dienstverhinderung durch Krankheit, Unglücksfall, Arbeitsunfall oder Berufskrankheit (§ 9 AngG, § 5 EFZG), die aber auch keine Angleichung der Rechte der Arbeiter und Angestellten gebracht hat.

Melzer-Azodanloo weist in ihrem Beitrag zu Recht darauf hin, dass sich die Neuregelung vor allem bei psychischen Erkrankungen, wie zB Burn-out, zum Nachteil der Angestellten auswirken kann, da diese nicht als Berufskrankheiten anerkannt sind und daher die „Begünstigung für Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten nicht greift und der Entgeltfortzahlungsanspruch für wiederholte Dienstverhinderungen durch „normale“ Krankheiten gekürzt wurde. Umgekehrt weist Melzer-Azodanloo397 zutreffend darauf hin, dass es im Anlassfall aufgrund des „Arbeitsjahrprinzips“ zu einer Verlängerung des Entgeltfortzahlungsanspruches kommen kann, da nun bei entsprechender Lage des Krankenstandes – wie nach dem EFZG schon bisher – ein durchgehender Bezug des Krankenentgelts für das alte und neue Arbeitsjahr möglich ist. Ein zwischenzeitiger Wiederantritt des Dienstes ist nach der Neuregelung nicht mehr erforderlich, wobei Melzer-Azodanloo auch hervorhebt, dass nun bereits ab dem zweiten Dienstjahr ein erhöhter Entgeltfortzahlungsanspruch zusteht.

Zu hinterfragen ist mE, ob es sich bei der getrennten Betrachtung der Dienstverhinderung durch Arbeitsunfall bzw Berufskrankheit in der Regel tatsächlich um eine „Privilegierung“ handelt. Dies trifft nur dann zu, wenn der AN in einem Jahr mehrfach an der Arbeitsleistung verhindert sein sollte und davon mindestens einmal an einem Arbeitsunfall bzw einer Berufskrankheit. In allen anderen Fällen kann der AN von der „Privilegierung“ nicht profitieren. Bei einer Dienstverhinderung durch Arbeitsunfall gebührt dem Angestellten in Zukunft uU weniger Entgeltfortzahlung als nach der Altregelung, da der Entgeltfortzahlungstopf für diese Dienstverhinderung nur acht bzw zehn Wochen volle (beim „normalen“ Krankenstand sechs, acht, zehn oder sogar zwölf Wochen) und – im Gegensatz zum „normalen“ Krankenstand – keinen weiteren Entgeltfortzahlungsanspruch für vier Wochen in halber Höhe vorsieht. Dh Angestellte, die zB im zwölften Dienstjahr einen Arbeitsunfall erleiden, gebührt nur ein Entgeltfortzahlungsanspruch von acht Wochen voll (§ 8 Abs 2a AngG), während ihnen bei einem „normalen“ Krankenstand acht Wochen volle und vier Wochen halbe Entgeltfortzahlung (§ 8 Abs 1 AngG) zustehen würde und bei einem Arbeitsunfall im 26. Dienstjahr zehn Wochen volle Entgeltfortzahlung statt zwölf Wochen volle und vier Wochen halbe Entgeltfortzahlung bei „normalen“ Krankenstand.

Bedenken bestehen mE an den Ausführungen Melzer-Azodanloos in Bezug auf den Etappensprung bei Umstellung vom Arbeitsjahr auf das Kalenderjahr: § 8 Abs 9 lit b AngG lässt den höheren Entgeltfortzahlungsanspruch (erst) in dem Kalenderjahr entstehen, „in das das überwiegende Arbeitsjahr fällt“. Melzer-Azodanloo stellt dabei auf den 1.7. ab; ihres Erachtens gebührt AN, die am 1.7. eingetreten sind, der höhere Anspruch erst im folgenden Kalenderjahr. Wie ich aber bereits zur insoweit gleichlautenden Bestimmung des UrlG dargelegt habe (Drs, Urlaubsrecht11 [2019] § 2 Rz 211), sieht das Gesetz keine Regelung für den Fall vor, dass der AN genau in der Mitte des Urlaubsjahres das neue Dienstjahr erreicht. Außerdem ist zu beachten, dass der Gesetzgeber nicht auf das erste bzw zweite Halbjahr abgestellt hat, sondern auf das „Kalenderjahr ..., in das der überwiegende Teil des Arbeitsjahres fällt“. Der Zeitraum Jänner bis Juni umfasst aber aufgrund der wechselnden Anzahl an Tagen pro Monat weniger Tage (181/182) als der Zeitraum Juli bis Dezember (184). Bei Beginn des Arbeitsjahres mit 1.7. liegt also der überwiegende Teil des Arbeitsjahres im alten Kalenderjahr, weshalb der erhöhte Anspruch mE bereits im früheren Kalenderjahr gebührt. Darüber hinaus ist mE aber Graf-Schimek (in Reissner/Neumayr [Hrsg], ZellHB BV [2014] Rz 39.37) zuzustimmen, dass auch die Hälfte des Arbeitsjahres ausreichen wird, was mE aber nicht mit sechs Monaten gleichzusetzen ist, sondern in Schaltjahren (= 366 Kalendertage) mit 183 Kalendertagen (in diesem Sinn auch Gerhartl, Urlaubsrecht § 2 Rz 229).

Offen bleibt in diesem Zusammenhang mangels Berechnungsbeispiel, ob Melzer-Azodanloo bei der Umstellung vom Arbeitsjahr auf das Kalenderjahr bei der Berechnung des Entgeltfortzahlungsanspruches für den Umstellungszeitraum, dh bei der Berechnung des aliquoten Anspruchs des Rumpfarbeitsjahres, von einer Berechnung in Kalendertagen oder in Arbeitstagen ausgeht. Bisher entsprach es hM, dass nach dem AngG eine Umrechnung in Arbeitstagen nicht in Frage kommt, während die Umrechnung des Entgeltfortzahlungsanspruches des EFZG auf Arbeitstage der hM entspricht (siehe Drs in Reissner/Neumayr [Hrsg], ZellKomm3 [2018] § 8 AngG Rz 88). Gleichzeitig stellt sich aber auch die Frage, was mit Teilen von Tagen zu passieren hat. Sind diese aufzurunden oder doch nur kaufmännisch zu runden?

Zutreffend weist Melzer-Azodanloo in ihrem Resümee darauf hin, dass mit dieser Novelle ein weiterer Schritt in Richtung Angleichung Arbeiter und Angestellte vollzogen wurde, dass aber selbst im gesetzlich normierten Entgeltfortzahlungsrecht noch diverse Unterschiede zB bei der ärztlichen Bestätigung und der Anrechnung der Vordienstzeiten bestehen, aber auch bei der Bemessung des Entgeltfortzahlungsanspruchs, wobei letzterer vor allem auf der Auslegung der insoweit sehr kurz gehaltenen Bestimmungen des AngG beruht. Es wäre daher wünschenswert gewesen, wenn man diese Novelle gründlicher vorbereitet und auch all diese Unterschiede beseitigt hätte.

Der zweite Beitrag mit dem Titel „Aktuelle Neuerungen bei den Kündigungsfristen und im BAG“ stammt von Lisa Mayer. Ihr Artikel behandelt zunächst die mit 2021 wirksam werdende Anhebung der Kündigungsfristen für Arbeiter auf das Niveau der Angestellten, indem die alte dispositive Regelung der GewO 1859 (§ 77) aufgehoben wurde und die des AngG – im Gegensatz zum Entgeltfortzahlungsrecht – vollständig in die des ABGB übernommen wurde, wodurch nun für Arbeiter und Angestellte dieselben Kündigungsfristen gelten, soweit nicht Sondergesetze etwas Anderes vorsehen. Eine Ausnahme gilt nur für Branchen, in denen Saisonbetriebe überwiegen; dort wurden die Kollektivvertragsparteien ermächtigt, vom ABGB (nicht aber vom AngG) abweichende Regelungen auch zu Lasten der AN vorzusehen. Auf diese Ermächtigung wird in einem eigenen Kapitel 6 genauer eingegangen.

Mayer weist gleich zu Beginn auf die Gleichheitswidrigkeit unterschiedlicher Kündigungsfristen für Arbeiter und Angestellte hin, was in Deutschland bereits 1990 vom Bundesverfassungsgericht judiziert wurde und dort bereits Anfang der 1990er-Jahre zu gleich langen Kündigungsfristen für Arbeiter und Angestellte geführt hat. Mayer kommt dann zutreffend zu dem Ergebnis, dass auch für die neu geschaffene Ungleichbehandlung von Arbeitern und Angestellten in Bezug auf Branchen, in denen Saisonbetriebe überwiegen, kein sachlicher Grund besteht. Darüber hinaus führt sie überzeugend aus, dass die zur vergleichbaren Ermächtigung der Kollektivvertragsparteien im AZG (§ 19d Abs 3f AZG) ergangene Rsp auch auf die vorliegende Regelung übertragen werden kann, weshalb ihres Erachtens bei Inkrafttreten der Novelle bereits bestehende Kollektivvertragsbestimmungen als abweichende Regelungen iSd Neuregelung anzusehen sind. 398

Mayer stellt in ihrem Beitrag zunächst die alte Rechtslage dar, bevor sie auf die Neuerungen eingeht, was in Bezug auf die weiter bestehenden Regelungen des AngG Sinn macht, die durch die Novelle ins ABGB übernommen wurden. Dabei geht sie ua auch auf die schon jetzt bestehende Änderungsmöglichkeit in Bezug auf Kündigungsfrist und Kündigungstermin (zu Gunsten, aber auch zu Lasten der AN) ein. Leider wird in diesem Zusammenhang nicht auch auf die Kombinationsmöglichkeit Kündigungsfrist und Kündigungstermin Bezug genommen. Es stellt sich nämlich die Frage, ob zB für eine AN-Kündigung eine weitergehende Beschränkung der Kündigungstermine als im Gesetz vorgesehen zulässig ist, wenn im Gegenzug dafür eine für den AN günstige Kündigungsfrist vereinbart wird, insb wenn man bedenkt, dass der Gesetzgeber eine vertragliche Verlängerung der Kündigungsfrist auf bis zu sechs Monate für zulässig erachtet.

Mayer beschäftigt sich in ihrem Beitrag auch mit den Auswirkungen der gesetzlichen Neuregelung auf freie DN: Sie übernimmt diesbezüglich – ohne überzeugende Argumente – die bereits von Gleißner/Köck (ZAS 2017, 337) geäußerte Ansicht, wonach die vom AngG übernommene, dem Schutz des sozial schwächeren AN dienende und nun ins ABGB übernommene Regelung auf freie DN nicht anwendbar ist und spricht sich für freie DN in Zukunft für die Heranziehung einer bloß „angemessenen Frist“ aus, ohne aber Auskunft darüber zu geben, wie die aussehen soll.

Ein eigenes Kapitel 5 ist den Auswirkungen der Neuregelungen auf bestehende Vereinbarungen gewidmet. Mayer kommt zu dem Ergebnis, dass alte ungünstigere Vereinbarungen in KollV, BV oder Einzelvertrag durch die neuen einseitig zwingenden Bestimmungen nur verdrängt werden (dh keine Teilnichtigkeit). Fraglich ist mE der Verweis auf die E des OGH9 ObA 145/92 (

, 135 ff [Eichinger]
) zur Begründung der These, dass in den Günstigkeitsvergleich entgegen der von ihr zitierten Stellungnahme von Reissner (vgl zB in Reissner/Neumayr [Hrsg], ZellKomm3 § 20 AngG Rz 54) nicht nur Kündigungsfrist und Kündigungstermin des AG einerseits bzw des AN anderseits als Einheit zu betrachten sind, sondern gleichzeitig beide Seiten in den Günstigkeitsvergleich einzubeziehen sind. Die angesprochene E erging zur Regelung des ABGB alt, es galt also das Fristengleichheitsgebot, weshalb schon aus diesem Grund die beiden Fristen nicht isoliert betrachtet werden konnten. Diese Entscheidung kann daher mE nicht zur Auslegung der Regelung des AngG bzw des ABGB neu herangezogen werden.

Abschließend geht Mayer noch auf die Neuregelungen im BAG ein: insb die neue Entgeltfortzahlungsbestimmung bei Dienstverhinderung durch Krankheit (wobei sie weitgehend nur auf den ersten Beitrag von Melzer-Azodanloo verweist) und die Neuregelung in Bezug auf die Tragung der Internatskosten bei Lehrlingen, inklusive der gleichzeitig normierten Rückerstattungsmöglichkeit.

Der dritte Beitrag mit dem Titel „Neuerungen durch die Datenschutzgrundverordnung“ stammt von Thomas Riesenecker-Caba. In seinem Beitrag werden die wichtigsten Änderungen anlässlich der DS-GVO und des österreichischen DSG dargestellt, wobei der Autor gleich zu Beginn auf die von der EU-Kommission bereits geäußerten Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit mit der DS-GVO hinweist. Riesenecker-Caba geht vor allem auf die durch die DS-GVO geänderten Begriffe ein, auf die Frage, was personenbezogene Daten sein können (ua mit dem Hinweis, dass auch auf den ersten Blick anonymisierte Online-Befragungen zu personenbezogenen Daten führen können) und welche Daten besonders schutzwürdig sind (in Zukunft auch genetische und biometrische Daten), die Grundsätze bei der Verarbeitung personenbezogener Daten (wie zB Rechtmäßigkeit, Transparenz, Zweckbindung, Datenminimierung, Richtigkeit und Speicherbegrenzung), die Betroffenenrechte (neben dem Recht auf Auskunft, Richtigstellung oder Löschung vor allem auch zu Form und Sprache der Information, wie zB das Erfordernis, in klarer und einfacher Sprache zu informieren), das vom Verantwortlichen und damit auch vom AG, aber auch vom Auftragsverarbeiter zu führende Verzeichnis aller Verarbeitungstätigkeiten, die Sicherheit der Verarbeitung (inklusive der Informationspflichten bei Datenschutzverletzungen), das neue Instrument der Datenschutz-Folgeabschätzung für besonders risikoreiche Verarbeitungen – inklusive der geplanten Maßnahmen zur Eindämmung des Risikos, die zum Teil bestehende Verpflichtung der Benennung eines Datenschutzbeauftragten und zuletzt noch auf die Datenverarbeitung im Beschäftigungskontext, insb auf die Frage, ob ein eingesetztes IT-System, das personenbezogene Daten verarbeitet, einer BV bedarf.

Abschließend ist festzuhalten, dass dieses Werk einen guten Überblick über die wichtigsten Änderungen zu den oben genannten Bereichen bietet, wobei es den AutorInnen sehr gut gelungen ist, auf die wesentlichen Fragen in leicht verständlicher Art und Weise einzugehen.