Dobreva/Hack-Leoni/Holenstein/Koller/Nedi (Hrsg)Neue Arbeitsformen und ihre Herausforderungen im Arbeits- und Sozialversicherungsrecht – Dokumentation der 8. Assistentinnen- und Assistententagung

Nomos Verlag, Baden-Baden 2018, 211 Seiten, broschiert, € 49,–

MARTINRISAK (WIEN)

Die arbeits- und sozialrechtlichen AssistentInnen an Universitäten in Österreich, Deutschland und der Schweiz halten an wechselnden Orten jährlich eine Tagung ab, die sich mittlerweile bestens etabliert hat und die jedes Mal wieder eindrucksvoll beweist, von welch hoher Qualität die Arbeit des wissenschaftlichen Nachwuchses ist. Es ist immer eine Freude, die Tagungsbände zu lesen, die Jahr für Jahr einen sehr interessanten und anregenden Querschnitt durch ein aktuelles Thema bieten. So auch jener der achten AssistentInnentagung, die im Juli 2018 in Zürich – und damit erstmals in der Schweiz – unter dem Generalthema „Neue Arbeitsformen und ihre Herausforderungen im Arbeits- und Sozialversicherungsrecht“ stattfand. Die zehn Beiträge behandeln in diesem Rahmen so gut wie alles, was derzeit als arbeitsrechtliches hot topic gilt: arbeitnehmerInnenähnliche Personen (Dullinger, Holler), Kryptowährungen (Tölle), Telearbeit und mobiles Arbeiten (Haidn, Kuhn, Chandna-Hoppe), Plattformarbeit (Meier, Gärtner, Holler), Null-Stunden-Verträge (Böttcher) und, ein wenig überraschend als „neue Arbeitsform“, die Sexarbeit (Krömer). Bei letzterer weist die Autorin freilich darauf hin, dass es sich um keine solche handelt, dass es aber neu sei, dass die Erbringung sexueller Dienstleistungen zunehmend als mögliche legale Form der Dienstleistung erfasst wird. So spielen neben den allgegenwärtigen technischen Entwicklungen auch geänderte Moralvorstellungen eine wesentliche Rolle beim Entstehen neuer Arbeitsformen.

In der Regel behandeln die Beiträge das Problem vor dem Hintergrund einer konkreten Arbeitsrechtsordnung (Österreich, Deutschland, Schweiz), nur ein Beitrag (Dullinger zur arbeitnehmerInnenähnlichen Person) ist genuin europarechtlich. Das tut aber dem Nutzen und der Lesbarkeit keinen Abbruch, da die Probleme in der Regel in Österreich ähnlich gelagert sind und aus ausländischen Rechtsordnungen immer gute Anregungen übernommen werden können: So zB aus dem Beitrag zur Bezahlung von AN durch Kryptowährungen, die wegen der mangelnden Verbreitung nicht als Geldlohn angesehen werden können und als Sachbezug bzw Naturalentgelt beurteilt und am (deutschen bzw schweizerischen) Truckverbot geprüft werden. Das ist nachvollziehbar und wird auch in Österreich so vertreten (vgl mit knapper Begründung Hanzl/Geißler, „Alles Blockchain“ – Arbeitsrecht 4.0, Kryptogehälter, ecolex 2018, 690). Auch der Beitrag zu den Null-Stunden-Verträgen (Böttcher) ist sehr aufschlussreich, leider wird (noch) nicht auf die RL (EU) 2019/1152 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen eingegangen, die in Art 10 entsprechende Regelungen enthält und deren Entwurf von der Europäischen Kommission im Dezember 2017 vorgelegt wurde. Die in dem Beitrag vor dem Hintergrund des deutschen Rechts entwickelte und der vom OGH in der Peek & Cloppenburg-E (22.12.2004, 8 ObA 116/04y)ähnlichen Lösung ist hingegen überzeugend argumentiert. Danach soll das durchschnittliche Arbeitsvolumen als konkludent vereinbart gelten und Basis für die Arbeitsverpflichtung und insb auch für die Entgeltpflicht sein. Sehr klar wird hier auch der Unterschied zwischen dem Null-Stunden-Vertrag mit und ohne Ablehnungsrecht herausgearbeitet und bei ersterem von einem Rahmenvertrag und einzelnen befristeten Arbeitsverhältnissen ausgegangen (so auch für die österreichische Rechtslage Risak, Möglichkeiten der Arbeitszeit-Flexibilität für ArbeitgeberInnen – die österreichische Perspektive auf Zero-Hours-Verträge, in Tomandl/Risak, Wie bewältigt das Recht Moderne Formen von Arbeit? [2016] 60). Im Beitrag zu Uber-FahrerInnen nach schweizerischem Recht (Meier 76 f) wird diese Differenzierung nicht vorgenommen und wegen der mangelnden generellen 406 Arbeitspflicht das Vorliegen eines Arbeitsvertrages abgelehnt. Ob aber einzelne befristete Arbeitsverträge für einzelne Fahrten bzw einen „Arbeitstag“ ab dem Aufdrehen der App vorliegen, wird hingegen mE nicht ausreichend geprüft. Interessant ist der Beitrag von Meier dennoch, da er an diesem Beispiel einen sehr guten Einstieg in die Problematik der arbeitnehmerInnenähnlichen Person in der Schweiz bietet, wo – anders als in Deutschland und in Österreich – keine explizite Erstreckung einzelner arbeitsrechtlicher Normen auf diese Personengruppe erfolgte.

Ebenfalls von großem Interesse aus österreichischer Perspektive sind die Beiträge zum home office (Kuhn) und zum mobilen Arbeiten (Chandna-Hoppe) nach deutschem Recht. Hier besteht der wesentliche Unterschied zur österreichischen Rechtslage darin, dass die deutsche Arbeitsstättenverordnung ausdrücklich auf Teleheimarbeitsplätze Bezug nimmt. Dafür ist aber erforderlich, dass „die benötigte Ausstattung des Telearbeitsplatzes mit Mobiliar, Arbeitsmitteln einschließlich der Kommunikationseinrichtungen durch den Arbeitgeber oder eine von ihm beauftragte Person im Privatbereich des Beschäftigten bereitgestellt und installiert ist“ (§ 2 Abs 7 leg cit). Leider geht der Beitrag von Kuhn nicht auf die praktisch wohl relevanteste Konstellation ein, dass abseits eines Laptops und einem Mobiltelefon die gesamte Ausstattung von den AN beigestellt wird. Die von Chandna-Hoppe auf Basis von Generalklauseln entwickelten differenzierten Lösungen zum mobilen Arbeiten lassen sich aber wohl auf diesen Fall anwenden und schließen so diese Lücke.

Zuletzt seien noch die sehr feinen Beiträge zum Schutz arbeitnehmerInnenähnlicher Personen hervorzuheben: Dullinger argumentiert überzeugend, dass nationale Regelungen zum Schutz arbeitnehmerInnenähnlicher Personen zwar die Grundfreiheiten der EU beschränken können, aber idR durch die Ziele, die AN von der Verdrängung vom Arbeitsmarkt zu schützen und gute Arbeitsbedingungen für ArbeitnehmerInnenähnliche zu gewährleisten, gerechtfertigt werden können. Unter Heranziehung eines funktionalen Verständnisses des AN-Begriffes argumentiert Holler für einen aus der Koalitionsfreiheit gem Art 9 Abs 3 deutsches Grundgesetz abgeleiteten Schutz auch für ArbeitnehmerInnenähnliche, der auch mit der ungeschriebenen Ausnahme vom Kartellverbot gem Art 101 AEUV im Einklang steht. Interessanterweise ist Dullinger (S 13) in diesem Zusammenhang zurückhaltender als Holler (S 207) bei der Interpretation der EuGH-E in der Rs FNV Kunsten, was die kollektive Rechtssetzung für ArbeitnehmerInnenähnliche betrifft. Dies wohl auch deshalb, da so die Regelung in § 12a (deutsches) Tarifvertragsgesetz gerechtfertigt werden kann, die den Abschluss von Kollektivverträgen auch für arbeitnehmerInnenähnliche Personen ermöglicht.

Diese Beispiele zeigen sehr gut die durchgehende Qualität der in diesem Band gesammelten Beiträge, die sich allesamt auch überaus gut lesen. Es zahlt sich also wirklich aus, zu diesem Buch zu greifen, da es auf hohem Niveau einen überaus guten Einstieg in die Zukunftsfragen des Arbeitsrechts bietet. Und es zeigt auch, dass man sich keine Sorgen um den arbeitsrechtlichen wissenschaftlichen Nachwuchs machen muss – er ist wirklich ausgezeichnet. 407