26Beitragsgrundlagenmeldung und Pensionshöhe
Beitragsgrundlagenmeldung und Pensionshöhe
Gem § 44 ASVG ist für die Bemessung der Beitragsgrundlagen jenes Entgelt maßgeblich, das den Versicherten (etwa auf Grund von Normen der kollektiven Rechtsgestaltung) gebührt, auch wenn die tatsächlich ausbezahlten Beträge unter diesem Betrag liegen (Anspruchslohn). Allerdings bedarf es bestimmter Bedingungen, damit höhere als die ursprünglich gemeldeten und für die Beitragsbemessung herangezogenen Beitragsgrundlagen pensionswirksam werden können.
Grundsätzlich sollen Beitragsgrundlagen nur insoweit leistungswirksam werden, als sie auch durch tatsächlich bezahlte Beiträge gedeckt sind bzw die Möglichkeit der Feststellung der Beiträge gegenüber dem DG noch nicht verjährt ist.
Wurde kein Verfahren nach § 68a ASVG geführt, dann können höhere als die ursprünglich gemeldeten und für die Beitragsbemessung herangezogenen Beitragsgrundlagen nicht mehr pensionswirksam werden, sobald die Verjährungsfrist nach § 68 Abs 1 ASVG abgelaufen ist.
1 Mit dem angefochtenen Erk stellte das BVerwG die Beitragsgrundlagen der Revisionswerberin nach dem ASVG auf Grund ihrer Tätigkeit als Vertragsbedienstete des Bundes in den Jahren 2000 und 2001 fest. Zur Vorgeschichte kann des Näheren auf den Beschluss VwGH 29.4.2015, Ro 2014/08/0080, betreffend Pflichtversicherung nach dem B-KUVG auf Grund der genannten Tätigkeit, auf den Beschluss VwGH 29.4.2015, Ro 2014/08/0079, betreffend Versicherungszuständigkeit, sowie auf das Erk VwGH 30.1.2018, Ra 2017/08/0042, und den Beschluss VwGH 6.9.2018, Ra 2018/08/0203, jeweils betreffend Beitragsgrundlagen nach dem ASVG auf Grund weiterer Beschäftigungen der Revisionswerberin, verwiesen werden.
2 Zur Begründung des eingangs genannten Erk führte das BVerwG im Wesentlichen aus, dass sich die festgestellten Beitragsgrundlagen auf die vom DG tatsächlich ausbezahlten monatlichen Entgelte und Sonderzahlungen gründeten. Nur im Umfang dieser tatsächlich gezahlten Entgelte habe der DG Beiträge zur PV geleistet. Soweit die Revisionswerberin einwende, ihr hätten unter Berücksichtigung eines anderen festzusetzenden Vorrückungsstichtages andere Beträge an Gehalt, Sonderzahlungen und Urlaubsentschädigung sowie eine längere Entgeltfortzahlung aus Anlass ihres Krankenstandes gebührt, mache sie damit einerseits arbeitsrechtliche Ansprüche geltend, ohne aber zu behaupten, dass entsprechende arbeitsgerichtliche Verfahren geführt worden wären; andererseits wende sie ein, dass den Pensionsversicherungsbeiträgen ein höherer Anspruchslohn zugrunde zu legen gewesen wäre. Diesem Einwand müsse im vorliegenden Gesamtzusammenhang entgegengehalten werden, dass die Revisionswerberin nicht innerhalb der in § 68 ASVG vorgesehenen Verjährungsfrist eine beibeitragsrechtliche Prüfung der nun verfahrensgegenständlichen Beschäftigung beantragt habe. Auch ein vor dem Pensionsstichtag gestellter Antrag nach § 68a ASVG sei weder behauptet worden noch aktenkundig. Den im vorliegenden Fall festzustellenden Beitragsgrundlagen seien jene Entgelte zugrunde zu legen gewesen, für die auch Beiträge zur PV entrichtet worden seien. Den im Bescheid der Erstbehörde festgestellten Beitragsgrundlagen seien somit zu Recht die tatsächlich an die Revisionswerberin geleisteten Entgeltzahlungen zugrunde gelegt worden.
3 Gem § 25a Abs 1 VwGG sprach das BVerwG aus, dass die Revision gem Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig sei.
Über die gegen dieses Erk erhobene außerordentliche Revision hat der VwGH erwogen:
4 Die Revision ist entgegen dem den VwGH nicht bindenden Ausspruch nach § 25a Abs 1 VwGG zulässig, weil Rsp des VwGH zu der – auch der Zulässigkeitsbegründung der Revision zugrunde liegenden – Frage fehlt, inwieweit eine Feststellung höherer als der ursprünglich gemeldeten und der Beitragsbemessung zugrunde gelegten Beitragsgrundlagen nach dem Pensionsstichtag (§ 223 Abs 2 ASVG) möglich bzw geboten ist.
5 [...]
6 Soweit die Revisionswerberin bemängelt, das BVerwG habe rechtswidrigerweise keine monatlichen Gesamtbeitragsgrundlagen festgestellt, ist sie auf das ebenfalls in Zusammenhang mit ihrem Pensionsverfahren ergangene Erk VwGH 30.1.2018, Ra 2017/08/0042, hinzuweisen, wonach die monatlichen Gesamtbeitragsgrundlagen nach § 242 ASVG (nur) der Bildung der Bemessungsgrundlage für die Pension nach § 238 ASVG dienen und ihre Ermittlung daher Teil des Leistungsfeststellungsverfahrens ist, weshalb sie durch den Pensionsversicherungsträger (und nicht im Rahmen der Beitragsgrundlagenfeststellung durch den Krankenversicherungsträger) zu erfolgen hat.
7 In Bezug auf die festgestellten allgemeinen Beitragsgrundlagen und Sonderbeitragsgrundlagen macht die Revisionswerberin geltend, diese seien falsch berechnet worden, weil nach § 44 ASVG der Anspruchslohn zugrunde zu legen gewesen wäre. Bei der Ermittlung dieses Anspruchslohns wäre insb auch darauf Bedacht zu nehmen gewesen, dass die Nichtberücksichtigung von vor Vollendung des 18. Lebensjahres zurückgelegten Ausbildungs- und Beschäftigungszeiten bei der Festsetzung ihres Vorrückungsstichtages unionsrechtswidrig gewesen sei.
8 Richtig ist, dass gem § 44 ASVG für die Bemessung der Beitragsgrundlagen jenes Entgelt maßgeblich ist, das den Versicherten (etwa auf Grund von Normen der kollektiven Rechtsgestaltung) gebührt, auch wenn die tatsächlich ausbezahlten Beträge unter diesem Betrag liegen (vgl aus der stRsp des VwGH etwa das Erk VwGH 6.6.2012, 2010/08/0195, mwN).
9 Allerdings bedarf es bestimmter Bedingungen, damit höhere als die ursprünglich gemeldeten 328 und für die Beitragsbemessung herangezogenen Beitragsgrundlagen pensionswirksam werden können.
10 Gem § 225 Abs 1 Z 1 ASVG idF des 2. SRÄG 2009, BGBl I Nr 83, sind Beitragszeiten Zeiten der Pflichtversicherung von jenem Tag einer die Pflichtversicherung begründenden Beschäftigung oder eines Lehr- oder Ausbildungsverhältnisses an, ab dem für diese Zeiten entweder das Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen noch nicht gem § 68 Abs 1 ASVG verjährt war (lit a) oder die verjährten Beiträge auf Grund eines Antrags nach § 68a ASVG wirksam nachentrichtet wurden (lit b). Daraus ergibt sich klar, dass außerhalb eines Verfahrens nach § 68a ASVG keine zusätzlichen Beitragszeiten erworben werden können, sobald die Feststellungsverjährung nach § 68 Abs 1 ASVG eingetreten ist. (Nach dem für Beitragszeiträume vor dem 1.7.2004 weiter geltenden § 225 Abs 1 ASVG idF vor dem 2. SRÄG 2009 genügte nicht die bloße Feststellbarkeit der Beiträge, sondern es musste zusätzlich entweder bereits eine Anmeldung oder amtswegige Feststellung der Pflichtversicherung erfolgt sein (diesfalls gelten alle Zeiten ab der Anmeldung bzw Feststellung oder bei einer Anmeldung innerhalb der ersten sechs Monate der Beschäftigung ab Beginn der Beschäftigung als Beitragszeiten) oder die Beiträge mussten wirksam – vor dem Pensionsstichtag – entrichtet worden sein.)
11 Was die Höhe der für die Pensionsbemessung maßgeblichen Beitragsgrundlagen – für Zeiten, die gem § 225 ASVG dem Grunde nach als Beitragszeiten gelten – betrifft, so stellt § 242 iVm insb § 243 SVG nach seinem Wortlaut ohne Einschränkung auf die nach den Grundsätzen des § 44 ASVG zu bildenden Beitragsgrundlagen der Pflichtversicherung ab. Demnach käme es auf den Anspruchslohn an, auch soweit er nicht durch Beitragszahlungen gedeckt ist und auch eine Nachforderung der Beiträge wegen Eintritts der Feststellungsverjährung nicht mehr in Betracht kommt. Die Rsp des OGH geht jedoch in eine andere Richtung: Ihr ist zu entnehmen, dass aus einer zu geringen Meldung von Beitragsgrundlagen ein Pensionsschaden resultieren kann, wenn (nach der Rechtslage vor dem 2. SRÄG 2009) die höheren Beiträge nicht wirksam vor dem Pensionsstichtag tatsächlich entrichtet wurden bzw (nach der Rechtslage ab Inkrafttreten der genannten Novelle) wenn die korrekten Beiträge nicht mehr innerhalb der Verjährungsfrist des § 68 Abs 1 ASVG mit Bescheid feststellbar sind (vgl OGH 22.9.2010, 8 ObA 66/09b). In ähnlicher Weise hat der VwGH bereits zum GSVG judiziert, dass Beitragsgrundlagen nur dann für die Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen sind, wenn die hierauf beruhenden Beiträge fristgerecht, vollständig und wirksam entrichtet worden sind (VwGH 1.6.1999, 99/08/0011). Grundsätzlich sollen Beitragsgrundlagen also nur insoweit leistungswirksam werden, als sie auch durch tatsächlich bezahlte Beiträge gedeckt sind bzw – im Anwendungsbereich des ASVG idF des 2. SRÄG 2009 – die Möglichkeit der Feststellung der Beiträge gegenüber dem DG noch nicht verjährt ist (das Risiko, dass die nicht gem § 68 Abs 1 ASVG verjährten Beiträge (bloß) nicht einbringlich sind, haben nach dieser Rechtslage nicht mehr die einzelnen Versicherten zu tragen). Dieser Grundsatz kommt hinsichtlich der Beitragszeiten in § 225 Abs 1 Z 1 ASVG – wie in Rn 10 dargestellt – unmissverständlich zum Ausdruck; hinsichtlich der Beitragshöhe kann dem Gesetzgeber aber kein anderes Verständnis unterstellt werden, zumal er in § 68a ASVG ausdrücklich die Möglichkeit geschaffen hat, höhere Beitragsgrundlagen nach Eintritt der Verjährung durch Nachentrichtung der Differenzbeträge leistungswirksam zu machen.
12 Nach dieser Bestimmung können Beiträge, hinsichtlich deren nach § 68 Abs 1 ASVG Verjährung eingetreten ist, auf Antrag der versicherten Person von dieser nachentrichtet werden. Der Antrag ist spätestens zum Stichtag nach § 223 Abs 2 ASVG beim Krankenversicherungsträger zu stellen, der dann das Vorliegen der Zeiten der Pflichtversicherung bzw die Höhe der Beitragsgrundlagen festzustellen und der versicherten Person die nachzuentrichtenden Beiträge vorzuschreiben hat. Mit dem Hinweis auf die Verpflichtung zur Feststellung der Beitragsgrundlagen sollte zufolge den Gesetzesmaterialien zum SVAG, BGBl I 2015/2BGBl I 2015/2, klargestellt werden, dass eine Nachentrichtung verjährter Beiträge auch dann zulässig ist, wenn damit ausschließlich der Zweck verfolgt wird, eine höhere Beitragsgrundlage aus einer bereits „vorhandenen“ Pflichtversicherung zu erwerben; eine Nachentrichtung verjährter Beiträge sei im Hinblick auf die Auswirkungen auf die künftige Pensionsleistung auch dann von Bedeutung, wenn es sich um Fälle handle, in denen die verjährten Beiträge vom DG bloß in zu geringer Höhe abgeführt worden seien (vgl AB 417 BlgNR 25. GP 5). § 68a ASVG dient demnach nicht nur dazu, zusätzliche Versicherungsmonate leistungswirksam zu machen, sondern auch zur (bloßen) Erhöhung der Bemessungsgrundlage.
13 Wurde kein Verfahren nach § 68a ASVG geführt, dann können höhere als die ursprünglich gemeldeten und für die Beitragsbemessung herangezogenen Beitragsgrundlagen nicht mehr pensionswirksam werden, sobald die Verjährungsfrist nach § 68 Abs 1 ASVG abgelaufen ist (nach der Rechtslage vor dem 2. SRÄG 2009 genügt nicht die offene Verjährungsfrist, sondern die entsprechenden Beiträge müssen wirksam nachentrichtet worden sein). Daraus folgt aber auch, dass nach dem Stichtag gem § 223 Abs 2 ASVG (dem auf die Pensionsantragstellung folgenden Monatsersten) Beitragsgrundlagen aus Zeiten, hinsichtlich deren Feststellungsverjährung eingetreten ist, nur mehr in jenem Ausmaß festzustellen sind, in dem sie tatsächlich durch Beiträge gedeckt sind. Die Beitragsgrundlagenfeststellung hat in diesem Stadium des Versicherungsverhältnisses nämlich nur mehr den – das rechtliche Interesse an der Feststellung begründenden – Zweck, die Bemessungsgrundlage für die Pensionsleistung außer Streit zu stellen. Für diese kommen aber nach dem Gesagten nur jene Beitragsgrundlagen in Betracht, für die zum Stichtag die Beiträge entweder bereits entrichtet 329 oder (nach der Rechtslage nach dem 2. SRÄG 2009) noch gegenüber dem DG feststellbar sind; selbst eine Nachentrichtung durch den DG auf Grund der nach Eintritt der Feststellungsverjährung weiterbestehenden Naturalobligation (vgl dazu Julcher in SV-Komm, § 68 ASVG Rn 3 f) könnte nicht mehr pensionswirksam werden (vgl § 230 ASVG).
14 Aus all dem ergibt sich für den vorliegenden Fall, dass das BVerwG für die Versicherungsmonate aus den Jahren 2000 und 2001 (für die noch § 225 Abs 1 ASVG idF vor dem 2. SRÄG 2009 anzuwenden war) zu Recht jene Beitragsgrundlagen festgestellt hat, die den damaligen Meldungen entsprochen haben und auf deren Basis tatsächlich Beiträge entrichtet wurden. Darauf, ob die Revisionswerberin auf Grund einer Berechnung ihres Vorrückungsstichtages unter Einbeziehung von Ausbildungs- und Beschäftigungszeiten einen höheren Gehaltsanspruch gehabt hätte, kommt es – unbeschadet der Frage, inwieweit eine nachträgliche Neufestsetzung des Vorrückungsstichtags überhaupt möglich wäre – nicht an.
Der E ist vollinhaltlich zuzustimmen, sie arbeitet gut nachvollziehbar das bestehende durchaus komplizierte Ordnungssystem für leistungswirksame Zeiten im ASVG heraus. Ein paar allgemeine Ausführungen – gleichsam aus Anlass der Entscheidung – sind aber anzuschließen.
Ein Pensionsschaden droht im ASVG nur dann, wenn keine korrekte Meldung der Beitragsgrundlagen erfolgt. Die konkrete Beitragsabfuhr ist im System des ASVG für eine Leistungswirksamkeit demgegenüber nicht erforderlich, denn die Leistungswirksamkeit folgt bereits aus der Meldung der Beitragsgrundlagen, während das Zahlungsund Insolvenzrisiko des DG als Beitragsschuldner nicht den einzelnen Versicherten, sondern alleine den Krankenversicherungsträger (also im ASVG die Österreichische Gesundheitskasse [ÖGK]) und damit letztlich die Versichertengemeinschaft trifft (beachte aber § 13a IESG). Gem § 225 Abs 1 Z 1 ASVG sind jene Beitragszeiten leistungswirksame Zeiten, bei denen entweder das Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen noch nicht gem § 68 Abs 1 ASVG verjährt war (nach der lit a müssen die Beiträge noch innerhalb der Verjährungsfrist des § 68 Abs 1 ASVG feststellbar sein) oder – sofern das Recht auf Feststellung bereits verjährt ist – die verjährten Beiträge auf Grund eines Antrags nach § 68a ASVG tatsächlich wirksam nachentrichtet wurden (lit b) (vgl Rz 11 des Erk; weiters OGH8 ObA 66/09bDRdA 2012/19, 321 [Kietaibl] = ZAS 2012/65, 368 [Resch]), wobei nunmehr auch Zeiten einer zu niedrigen Beitragsgrundlagenmeldung gem § 68a ASVG nachentrichtet werden können. DN haben damit regelmäßig fünf Jahre lang die Möglichkeit, die Feststellung der Pflichtversicherung beim Krankenversicherungsträger zu beantragen und damit die volle Leistungswirksamkeit dieser Zeiten sicherzustellen, obwohl sie vom DG nicht zur SV angemeldet wurden (RV 179 BlgNR 24. GP 8). Die Materialien weisen erklärend darauf hin, dass der DN die Möglichkeit hat, beim Versicherungsträger einen Versicherungsdatenauszug zu beantragen, wenn nicht ohnehin auf Grund einer fehlenden Leistungsberechtigung (idR in der KV) die Nichtanmeldung auffällt (RV 179 BlgNR 24. GP 8 f).
Grundlegend anders ist die Rechtslage in der Selbständigen-SV: Im System des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes (GSVG) und des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes (BSVG) werden Pensionsversicherungszeiten leistungswirksam nur insoweit erworben, als Beiträge tatsächlich wirksam entrichtet werden (§ 115 Abs 1 Z 1 GSVG bzw § 106 Abs 1 Z 1 BSVG) oder (und insofern entspricht die Rechtslage dem § 68a ASVG) eine wirksame Nachentrichtung bereits verjährter Beiträge erfolgt (§ 40a GSVG bzw § 39a BSVG).
Die rechtspolitische Überlegung, welche die an dieser Stelle bestehenden Unterschiede zwischen dem System des ASVG und jenem des GSVG bzw BSVG trägt, liegt darin, dass im ASVG nicht der Versicherte, sondern der DG Schuldner und Abfuhrverpflichteter der Sozialversicherungsbeiträge ist, und daher der DN vor Nachteilen durch Versäumnisse, die ihm nicht zugerechnet werden können, möglichst weitgehend geschützt werden soll, während im GSVG und BSVG den Versicherten selbst die Beitragsabfuhrverpflichtung trifft.
Indem im ASVG der DG der alleinige Beitragsschuldner gegenüber dem Krankenversicherungsträger ist, nimmt die ständige Judikatur des OGH einen Schadenersatzanspruch des DN gegenüber dem DG an, sofern der DN wegen der schuldhaften Nichtanmeldung bzw Falschanmeldung durch den DG einen Pensionsschaden erleidet (mwN ausführlich zuletzt OGH8 ObA 66/09bDRdA 2012/19, 321 [Kietaibl] = ZAS 2012/65, 368 [Resch]). Die Bemessung des konkreten Schadens ist im Hinblick auf die an sich bereits komplizierten gesetzlichen Regelungen zur Pensionshöhe eine besondere Herausforderung (Panhölzl, Der SV-Komm § 225 ASVG Rz 14 bis 18), der man in der schadenersatzrechtlichen Praxis am ehesten mit prozessualen Mitteln Herr werden kann (vgl § 273 Abs 1 ZPO).
Diffizil ist in diesem Zusammenhang der Zeitpunkt, zu dem die dreijährige und dreißigjährige Verjährungsfrist zu laufen beginnt. Der OGH lässt die dreijährige Verjährungsfrist bereits ab dem Zeitpunkt laufen, wo dem DN der Fehler bekannt ist, wobei wohl auch ein Kennenmüssen ausreichen wird – mwN Resch, ZAS 2012/65, 368 (375); zur Verjährungsproblematik ausführlich Panhölzl, Der SV-Komm § 225 ASVG Rz 14 bis 18. 330
Solange der Schaden durch die bloße Antragstellung auf Feststellung der richtigen Bemessungsgrundlage vermieden werden kann, fehlt für einen Schadenersatzanspruch insofern wohl bereits das Rechtsschutzinteresse – vgl Kietaibl, Schadenseintritt, Verjährung und Mitverantwortung des Dienstnehmers beim Pensionsschaden wegen unterkollektivvertraglicher Entlohnung, DRdA 2012/19, 321 (325). Auch verletzt der DN mit dem Unterlassen der Antragstellung für einen späteren Schadenersatzanspruch seine Schadensminderungspflicht. Aber auch, wenn das Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen bereits verjährt ist und daher die Zeiten nicht nach § 225 Abs 1 Z 1 ASVG leistungswirksam sind, stellt sich die Frage, ob nicht eine beitragsrechtliche Lösung des Schadenersatzanspruchs vorgehen müsste: Ausgehend vom Primat der Naturalrestitution im Schadenersatzrecht müsste ein zivilrechtliches Klagebegehren des geschädigten ehemaligen DN gerichtet auf Kostenübernahme einer Nachentrichtung gem § 68a ASVG durch den ehemaligen DG möglich sein – ausführlich bereits Resch, ZAS 2012/65, 368 (373 f). Wählt der Geschädigte diese Form des Schadenersatzes, hat er außerdem mit dem Pensionsversicherungsträger den Vorteil eines solventen Schuldners der Pension, während er für laufende Schadenersatzleistungen des Schädigers pro futuro dessen mögliches Insolvenzrisiko in Kauf nehmen müsste.
Zuletzt ist an dieser Stelle auf das im gegenständlichen Sachverhalt nicht verfahrensrelevante beitragsrechtliche Problem einer unrichtigen Zuordnung im Fall einer rückwirkenden Feststellung der Pflichtversicherung als DN gem § 4 Abs 2 ASVG samt einer Rückabwicklung der Beiträge nach dem GSVG zu verweisen, insb auf die noch nicht vollständig geklärten Folgefragen zum im Jahr 2017 geschaffenen Sozialversicherungs-Zuordnungsgesetz (SV-ZG). Vor allem ist mE unklar, wie sich die im ASVG an sich vorgesehene endgültige Verschiebung der Beitragslast auf den DG gem § 60 Abs 1 ASVG im Fall eines Verschuldens des DG (zur endgültigen Beitragslast beim DG bei schuldhafter Nichtabfuhr der Sozialversicherungsbeiträge gem § 60 Abs 1 ASVG ausführlich mwN OGH9 ObA 36/17kDRdA 2018/26, 257 [Julcher] = ZAS 2018/50, 290 [Pfalz]) im Vergleich zur neuen Regelung einer Direktüberweisung ungebührlich entrichteter Beiträge zur Selbständigen-SV an den zuständigen Träger gem § 41 Abs 3 GSVG verhält – ausführlich zuletzt mwN Kietaibl, Beitragsrechtliche Fragen der Neuzuordnung von Versicherten, in FS Marhold (2020) 315 (315 ff); vgl auch Kietaibl, Rechtsfolgen bei Fehlqualifikation der Erwerbstätigkeit, in Kietaibl/Resch (Hrsg), Atypische Beschäftigungsformen (2017) 115 (129 ff).
Nimmt man die ordnungspolitische Funktion des § 60 Abs 1 ASVG ernst, dass bei einem Verschulden des an sich für die korrekte Beitragsabfuhr allein verantwortlichen DG die Beitragslast auf diesen alleine übergehen soll (ausführlich zu dieser Resch, Schaden und Mitverschulden des Dienstnehmers bei Nichtanmeldung zur Sozialversicherung, JBl 1995, 24 [30]; ders im SV-Komm § 60 Rz 7 bis 10) und nimmt man auch den vom OGH postulierten abschließenden Charakter dieser Regelung ernst (OGH8 ObA 66/09bDRdA 2012/19, 321 [Kietaibl] = ZAS 2012/65, 368 [Resch]), dann geht bei einem Verschulden des DG an der Nichtabfuhr der Sozialversicherungsbeiträge konsequenterweise auch der angeordnete endgültige Übergang der Beitragslast auf den schuldhaft handelnden DG als lex specialis gegenüber der neuen Regelung des § 41 Abs 3 GSVG vor. Dann dürfen zumindest vor Eintritt der beitragsrechtlichen Verjährung bei einem Verschulden des DG die vom DN gezahlten Beiträge zur Selbständigen-SV gerade nicht gem § 41 Abs 3 GSVG an den nach ASVG zuständigen Sozialversicherungsträger überwiesen werden, weil damit der Schutzzweck des § 60 Abs 1 ASVG vereitelt wäre. Indem der Gesetzgeber diese – an sich naheliegende – Frage beim SV-ZG nicht als regelungsbedürftig gesehen hat, sind weitere Überlegungen angebracht.
Mangels klarer Regelung im Gesetz ist die Lösung unter Zugrundelegung des Normzwecks zu suchen:
Sieht man den Normzweck von § 60 Abs 1 ASVG in einer Sanktionierung von schuldhaftem DG-Fehlverhalten und in einer Art Rute im Fenster gegenüber dem DG, muss der ordnungspolitische Gedanke des § 60 Abs 1 ASVG vorgehen und es ist konsequenterweise weiterhin von der endgültigen Tragung der Beitragslast durch den DG auszugehen (Resch, JBl 1995, 29 ff). Es bleibt daher bei einer Rückforderung ungebührlich entrichteter Beiträge durch den DN selbst gegenüber der Selbständigen-SV. Eine direkte Überweisung gem § 41 Abs 3 GSVG an den nach ASVG zuständigen Träger ist daher bei einem Verschulden des DG iSd § 60 Abs 1 ASVG gerade nicht möglich, würde man doch sonst dem DG entgegen § 60 Abs 1 ASVG die endgültige Tragung der Beitragslast wieder erlassen.
Sieht man dagegen in § 60 Abs 1 ASVG den Normzweck nur im Vertrauensschutz zugunsten des DN, dass ihm Sozialversicherungsbeiträge in bestimmten Fällen nicht auch noch nachträglich abgezogen werden können, obwohl er die abzugsfrei empfangenen Entgelte bereits verbraucht hat (Kietaibl, Beitragsrechtliche Folgen der Scheinselbständigkeit, ÖJZ 2018/108, 837 [838] mit ausführlichen Nachweisen zum Meinungsstand), wäre zumindest im Ausmaß der DN-Anteile zur SV eine Direktüberweisung gem § 41 Abs 3 GSVG möglich, da in Bezug auf die bereits nach GSVG geleisteten Beiträge der DN kein wirtschaftliches Schutzinteresse haben wird, dass ihm diese Beiträge nicht abgezogen werden dürfen: Der DN hat diese Beiträge ja ohnehin schon geleistet.
ME ist gerade das Abstellen auf ein Verschulden des DG in § 60 Abs 1 ASVG ein Indiz für eine ordnungspolitische, quasi pönalisierende, Regelung gegenüber dem DG und kein Indiz für eine bloße Vertrauensschutzregelung zugunsten des DN 331 (welche den DN davor schützen soll, dass ihm Sozialversicherungsbeiträge in bestimmten Fällen nachträglich abgezogen werden können, obwohl er das abzugsfrei ausbezahlte Entgelt bereits verbraucht hat). Meiner Meinung nach ist daher eine Lösung zu bevorzugen, die den Vorrang des Übergangs der Beitragslast gem § 60 Abs 1 ASVG bei DG-Verschulden auch im Verhältnis zu § 41 Abs 3 GSVG sicherstellt.
Bei aller Unklarheit der Neuregelung im SV-ZG bleibt der Umstand unbestritten, dass das Verhältnis zwischen § 60 Abs 1 ASVG und § 41 Abs 3 GSVG vom historischen Gesetzgeber des SV-ZG als Problem nicht erkannt worden ist oder – was man im Zweifel wohl nicht unterstellen sollte – er sich zumindest diese Frage bewusst nicht stellen wollte.