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Entgeltkürzung trotz Betriebsübergangs im Vertragsbedienstetenrecht

REINHARDRESCH (LINZ)
  1. Der Übergang der Dienstverhältnisse zum teilrechtsfähigen Patentamt auf die Republik Österreich gem § 176c PatentG stellt einen Betriebsübergang iSd Betriebsübergangsrichtlinie dar.

  2. Führt die Anwendung des VBG 1948 nach dem Betriebsübergang zu einem niedrigeren Entgelt, bildet der betriebsübergangsbedingte Gehaltsverlust keine sachliche Rechtfertigung für die Vereinbarung einer den Entgeltverlust ausgleichenden Regelung durch Sondervertrag: Dies ließe den in der Rsp des EuGH eingeräumten Gestaltungsspielraum unbeachtet.

Der Kl war bis 31.5.2017 Angestellter des Patentamts, dem bis zu diesem Zeitpunkt (§ 180c Abs 1 PatentG idF BGBl I 2016/71BGBl I 2016/71) gem §§ 58a f PatentG aF Teilrechtsfähigkeit zukam, und brachte zuletzt 4.669,07 € brutto monatlich ins Verdienen. Er machte von seinem Recht nach § 176c Abs 1 PatentG (idF BGBl I 2016/71BGBl I 2016/71) Gebrauch und wechselte zum 1.6.2017 in ein vertragliches Dienstverhältnis zum Bund. Bei der Einstufung in das Besoldungssystem nach dem VBG wurden seine Zeiten als Angestellter des Patentamts angerechnet, jedoch gleichzeitig ein Vorbildungsausgleich nach §§ 15 iVm 77 VBG von sieben Jahren vorgenommen, weil er über kein Studium iSd Z 1.12 und 1.12a der Anlage 1 zum BDG 1979 verfügt.

Der Kl nimmt die Bekl für den Zeitraum von vier Monaten auf die der Höhe nach unstrittige Entgeltdifferenz von insgesamt 4.885,08 € in Anspruch. Es liege ein Betriebsübergang iSd Betriebsübergangsrichtlinie (BÜ-RL) 2001/23/EG vor. Sein Dienstverhältnis sei auf die Bekl mit allen Rechten und Pflichten übergegangen. Sie schulde ihm ein Gehalt in der Höhe wie vor dem Betriebsübergang. Seine Einstufung in das Gehaltsschema des VBG sei bei richtiger Auslegung von § 176 Abs 3 Satz 4 PatentG unter voller Anrechnung seiner Dienstzeit bis 31.5.2017 ohne Abzug aufgrund anderer Bestimmungen des VBG, somit ohne Abzug für den Vorbildungsausgleich, vorzunehmen.

Das Berufungsgericht bestätigte die klagsabweisende Entscheidung des Erstgerichts. Es seien sehr wohl gem § 176 Abs 3 Satz 4 PatentG alle Dienstzeiten des Kl als Angestellter des Patentamts berücksichtigt worden, allein habe gem Satz 3 leg cit auch ein Vorbildungsausgleich erfolgen müssen. Es liege zwar ein Betriebsübergang vor, der Fall sei aber jenem in der EuGH-Rs Delahaye vergleichbar.

Mit seiner außerordentlichen Revision zeigt der Kl keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf.

Rechtliche Beurteilung

1. Vorweg ist anzumerken, dass der Übergang der Dienstverhältnisse der Angestellten des Patentamts in § 176c PatentG besonders geregelt wurde. Diese Bestimmungen sind gegenüber jenen der §§ 3 ff AVRAG grundsätzlich als die spezielleren anzusehen. Wie für die Auslegung der §§ 3 ff AVRAG ist auch für jene des § 176c PatentG die BÜ-RL (RL 2001/23/EG des Rates vom 12.3.2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der AN beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen) und die dazu 441 oder noch zur BÜ-RL 77/187/EWG ergangene Rsp des EuGH heranzuziehen (vgl Gahleitner in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 3 AVRAG Rz 1).

2. § 176c Abs 3 Satz 3 PatentG ordnet für DN, die wie der Kl von ihrem Recht zum Wechsel in ein Dienstverhältnis zum Bund nach § 176c Abs 1 leg cit Gebrauch gemacht haben, die Geltung der Bestimmungen des Dienst- und Besoldungsrechts für Vertragsbedienstete (VB) des Bundes an. Abs 3 Satz 4 leg cit bestimmt, dass die im vorangegangenen Arbeitsverhältnis zum Patentamt im Rahmen seiner Teilrechtsfähigkeit verbrachte Dienstzeit für alle zeitabhängigen Rechte zu berücksichtigen ist. Diese Bestimmungen können sinnvoll allein dahin interpretiert werden, dass zwar alle Zeiten als Angestellter des Patentamts zu berücksichtigen sind (sodass von vornherein etwa eine Überprüfung ausgeschlossen ist, ob es sich um einschlägige Dienstzeiten handelt), dass aber ansonsten das gesamte Dienst- und Besoldungsrecht des Bundes und damit das VBG samt seinen Regelungen zum Vorbildungsausgleich zur Anwendung gelangt. Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rsp des OGH zu einer konkreten Fallgestaltung liegt dann keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO vor, wenn das Gesetz selbst – wie hier – eine klare, dh eindeutige Regelung trifft (RIS-Justiz RS0042656).

3. Der EuGH hat in der Rs C-425/02, Delahaye, ZAS-Judikatur 2005/51 (Jöst) = ZESAR 2006, 355 (Resch), entschieden, dass die BÜ-RL 77/187/EWG dahin auszulegen ist, „dass sie es grundsätzlich nicht ausschließt, dass im Fall des Unternehmensübergangs von einer juristischen Person des Privatrechts auf den Staat dieser als neuer Arbeitgeber eine Kürzung der Vergütung der betroffenen Arbeitnehmer vornimmt, um den geltenden nationalen Vorschriften bezüglich der öffentlichen Angestellten nachzukommen“. Der EuGH anerkennt damit das Interesse eines Mitgliedstaats, dass auch bei einem Übergang eines Betriebs an ihn die übernommenen DN den Gesetzesvorschriften über das als solches einheitliche Gehaltssystem der bei ihm beschäftigten DN unterliegen. Für die Maßgeblichkeit der gesetzlich geregelten Vergütung wird ins Treffen geführt, dass sie dadurch legitimiert ist, dass sie auf eine demokratische Grundlage rückführbar ist (Riesenhuber, Europäisches Arbeitsrecht [2009] § 24 Rz 112). Bei „staatlichem Insourcing“ besteht damit – zumindest grundsätzlich – keine allgemeine Pflicht zu systemfremder Vertragsgestaltung (vgl Jöst, ZAS 2005, 28), sondern gestattet die BÜ-RL auch Regelungen, nach denen der Eintritt nur innerhalb der Grenzen seiner Vereinbarkeit mit den Höchstgrenzen für den öffentlichen Dienst zu erfolgen hat (vgl Binder/Mair in Binder/Burger/Mair, AVRAG3 § 3 Rz 60). MaW entlässt der EuGH im Fall der Übertragung einer wirtschaftlichen Einheit von einem Privaten auf den Staat den Letzteren aus der Pflicht zur Weiterführung aller Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis insoweit, als eine Kompatibilität mit dem in der Folge anzuwendenden Dienstrecht auch bei einer von Anfang an erfolgten Tätigkeit für diese staatliche Einrichtung zwingend nicht gegeben gewesen wäre (vgl auch Holzer/Reissner, Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz2 § 1 Rz 36).

4. Nach der zitierten Vorabentscheidung des EuGH sind die zuständigen Behörden, die diese Vorschriften anzuwenden und auszulegen haben, „jedoch verpflichtet, dies so weit wie möglich im Licht der Zielsetzung dieser Richtlinie zu tun, indem sie insbesondere dem Dienstalter des Arbeitnehmers Rechnung tragen, soweit die nationalen Vorschriften, die die Situation der staatlichen Angestellten regeln, das Dienstalter des staatlichen Angestellten bei der Berechnung seiner Vergütung berücksichtigen“. IdS hat der EuGH auch zuletzt einer Übergangsregelung, wonach sich die in den öffentlichen Dienst neu eingegliederten AN neu hätten bewerben müssen und nur in der ersten Gehaltsstufe zu niedrigeren Bezügen eingestuft worden wären, eine Absage erteilt (EuGH 13.6.2019, C-317/18, Rn 27 und 59). Das VBG und § 176 Abs 3 PatG berücksichtigen aber das Dienstalter des VB bei der Berechnung seiner Vergütung so wie für alle anderen VB.

5. Das Dienstalter des Kl ohne Vorbildungsausgleich trotz Fehlens eines Studiums iSd Z 1.12 und 1.12a der Anlage 1 zum BDG 1979 zu berücksichtigen, stellte diesen gegenüber den allgemeinen Regeln des VBG, welche für den vorliegenden Fall gerade die Vornahme eines solchen vorsehen, besser und liefe damit auf die Gewährung eines privilegierenden Sondervertrags iSd § 36 VBG hinaus. Aus der zitierten E des EuGH, die eine Anwendung und Auslegung der staatlichen Vorschriften „so weit wie möglich im Licht der Zielsetzung dieser Richtlinie“ verlangt, ist zu folgern, dass auch an die Gewährung eines Sondervertrags zu denken ist (siehe Resch, Anmerkung zu EuGHC-425/02 in ZESAR 2006, 358 [360]; Reissner, Europarechtliche Impulse für die Entwicklung des österreichischen Individualarbeitsrechts, in Wagner/Wedl [Hrsg], Bilanz und Perspektiven zum europäischen Recht [2007] 173 [186]; ders, Aktuelle Entwicklungen im Betriebsübergangsrecht, in Wachter/Reissner, Innsbrucker Jahrbuch zum Arbeits- und Sozialrecht 2015 [2016] 121 [148]). Kein Sondervertrag ist aber möglich, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für einen solchen eindeutig nicht erfüllt sind.

Schon aus der Zielsetzung einer Kodifikation des Arbeitsrechts der VB einer Gebietskörperschaft ergibt sich, dass Sonderverträge nur in begründeten Ausnahmefällen zulässig sein können. Die besonderen Bedingungen, unter denen solche Verträge abgeschlossen werden dürfen, erfüllen eine Doppelfunktion und schützen einerseits den AN vor einer ungerechtfertigten Aushöhlung der gesetzlich garantierten Arbeitsbedingungen, aber auch den öffentlich-rechtlichen AG vor den Kosten sachlich nicht gerechtfertigter Privilegierungen (8 ObA 36/13x [Pkt 2]). Daraus folgt, dass es stets – gleichgültig, ob zum Nachteil oder zum Vorteil des DN vom Üblichen abgewichen würde – einer sachlichen Rechtfertigung für einen Sondervertrag bedarf (vgl RS0081680; Thunhart, Sonderverträge im öffentlichen Dienst gemäß § 36 VBG, ZfV 2002, 486 [489 ff] mit Beispielen für das Vorliegen einer sachlich gerechtfertigten höheren als der gesetzlich vorgesehenen Entlohnung).

Der Kl hat nicht vorgebracht, dass Gründe es sachlich rechtfertigen würden, den wegen des Fehlens eines 442 Studiums iSd Z 1.12 und 1.12a der Anlage 1 zum BDG 1979 gesetzlich vorgesehenen Vorbildungsausgleich nicht vorzunehmen und ihm damit ein höheres Gehalt zu bezahlen als gesetzlich vorgesehen. Eine sachliche Rechtfertigung für die Vereinbarung eines Sondervertrags schon darin zu sehen (Resch, aaO), dass der DN durch den Betriebsübergang keinen Gehaltsverlust erleiden und damit im System des Vertragsbedienstetenrechts „die Richtlinie umgesetzt“ werden soll, ließe den in der Rsp des EuGH eingeräumten Gestaltungsspielraum unbeachtet.

6. Während die E Delahaye den Übergang auf den Staat als Übernehmer erfasst, falls die Arbeitsbedingungen bei diesem – wie hier – durch Gesetz geregelt sind (Rebhahn, Probleme der Ausführung der Betriebsübergangsrichtlinie in Kontinentaleuropa, RdA 2006, Sonderbeilage zu H 6, 4 [11, 13]), betrifft die E des EuGH in der Rs C-108/10, Scattolon, DRdA 2013/12 (S. Mayer) = ZESAR 2012, 130 (Felten), den – hier nicht vorliegenden – Wechsel zu einem neuen KollV. In dieser Rechtssache wies der neue KollV den vom Staat übernommenen AN jene Gehaltsstufe zu, die ihren an einem bestimmten Stichtag bezogenen Jahresarbeitsentgelt entsprach oder unmittelbar darunter lag (Rn 19). Dies führte bei Ivana Scattolon dazu, dass sie, obgleich sie rund 20 Jahre beim vormaligen AG gearbeitet hatte, in eine Gehaltsstufe eingestuft wurde, die einem Dienst von nur neun Jahren entsprach (Rn 30 f). Sie wurde damit gegenüber von Anfang an beim Staat seit rund 20 Jahren tätigen DN benachteiligt. Im Unterschied dazu führt das VBG im vorliegenden Fall dazu, dass der Kl genau so behandelt wird, als wäre er von Anfang VB des Patentamts gewesen.

ANMERKUNG
1.
(Klare) Vorgaben der Betriebsübergangsrichtlinie

Unbestritten liegt im gegenständlichen Sachverhalt ein Betriebsübergang iSd BÜ-RL (RL 2001/23/EG) vor. Die BÜ-RL gilt grundsätzlich auch für öffentliche Unternehmen, nur für die Hoheitsverwaltung sehen der EuGH (15.10.1996, Rs C-298/94, Henke, ECLI:EU:C:1996:382 mit zahlreichen Folgeentscheidungen) und ihm folgend die BÜ-RL (Art 1 Abs 1 lit c RL 2001/23/EG) eine Ausnahme vor (die für den gegenständlichen Sachverhalt unbestritten nicht greift – dies wurde bereits in der Berufungsentscheidung ausführlich herausgearbeitet). Damit gehen die Rechte und Pflichten des Veräußerers aus einem zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsvertrag aufgrund des Übergangs auf den Erwerber über (Art 3 Abs 1 BÜ-RL), im konkreten Fall also vom teilrechtsfähigen Patentamt auf die Republik Österreich. Dieser ex-lege-Übergang der Arbeitsverträge ist die zentrale und zwingende Rechtsfolge der BÜ-RL, die BÜ-RL schafft nötige Bestimmungen, welche die AN „bei einem Inhaberwechsel schützen und insbesondere die Wahrung ihrer Ansprüche gewährleisten“ (ErwGr Nr 3 der BÜ-RL). Auch gravierende finanzielle Belastungen werden dem Betriebserwerber zugemutet, wenn er sich zu einem Betriebsübergang entschließt, denn der Schutz durch den inhaltlich unveränderten Übergang der Arbeitsverhältnisse ist grundsätzlich unabdingbar (mwN etwa Grau/Hartmann in Preis/Sagan [Hrsg], Europäisches Arbeitsrecht2 [2019] Rz 15.93). Eine an sich mögliche Kündigung wird durch Art 4 BÜ-RL eingeschränkt, indem der Betriebsübergang „als solcher ... keinen Grund zur Kündigung dar“stellt: Insb bleibt es dem Erwerber verwehrt, nur deshalb zu kündigen, um in Ansehung des unterschiedlichen Entgelts bei Veräußerer und Erwerber eine „Zwei-Klassen-Gesellschaft“ zu verhindern (Binder/Mair in Binder/Burger/Mair, AVRAG3 [2016] § 3 Rz 87; OGH9 ObA 97/02hDRdA 2003/28, 323 [M. Binder]).

2.
Dienstrechtsprivileg in der EuGH-Judikatur

Auf Basis von im Folgenden zu erläuternden EuGH-Entscheidungen gilt aber – ohne dass hierfür eine entsprechende positivrechtliche Grundlage in der BÜ-RL zu finden wäre – ein AG-Privileg für Betriebsübergänge im Zusammenhang mit dem öffentlichen Dienstrecht.

In der Rs Mayeur (EuGH 26.9.2000, Rs C-175/99, ECLI:EU:C:2000:505), die das französische Recht betroffen hat, bejaht der EuGH zwar einen Betriebsübergang, nimmt aber offenbar hin, dass das nationale Recht vorsehen darf, dass bei einem Betriebsübergang auf eine juristische Person des öffentlichen Rechts die Verpflichtung bestehen könne, privatrechtliche Arbeitsverträge zu beenden. Statt diesen Umstand in Frage zu stellen, sieht der EuGH nur Art 4 Abs 2 BÜ-RL verwirklicht, also eine etwas privilegierte Kündigung (bei der die Stellung des AN so ist, wie wenn die Beendigung durch den AG erfolgt ist) (Rz 56 des Urteils).

Was in der Rs Mayeur noch eher vage angedeutet ist, wird in der Rs Delahaye (EuGH 11.11.2004, Rs C-425/02, ECLI:EU:C:2004:706) – zugunsten des luxemburgischen öffentlichen Dienstrechts – vertieft: Der EuGH hält eine Verkürzung der Vergütung bei Insourcing für zulässig, weil die RL „nur auf eine teilweise Harmonisierung des fraglichen Gebietes abzielt“ (Rz 32 des Urteils). Der Staat darf (Rz 35 des Urteils) bei Insourcing „eine Verkürzung der Vergütung der betroffenen Arbeitnehmer“ vornehmen, „um den geltenden nationalen Vorschriften bezüglich der öffentlichen Angestellten nachzukommen“. Es gibt aber an dieser Stelle einen wesentlichen Vorbehalt des EuGH zu beachten: „Die zuständigen Behörden ... sind jedoch verpflichtet, dies so weit wie möglich im Licht der Zielsetzung dieser Richtlinie zu tun“ (die weiteren Ausführungen des EuGH beziehen sich auf die Anrechnung von Dienstzeiten). Dieser letzte Satz ist auch die entscheidende unionsrechtliche Vorgabe für den gegenständlichen Sachverhalt!

Eine gewisse Fortführung der Rsp aus den Rs Mayeur und Delahaye könnte man etwas weit hergeholt zuletzt auch in der E Rs Alemo-Herron (EuGH 18.7.2013, C-426/11, ECLI:EU:C:2013:521) erkennen, wo nicht im Fall von Insourcing, sondern bei einer Privatisierung, dem AG die dynamische Weitergeltung des bisher geltenden Dienstrechts 443 nicht zugemutet wurde. Wieder ist der Systemunterschied zwischen allgemeinem Arbeitsrecht und Dienstrecht offenbar ein wesentliches Argument: Es „ist davon auszugehen, dass die Fortsetzung der Tätigkeit des Erwerbers in Anbetracht der unvermeidlichen Unterschiede, die zwischen diesen beiden Sektoren bei den Arbeitsbedingungen bestehen, beträchtliche Anpassungen erfordert“ (Rz 27 des Urteils). In der Folge untermauert dies der EuGH noch mit dem Grundrecht auf unternehmerische Freiheit (Art 16 GRC).

Dieses vor allem in der Rs Delahaye postulierte Dienstrechtsprivileg ist dem Grunde nach in der Lehre mE zu Recht auf Kritik gestoßen, so qualifiziert Reissner (Europarechtliche Impulse für die Entwicklung des österreichischen Individualarbeitsrechts, in Wagner/Wedl [Hrsg], Bilanz und Perspektiven zum europäischen Recht [2007] 173 [186]) das Urteil Rs Delahaye„als juristisch eher armselig und offensichtlich vorrangig politisch motiviert“. Auf meine kritische Anmerkung zu den Rs Mayeurund Delahaye darf ich an dieser Stelle verweisen (ZESAR 2006, 359 f).

3.
Zum Ausgangssachverhalt

Streitthema ist eine Entgeltdifferenz zwischen dem in der Zeit vor dem Betriebsübergang vereinbarten Entgelt im Vergleich zum Entgelt, welches nach dem VBG 1948 gebühren würde. Die maßgebliche Entgeltdifferenz ist auch darauf zurückzuführen, dass der Kl ein facheinschlägiges Bachelorstudium sowie ein Masterstudium in Australien absolviert hat, aber die für das Dienstrecht erforderliche Nostrifizierung der Abschlüsse nie in die Wege geleitet hat. Der privatrechtliche AG (das teilrechtsfähige Patentamt, hinter dem aber wiederum der Bund stand) hat diese Ausbildung offenbar berücksichtigt, während nunmehr der Bund als unmittelbarer AG eine Berücksichtigung trotz Betriebsübergangs unter Hinweis auf das VBG 1948 verweigert.

4.
Zur Entscheidung

Unstrittig liegt ein Betriebsübergang vor, dies wurde bereits von den Unterinstanzen klar ausgeführt. Es wird auch zutreffen, dass dem Wortlaut nach die zwingenden dienstrechtlichen Normen gegenüber dem Kl korrekt angewendet worden sind, da die Nostrifizierung nicht erfolgt ist (was die Berechnung eines niedrigeren Entgelts auf Grund des VBG 1948 zur Folge hätte).

ME bleibt damit vor dem Hintergrund der EuGHJudikatur die Frage, ob eine Aufrechterhaltung des Entgeltniveaus durch Abschluss eines entsprechenden Sondervertrags gem § 36 VBG 1948 geboten ist. Ein Blick in die Urteile der Unterinstanzen zeigt, dass das Sondervertragsthema sehr spät, nämlich erstmals in der E des OGH, vorkommt.

5.
Liegen die Voraussetzungen für einen Sondervertrag vor?

Zur hier relevanten Regelung für Sonderverträge nach § 36 VBG 1948 hat der Gesetzgeber in den Materialien zur Stammfassung ausgeführt, dass diese die Möglichkeit schafft, allen Fällen gerecht zu werden, in denen das VBG „den besonderen Umständen des Falles nicht entsprechen würde. In erster Linie kommt die Vereinbarung eines Sonderentgeltes in Frage“ (RV 544 BlgNR 5. GP 20). Der Gesetzeswortlaut verlangt freilich das Vorliegen eines Ausnahmefalls und als formales Zusatzerfordernis einer ministeriellen Zustimmung. Der OGH sieht darin als Normzweck insb auch den Schutz der Allgemeinheit, also der Steuerzahler, vor Verträgen zu Lasten der Allgemeinheit (mwN Resch, Begründung arbeitsrechtlicher Rechte und Pflichten: Allgemeines Arbeitsrecht versus Formstrenge im Dienstrecht, JAS 2017, 340 [345]): Nötig ist nach der Judikatur ein Ausnahmefall, wenn dieser infolge der besonderen Lage im Einzelfall nach den zwingenden Normen des Vertragsbedienstetenrechts nicht ohne Weiteres eingeordnet werden könnte und daher einer abweichenden Sonderregelung bedürfte.

In der Praxis wird die erforderliche ministerielle Zustimmung entweder durch generelle Genehmigungen gem § 36 Abs 2 VBG 1948 (Richtlinien) oder aber im Einzelfall erteilt. In einer Anfragebeantwortung aus dem Jahr 2019 hat der zuständige Bundesminister auf 19 derartige Richtlinien verwiesen, etwa für verschiedene ärztliche Tätigkeiten oder für befristete Kabinettsmitarbeiter (2472 AB vom 20.2.2019 zu 2519/J 26. GP).

Dazu ist nun Folgendes anzumerken:

Erstens ist festzuhalten, dass eine vom Gesetz geforderte zusätzliche ministerielle Zustimmung im Einzelfall gerichtlich substituierbar ist – dies findet in der oberstgerichtlichen Judikatur Deckung (OGH10 ObS 125/15b ZAS 2016/55, 337 [Resch] = DRdA 2017, 27/2 [Stella]).

Zweitens ist daran zu erinnern, dass die BÜ-RL die Aufrechterhaltung des Inhalts der Arbeitsverträge zwingend von jedem beliebigen AG bei einem Betriebsübergang fordert und diese Rechtsfolge ist geradezu das Credo der BÜ-RL. Der EuGH verlangt nun von der nationalen Behörde so weit wie möglich im Licht der Zielsetzung der BÜ-RL, diese im Rahmen des Dienstrechts umzusetzen (so der EuGH im Originalwortlaut in der Rs Delahaye). Eine Umsetzung „so weit wie möglich im Licht der Zielsetzung der BÜ-RL“ bedeutet ein Gebot zur richtlinienkonformen Auslegung vor dem Hintergrund der Auslegung der BÜ-RL durch den EuGH in der Rs Delahaye. Zu erinnern ist nun daran, dass das Gebot zur richtlinienkonformen Interpretation nicht eine Grenze im konkreten Regelungswillen des nationalen Gesetzgebers hat und der von diesem gedeckten Wortlaut des Gesetzes keine unüberschreitbare Grenze bildet. Unter Bedachtnahme auf das Umsetzungsgebot des Art 288 AEUV kann „eine planwidrige Lücke angenommen werden, die eine über den vom konkreten Regelungswillen gedeckten Wortlaut hinausgehende Rechtsfortbildung – durch Analogie oder teleologische Reduktion – zulässt“ (OGH 21.2.2017, 4 Ob 62/16w ua unter Hinweis auf Perner, EU-Richtlinien und Privatrecht [2012] 94 ff).

So weit als möglich bedeutet mE, im Umstand des Betriebsübergangs die sachliche Rechtfertigung für 444 eine Verpflichtung zum Abschluss eines entsprechenden Sondervertrags zu sehen. Das Sondervertragsrecht ist nämlich im österreichischen Vertragsbedienstetenrecht sehr wohl das Einfallstor für abweichende Regelungen im Einzelfall (nämlich, wie die Materialien zum VBG 1948 belegen, gerade auch für das Entgelt). Eine Ausnahme müsste man allerdings dort sehen, wo die konkrete Entgeltvereinbarung zum Veräußerer Elemente eines rechtsmissbräuchlichen Vertrags enthält, etwa begünstigende Vereinbarungen in zeitlicher Nähe zum Betriebsübergang.

Dass die Voraussetzungen für einen Sondervertrag gem § 36 VBG 1948 trotz der zwingenden Vorgaben der BÜ-RL im gegenständlichen Sachverhalt „eindeutig nicht erfüllt sind“ – so der OGH in der vorliegenden E – sollte mE ohne Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH so nicht entschieden werden. Ermöglicht das öffentliche Dienstrecht gerade ein einzelvertragliches Abweichen „in Ausnahmefällen“ (§ 36 Abs 1 VBG 1948) und geht es um die Frage, ob nach einem Betriebsübergang das öffentliche Dienstrecht der Aufrechterhaltung des bisher gebührenden Entgelts entgegensteht oder nicht, ist sehr wohl die Frage legitim, ob nicht § 36 VBG 1948 „so weit als möglich auszulegen“ ist und – von Missbrauchsfällen abgesehen – die Aufrechterhaltung der bisherigen Entgeltvereinbarung im Wege eines Sondervertrags sicherzustellen ist. Zu erinnern ist daran, dass es um den zentralen Schutzbereich der BÜ-RL geht, aber auch daran, dass der Sondervertrag insb im Hinblick auf abweichende Entgeltregelungen vom Gesetzgeber ermöglicht wurde. Auch wurde das höhere Entgelt vom teilrechtsfähigen Patentamt vereinbart und damit mittelbar von der Republik Österreich selbst.

Man macht es der Republik Österreich mit der pauschalen Ablehnung eines Sondervertrags zur Sicherung der Rechte aus der BÜ-RL zu leicht, von ihr selbst geschaffene AN-Rechte (nämlich im Rahmen einer ausgegliederten Gesellschaft bzw wie hier des teilrechtsfähigen Patentamtes) nach einem Betriebsübergang wieder abzuschütteln, obwohl das allgemeine Dienstrecht in § 36 VBG 1948 für eine entsprechende Regelung im Einzelfall grundsätzlich offen ist.