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Nichtverlängerungserklärung per E-Mail entspricht vereinbartem Schriftlichkeitsgebot

MANFREDTINHOF

Im Dienstvertrag des Kl war zur Dauer des Arbeitsverhältnisses zur Bekl Folgendes vereinbart: „Sie werden ab 2. Mai 2018 bei uns als Head of Content & Strategy tätig sein. Die Zeit vom 1. Mai 2018 bis 31. Juli 2018 gilt als befristetes Dienstverhältnis (wobei der erste Monat als Probemonat gilt), welches am 1. August 2018 in ein unbefristetes Dienstverhältnis übergeht, sofern dies vorher nicht ausdrücklich schriftlich widerrufen wird.“

Die unmittelbare Vorgesetzte des Kl teilte diesem in einem am Freitag, den 27.7.2018 geführten Gespräch mit, dass „man eine Zusammenarbeit mit ihm als Dienstnehmer der Beklagten über den 31.7.2018 nicht wünsche“. Nach dem Wochenende meldete sich der Kl sowohl am 30.7. als auch am 31.7.2018 unter Verwendung seiner Firmen-E-Mail-Adresse krank. Nachdem eine persönliche Übergabe des Auflösungsschreibens am Wohnort des Kl gescheitert war, übermittelte ihm die Bekl am 31.7.2018 das eingescannte Auflösungsschreiben per E-Mail an seine Firmen-E-Mail-Adresse. Dieses E-Mail langte am Account des Kl unter dem Betreff „Auflösung des Dienstverhältnisses“ noch am Nachmittag desselben Tages ein.

Das Berufungsgericht wies das auf die Zahlung eines Entgelts und einer Kündigungsentschädigung für den Zeitraum 1.8. bis 30.11.2018 gerichtete Klagebegehren ab. Der OGH wies die außerordentliche Revision des Kl zurück.

Unter Bedachtnahme darauf, dass der E-Mail-Verkehr in geschäftlichen Angelegenheiten nicht nur allgemein, sondern besonders im Arbeitsverhältnis zwischen den Streitteilen üblich war und der Anhang eines E-Mails (anders als ein per WhatsApp übermitteltes Foto; vgl OGH9 ObA 110/15iDRdA-infas 2016/53) leicht ausgedruckt werden kann, gelangte das Berufungsgericht zur Auffassung, dass die Übermittlung des eingescannten Auflösungsschreibens als Anhang eines E-Mails die im Dienstvertrag vereinbarte Schriftform erfüllt hat. Diese Beurteilung hält sich im Rahmen der zitierten Rsp. Die Vorgangsweise der Bekl trägt sowohl der Klarstellungs- als auch der Beweisfunktion des Formgebots Rechnung, zumal der Kl schon nach dem Gespräch vom 27.7.2018 keinen Zweifel über die Nichtfortsetzung des Dienstverhältnisses zur Bekl – also über den Inhalt der späteren Erklärung – haben konnte. Selbst wenn der Kl nicht über einen eigenen Drucker verfügen sollte, erwächst ihm kein ersichtlicher Nachteil daraus, von der Bekl nicht unmittelbar eine „Hardcopy“ erhalten zu haben, weil der Anhang eines E-Mails problemlos (auch an allfällige Beratungsstellen) weitergeleitet werden kann.

Nach der Bestimmung des § 12 Satz 1 E-Commerce-Gesetz (ECG) gelten elektronische Vertragserklärungen, andere rechtlich erhebliche elektronische Erklärungen und elektronische Empfangsbestätigungen als zugegangen, wenn sie die Partei, für die sie bestimmt sind, unter gewöhnlichen Umständen abrufen kann. Eine Kenntnisnahme dieser Erklärungen durch den Empfänger wird nicht vorausgesetzt; maßgeblich ist vielmehr die Möglichkeit der Kenntnisnahme „unter gewöhnlichen Umständen“.

Das E-Mail samt Anhang war für den Kl noch am Nachmittag des 31.7.2018 abrufbar. Dass er es krankheitsbedingt nicht hätte abrufen können, behauptet der Kl gar nicht. Dies stünde auch in Widerspruch zu den Feststellungen, dass er am 31.7.2018 seine Firmen-E-Mail-Adresse benutzte, um sich krank zu melden und um zwei berufliche Termine abzusagen, womit er seine Erreichbarkeit per E-Mail zu erkennen gab. 322