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Überstundenanordnung durch Anscheinsvollmacht gegenüber einem Revierjäger

MANFREDTINHOF

Der Kl war von 1.4. bis 14.8.2015 für die Bekl als Revierjäger tätig. Sein Aufgabengebiet umfasste die Betreuung des von der bekl Gesellschaft mit Rücksicht auf das jagdliche Interesse eines Ehepaares gepachteten Jagdreviers. Mit Schreiben vom 3.8.2015 sprach die Bekl gegenüber dem Kl die Kündigung zum 30.9.2015 aus. Am 14.8.2015 wurde der Kl (unbegründet) entlassen. Dieser machte daraufhin ua die Zahlung von Überstundenentgelt, Entgelt für Nachtarbeit sowie Sonntags- und Feiertagsarbeit klagsweise geltend. Der Kl brachte zusammengefasst vor, er habe das Jagdgebiet selbstständig erkunden und sehr viel Zeit investieren müssen, um das Revier – wie gefordert – in einen perfekten Zustand zu bringen. Das Ehepaar sei ihm gegenüber de facto als AG aufgetreten, er habe dessen Anweisungen Folge zu leisten gehabt.

Tatsächlich war der Kl von den Eheleuten ausgewählt worden. Auch die Konditionen des Dienstvertrages waren von den Eheleuten mit dem Kl ausverhandelt worden. In weiterer Folge überließ der Geschäftsführer der Bekl den Eheleuten ferner ohne Beanstandung gegenüber dem Kl das Agieren in dienstlichen Belangen. Der Geschäftsführer trat gegenüber dem Kl persönlich nicht in Erscheinung, veranlasste aber, dass dessen Gehälter namens der Bekl ausbezahlt wurden. Dienstanweisungen und Kontrollen überließ der Geschäftsführer hingegen den Eheleuten, ohne sich weiter einzumengen. Sie zogen den Kl zu regelmäßigen Besprechungen heran und ließen sich die von ihm geführten Jagdtagebücher (in denen ua seine Arbeitszeiten verzeichnet waren) vorlegen.

Die Bekl wendete im Wesentlichen ein, das Ehepaar sei nicht zur organschaftlichen Vertretung der Bekl befugt gewesen. Nur der Geschäftsführer der Bekl hätte rechtswirksame Vereinbarungen schließen dürfen, nur ihm gegenüber hätten für die Bekl rechtswirksame Erklärungen abgegeben werden können. Angesichts der vereinbarten freien Arbeitszeiteinteilung hätte der Kl keine Überstunden leisten dürfen.

Das Erstgericht wies das Begehren auf Überstundenzahlung zunächst ab. Rechtlich ging es zusammengefasst davon aus, dass der Bekl hinsichtlich der Ansprüche für Überstunden, Nachtarbeit, Sonntags- und Feiertagsarbeit und Unterschreiten der Mindestruhezeiten keine Passivlegitimation zukomme. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl hingegen Folge und hob das Ersturteil auf. Es vertrat die Rechtsansicht, die Bekl müsse sich das Verhalten der Eheleute aufgrund einer aus Sicht des Kl anzunehmenden Anscheinsvollmacht wie ihr eigenes Verhalten zurechnen lassen.

Im zweiten Rechtsgang gaben sowohl das Erstgericht als auch das Berufungsgericht der Klage statt. Gegen den klagestattgebenden Teil des Berufungsurteils erhob die Bekl Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens mit dem Antrag auf Abänderung iSd gänzlichen Klageabweisung.

Der OGH gab der Revision der Bekl nicht Folge. Er hielt die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, die Bekl müsse sich aufgrund der festgestellten Umstände das Verhalten der Eheleute nicht nur bei Begründung des Dienstverhältnisses, sondern auch während laufendem Dienstvertrag gegenüber dem Kl aufgrund der aus dessen Sicht anzunehmender Anscheinsvollmacht wie ihr eigenes Verhalten zurechnen lassen, nach Lage des Falls für zutreffend.

Anspruch auf Überstundenzahlung ist nach stRsp dann gegeben, wenn diese ausdrücklich oder schlüssig angeordnet wurde oder wenn der AG Arbeitsleistungen entgegennahm, die auch bei richtiger Einteilung der Arbeit nicht in der normalen Arbeitszeit erledigt werden konnten.

Sind – wie im vorliegenden Fall – die Überstunden vor deren Erbringung zwar nicht ausdrücklich angeordnet worden, hat aber die dem Kl übertragene Aufgabe der Betreuung des Jagdreviers die Leistung von Überstunden notwendig gemacht, musste der Kl dies dem AG anzeigen, um seinen Anspruch auf Überstundenvergütung zu wahren. Hat der AG die Überstunden geduldet und entgegengenommen, kann er deren Bezahlung nicht unter Berufung darauf verweigern, dass er Überstundenarbeit nicht angeordnet habe.

Wie im gegenständlichen Fall feststeht, hat das Ehepaar dem Kl die Führung eines Jagdtagebuchs aufgetragen und darauf bestanden, dass daraus ua die geleisteten Arbeitszeiten hervorgehen sollten. Die vom Kl entsprechend dieser Anweisung für jeden Tag des Beschäftigungsverhältnisses geführten Jagdtagebücher enthielten somit nicht nur das Datum und die Art der von ihm im Zusammenhang mit der Betreuung des Jagdreviers täglich geleisteten Arbeiten, sondern – in einer eigenen Tabelle – auch die dafür aufgewendeten Arbeitszeiten. Zum Monatsende wurde darüber hinaus die Summe der jeweils monatlich geleisteten Arbeitsstunden verzeichnet; ebenso waren aus den Jagdtagebüchern die an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen für die Bekl erbrachten Arbeitsleistungen ablesbar. Bei der vom Ehepaar angeordneten regelmäßigen Vorlage dieser Aufzeichnungen war daher erkennbar, dass der Kl mit der im schriftlichen Dienstvertrag vereinbarten monatlichen Arbeitszeit von 173 Stunden nicht das Auslangen fand. Auch ohne zusätzlicher mündlicher Mitteilung des Kl, dass Überstunden notwendig wären, wurde den Eheleuten durch die eigens ausgeworfene monatliche Summe der in den Jagdtagebüchern verzeichneten Arbeitsstunden vor Augen geführt, dass der Kl regelmäßig in nicht unerheblichem Umfang Überstunden verrichtete. Anhand der detaillierten Angaben in den Jagdtagebüchern wären die Eheleute in der Lage 323 gewesen, auch die Notwendigkeit der geleisteten Überstunden im Einzelnen zu hinterfragen oder gegebenenfalls auch zu bestreiten. Wären die Überstunden nicht gewollt gewesen, wäre dies unmissverständlich klarzustellen gewesen. Haben die Eheleute dies nicht getan, durfte der Kl nach Lage des Falls auf deren Einverständnis schließen.