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Löschung der beklagten Gesellschaft: Wahlrecht des Klägers bezüglich der Verfahrensfortsetzung

KLAUSBACHHOFER

Der Kl begehrte von der Bekl mit Klage vom 31.1.2019 eine Urlaubsersatzleistung (nach unberechtigtem vorzeitigen Austritt – in der Hauptsache ist ein Vorabentscheidungsverfahren am EuGH anhängig). Das Erstgericht wies die Klage ab. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Die Bekl wurde nach der angefochtenen E am 24.10.2019 im Firmenbuch infolge beendeter Liquidation gelöscht.

Fünf Tage später, am 29.10.2019, erhob die Kl gegen das Berufungsurteil Revision. Die Revisionsschrift ließ aber nicht erkennen, dass die Kl die Revision in Kenntnis der Löschung erhob. Am 20.11.2019 langte eine Revisionsbeantwortung ein.

Der OGH forderte die Kl mit Beschluss auf, binnen 14 Tagen bekanntzugeben, ob sie von der Verfahrensfortsetzung absteht, widrigenfalls ihr Fortsetzungswille unterstellt werde.

In rechtlicher Hinsicht hielt der OGH begründend zunächst fest, dass die mangelnde Parteifähigkeit eine von Amts wegen zu prüfende Prozessvoraussetzung ist, bei deren Fehlen die Klage zurückzuweisen ist. Sie ist in jeder Lage des Verfahrens bis zur Rechtskraft der Entscheidung von Amts wegen oder auf Antrag wahrzunehmen.

Eine Kapitalgesellschaft verliert ihre Parteifähigkeit mit ihrer Vollbeendigung, die ihre Vermögenslosigkeit und (kumulativ) ihre Löschung im Firmenbuch voraussetzt. Die Löschung – sei es zufolge Nichteröffnung oder Aufhebung des Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens gem § 39 Firmenbuchgesetz (FBG), sei es aufgrund von Vermögenslosigkeit gem § 40 FBG, sei es wie hier nach Beendigung einer Liquidation gem § 93 GmbHG – wirkt daher nur deklarativ, besteht doch eine gelöschte Gesellschaft fort, solange sie noch über Aktivvermögen verfügt. Bis zum Beweis des Gegenteils ist aber davon auszugehen, dass eine im Firmenbuch gelöschte Kapitalgesellschaft vermögenslos ist. Ein möglicher Kostenersatzanspruch im Verfahren steht der Vollbeendigung der Bekl nicht entgegen.

Der OGH vertritt die Auffassung, dass eine vollbeendete Kapitalgesellschaft grundsätzlich nicht mehr parteifähig ist, es aber mit dem Grundrecht auf ein faires Verfahren nach Art 6 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) unvereinbar wäre, wenn die Bekl durch rechtliche Änderungen in ihrer Sphäre, auf die der Kl keinen Einfluss hat und die er auch nicht durchschauen kann, eine Entscheidung über den vom Kl bei Gericht geltend gemachten zivilrechtlichen Anspruch vereiteln könnte.

Wird die bekl Kapitalgesellschaft während eines gegen sie anhängigen Prozesses gelöscht, ist das Verfahren deshalb auf Begehren des Kl fortzusetzen. Strebt der Kl hingegen die Fortsetzung des Verfahrens gegen die gelöschte Gesellschaft nicht an, so ist die Klage zurückzuweisen und das bisherige Verfahren für nichtig zu erklären.

Der Kl hat somit ein Wahlrecht. Sein Wille zur Verfahrensfortsetzung gegen die vollbeendete Gesellschaft muss aber nicht ausdrücklich erklärt werden, sondern kann sich auch daraus ergeben, dass er trotz Kenntnis der den Verlust der Parteifähigkeit herbeiführenden Umstände das Verfahren durch Anträge oder Rechtsmittel fortsetzt. Um ein „Taktieren“ zu verhindern, hat der Kl, nachdem ihm die relevanten Tatsachen bekannt geworden sind, in angemessener Frist zu erklären, dass er von der Fortsetzung des Verfahrens abstehe; andernfalls wird unterstellt, dass er das Verfahren fortführen will.

Liegen keine Hinweise vor, dass dem Kl die relevanten Umstände (zB die Löschung der Bekl oder die Insolvenzabweisung mangels Masse) bekannt sind, hat ihm das Prozessgericht eine angemessene Frist zu setzen, in der er erklären kann, von der Verfahrensfortsetzung Abstand zu nehmen, widrigenfalls sein Fortsetzungswille unterstellt wird. Dabei ist eine Frist von 14 Tagen üblich und im Normalfall auch angemessen.

Im vorliegenden Fall wurde die Löschung infolge Liquidation zwar bereits am 24.10.2019 im Firmenbuch und damit fünf Tage vor Einbringung der Revision des Kl eingetragen. Damit kann ihm noch kein Fortsetzungswille unterstellt werden. Dem Kl wurde daher Gelegenheit gegeben, binnen 14 Tagen eine entsprechende Erklärung abzugeben. 343