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Zumutbare Überschreitung der Wegzeit bei Teilzeitbeschäftigung

BIRGITSDOUTZ

Das Arbeitsmarktservice (AMS) sprach mit dem in Revision gezogenen Bescheid aus, dass der Beschwerdeführer für den Zeitraum 15.11.2018 bis 9.1.2019 gem § 10 AlVG den Anspruch auf Notstandshilfe verloren habe, da er sich nicht bei einer vom AMS zugewiesenen zumutbaren Beschäftigung beworben habe. In der dagegen eingebrachten Beschwerde führte der Beschwerdeführer aus, dass die zugewiesene Stelle nicht den gesetzlichen Kriterien einer zumutbaren Beschäftigung entspreche, dies ua deshalb, weil die Fahrzeit für die angebotene Teilzeitbeschäftigung im Ausmaß von 25 Wochenstunden laut gesetzlichen Bestimmungen nicht mehr als 1 ½ Stunden täglich betragen dürfe. Gemäß Fahrplanauskunft der ÖBB betrage die tägliche Fahrzeit (Hin- und Rückfahrt) rund zwei Stunden.

Das AMS wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung ab. Zur Wegzeit verwies das AMS auf ein bereits vorliegendes Erk des VwGH vom 8.5.2018, Ro 2017/08/0034, wonach eine Überschreitung der täglichen Wegzeit von etwa 50 % zumutbar ist. Im konkreten Fall liege eine Überschreitung von einer halben Stunde vor, weshalb die errechnete Wegzeit unter dieser Schwelle liege.

Im dagegen eingebrachten Vorlageantrag führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass das vom AMS angeführte VwGH-Erk zur Wegzeit sich auf eine Vollzeitbeschäftigung beziehe und nicht auf den vorliegenden Fall anwendbar sei. Wegzeiten seien für Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigung unterschiedlich geregelt. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine wesentliche Überschreitung des Anfahrtsweges seien im vorliegenden Fall nicht gegeben. Überdies sei die Sperre von acht Wochen rechtswidrig, da keine früheren Pflichtverletzungen vorliegen würden und daher nur eine sechswöchige Sperre gerechtfertigt wäre. Das BVwG wies die Beschwerde als unbegründet ab.

Der VwGH hob das Erk wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf, bestätigte aber die Zumutbarkeit der Wegzeit von zwei Stunden bei einer Teilzeitbeschäftigung. Er verwies auf seine bisherige Rsp, die in ihren maßgeblichen Gesichtspunkten auf die vorliegende Teilzeitbeschäftigung übertragen werden könne. Die gem § 9 Abs 2 AlVG zumutbare tägliche Wegzeit beträgt bei Teilzeitbeschäftigung für Hin- und Rückweg jedenfalls eineinhalb Stunden. Bei einer Teilzeitbeschäftigung liegt eine Wegzeit nach der Rsp des VwGH grundsätzlich erst dann „wesentlich“ über dieser Grenze – und ist daher erst dann „nur unter besonderen Umständen“ zumutbar –, wenn diese Grenze um etwa 50 % überschritten wird. Der Revisionswerber bringt unter Hinweis auf eine von ihm selbst durchgeführte Recherche vor, bei Benützung öffentlicher Verkehrsmittel würde die tägliche Wegzeit an einem Freitag zwei Stunden und 14 Minuten bzw an einem Samstag zwei Stunden und 26 Minuten betragen. Diese behaupteten Wegzeiten würden die gem § 9 Abs 2 AlVG bei einer Teilzeitbeschäftigung jedenfalls zumutbare tägliche Wegzeit von eineinhalb Stunden an Wochentagen um 49 % und an Samstagen um 62 % überschreiten. Selbst die behauptete Überschreitung, die im Wochenschnitt bei gleichmäßig verteilter Arbeitszeit etwas mehr als 50 % betragen würde, wäre im vorliegenden Fall iSd § 9 Abs 2 AlVG als zumutbar anzusehen, weil die vorliegende Teilzeitbeschäftigung im Ausmaß von 25 Wochenstunden nicht jene typische Teilzeitbeschäftigung von 20 Wochenstunden ist, von der der Gesetzgeber ausgegangen ist, sodass insoweit besondere Umstände iSd letzten Satzes des § 9 Abs 2 AlVG angenommen werden können.

Der VwGH hat das Erk des BVwG dennoch wegen Verfahrensmängeln aufgehoben und die Aufhebung damit begründet, dass das BVwG die Feststellung, dass gegen den Revisionswerber aufgrund früherer Pflichtverletzungen bereits Ausschlussfristen verhängt worden seien, trotz Bestreitung durch den Revisionswerber ohne weitere Beweisaufnahme – etwa die Vorlage rechtskräftiger Bescheide durch das AMS – allein auf Grund eines im Akt erliegenden Bezugsverlaufes vom 12.4.2019 getroffen hat. Dies stellt laut VwGH kein ausreichendes Ermittlungsverfahren, insb da auch das AMS in der Revisionsbeantwortung vorgebracht hat, dass die genannten Bescheide zu den vorherigen Ausschlussfristen behoben wurden. 344