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Wegfall der Anrechnung des Partnereinkommens bei Notstandshilfebezug mit 1.7.2018 hat keine Auswirkung auf Höhe eines laufenden Krankengeldanspruchs

SOPHIAMARCIAN

§ 41 Abs 1 AlVG wurde durch das Bundesgesetz BGBl I 2017/157BGBl I 2017/157nicht geändert. Diese Bestimmung stellt für die Bemessung des Krankengeldes nach ihrem Wortlaut nach wie vor auf die „Höhe der zuletzt bezogenen Leistung“ nach dem AlVG ab.

Eine Regelung ist nicht schon dann gleichheitswidrig, wenn ihr Ergebnis nicht in allen Fällen als befriedigend angesehen werden wird. Dem Gesetzgeber steht ein Gestaltungsspielraum insofern zu, als er in seinen rechts- und wirtschaftspolitischen Zielsetzungen frei ist.

SACHVERHALT

Der Kl bezog im Zeitraum vom 12.8. bis zum 9.10.2016 Notstandshilfe in Höhe von € 0,19 täglich. Er war ab 18.10.2016 bis zum 18.11.2018 arbeitsunfähig in Folge von Krankheit, wobei der Kl zuerst Krankengeld in Höhe von € 0,19 täglich, auf Basis des vorherigen Notstandshilfebezuges, erhielt. Mit 1.1.2017 wurde dem Kl ein Rehabilitationsgeld in Höhe von € 52,45 täglich zugesprochen, dieses bezog er bis 31.7.2018. Ab 1.8. bis zum 18.11.2018 bezog der Kl neuerlich Krankengeld in Höhe von € 0,19 täglich.

Der Kl begehrte aufgrund der Novelle BGBl I 2017/157BGBl I 2017/157, mit der die Anrechnung des Partnereinkommens bei der Bemessung der Notstandshilfe mit 1.7.2018 beseitigt wurde, ein höheres Krankengeld ab 1.8.2018. Die Bekl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 29.11.2018 ab.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Das Erstgericht sprach dem Kl für den Zeitraum von 1.8. bis 18.11.2018 Krankengeld in der Höhe von € 28,79 täglich, unter Anrechnung der bisher geleisteten Zahlungen von € 0,19 täglich, daher in Höhe weiterer € 28,60 zu. Es war der Ansicht, dass ab dem 1.7.2018 das Partnereinkommen bei der Höhe der Notstandshilfe amtswegig nicht mehr zu berücksichtigen war und daher dem Kl auch ein höheres Krankengeld zustand.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Bekl Folge und führte begründend aus: Gem § 41 Abs 1 AlVG gebührt das Krankengeld in der Höhe der zuletzt bezogenen Leistung nach dem AlVG, ohne Berücksichtigung eines allfälligen Zusatzbetrags gem § 20 Abs 6 AlVG. Daher sei die zuletzt vom Kl bezogene Notstandshilfe in Höhe von € 0,19 täglich als Bemessungsgrundlage für das Krankengeld 347 heranzuziehen. § 41 AlVG ist mit der Novelle BGBl I 2017/157BGBl I 2017/157nicht geändert worden, daher sei an der Rsp festzuhalten, wonach es auf den letzten tatsächlichen Leistungsbezug nach dem AlVG ankomme.

Das Berufungsgericht sah die Revision als zulässig an, da über den Einzelfall hinausgehende höchstgerichtliche Rsp fehlte. Der OGH ließ die Revision des Kl zu, sah sie aber als nicht berechtigt an.

ORIGINALZITATE

„[…]

1.3 [… Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass beim Kläger am 1.8.2018 eine Fortsetzung der Krankheit im Sinn des § 139 Abs 3 ASVG, der gemäß § 41 Abs 1 letzter Satz AlVG sinngemäß anzuwenden ist, vorlag, sodass nicht von einem weiteren Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit bei Beginn des zweiten Krankengeldbezugs auszugehen ist, wird vom Revisionswerber nicht in Zweifel gezogen. […]

2.4 Durch die Novelle BGBl I 2017/157BGBl I 2017/157 wurde daher ab 1.7.2018 die Anrechnung des Partnereinkommens für die Beurteilung des Vorliegens einer Notlage bzw der Berechnung der Höhe der Notstandshilfe abgeschafft. Dadurch entfiel auch der Anspruch auf Kranken- und Pensionsversicherung für Personen, die ausschließlich wegen Berücksichtigung des Partnereinkommens keinen Anspruch auf Notstandshilfe haben (Gerhartl, Die Notstandshilfe, JAP 2017/2018/22, 222). Aus § 81 Abs 14 Satz 2 AlVG ergibt sich […], dass eine amtswegige Umstellung auf die Notstandshilfe für Personen, die am 30.6.2018 nur aufgrund der bisher erfolgten Einrechnung des Partnereinkommens keinen Anspruch auf Notstandshilfe hatten (§ 34 AlVG aF), mit 1.7.2018 dann nicht erfolgte, wenn der Anspruch auf Notstandshilfe – wie im Fall des Klägers – zu diesem Zeitpunkt ruhte.

3.1 Aus den zitierten Gesetzesmaterialien ergibt sich entgegen den Ausführungen des Revisionswerbers kein Hinweis auf eine Absicht des Gesetzgebers, mit der Änderung der Berechnung der Notstandshilfe durch Außerachtlassung des Partnereinkommens auch die Höhe des Anspruchs auf Krankengeld nach § 41 Abs 1 AlVG während dessen Bezugs ändern zu wollen. § 41 Abs 1 AlVG wurde nämlich durch das Bundesgesetz BGBl I 2017/157BGBl I 2017/157[…] nicht geändert. Diese Bestimmung stellt für die Bemessung des Krankengeldes nach ihrem Wortlaut nach wie vor auf die ‚Höhe der zuletzt bezogenen Leistung‘ nach dem AlVG ab. Dies war die im Jahr 2016 vom Kläger bezogene Notstandshilfe, für deren Berechnung das Partnereinkommen maßgeblich war.

3.2 Der Gesetzgeber stellt in § 41 Abs 1 AlVG ausdrücklich auf den tatsächlichen – und nicht bloß fiktiven (vgl 10 ObS 118/13wSSV-NF 27/77, Pkt 2.3) – Letztbezug nach dem AlVG ab. Das Krankengeld nach dem AlVG soll nur den infolge des Eintritts des Versicherungsfalls der Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit eingetretenen Ausfall des sonst weiterlaufenden Bezugs nach dem AlVG kompensieren (10 ObS 115/92SSV-NF 6/111). Eine Änderung der familiären Situation oder des Einkommens wird nach der Absicht des Gesetzgebers nicht während des Krankengeldbezugs, sondern erst im Zeitpunkt des Fortbezugs der Leistung aus dem AlVG nach dem Wegfall des Krankengeldbezugs (bzw des Ruhenstatbestands) wirksam […]. Nach dieser schon vor der Novelle BGBl I 2017/157BGBl I 2017/157geltenden Rechtslage führte nicht einmal eine – selbst gravierende – Änderung der Familien- oder Einkommensverhältnisse (etwa die Trennung vom Partner) zu einer Änderung der Höhe des Krankengeldes nach dem AlVG. Umso weniger ist dies für eine Situation wie die vorliegende anzunehmen, in der eine Rechtsänderung nicht die Höhe des Anspruchs auf Krankengeld nach dem AlVG, sondern lediglich jene der Notstandshilfe betrifft, die überdies im hier strittigen Zeitraum wegen des Krankengeldbezugs ruhte (§ 16 Abs 1 lit a AlVG).

4.1 Die vom Revisionswerber behauptete Gleichheitswidrigkeit des § 41 Abs 1 AlVG liegt nicht vor. Eine Regelung ist nicht schon dann gleichheitswidrig, wenn ihr Ergebnis nicht in allen Fällen als befriedigend angesehen werden wird. Dem Normsetzer muss es gestattet sein, eine einfache und leicht handhabbare Regelung zu treffen (RS0053882). Dem Gesetzgeber steht ein Gestaltungsspielraum insofern zu, als er in seinen rechts- und wirtschaftspolitischen Zielsetzungen frei ist. Gerade im Sozialversicherungsrecht sind Stichtagsregelungen in Anpassung an die wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten unvermeidlich, mögen sie auch in Einzelfällen Härten mit sich bringen. Eine zeitliche Differenzierung durch eine Stichtagsregelung verstößt nicht grundsätzlich gegen das Gleichheitsgebot (RS0117654).“

ERLÄUTERUNG

Die Anrechnung des Partnereinkommens auf die Notstandshilfe wurde 2018 abgeschafft (§ 36 Abs 2 und 3 AlVG). Die Änderung wurde im Plenum des Nationalrats beschlossen – ohne nähere Erläuterungen. Die Übergangsbestimmungen normieren, dass die maßgeblichen Bestimmungen am 1.7.2018 in Kraft treten und für Zeitenräume nach dem 31.6.2018 (richtig 30.6.) gelten. BezieherInnen von Leistungen aus der AlV haben Anspruch auf Leistungen aus der KV. Das Krankengeld gebührt gem § 41 Abs 1 AlVG in der Höhe der zuletzt bezogenen Leistung. 348

Strittig war im vorliegenden Fall, ob die Abschaffung der Partnereinkommensanrechnung auch für arbeitslose Personen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuregelung am 1.7.2018 arbeitsunfähig waren, zur Anwendung kommt und daher ein höheres Krankengeld gebührt. Geltend gemacht wurde eine gleichheitswidrige Schlechterstellung kranker Arbeitsloser gegenüber anderen Arbeitslosen.

Der OGH sah angesichts der vom Gesetzgeber unterlassenen Änderung des § 41 Abs 1 AlVG, welcher für die Bemessung der Höhe des Krankengeldbezuges auf den tatsächlichen Letztbezug nach dem AlVG abstellt, jedoch keinen Grund, dieser Argumentation zu folgen, zumal auch die Gesetzesmaterialien keine derartige Absicht aufzeigen. Der Wegfall der Anrechnung des Partnereinkommens für NotstandshilfebezieherInnen soll daher nicht für jene gelten, die zwar zuletzt Notstandshilfe bezogen haben, deren Anspruch aber aktuell (zum Zeitpunkt des Inkrafttretens am 1.7.2018) aufgrund eines Krankengeldbezuges ruht. Die Berücksichtigung der durch die Novelle aufgehobenen Anrechnung des Partnereinkommens wird erst dann schlagend, wenn das Ruhen der Notstandshilfe beendet ist und die Leistung (nach dem AlVG) von der versicherten Person weiterbezogen wird. Eine Ungleichbehandlung von arbeitsunfähigen NotstandshilfebezieherInnen, verglichen mit Arbeitsfähigen iS einer Gleichheitswidrigkeit, wie vom Revisionswerber vorgebracht wurde, konnte er nicht nachvollziehen. Hier gestand der OGH dem Gesetzgeber einen Gestaltungsspielraum zu.