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Selbstversicherung bei Pflege eines nahen Angehörigen auch neben Pensionsbezug möglich

PIA ANDREAZHANG

Weder § 18b ASVG noch § 18a ASVG sehen im Fall eines bescheidmäßig zuerkannten Anspruchs auf eine laufende Leistung aus einer eigenen gesetzlichen PV einen Ausschluss von der jeweiligen Selbstversicherung in der Angehörigenpflege vor.

SACHVERHALT

Die Mitbeteiligte lebt mit ihrem nahen Angehörigen im Inland im gleichen Haushalt und pflegt ihn seit November 2017. Der Angehörige bezieht Pflegegeld der Stufe 3. Seit April 2017 bezieht die Mitbeteiligte eine Alterspension nach dem GSVG.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Die Mitbeteiligte beantragte bei der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) eine Selbstversicherung in der PV als pflegende Angehörige nach § 18b ASVG. Dies wurde von der PVA abgelehnt.

Dagegen erhob die Mitbeteiligte Beschwerde an das BVwG. Das BVwG hat festgestellt, dass sie ab 1.11.2017 zur Selbstversicherung berechtigt sei. Sie erfülle die Voraussetzungen des § 18b ASVG. Es gebe auch keinen expliziten Ausschluss für BezieherInnen einer laufenden Leistung aus der gesetzlichen PV. Die Revision wurde für zulässig erklärt, da Rsp zur Frage fehle, ob ein bescheidmäßig zuerkannter Anspruch auf eine laufende Leistung aus der gesetzlichen PV die Selbstversicherung in der PV nach § 18b ASVG ausschließe.

Dagegen richtete sich die Revision der belangten Behörde. Die PVA verweist darauf, dass auch eine Weiterversicherung nach § 17b ASVG nur möglich sei, solange die betreffende Person keinen bescheidmäßig zuerkannten Anspruch auf eine laufende Leistung aus einer eigenen gesetzlichen PV habe. Dies müsse daher erst recht für die Selbstversicherung nach § 18b ASVG gelten, bei der die Beiträge sogar zur Gänze aus Mitteln des Bundes getragen würden. Mit der Zuerkennung der Leistung sei eine weitere Vorsorge nicht mehr erforderlich und die freiwillige Versicherung daher obsolet. Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„[…]

7 Gemäß § 18b Abs. 1 ASVG können sich Personen, die einen nahen Angehörigen oder eine nahe Angehörige mit Anspruch auf Pflegegeld zumindest in Höhe der Stufe 3 nach § 5 des Bundespflegegeldgesetzes oder nach den Bestimmungen der Landespflegegeldgesetze unter erheblicher Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung pflegen, 350 in der Pensionsversicherung selbstversichern, solange sie während des Zeitraumes dieser Pflegetätigkeit ihren Wohnsitz im Inland haben. […]

8 Gemäß § 18a Abs. 1 ASVG können sich Personen, die ein behindertes Kind unter überwiegender Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung pflegen, in der Pensionsversicherung selbstversichern. Diese Selbstversicherung war nach § 18a Abs. 2 ASVG in der bis 31. Dezember 2014 maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 132/2005BGBl. I Nr. 132/2005 für eine Zeit ausgeschlossen, während der (Z 1) „eine Pflichtversicherung oder Weiterversicherung oder andere Selbstversicherung in einer gesetzlichen Pensionsversicherung oder ein bescheidmäßig zuerkannter Anspruch auf eine laufende Leistung aus einer eigenen gesetzlichen Pensionsversicherung besteht“. § 18a Abs. 2 Z 1 ASVG wurde durch das Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz – SVAG, BGBl. I Nr. 2/2015BGBl. I Nr. 2/2015, mit Wirkung ab 1. Jänner 2015 aufgehoben. […]

9 Im vorliegenden Fall ist strittig, ob – auch in Anbetracht der genannten Novellierung des § 18a ASVG – eine Selbstversicherung nach § 18b Abs. 1 ASVG zulässig ist, wenn ein bescheidmäßig zuerkannter Anspruch auf eine laufende Leistung aus einer eigenen gesetzlichen Pensionsversicherung besteht.

10 Im Erkenntnis vom 20. November 2019, Ro 2019/08/0019, hat der Verwaltungsgerichtshof zur Frage, ob eine Selbstversicherung nach § 18b Abs. 1 ASVG zulässig ist, wenn eine Weiterversicherung in einer gesetzlichen Pensionsversicherung besteht, ausgeführt, dass § 18a Abs. 2 Z 1 ASVG bis zur Novelle BGBl. I Nr. 2/2015BGBl. I Nr. 2/2015die Selbstversicherung nach § 18a ASVG für eine Zeit ausgeschlossen hat, während der eine Pflichtversicherung oder Weiterversicherung […] bestand. § 18b ASVG habe einen solchen Ausschluss für die Selbstversicherung nach § 18b ASVG von vornherein nicht vorgesehen. […] Eine zeitliche Überschneidung einer Weiterversicherung nach § 17 ASVG und einer Selbstversicherung nach § 18b ASVG (unter Bildung der Beitragsgrundlage nach § 76b Abs. 5a ASVG) sei zulässig.

11 Die Selbstversicherung nach § 18b ASVG gehört zu den freiwilligen Versicherungsverhältnissen, deren Begründung von einer Willenserklärung (Beitrittserklärung) daran Interessierter abhängt. Freiwillige Versicherungsverhältnisse stellen […] grundsätzlich ein Auffangbecken für solche Fälle dar, die aus verschiedenen Gründen nicht oder nicht mehr in die Pflichtversicherung einbezogen sind. Es gilt […] der Grundsatz der Subsidiarität gegenüber der Pflichtversicherung (Risak in Tomandl [Hrsg.], Sozialversicherungssystem, 1.3.1).

12 In den Fällen der Selbstversicherung auf Grund einer Angehörigenpflege iSd § 18a Abs. 1 und § 18b Abs. 1 ASVG gilt nach dem Gesagten dieser Grundsatz im Hinblick auf die Zulässigkeit der Ausübung einer Erwerbstätigkeit neben der Angehörigenpflege allerdings nicht. […]

14 Weder § 18b ASVG noch – nach der Aufhebung der diesbezüglichen Einschränkung durch das SVAG – § 18a ASVG sehen im Fall eines bescheidmäßig zuerkannten Anspruchs auf eine laufende Leistung aus einer eigenen gesetzlichen Pensionsversicherung einen Ausschluss von der jeweiligen Selbstversicherung in der Angehörigenpflege vor […]. Angesichts des eindeutigen Wortlauts des § 18b Abs. 1 ASVG, dem – wie nunmehr auch § 18a Abs. 1 ASVG – kein Hinweis darauf zu entnehmen ist, dass die Selbstversicherung für eine Zeit ausgeschlossen wird, während der ein bescheidmäßig zuerkannter Anspruch auf eine laufende Leistung aus einer eigenen gesetzlichen Pensionsversicherung besteht, entspricht das angefochtene Erkenntnis der Rechtslage. […]“

ERLÄUTERUNG

Der VwGH stellt mit dieser Entscheidung eindeutig fest, dass eine Selbstversicherung in der PV während der Pflege eines nahen Angehörigen nach § 18b ASVG – ebenso wie die bei Pflege eines behinderten Kindes nach § 18a ASVG – auch neben dem Bezug einer Alterspension möglich ist.

Es handelt sich bei der Selbstversicherung um eine freiwillige Versicherung, die in der Regel nur subsidiär gilt, also nicht mehr möglich ist, wenn bereits ein zuerkannter Anspruch auf eine eigene Leistung besteht. Dies ist bei den Selbstversicherungen in der PV nach § 18a und § 18b ASVG nicht der Fall, da sie beispielsweise auch neben einer Erwerbstätigkeit möglich sind. Dies ist im Gesetz durch die Bezugnahme auf die notwendige eingesetzte Arbeitskraft auch zweifelsfrei geregelt.

Der VwGH hat erst vor kurzem im Erk vom 20.11.2019, Ro 2019/08/0019, klargestellt, dass eine Selbstversicherung in der PV nach § 18b ASVG auch neben einer Weiterversicherung in der PV nach § 17 ASVG möglich ist (siehe DRdA-infas 2020, 102) – dies auch für ein und dieselbe Person. Das wurde damit begründet, dass auch die Ausübung einer Erwerbstätigkeit neben der Selbstversicherung bei Pflege eines nahen Angehörigen (aber auch bei Pflege eines behinderten Kindes nach § 18a ASVG) zulässig ist.

Im vorliegenden Fall bezieht sich der VwGH insb auf den eindeutigen Gesetzeswortlaut. Die Weiterversicherung in der PV nach § 17 ASVG enthält einen ausdrücklichen Ausschluss bei Vorliegen eines bescheidmäßig zuerkannten Anspruchs auf eine laufende Geldleistung aus der gesetzlichen PV. Da § 18b (ebenso wie auch der aktuell geltende § 18a) ASVG keinen solchen Ausschluss enthält, ist jedenfalls von der Zulässigkeit auch neben dem Pensionsbezug auszugehen. 351