Der wahre Arbeitgeber bei Scheinunternehmen – Eine rechtliche Beurteilung aus dem Blickwinkel der Insolvenz-Entgelt-Sicherung

MARKUSROGNER

Das Thema Scheinunternehmen beschäftigt nicht nur Abgabebehörden und Gerichte, sondern hat oftmals auch prekäre Auswirkungen auf AN, die auf ein solches Unternehmen „hereinfallen“. Neben Auswirkungen auf die SV ist es vor allem die Durchsetzung von AN-Ansprüchen aus geleisteter Arbeit, die häufig unmöglich wird. Sehr oft geht mit der Feststellung des Scheinunternehmens eine Insolvenz einher. In der Folge müssen sich AN-Vertreter, IEF-Service GmbH sowie Gerichte mit der schwierigen Frage beschäftigen, ob der wahre AG das Scheinunternehmen ist und daher ein Anspruch auf Insolvenz-Entgelt besteht bzw wenn nicht, gegen wen dieser durchzusetzen ist. Intransparente rechtliche und faktische Konstruktionen führen nicht selten dazu, dass der wahre AG nicht festgestellt werden kann, insb, wenn die handelnden Personen verborgen bleiben. Dieser Artikel beschäftigt sich mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen der Scheinunternehmer als AG in Frage kommt und wie der wahre AG festgestellt werden kann.

1.
Einleitung und Problemstellung

Zahlreiche medial thematisierte Vorfälle* belegen, dass Scheinunternehmen vor allem in der Baubranche, in der Reinigung und in den letzten Jahren auch häufiger bei den Paketzustelldiensten, iZm kriminellen Praktiken wie Sozialbetrug, wirtschaftlichen und sozialen Schaden* anrichten und vor allem die Lage von betroffenen AN* massiv beeinträchtigen. Der wahre „Drahtzieher“ hinter dem Konstrukt eines Scheinunternehmens – und potentiell auch der wahre AG – bleibt oft verborgen oder ist nicht greifbar, was die rechtliche Durchsetzung arbeitsrechtlicher Ansprüche verunmöglicht bzw nicht selten auch die soziale Absicherung verwehrt. Dass es sich um ein Scheinunternehmen handelt, wissen die Betroffenen meist erst im Nachhinein.

Häufig kommt es zur Insolvenz von Scheinunternehmen. Gibt es AN, die in dessen Einzugsbereich Arbeitsleistungen erbracht haben, kann – sofern Anhaltspunkte für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zum Scheinunternehmen bestehen – vom AN ein Antrag auf Insolvenz-Entgelt bei der IEF-Service GmbH gestellt werden. Die IEF-Service GmbH hat die Voraussetzungen für die Auszahlung von Insolvenz-Entgelt anhand des Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetzes (IESG) zu überprüfen und bescheidmäßig darüber zu entscheiden.

In diesem Zusammenhang bereitet vor allem die Zuordnung des AN zu einem bestimmten AG bzw die Feststellung des wahren AG in der Praxis die größten Schwierigkeiten.* Häufig werden die AN beim Scheinunternehmen zur SV angemeldet und teilweise sogar Lohnabrechnungen ausgestellt.

Die Begründung des Arbeitsverhältnisses verläuft dabei nach ähnlichen Mustern. Die AN werden häufig außerhalb eines Unternehmenssitzes bzw in Räumlichkeiten angeworben, die keinem Unternehmen zuzuordnen sind (etwa Kaffeehäuser 374 oder Büros in Privatwohnungen bzw ohne Firmenaufschrift). Die Aufnahme des AN erfolgt vielfach durch „Mittelspersonen“, bei denen nur der Vorname bekannt ist. Ob diese für ein bestimmtes Unternehmen (etwa das Scheinunternehmen) auftreten, bleibt oftmals unklar und ergibt sich, wenn überhaupt, aus den Umständen.

Problematisch in derartigen Konstellationen ist zweifelsfrei, inwieweit der AN in das Konstrukt des Scheinunternehmens eingebunden war. Es stellt sich die Frage, ob hier nur Arbeitsleistung vorgetäuscht wurde, um Sozialleistungen zu erschleichen, ob ein Missbrauch der Insolvenz-Entgelt- Sicherung vorlag und ob es sich um (organisierte) Schwarzarbeit gehandelt hat.* Ein derartiges Verhalten wird neben möglichen strafrechtlichen Konsequenzen auch zu keinem Anspruch auf Insolvenz-Entgelt führen. Liegt nur ein Scheinarbeitsverhältnis vor, ist dieses iSd § 916 ABGB nichtig und es scheitert der Antrag auf Insolvenz- Entgelt bereits mangels Vorliegens eines Arbeitsverhältnisses. Derartige Überprüfungen sind Teil der Ermittlungen iZm Scheinunternehmen und sind als Vorfrage abzuklären. In diesem Beitrag wird aber davon ausgegangen, dass der AN gutgläubig – und damit schützenswert – gehandelt hat.

Kann der AN dem insolventen Unternehmen als AN nicht zugerechnet werden, führt dies zur Ablehnung des Antrags auf Insolvenz-Entgelt. Der AN steht damit vor dem Problem, gegen wen er den Entgeltanspruch für seine geleistete Tätigkeit durchsetzen kann. Wenn nämlich der wahre AG nicht rechtzeitig festgestellt wird, können mangels der Möglichkeit einer (gerichtlichen) Geltendmachung verdiente Entgelte verfallen bzw verjähren. Eine etwaige Haftung des Auftraggebers des Scheinunternehmens (iSd § 9 Sozialbetrugsbekämpfungsgesetzes [SBBG]) für nichtbezahltes Arbeitsentgelt greift sehr häufig aufgrund der engen Haftungsbestimmungen nicht.*

Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit arbeits- und IESG-rechtlichen Fragestellungen, die sich durch ein rechtskräftig festgestelltes Scheinunternehmen iZm der Feststellung des wahren AG aus der Perspektive der AN, die in gutgläubiger Weise tatsächliche Arbeitsleistungen erbracht haben, ergeben.

2.
Das Scheinunternehmen
2.1.
Definition

Die Bestimmung zur Feststellung von Scheinunternehmen ist in § 8 SBBG geregelt und definiert zwei Arten. Die erste Form iSd § 8 Abs 1 Z 2 SBBG verfolgt den Zweck, Personen zur SV anzumelden, um Versicherungs-, Sozial- oder sonstige Transferleistungen zu beziehen, obwohl tatsächlich keine Arbeitsleistung erfolgt. Die zweite Form iSd § 8 Abs 1 Z 1 SBBG bezieht sich auf ein Unternehmen, das vorrangig darauf ausgerichtet ist, Lohnabgaben (zB Beiträge zur SV, Bauarbeiter- Urlaubs- und Abfertigungsgesetz-[BUAG-]Zuschläge, Lohnsteuer) oder Entgeltansprüche von AN zu verkürzen. Während bei der ersten Form weder Arbeitsleistung erbracht wird noch eine unternehmerische Tätigkeit erfolgt, tritt in der zweiten Variante das Unternehmen am Markt auf, erbringt unternehmerische Leistungen und beschäftigt Personen, die tatsächlich Arbeitsleistungen erbringen.* Der vorliegende Artikel bezieht sich auf die zweite Form des Scheinunternehmens.

Während § 8 Abs 2 SBBG festlegt, wann ein Verdacht auf Vorliegen eines Scheinunternehmens besteht, werden die Kriterien zu dessen Feststellung in § 8 Abs 3 SBBG definiert. Diese Kriterien werden von der zuständigen Abgabenbehörde im Verfahren geprüft und es wird bescheidmäßig darüber abgesprochen. Wurde rechtskräftig festgestellt, dass es sich um ein Scheinunternehmen handelt, erfolgt eine Eintragung in die Liste der Scheinunternehmer* (§ 8 Abs 10 SBBG) sowie gegebenenfalls die Eintragung im Firmenbuch (§ 8 Abs 11 SBBG).

2.2.
Rechtspersönlichkeit

Damit ein Scheinunternehmen als AG in Frage kommt, muss es Rechtspersönlichkeit besitzen. Aus den ErläutRV* geht hervor, dass sich der Begriff „Scheinunternehmen“ nicht auf die Existenz der Gesellschaft oder Firma bezieht, sondern vielmehr auf den angegebenen Geschäftszweck. § 8 Abs 4 SBBG stellt klar, dass es sich um einen Rechtsträger handeln muss.

Die Qualifikation als Scheinunternehmen iSd SBBG setzt daher voraus, dass der Rechtsträger eine natürliche bzw juristische Person ist, die auch rechtsfähig ist.* Dafür spricht auch, dass die rechtskräftige Feststellung als Scheinunternehmen 375 nicht automatisch zum Untergang der Rechtspersönlichkeit führt. Vielmehr wird etwa bei Kapitalgesellschaften die Möglichkeit vorgesehen, dass die Abgabenbehörde einen Antrag beim zuständigen Firmenbuchgericht auf Löschung iSd § 40 FBG bei Vermögenslosigkeit stellen kann.

Aus der Rechtsfähigkeit des Scheinunternehmens ergibt sich, dass dieses als potenzieller AG – neben den hinter dem Konstrukt stehenden Personen – in Betracht kommen kann.

3.
Die Feststellung des Arbeitgebers – Problemstellungen iZm dem Verfahren bei der IEF-Service GmbH
3.1.
Scheinunternehmen und Verfahren bei der IEF-Service GmbH

Werden AN-Forderungen bei der IEF-Service GmbH beantragt, hat diese ein Ermittlungsverfahren einzuleiten und zu überprüfen, ob ein Anspruch des AN auf Insolvenz-Entgelt besteht.

Sobald ein Verdacht auf Vorliegen eines Scheinunternehmens besteht, hat die ermittelnde Abgabenbehörde zum Zwecke der Klärung des Sachverhalts nach § 7 Abs 1a IESG die IEF-Service GmbH gem § 8 Abs 4 SBBG darüber schriftlich zu informieren. Dies führt dazu, dass die bescheidmäßige Erledigung des anhängigen Verfahrens dort bis zur Klärung des Sachverhalts ausgesetzt wird.

Eine Bindung an einen rechtskräftigen Bescheid der Abgabenbehörde über die festgestellte Scheinunternehmereigenschaft besteht nicht.* Die IEF-Service GmbH hat den Sachverhalt unabhängig davon zu ermitteln und nach Abschluss der Ermittlungen einen entsprechenden Bescheid zu erlassen.* Dennoch hat die Entscheidung der Abgabenbehörde in der Praxis weitreichende Konsequenzen für das Verfahren auf Zuerkennung von Insolvenz-Entgelt. Die der Entscheidung der Abgabenbehörde zugrunde liegenden Sachverhaltsdarstellungen sind ein wesentliches Indiz für das Ermittlungsverfahren der IEF-Service GmbH.*

Auch die Erhebungen des Versicherungsträgers fließen in das Verfahren ein.* Kommt es zur Stornierung der Anmeldung zur SV,* sind die Gründe für die Stornierung im Ermittlungsverfahren zu berücksichtigen, genauso wie die Aufrechterhaltung der Versicherung.

Zudem ist in der Regel eine Einvernahme der betroffenen Antragsteller gem § 45 Abs 3 AVG bzw möglicher Zeugen durch die IEF-Service GmbH erforderlich. Da von Scheinfirmen typischerweise keine oder nur lückenhafte Lohnverrechnungen vorliegen, die Geschäftsführung meist nicht erreichbar ist und kaum Buchhaltungsunterlagen verfügbar sind, kommt es bei der Sachverhaltsermittlung hauptsächlich auf die glaubhaften Angaben des Antragstellers an. Die Beurteilung der Aussagen der Partei sowie der vorhandenen Beweismittel erfolgt dabei nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung gem § 45 Abs 2 AVG.

Anhand des festgestellten Sachverhaltes hat die IEF-Service GmbH zu überprüfen, ob eine Arbeitsleistung des Antragstellers vorlag und ob diese dem Scheinunternehmer im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses zurechenbar ist und damit der Anknüpfungstatbestand des § 1 IESG für die Zuerkennung von Insolvenz-Entgelt erfüllt ist.

3.2.
Das Feststellen des wahren Arbeitgebers

§ 1 Abs 1 IESG stellt als eine Voraussetzung für Insolvenz-Entgelt primär auf den arbeitsvertraglichen AN-Begriff ab.* AN ist in diesem Sinne gem § 1151 ABGB, wer auf Grund eines Arbeitsvertrages einem anderen zur Dienstleistung in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist.

Demgegenüber ist der AG nach dem Arbeitsvertragsrecht jeder, der im Rahmen des Arbeitsvertrages über die Arbeitskraft eines anderen verfügen kann, dem also der AN Arbeit in persönlicher Abhängigkeit schuldet.* Eine gesetzliche Definition gibt es im Gegensatz zum Sozialversicherungsrecht nicht.*376 Erklärende im eigenen Namen als AG bzw als Vertreter für einen bestimmten AG aufgetreten ist. Sollten mehrere Personen (auch juristische Personen) einzelne AG-Funktionen wahrnehmen, ist, nach den Grundsätzen eines beweglichen Systems, durch die Wahrnehmung von Einzelpflichten eines AG auf die mögliche AG-Stellung iSd Arbeitsvertragsrechts zu schließen.19) Anhand dieses beweglichen Systems gibt es diverse Kriterien, mit denen die AG-Eigenschaft geprüft werden kann:

  • Wer ist in der Stellenausschreibung als AG angeführt?*

  • Von wem wurde das Einstellungsgespräch geführt, in wessen Namen ist diese Person aufgetreten bzw in welchen Geschäftsräumlichkeiten fand dieses statt?*

  • Wer ist der AG laut (schriftlichem) Arbeitsvertrag?*

  • Mit wem wurden die dienstlichen Kontakte geführt und von wem wurden Weisungen erteilt?*

  • Von wem wurde das Arbeitsentgelt bezahlt bzw die Lohnabrechnung ausgestellt?

Die Anmeldung des AN zur SV bei einem bestimmten Unternehmen, ebenso wie ein etwaiger Lohnsteuerabzug, sind nach stRsp* lediglich Indizien für das Vorliegen eines Arbeitsvertrages zu diesem Unternehmen.

Primär kommt es für die Beantwortung der Frage, wer AG ist, auf die Umstände anlässlich des Abschlusses des Arbeitsvertrages an. So ist in der Folge nur von untergeordneter Bedeutung, von wem das Entgelt bezahlt wurde bzw wer die Lohnabrechnung ausstellte.* Die wirtschaftliche Zurechenbarkeit der Arbeitsleistung des AN ist für die arbeitsrechtliche AG-Eigenschaft (anders als für die sozialversicherungsrechtliche DG-Eigenschaft) kein Indiz.*

4.
Die handelnden Personen

Für die Beantwortung der Frage, wer der AG ist, sind, wie oben dargestellt, die Umstände zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses von entscheidender Bedeutung. Dies führt zu der weiteren Problemstellung, nämlich der Zuordnung der auf AG-Seite handelnden Personen. Meistens ist den betroffenen AN nur wenig an Information über die handelnde Person bekannt.

Ob die handelnden Personen für sich selbst oder für andere tätig werden, bestimmt sich nach den Grundsätzen der Stellvertretung iSd § 1002 ff ABGB. Für die Zurechnung kommt es vor allem auf die Offenlegung des Handelns in fremdem Namen durch den Vertreter an.

Die Pflicht zur Offenlegung des Namens des AG nach Beginn des Arbeitsverhältnisses ist aus § 2 AVRAG abzuleiten.* Dies setzt allerdings voraus, dass das Handeln des Vertreters demjenigen zugerechnet werden kann, der als AG angegeben wird.

Die Vertretungsmacht des Vertreters, im Namen des Vertretenen zu handeln, kann sich neben einer gewillkürten Vertretung auch aus dem Gesetz ergeben (zB bei organschaftlicher Vertretung).* Handeln Personen, die zur Vertretung des Scheinunternehmens nicht berufen sind (keine ausreichende Vertretungsmacht aufweisen), ergibt sich eine mögliche Zurechnung unter den Voraussetzungen der Anscheins- bzw Duldungsvollmacht.*

4.1.
Handeln des Unternehmers selbst bzw der organschaftlichen Vertreter

In der Praxis kommt es weniger häufig vor, dass der (Schein-)Unternehmer selbst bzw der organschaftliche Vertreter des Unternehmens die Begründung des Arbeitsverhältnisses vornimmt. Tritt der Scheinunternehmer (als Einzelunternehmer) selbst bei Abschluss des Arbeitsvertrages im eigenen Namen auf, ist die Zurechnung meist unproblematisch. Gleiches gilt, wenn ein organschaftlicher Vertreter des Scheinunternehmens auftritt, wie etwa der Geschäftsführer iSd § 18 Abs 1 GmbHG. Handelt ein Organ mit gesetzlicher bzw organschaftlicher Vertretungsbefugnis, kann sich der AN auf diese Befugnis zur Vertretung des AG verlassen.* Bei juristischen Personen bzw Personengesellschaften sind damit idR alleine diese als AG anzusehen. Tritt dagegen das handelnde Organ selbst als AG auf – ohne klar zu machen, dass es für die Gesellschaft auftritt – legt es die Vertretung also nicht 377 offen –, so wird es idR selbst als AG anzusehen sein.*

Anders zu beurteilen ist der Fall, wenn ein „faktischer“, also nicht zur organschaftlichen Vertretung berufener Geschäftsführer tätig wird. Eine organschaftliche Vertretung ist hier ausgeschlossen. Die Beurteilung seiner Vertretungsbefugnis hat nach Grundsätzen der Stellvertretung zu erfolgen, womit eine Zurechnung etwa durch Anscheins- oder Duldungsvollmacht möglich ist.*

4.2.
Handlung von Mittelspersonen
4.2.1.
Anscheinsvollmacht

In der Praxis kommt es häufiger vor, dass Mittelspersonen („Vermittler“) die AN anwerben. Einen vollständigen Namen (bzw den Firmenwortlaut) des vermeintlichen AG erfahren die AN oftmals nur, falls sie die Anmeldung zur SV erhalten.* Ein schriftlicher Arbeitsvertrag, Dienstzettel oder Lohnabrechnungen werden häufig gar nicht ausgehändigt. Gibt sich die handelnde Person als Vertreter für einen anderen aus – legt daher offen, nicht im eigenen Namen zu handeln –, stellt sich die Frage der Zurechnung dieser Handlung zur vertretenen Person.

Eine rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung durch Erteilung der gewillkürten Vertretungsmacht wird praktisch in den wenigsten Fällen vorliegen, sondern es wird die Stellvertretung nach den Regeln der Anscheinsvollmacht zu lösen sein. Um in einem solchen Fall eine Vertretungsmacht zu begründen, müssen nach stRsp*Umstände vorliegen, unter denen der gutgläubige AN vom Vorhandensein der Berechtigung der Mittelsperson zum Abschluss des Arbeitsvertrages ausgehen kann. Diese Umstände müssen vom Vertretenen selbst geschaffen worden sein.

Es muss dabei ein Anschein der Berechtigungzum Handeln im fremden Namen erzeugt werden. Primär kommt es auf das Auftreten der handelnden Person an.* Dieser Anschein muss von dem Vertretenen oder einem zu seiner Vertretung Befugten aber auch zurechenbar geschaffen worden sein. Eine Zurechnung ist nur dann möglich, wenn aus dem Verhalten des Vertretenen der Schein abgeleitet werden kann, er habe dem Handelnden Vollmacht erteilt.* Es kann aber schon ausreichen, wenn der Vertretene es unterlässt, einen Rechtsschein zu zerstören, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte.* Voraussetzung dafür ist aber, dass er von der mangelnden Vollmacht des Vertreters Kenntnis hatte.*

Die Gutgläubigkeit des AN entfällt bereits bei leicht fahrlässiger Unkenntnis über die mangelnde Vertretungsmacht des Handelnden. Liegen Umstände vor, die beim AN Zweifel hervorrufen müssten und fragt dieser nicht beim Vertragspartner nach, so handelt er auf eigenes Risiko.*

Bei Abschluss eines Arbeitsvertrages mit einer Mittelsperson an einem betriebsfremden Ort (etwa einer Tankstelle oder einem Kaffeehaus) wird idR eine erhöhte Sorgfalt des AN gefordert. Bei Vertragsabschlüssen, die nach den äußeren Umständen Bedenken hervorrufen müssten, kann sich daraus auch eine Verpflichtung des AN zur Überprüfung der Identität bzw der Bevollmächtigung der Mittelsperson ergeben.* Andererseits sieht der OGH diese Verpflichtung nicht so weitgehend, dass er ohne besondere Verdachtsmomente die Vollmacht des Handelnden nachzuprüfen hat. Selbst wenn den AN leichte Fahrlässigkeit trifft, ist beim Geschäftsherrn ein strengerer Maßstab anzulegen, wenn dieser fahrlässig den Rechtsschein nicht unterbindet.*

In der Judikatur* wurden zudem durchaus strenge Kriterien für die Annahme einer Anscheinsvollmacht bzw der Gutgläubigkeit des AN festgelegt. So stellt etwa die Verwendung von Geschäftspapieren, Firmenstempel, Visitenkarten oder einem bestimmten Faxgerät für sich alleine noch keinen Hinweis auf das Vorliegen ausreichender Vertretungsmacht des Vertreters dar.

Auch die Anmeldung zur SV ist kein taugliches Indiz für das Vorliegen einer Anscheinsvollmacht bzw die Gutgläubigkeit des AN, da die Anmeldebestätigung – wenn überhaupt – auch erst nach Abschluss des Vertrages ausgehändigt wird.*

Nicht von der Hand zu weisen ist dabei mE, dass in vielen Branchen der Abschluss von Arbeitsverträgen außerhalb von Geschäftsräumlichkeiten bereits jahrzehntelange gelebte Praxis ist. Alleine aus diesem Umstand heraus kann nicht 378 differenziert werden, ob der AN einem lauteren oder unlauteren Vertragspartner gegenübersteht. In schnelllebigen Branchen, wie Bauunternehmen und Paketdiensten, ist ein häufiger Wechsel von AG üblich. Dabei wird freilich nicht jedes Detail bei der Auswahl des AG auf die Waagschale gelegt. Selbst wenn der AN dann eine Anmeldung zur SV vorgelegt bekommt, aus der der AG ersichtlich sein sollte, kann er sich nicht darauf verlassen, dass dieser auch der wahre AG ist. Ein von der Judikatur angelegter erhöhter Sorgfaltsmaßstab führt lediglich dazu, dass dem an sich gutgläubigen (wenn auch nicht übervorsichtigen) AN das volle Risiko der kriminellen Praktiken iZm Scheinunternehmen aufgebürdet wird. Einen wirksamen Schutz dagegen bietet das aber nicht.

4.2.2.
Konsequenz mangels Zurechenbarkeit der handelnden Person

Hat die Mittelsperson bei Abschluss des Arbeitsvertrages nicht zu erkennen gegeben, dass sie in fremdem Namen handelt und kommt es zum Abschluss eines Arbeitsvertrages, gilt dieser – mangels Vorliegens der Voraussetzungen einer Anscheinsvollmacht – mit der Mittelsperson als zustande gekommen.* Eine Zurechnung durch Anscheinsvollmacht scheitert mangels Offenlegung auch dann, wenn der AN nichts von der Existenz des Unternehmens wusste, bei dem er zur SV angemeldet wurde, und die handelnde Person bei Vertragsabschluss sich auch nicht als Vertreter dieses Unternehmens ausgegeben hat.*

Wenn der AN dagegen wusste, dass sein Gegenüber bei Abschluss des Vertrages in fremdem Namen keine Vertretungsmacht hatte, führt dies von vornherein zur Unwirksamkeit des Arbeitsvertrages.*

Denkbar wäre, dass der Scheinunternehmer das Geschäft nachträglich genehmigt und damit iSd § 1016 ABGB das vollmachtslose Handeln heilt. Neben einer ausdrücklichen Genehmigung kommt etwa auch die Vorteilszuwendung durch Entgegennahme der Arbeitsleistung ohne Widerspruch in Betracht. Dies setzt Kenntnis vom vollmachtslosen Abschluss des Arbeitsvertrages seitens des Geschäftsherrn voraus.* So wurde ein Arbeitsvertrag zum Bauunternehmen bejaht, wenn ein Vorarbeiter des Bauunternehmens Arbeitsanweisungen an den Bauarbeiter erteilte und dessen Arbeiten mehrmals kontrollierte.*

Keine Genehmigung iSd § 1016 ABGB wird hingegen rein die Zurechnung des wirtschaftlichen Erfolgs aus der Arbeitsleistung des AN* sein. Dies gilt auch, wenn der AN – ohne Hinzutreten weiterer Umstände – bloß Leistungen für einen anderen erbringt.* In den folgenden Abschnitten werden zwei Fallbeispiele mit Praxisbezug samt rechtlicher Beurteilung vorgestellt.

4.3.
Fallbeispiel 1 – Begründung des Arbeitsverhältnisses durch Anscheinsvollmacht des Vertretenen

Der betroffene AN wurde als Bauarbeiter von einer Person angeworben. Diese Person gab sich als Betreuer „Y“ mehrerer Firmen aus, darunter Einzelunternehmer „X“. Ein Einstellungsgespräch mit Y fand in einem Büro ohne Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen statt. Besprochen wurde, dass der AN auf einer Baustelle tätig werden sollte und die Bezahlung nach KollV erfolgt. Y telefonierte im Beisein des AN angeblich (war nicht feststellbar) mit X und behauptete, dieser habe den Arbeitsvertrag genehmigt. Den Unternehmer X lernte der AN nie kennen. Es wurde weder ein schriftlicher Arbeitsvertrag abgeschlossen noch ein Dienstzettel ausgestellt. Der AN wurde in der Folge bei X zur SV angemeldet und ihm die Anmeldung von Y ausgehändigt. Der „Betreuer“ Y teilte den AN einer Baustelle zu und übermittelte ihm Daten zu Ort und Beginn der Arbeit. Die Arbeitsleistung wurde zirka zwei Monate lang auf einer Baustelle einer dritten Firma erbracht und von dortigem Fachpersonal die Einteilung der Arbeit vorgenommen und das Werkzeug bereitgestellt. Ein wirtschaftliches Tätigwerden des Unternehmens X war nicht erkennbar. Ansprechpartner des AN war grundsätzlich Y. Der Unternehmer X wurde in der Folge als Scheinunternehmen qualifiziert und das Insolvenzverfahren eröffnet. Der AN beantragte seine Forderungen bei der IEF-Service GmbH, wobei der Antrag mit der Begründung abgelehnt wurde, es sei kein Arbeitsverhältnis zu X vorgelegen.

In dieser Fallkonstellation ergab sich die Problematik, dass der Scheinunternehmer X nicht gegenüber dem AN als AG aufgetreten ist. Das Einstellungsgespräch wurde mit einem Dritten durchgeführt, der sich lediglich als „Betreuer“ mehrerer Firmen ausgegeben hat. Fraglich war, mit wem ein Arbeitsvertrag abgeschlossen wurde. Der Abschluss des Arbeitsvertrages erfolgte in einem nicht zuordenbaren Büro, das keinen Hinweis auf Unternehmen X enthielt. Y ist nicht explizit als Vertreter des X aufgetreten. Vielmehr 379stellte er sich als Vermittler mehrerer Firmen – darunter X – vor. Das (womöglich zum Schein) geführte Telefonat von Y mit X war aber geeignet, beim AN den Anschein zu erzeugen, Y sei mit entsprechender Vollmacht zum Abschluss eines Arbeitsvertrages befugt. Von der Gutgläubigkeit des AN konnte mangels gegenteiliger Feststellungen ausgegangen werden.

Es war in der Folge aber nicht feststellbar, ob das Telefonat tatsächlich mit X geführt wurde. Da X faktisch nie in Erscheinung getreten ist, konnte nicht festgestellt werden, inwieweit der erzeugte Anschein von X hervorgerufen wurde und inwieweit ihm das Handeln von Y bekannt war. Dass der AN nachträglich die Anmeldung zur SV bei X ausgehändigt bekommen hat, ändert nichts, denn sie ist zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht vorgelegen.

Mangels Auftretens von X scheiterte auch eine mögliche nachträgliche Genehmigung des vollmachtslosen Handelns. Auch ein Arbeitsvertrag zum Bauträger, auf dessen Baustelle der AN tätig wurde, scheiterte, da der Arbeitsvertrag – wenn überhaupt – durch das Einstellungsgespräch bei Y begründet wurde, welcher wiederum dem Bauträger nicht zurechenbar war.

In dieser Konstellation musste davon ausgegangen werden, dass kein Arbeitsvertrag mit X zustande gekommen ist. Mangels Informationen über Y war eine weitere Geltendmachung von Ansprüchen gegen diesen nicht möglich. Es erübrigten sich daher auch Feststellungen, inwieweit Y AG war.

4.4.
Fallbeispiel 2 – Zurechnung des Arbeitsverhältnisses zum Beschäftiger

Ein weiterer interessanter Fall betrifft eine AN, die aufgrund eines Stelleninserates der I-P GmbH bei dieser vorstellig wurde und in der Folge von der Geschäftsführerin der I-P GmbH & Co KG sowie der P GmbH (die wiederum Komplementärin der I-P GmbH & Co KG war) in den gemeinsamen Geschäftsräumlichkeiten der beiden Firmen das Bewerbungsgespräch führte. In der Folge wurde sie per Telefonanruf der Geschäftsführerin der I-P GmbH & Co KG eingestellt. Auch ihre Tätigkeit verrichtete die AN in diesen Geschäftsräumlichkeiten und erhielt von der Geschäftsführerin der P hauptsächlich die Weisungen. Lediglich der schriftliche Arbeitsvertrag – der ihr erst nach Einstellung ausgehändigt wurde – verwies auf die G GmbH, die zuvor nicht erwähnt wurde. Auf Rückfrage bei der Geschäftsführerin der P GmbH wurde der AN versichert, dass es sich lediglich um eine buchhalterische Maßnahme handle. Im Weiteren wurden die Lohnzahlungen sowie auch die Anmeldung zur SV von der G GmbH durchgeführt.

Als das Insolvenzverfahren der G GmbH eingeleitet und in der Folge die Schließung bekanntgemacht wurde, trat die AN berechtigt aus dem vermeintlichen Arbeitsverhältnis zur G GmbH aus und machte ihre Forderungen im Insolvenzverfahren geltend bzw beantragte diese bei der IEF-Service GmbH. Die G GmbH wurde mittels Bescheides zum Scheinunternehmen erklärt. Im Weiteren wurde der Antrag auf Insolvenz-Entgelt mit der Begründung abgelehnt, die AN habe kein Arbeitsverhältnis zur G GmbH gehabt.

Im gerichtlichen Verfahren gegen die I-P GmbH wurde festgestellt, dass insb aufgrund des Ablaufs der Bewerbung, des Bewerbungsgespräches sowie der getroffenen Vereinbarungen davon auszugehen war, dass ein Arbeitsverhältnis zur I-P GmbH begründet worden ist. Trotz Aufscheinens der G GmbH im Arbeitsvertrag, der Lohnzahlungen durch diese sowie der Anmeldung zur SV, war die I-P GmbH der wahre AG. Die AN habe bei Abschluss des Arbeitsvertrages aus den Umständen – iSd Vertrauenstheorie – schließen können, es sei ein Arbeitsvertrag mit der I-P GmbH begründet worden. Der nachträglich übermittelte Arbeitsvertrag änderte daran genauso wenig etwas wie die Lohnzahlungen der G GmbH.

Ebenfalls unerheblich war, dass im Innenverhältnis zwischen der I-P GmbH und der G GmbH eine Rahmenvereinbarung hinsichtlich der Überlassung der AN von G an I-P abgeschlossen wurde.

5.
Zusammenfassung und Fazit

Im Umfeld von Scheinunternehmen bleibt die Frage, wer Vertragspartner des redlichen AN ist, häufig unbeantwortet. Wegen der Intransparenz, die naturgemäß mit derartigen Konstrukten einhergeht, fehlt es nicht selten an notwendigen Sachverhaltsmerkmalen für eine Zurechenbarkeit des AN.

Der von der Judikatur geforderte erhöhte Sorgfaltsmaßstab bei Vertragsabschlüssen außerhalb von Betriebsstätten sowie unter Handlung von Mittelspersonen führt häufig dazu, dass dem Scheinunternehmen das Arbeitsverhältnis mangels Anscheinsvollmacht nicht zurechenbar ist. Der Vermittler und mögliche wahre AG ist oft nicht mehr greifbar.

Freilich ist es in erster Linie der aufmerksame AN, der bei Vertragsabschluss die notwendigen Informationen von der Mittelsperson erfragt und grundsätzlich gegenüber dieser skeptisch ist, der in der Folge zur Aufklärung des Sachverhalts wesentlich beiträgt. Fraglich bleibt aber, wie hoch der Sorgfaltsmaßstab bei Abschluss derartiger Arbeitsverträge ist, der zumutbar gefordert werden 380 kann. Wie kann man einen seriösen Vermittler von einem unseriösen unterscheiden, wenn beide etwa auf der Baustelle oder im Caféhaus mit dem AN in Kontakt treten.

Nicht übersehen werden darf, dass gerade auf Baustellen bzw auch bei Paketdiensten die AG oftmals keine Geschäftsräumlichkeiten ieS besitzen. Bei vielen kleineren Unternehmen sind Firmensitz und Wohnsitz des Unternehmers bzw Gesellschafters ident und AN werden „vor Ort“, sei es in Containern auf Baustellen oder direkt am Depot der Speditionsfirma, angeworben. Die AN bekommen den Firmensitz häufig niemals zu Gesicht – sind sie doch ohnehin meist auswärts tätig.

Leider wird die mangelnde Zurechenbarkeit der Arbeitsleistung von redlichen AN im Umfeld von Scheinunternehmen in letzter Konsequenz diesen zur Last fallen und die erbrachten Arbeitsleistungen zu oft nicht abgegolten. Um auf der sicheren Seite zu sein, muss der AN die von der Judikatur geforderte erhöhte Sorgfalt walten lassen und sich möglichst viele Informationen über seinen Vertragspartner beschaffen. Dass dies in der Praxis nicht ohne Weiteres umsetzbar ist, führt zu prekären Situationen von AN.

Selbst für Sozialversicherungsträger, Gewerbebehörden und Finanzpolizei ist das Identifizieren von Scheinunternehmen eine sehr schwierige Aufgabe und bedarf langwieriger Ermittlungen. Einem einzelnen AN ist es meist überhaupt nicht möglich festzustellen, ob sein potenzieller AG lauter oder unlauter ist.

Letztendlich ist der wirksamste Schutz vor den kriminellen Praktiken iZm Scheinunternehmen deren Entstehen von der Wurzel an zu unterbinden. Begünstigende Rahmenbedingungen für derartige Praktiken müssen identifiziert und abgeschafft werden.