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Tragen auffälliger Arbeitskleidung am Arbeitsweg unzumutbar – Umkleidezeit ist Arbeitszeit

ANDREASWELLENZOHN

Die Bekl betreibt eine Therme samt Gastronomie mit einem dazugehörigen Hotel. Die AN der Bekl, die in der Küche des Hotels arbeiten, tragen eine Kochhose, eine zweireihige Jacke mit mehreren Knöpfen, eine Kopfbedeckung und eine Schürze. Diese Dienstkleidung wird von der Bekl zur Verfügung gestellt und auch im Betrieb gewaschen. Nach dem Waschen wird sie in der Wäscherei der Bekl aufbewahrt, wo sich die Mitarbeiter diese wieder abholen können.

Die im Service des Hotels tätigen AN der Bekl haben zu einer schwarzen Hose und Schuhen, die sie selbst zur Verfügung stellen müssen, eine einreihige Jacke und eine Schürze, die von der Bekl zur Verfügung gestellt werden, zu tragen. Die Schürze wird im Betrieb, der Rest der Kleidung wird von den Mitarbeitern zu Hause gewaschen.

Die Mitarbeiter im Küchen- und Servicebereich der Therme der Bekl, auf die sich das Revisionsverfahren bezieht, sind arbeitsvertraglich verpflichtet, ein kurzes T-Shirt mit einem Aufdruck (Hai und Logo: A* – Die Piratenwelt), eine schwarze Dreiviertel-Hose, eine Schürze und eine Kopfbedeckung mit Piratenaufdruck zu tragen. Diese Arbeitskleidung wird von der Bekl zur Verfügung gestellt, allerdings von den Mitarbeitern selbst gewaschen.

Die Bekl gestattet ihren Mitarbeitern grundsätzlich, die Arbeitskleidung zu Hause anzulegen und damit in den Betrieb zu kommen. Manche Mitarbeiter machen dies auch regelmäßig, andere kleiden sich im Betrieb um.

Aus Gründen der „Hygiene in der Gastronomie“ verlangt die Bekl, dass die Mitarbeiter die Arbeitskleidung regelmäßig wechseln und in der Küche ihre Arbeits- und Freizeitkleidung getrennt in einem Spind aufbewahren. Die von der Bekl ihren Mitarbeitern zur Verfügung gestellten Spinde sind im Garderobenbereich aufgestellt, wo sich die Mitarbeiter auch umkleiden können. Die Garderobenbereiche sind von den Arbeitsbereichen der Küchen- und Servicemitarbeiter räumlich getrennt.

Der kl BR begehrte mit seiner Klage nach § 54 Abs 1 ASGG die Feststellung, dass die Umkleidezeit samt den Wegzeiten zwischen dem Umkleideort und dem jeweiligen Arbeitsplatz hinsichtlich der bei der Bekl beschäftigten AN der Küche sowie im Servicebereich als entgeltpflichtige Arbeitszeit gilt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit Ausnahme jener Mitarbeiter, die im Servicebereich des Hotels beschäftigt sind, statt. Das Mehrbegehren (Servicebereich des Hotels) wies es (rechtskräftig) ab.

Das Berufungsgericht bestätigte mit Teilurteil die stattgebende Entscheidung des Erstgerichts hinsichtlich der Mitarbeiter im Service und in der Küche der Therme. Aufgrund der besonderen Auffälligkeit der Arbeitskleidung dieser Mitarbeiter sei ihnen der An- und Abmarschweg zur Arbeitsstätte in Piratenkleidung nicht zumutbar. Die ordentliche Revision gegen das Teilurteil ließ das Berufungsgericht zu.

Gegen diese Entscheidung erhob die Bekl Revision. Der OGH bestätigte die Zulässigkeit derselben, erachtete sie jedoch als nicht berechtigt und führte aus: Gem § 2 Abs 1 Z 1 AZG gilt als Arbeitszeit die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen.

Das für die Qualifikation als Arbeitszeit iSd § 2 Abs 1 Z 1 AZG erforderliche Mindestmaß an Intensität der Fremdbestimmung wird auch dann erreicht, wenn der AG dem AN zwar das Umkleiden der vorgeschriebenen Dienstkleidung (im Regelfall) zu Hause erlaubt, es dem AN aber objektiv 331 gesehen nicht zumutbar ist, die vorgeschriebene Dienstkleidung bereits zu Hause anzulegen, um damit den Weg zur Arbeitsstätte anzutreten und nach Arbeitsende mit dieser Dienstkleidung wieder den Heimweg anzutreten. Dabei kann sich die Unzumutbarkeit im Einzelfall etwa daraus ergeben, dass die Dienstkleidung nach außen durch Embleme, Logos oder sonstige Farben erkennbar einen spezifischen Firmenbezug herstellt oder sonst (besonders) auffällig oder ungewöhnlich ist. Je „auffälliger“ eine vom AG vorgeschriebene Dienstkleidung ist, desto intensiver ist das Ausmaß der Fremdbestimmung.

Die von der Bekl vorgeschriebene Dienstkleidung („Piratenkostüm“) erreicht jenes Mindestmaß an Intensität der Fremdbestimmung, die es diesen AN objektiv unzumutbar macht, die Dienstkleidung auch am Arbeitsweg zu tragen. Zum einen lässt das am T-Shirt aufgebrachte Logo einen unmittelbaren Bezug zum Betrieb der Bekl erkennen, zum anderen handelt es sich auch beim Tragen dieses T-Shirts und der schwarzen Dreiviertel-Hose (auch schon ohne die Schürze und der Kopfbedeckung mit Piratenaufdruck) um eine (besonders) auffällige Kleidung. Das dadurch objektiv erforderliche Umkleiden im Betrieb erfolgt somit nicht mehr eigenbestimmt durch die AN, sondern – in einer das Mindestmaß übersteigenden Intensität – fremdbestimmt durch die Bekl. Das Umkleiden ist daher als Arbeitszeit iSd § 2 Abs 1 Z 1 AZG zu qualifizieren. Eine verpflichtende (arbeitsvertragliche) Anordnung des AG, diese Dienstkleidung in der Freizeit zu tragen, würde einen unzulässigen Eingriff in die Privatsphäre der AN bedeuten.

In diesem Fall sind auch die innerbetrieblichen Wegzeiten zwischen dem jeweiligen Umkleideort im Betrieb (zB Umkleideraum, Garderobe) und dem konkreten Arbeitsplatz als Arbeitszeit iSd § 2 Abs 1 Z 1 AZG anzusehen.

Der Ort der Reinigung der Dienstkleidung wird nicht als maßgebliches Abgrenzungskriterium zwischen Arbeitszeit und Freizeit des AN eingestuft. Die Frage, ob es sich bei der von der Bekl vorgeschriebenen Dienstkleidung um eine branchenübliche Kleidung handelt, ist rechtlich nicht relevant, weil es sich bei dieser Art der Dienstkleidung („Piratenkostüm“) um eine besonders auffällige Kleidung handelt, die es den AN objektiv unzumutbar macht, sie am Arbeitsweg zu tragen.