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Die Berücksichtigung von Vordienstzeiten bei der Vorrückung und Arbeitnehmerfreizügigkeit – eine scheinbar nicht enden wollende Geschichte

MICHAELFRIEDRICH (GRAZ)
Art 45 AEUV; Art 7 Abs 1 VO 492/2011
EuGH 10.10.2019 C-703/17Krah gegen Universität Wien

Art 45 Abs 1 AEUV steht einer Regelung einer Universität eines Mitgliedstaats entgegen, nach der, wenn es um die Festlegung der Gehaltseinstufung eines AN als Senior Lecturer/Postdoc an dieser Universität geht, dessen in einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegte Vordienstzeiten nur im Ausmaß von insgesamt höchstens vier Jahren angerechnet werden, wenn die betreffende Betätigung gleichwertig oder gar identisch mit derjenigen war, zu der der AN im Rahmen dieser Tätigkeit als Senior Lecturer/Postdoc gehalten ist.

Dieser E lag folgender, verkürzt wiedergegebene Sachverhalt zugrunde: Frau Krah ist deutsche Staatsangehörige und promovierte Historikerin. Sie arbeitete fünf Jahre lang als Lehrbeauftragte an der Universität München, ab dem Wintersemester 2000/2001 als Lehrbeauftragte an der Universität Wien. Nach ihrer Habilitation unterrichtete sie zunächst auf Basis eines befristeten Vertrags, anschließend auf Basis von befristeten Lehraufträgen jedes Semester zumindest sieben Semesterwochenstunden. Ab dem 1.10.2010 war sie als Senior Lecturer/Postdoc in der Gehaltsgruppe B1 iSd KollV beschäftigt. Ihr zunächst befristeter Vertrag wurde ab dem 1.3.2013 unbefristet verlängert. Bei der Festlegung ihrer Gehaltseinstufung wurde gemäß dem KollV eine Anrechnung von Vordienstzeiten in diesem Vertrag nicht vorgenommen. Im November 2011 beschloss die Universität jedoch, einschlägige Vordienstzeiten von Senior Lecturers/Postdocs im Ausmaß von insgesamt höchstens vier Jahren anzurechnen, wenn das Dienstverhältnis am 1.10.2011 oder später begonnen hat. Eine Unterscheidung zwischen in Österreich und im Ausland zurückgelegten Zeiten bei der Anrechnung der einschlägigen Vordienstzeiten wurde nicht vorgenommen. Frau Krah klagte auf Anrechnung aller ihrer Vordienstzeiten – nämlich der achteinhalb Jahre an der Universität Wien und der fünf Jahre an der Universität München – mit dem Ziel, in eine höhere Gehaltsstufe zu kommen.

Das OLG Wien hat daraufhin folgende Fragen dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt:

„1. Ist das Unionsrecht, insbesondere Art. 45 AEUV, Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 492/2011 und die Art. 20 und 21 der Charta, dahin auszulegen, dass es einer Regelung entgegensteht, nach der facheinschlägige Vordienstzeiten eines Mitglieds des Lehrpersonals der Universität Wien unabhängig davon, ob es sich um Zeiten der Beschäftigung bei der Universität Wien oder bei anderen in- oder ausländischen Universitäten oder vergleichbaren Einrichtungen handelt, nur bis zu einer Gesamtdauer von drei bzw. vier Jahren anrechenbar sind?

2. Widerspricht ein Entlohnungssystem, das keine volle Anrechnung der facheinschlägigen Vordienstzeiten vorsieht, gleichzeitig aber an die Dauer der Beschäftigung beim selben Arbeitgeber ein höheres Entgelt knüpft, der Arbeitnehmerfreizügigkeit des Art. 45 Abs. 2 AEUV und Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 492/2011?“

[...] Zusammengefasst ging es also um die Frage, ob das europäische Arbeitsrecht einer Regelung einer Universität entgegensteht, die die Berücksichtigung von Vordienstzeiten beschränkt auf vier Jahr vorsieht, obwohl der einschlägige KollV keine Berücksichtigung von Vordienstzeiten vorsieht.

Der EuGH begründete seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt, nachdem er zuvor festgestellt hatte, dass Art 20 und 21 der Charta gegenüber Art 45 AEUV und Art 7 Abs 1 der VO 492/2011 subsidiär anzuwenden ist:

[...]

(21) Art 45 Abs 2 AEUV verbietet jede auf der Staatsangehörigkeit beruhende unterschiedliche Behandlung der AN der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen. Art 7 Abs 1 der VO 492/2011 stellt nur eine besondere Ausprägung des in Art 45 Abs 2 AEUV verankerten Diskriminierungsverbots auf dem speziellen Gebiet der Beschäftigungsbedingungen und der Arbeit dar und ist daher ebenso auszulegen wie Art 45 Abs 2 AEUV (Urteile vom 5.12.2013, Zentralbetriebsrat der gemeinnützigen Salzburger Landeskliniken, C-514/12, im Folgenden: Urteil SALK, EU:C:2013:799, Rn 23, vom 13.3.2019, Gemeinsamer Betriebsrat EurothermenResort Bad Schallerbach, C-437/17, EU:C:2019:193, Rn 16, und vom 8.5.2019, Österreichischer Gewerkschaftsbund, C-24/17, EU:C:2019:373, Rn 68 und 69). Eine Regelung einer Universität eines Mitgliedstaats wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die die teilweise Anrechnung der einschlägigen Vordienstzeiten bei der Festlegung der anwendbaren Gehaltsstufe vorsieht, gehört unbestreitbar zum Gebiet der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen und fällt somit in den Anwendungsbereich der in der vorstehenden Randnummer angeführten Bestimmungen (vgl entsprechend Urteile SALK, Rn 24, und vom 13.3.2019, Gemeinsamer Betriebsrat EurothermenResort Bad Schallerbach, C-437/17, EU:C:2019:193, Rn 17). Nach stRsp verbietet insoweit der sowohl in Art 45 AEUV als auch in Art 7 der VO 492/2011 niedergelegte Grundsatz der Gleichbehandlung nicht nur offensichtliche Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörig-24keit, sondern auch alle verschleierten Formen der Diskriminierung, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungskriterien de facto zum gleichen Ergebnis führen (vgl in diesem Sinne Urteile SALK, Rn 25, vom 13.3.2019, Gemeinsamer Betriebsrat EurothermenResort Bad Schallerbach, C-437/17, EU:C:2019:193, Rn 18, und vom 8.5.2019, Österreichischer Gewerkschaftsbund, C-24/17, EU:C:2019:373, Rn 70). In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof klargestellt, dass eine Bestimmung des nationalen Rechts, wenn sie – obwohl sie auf alle AN ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit unterschiedslos anwendbar ist – sich ihrem Wesen nach stärker auf AN, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten sind, als auf inländische AN auswirken kann und folglich die Gefahr besteht, dass sie die Erstgenannten besonders benachteiligt, als mittelbar diskriminierend anzusehen ist, sofern sie nicht objektiv gerechtfertigt ist und in angemessenem Verhältnis zum verfolgten Ziel steht (vgl in diesem Sinne Urteile SALK, Rn 26, vom 13.3.2019, Gemeinsamer Betriebsrat EurothermenResort Bad Schallerbach, C-437/17, EU:C:2019:193, Rn 19, und vom 8.5.2019, Österreichischer Gewerkschaftsbund, C-24/17, EU:C:2019:373, Rn 71).

[...]

(25) Im vorliegenden Fall beschloss die Universität Wien mit Beschluss vom 8.11.2011, einschlägige Vordienstzeiten von Senior Lecturers/Postdocs bei der Festlegung ihrer Gehaltseinstufung im Ausmaß von insgesamt höchstens vier Jahren anzurechnen, ohne insoweit zwischen in Österreich zurückgelegten Zeiten und im Ausland zurückgelegten Zeiten zu unterscheiden. Gemäß dem KollV sind unter einschlägiger Berufserfahrung „tätigkeitsbezogene Vorerfahrungen“ zu verstehen, so dass diese Definition nicht nur frühere Betätigungen umfasst, die gleichwertig oder gar identisch mit denjenigen sind, zu denen der AN im Rahmen seiner Tätigkeit an der Universität Wien gehalten ist, sondern auch alle anderen Arten von Betätigungen, die für die Ausübung dieser Tätigkeit schlicht nützlich sind, wie außeruniversitäre Tätigkeiten und Praktika. In der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof ist, wie vom Generalanwalt in Nr 55 seiner Schlussanträge festgestellt, bestätigt worden, dass die fragliche Begrenzung auf vier Jahre auch für die Berufserfahrung gilt, die an der Universität Wien im Rahmen anderer Tätigkeiten als der eines Senior Lecturers/Postdocs erworben wurde.

[...]

(28) Was das Vorliegen einer etwaigen Diskriminierung unter Verstoß gegen Art 45 Abs 2 AEUV und Art 7 Abs 1 der VO 492/2011 betrifft, ist von vornherein festzustellen, dass [...] der Beschluss auf alle beschäftigten AN ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit unterschiedslos anwendbar ist. Bei einem solchen Beschluss kann daher nicht angenommen werden, dass er eine unmittelbar auf der Staatsangehörigkeit beruhende Diskriminierung begründet. Davon abgesehen begründet eine Regelung einer Universität eines Mitgliedstaats [...] eine unterschiedliche Behandlung der AN nach Maßgabe des AG, bei dem die Berufserfahrung erworben wurde. Aus dem Beschluss [...] ergibt sich nämlich, dass ein AN, der die Tätigkeit eines Senior Lecturers/Postdocs oder eine gleichwertige Tätigkeit an einer oder mehreren anderen Universitäten oder vergleichbaren Einrichtungen als der Universität Wien ausgeübt hat, seine Berufserfahrung bei der Festlegung seiner Gehaltseinstufung zum Zeitpunkt seiner Einstellung an dieser Universität nur in einem Ausmaß von höchstens vier Jahren angerechnet bekommt, auch wenn seine Berufserfahrung in Wirklichkeit mehr als vier Jahre beträgt. Somit wird ein solcher AN bei seinem Dienstantritt in eine niedrigere Gehaltsstufe eingestuft werden als ein AN, der insgesamt gleich lang als Senior Lecturer/Postdoc an der Universität Wien tätig war.

[...]

(30) Der Beschluss [...] benachteiligt alle AN – sowohl Österreicher als auch Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten –, die die Tätigkeit eines Senior Lecturers/Postdocs oder eine gleichwertige Tätigkeit länger als vier Jahre an einer oder mehreren anderen Universitäten oder vergleichbaren Einrichtungen als der Universität Wien ausgeübt haben, gegenüber denjenigen, die insgesamt gleich lang als Senior Lecturers/Postdocs an dieser Universität tätig waren.

(31) Diese Ungleichbehandlung der AN nach Maßgabe des AG, bei dem sie die anzurechnende Berufserfahrung erworben haben, kann jedoch nur dann als mittelbar diskriminierend iS von Art 45 Abs 2 AEUV und Art 7 Abs 1 der VO 492/2011 angesehen werden, wenn sie sich ihrem Wesen nach auf AN, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten sind, stärker auswirken kann als auf inländische AN. Dies konnte aber nicht als bewiesen angesehen werden.

[...]

(39) Zu prüfen ist noch, ob eine Regelung einer Universität eines Mitgliedstaats wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende eine nach Art 45 Abs 1 AEUV verbotene Behinderung der AN-Freizügigkeit darstellt.

(40) Sämtliche Bestimmungen des AEU-Vertrags über die Freizügigkeit sowie die Bestimmungen der VO 492/2011 sollen den Angehörigen der Mitgliedstaaten die Ausübung beruflicher Tätigkeiten aller Art im Gebiet der Union erleichtern und stehen Maßnahmen entgegen, die die Angehörigen der Mitgliedstaaten benachteiligen könnten, wenn sie eine unselbständige Erwerbstätigkeit im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats ausüben wollen (Urteile SALK, Rn 32, und vom 8.5.2019, Österreichischer Gewerkschaftsbund, C-24/17, EU:C:2019:373, Rn 77).

(41) In diesem Zusammenhang haben die Angehörigen der Mitgliedstaaten insb das unmittelbar aus dem Vertrag abgeleitete Recht, ihren Herkunftsmitgliedstaat zu verlassen, um sich zur Ausübung einer Tätigkeit in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats zu begeben und sich dort aufzuhalten. Folglich steht Art 45 AEUV jeder nationalen Maßnahme entgegen, die geeignet ist, die Ausübung der durch diese Vorschrift verbürgten Grundfreiheit durch die Unionsangehörigen zu behindern oder weniger attraktiv zu machen (Urteil vom 18.7.2017, Erzberger, C-566/15, EU:C:2017:562, Rn 33).25

[...] (42) Im Ausgangsverfahren werden von der Universität Wien [...] einschlägige Vordienstzeiten eines Senior Lecturers/Postdocs an einer anderen Universität bei der Festlegung seiner Gehaltseinstufung nur im Ausmaß von insgesamt höchstens vier Jahren angerechnet.

(43) Wie Rn 26 des vorliegenden Urteils zu entnehmen ist, umfasst die Definition der einschlägigen Berufserfahrung nicht nur frühere Betätigungen, die gleichwertig oder gar identisch mit denjenigen sind, zu denen der AN im Rahmen seiner Tätigkeit an der Universität Wien gehalten ist, sondern auch alle anderen Arten von Betätigungen, die für die Ausübung dieser Tätigkeit schlicht nützlich sind.

(44) Das Primärrecht der Union kann einem AN nicht garantieren, dass ein Umzug in einen anderen Mitgliedstaat als seinen Herkunftsmitgliedstaat in sozialer Hinsicht neutral ist, da ein solcher Umzug aufgrund der Unterschiede, die zwischen den Systemen und den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bestehen, für die betreffende Person je nach Einzelfall Vorteile oder Nachteile in diesem Bereich haben kann (Urteile vom 18.7.2017, Erzberger, C-566/15, EU:C:2017:562, Rn 34, und vom 13.3.2019, Gemeinsamer Betriebsrat EurothermenResort Bad Schallerbach, C-437/17, EU:C:2019:193, Rn 37).

(45) Art 45 AEUV verschafft einem solchen AN nicht das Recht, sich im Aufnahmemitgliedstaat auf die Arbeitsbedingungen zu berufen, die ihm im Herkunftsmitgliedstaat nach den dortigen nationalen Rechtsvorschriften zustanden (Urteil vom 18.7.2017, Erzberger, C-566/15, EU:C:2017:562, Rn 35).

(46) Das Unionsrecht garantiert nämlich nur, dass AN, die im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats als ihres Herkunftsmitgliedstaats eine Tätigkeit ausüben, denselben Bedingungen unterliegen wie die AN, für die das innerstaatliche Recht des Aufnahmemitgliedstaats gilt (vgl in diesem Sinne Urteile vom 23.1.2019, Zyla, C-272/17, EU:C:2019:49, Rn 45, und vom 13.3.2019, Gemeinsamer Betriebsrat EurothermenResort Bad Schallerbach, C-437/17, EU:C:2019:193, Rn 38).

(47) Als Erstes ist, was die gleichwertige Berufserfahrung betrifft, festzustellen, dass AN, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten sind und länger als vier Jahre die Tätigkeit eines Senior Lecturers/Postdocs oder eine gleichwertige Tätigkeit an einer oder mehreren Universitäten oder vergleichbaren Einrichtungen in ihrem Herkunftsmitgliedstaat ausgeübt haben, davon abgehalten sein werden, sich um eine Stelle als Senior Lecturer/Postdoc an der Universität Wien zu bewerben und damit von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen, wenn trotz im Wesentlichen gleicher Arbeit in ihrem Herkunftsmitgliedstaat bei der Festlegung ihrer Gehaltseinstufung nicht ihre volle Berufserfahrung angerechnet wird.

(48) Anders als im Fall der nationalen Regelung im Urteil vom 13.3.2019, Gemeinsamer Betriebsrat EurothermenResort Bad Schallerbach, C-437/17(EU:C:2019:193), wo es – wie sich insb aus Rn 33 jenes Urteils ergibt – darum ging, die Treue eines AN gegenüber einem bestimmten AG zu honorieren, beruht die Tatsache, dass die teilweise Anrechnung der gleichwertigen Berufserfahrung die AN-Freizügigkeit behindern kann, auch nicht auf einer Gesamtheit von Umständen, die zu ungewiss und indirekt sind.

(49) Im vorliegenden Fall würde die Anrechnung der gesamten gleichwertigen Berufserfahrung, die AN an einer Universität in einem anderen Mitgliedstaat als Österreich erworben haben, bewirken, dass für AN, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten sind und länger als vier Jahre die Tätigkeit eines Senior Lecturers/Postdocs oder eine gleichwertige Tätigkeit an einer oder mehreren Universitäten oder vergleichbaren Einrichtungen in ihrem Herkunftsmitgliedstaat ausgeübt haben, bei ihrer Gehaltseinstufung die gleichen Bedingungen gälten wie für AN, die die Tätigkeit eines Senior Lecturers/Postdocs insgesamt genauso lange an der Universität Wien ausgeübt haben. Daher ist die Annahme gerechtfertigt, dass es sich hierbei um einen Aspekt handelt, der für die betreffenden AN von Relevanz ist, wenn es um die Entscheidung geht, sich um eine Stelle als Senior Lecturer/Postdoc an der Universität Wien zu bewerben und ihren Herkunftsmitgliedstaat zu verlassen.

(50) Als Zweites ist dagegen die Anrechnung der gesamten Berufserfahrung, die, ohne gleichwertig zu sein, für die Ausübung der Tätigkeit eines Senior Lecturers/Postdocs schlicht nützlich ist, nach dem in Art 45 AEUV aufgestellten Grundsatz der AN-Freizügigkeit nicht erforderlich, da es ihrer nicht bedarf, um sicherzustellen, dass für die österreichischen AN und die AN, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten sind, bei ihrer Gehaltseinstufung die gleichen Bedingungen gelten. Die Annahme, dass ein AN, dessen gesamte im Herkunftsmitgliedstaat erworbene gleichwertige Berufserfahrung bereits bei seiner anfänglichen Gehaltseinstufung als Senior Lecturer/Postdoc an der Universität eines anderen Mitgliedstaats angerechnet wird, von einer Bewerbung um diese Stelle abgehalten würde, wenn alle anderen Arten von Berufserfahrung, die er im Herkunftsmitgliedstaat erworben hat, sämtlich nicht angerechnet würden, würde sich nämlich augenscheinlich auf eine Gesamtheit von Umständen stützen, die zu ungewiss und zu indirekt sind, um von einer Behinderung der AN-Freizügigkeit ausgehen zu können.

(51) Daher ist, wenn es um die teilweise Anrechnung der einschlägigen Berufserfahrung geht, eine gleichwertige Berufserfahrung auf der einen Seite von jeder anderen Art von Berufserfahrung, die für die Ausübung der Tätigkeit eines Senior Lecturers/Postdocs schlicht nützlich ist, auf der anderen Seite zu unterscheiden.

(52) Sollte sich daher herausstellen, dass Frau Krah an der Universität München eine Tätigkeit ausgeübt hat, die im Wesentlichen derjenigen gleichwertig ist, die sie als Senior Lecturer/Postdoc an der Universität Wien ausübt, was vom vorlegenden Gericht zu überprüfen ist, läge in der Tatsache, dass diese Berufserfahrung nicht zur Gänze angerechnet wird, eine Behinderung der Freizügigkeit.

(53) Hat Frau Krah dagegen in ihrem Herkunftsmitgliedstaat keine solche gleichwertige Berufser-26fahrung erworben, so würde die teilweise Anrechnung dieser Erfahrung durch die Universität Wien keine derartige Behinderung darstellen.

(54) Daraus folgt, dass eine Regelung einer Universität eines Mitgliedstaats wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, da sie nicht alle im Herkunftsmitgliedstaat zurückgelegten gleichwertigen Vordienstzeiten anrechnet, geeignet ist, die Freizügigkeit der AN unter Verstoß gegen Art 45 Abs 1 AEUV weniger attraktiv zu machen.

[...] (55) Eine Regelung einer Universität eines Mitgliedstaats wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende ist nur dann zulässig, wenn mit ihr eines der im AEU-Vertrag genannten legitimen Ziele verfolgt wird oder wenn sie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist. Darüber hinaus muss in einem derartigen Fall ihre Anwendung geeignet sein, die Verwirklichung des in Rede stehenden Ziels zu gewährleisten, und darf nicht über das hinausgehen, was zu seiner Erreichung erforderlich ist (vgl in diesem Sinne ua Urteile SALK, Rn 36, und vom 8.5.2019, Österreichischer Gewerkschaftsbund, C-24/17, EU:C:2019:373, Rn 84).

(56) Die Universität Wien macht hierzu unter Verweis auf die Rn 34 ff des Urteils vom 3.10.2006, Cadman (C-17/05, EU:C:2006:633), geltend, dass mit dem Beschluss vom 8.11.2011 die in dem betreffenden Bereich erworbene Berufserfahrung honoriert werden solle, die den AN befähige, seine Arbeit besser zu verrichten. Vier Jahre Berufserfahrung seien üblicherweise notwendig, um sich das pädagogische Wissen für eine optimale Ausübung der Tätigkeit eines Senior Lecturers/Postdocs anzueignen. Dieses Wissen werde in den ersten Jahren der Tätigkeit erworben. Die Anrechnung der Berufserfahrung, die vier Tätigkeitsjahre überschreite, würde dagegen nicht zu einer Verbesserung der Leistungen führen, die der AN zu erbringen habe.

(57) Der Gerichtshof hat zwar in Rn 34 jenes Urteils befunden, dass es ein legitimes Ziel der Entgeltpolitik ist, ua die Berufserfahrung zu honorieren, die den AN befähigt, seine Arbeit besser zu verrichten.

(58) In diesem Zusammenhang hat er in Rn 35 des besagten Urteils festgestellt, dass der Rückgriff auf das Kriterium des Dienstalters in der Regel geeignet ist, um dieses Ziel zu erreichen. Das Dienstalter geht nämlich mit der Berufserfahrung einher, und diese befähigt den AN, seine Arbeit besser zu verrichten.

(59) Im vorliegenden Fall beschränkt jedoch die Universität Wien die Anzahl der bei der Gehaltseinstufung anzurechnenden Jahre gleichwertiger Berufserfahrung auf vier Jahre. Damit stellt sie die Tatsache in Frage, dass die im Laufe der Zeit erworbene Erfahrung mit einer Verbesserung der Qualität der zu erbringenden Arbeitsleistung einhergeht.

(60) Außerdem geht aus der dem Gerichtshof vorgelegten Akte hervor, dass die Senior Lecturers/Postdocs der Universität Wien zwar hauptsächlich der Lehre zugeordnet sind, sie aber auch Forschungstätigkeiten und Verwaltungsaufgaben ausführen müssen, für die nicht vorgetragen worden ist, dass nicht – wie bei von Anfang an bei dieser Universität beschäftigten Senior Lecturers/Postdocs – die gesamte Anzahl der Jahre gleichwertiger Berufserfahrung angerechnet werden sollte.

(61) Deshalb ist festzustellen, dass die Behinderung der AN-Freizügigkeit, die der Beschluss vom 8.11.2011 umfasst, nicht geeignet erscheint, die Verwirklichung des mit diesem Beschluss verfolgten Ziels zu gewährleisten.

(62) Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art 45 Abs 1 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer Regelung einer Universität eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, nach der, wenn es um die Festlegung der Gehaltseinstufung eines AN als Senior Lecturer/Postdoc an dieser Universität geht, dessen in einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegte Vordienstzeiten nur im Ausmaß von insgesamt höchstens vier Jahren angerechnet werden, entgegensteht, wenn die betreffende Betätigung gleichwertig oder gar identisch mit derjenigen war, zu der der AN im Rahmen dieser Tätigkeit als Senior Lecturer/Postdoc gehalten ist.

(63) Dagegen sind Art 45 AEUV und Art 7 Abs 1 der VO 492/2011 dahin auszulegen, dass sie einer solchen Regelung nicht entgegenstehen, wenn die frühere Betätigung in einem anderen Mitgliedstaat nicht gleichwertig war, sondern für die Ausübung der fraglichen Tätigkeit eines Senior Lecturers/Postdocs schlicht nützlich ist.

Zur zweiten Vorlagefrage führte der EuGH im Ergebnis aus, dass sich die Beantwortung der zweiten Frage erübrigt, sofern das vorlegende Gericht im Licht der Antwort des Gerichtshofs auf die erste Frage feststellt, dass im Ausgangsverfahren eine Behinderung der AN-Freizügigkeit gegeben ist.

ANMERKUNG

Unter dem Stichwort Vordienstzeiten wird die Frage behandelt, ob, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang Dienstzeiten, die der AN bereits vor seinem aktuellen Arbeitsverhältnis bei demselben oder anderen AG verbracht hat, bei der Bemessung zeitabhängiger Ansprüche zu berücksichtigen sind. Aus der Sicht des europäischen Arbeitsrechts ist die Frage, ob Vordienstzeiten auf zeitabhängige Ansprüche generell anzurechnen sind, irrelevant, gibt es diesbezüglich doch keine europarechtlichen Vorgaben an den nationalen Gesetzgeber oder die Parteien der kollektiven Rechtsgestaltung. Eine nationale Regelung zur Anrechnung von Vordienstzeiten bereitet immer dann europarechtliche Probleme, wenn die Berücksichtigung der Vordienstzeiten an bestimmte Voraussetzungen geknüpft ist, die mit den diversen Diskriminierungsverboten des europäischen Arbeitsrechts nicht zu vereinbaren sind. Im Zusammenhang mit der Beschränkung der Berücksichtigung von Vordienstzeiten bei der Bemessung zeitabhängiger Ansprüche hat der EuGH zunächst diese Sachverhalte am Maßstab des Diskriminierungsverbots aufgrund der Staatsangehörigkeit gemäß der Vorgaben des europäischen27Rechts zur AN-Freizügigkeit gem Art 45 AEUV und der zu deren Konkretisierung erlassenen Freizügigkeitsverordnung VO (EU) 492/2011 gemessen. Mit Inkrafttreten der Gleichbehandlungsrahmen-RL 2000/78/EG hat die Berücksichtigung von Vordienstzeiten auch aus der Sicht der Altersdiskriminierung erhebliche Bedeutung gewonnen. Auch wenn es spannend wäre, die E Krah auch im Zusammenhang mit der Altersdiskriminierung zu erörtern, belasse ich folgende Ausführungen – wie auch der EuGH – bei der Beurteilung einer etwaigen Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit.

Schließlich waren österreichische Vordienstzeitenregelungen schon mehrfach Gegenstand der Rsp des EuGH. Allein in den letzten zwei Jahrzehnten gab es zwölf Urteile des EuGH, wobei es sich ungefähr die Waage gehalten hat, ob der EuGH die Anrechnung bzw Nicht-Anrechnung von Vordienstzeiten unter dem Aspekt der Verletzung der Vorschriften zur AN-Freizügigkeit oder der Altersdiskriminierung untersucht hat. In beiden Bereichen liefert schon die Rsp des EuGH jedenfalls Stoff, der es wert wäre, durch eine bzw zwei Dissertation(en) einer näheren Untersuchung unterzogen zu werden. Angesichts des Umstandes, dass Generalanwalt Bobek zu dem Ergebnis kam, dass streitgegenständliche Regelung nicht im Widerspruch zu Art 45 AEUV und Art 7 Abs 1 der VO (EU) 492/2011 stehe, der EuGH dies aber in seiner E nicht kenntlich macht, zeigt sich die Brisanz dieses Urteils für das Recht der AN-Freizügigkeit.

Im Folgenden sollen jedoch nur kurz die für mich wesentlichen Aspekte dieses Urteils angesprochen werden.

1.
Keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit

Dass durch eine nationale Regelung, die ganz abstrakt die Anrechnung von Vordienstzeiten lediglich im Ausmaß von vier Jahren bei der Einstufung in ein kollektivvertragliches Entgeltsystem vorsieht, ohne darauf Bezug zu nehmen, wo die Vordienstzeiten erbracht worden sind bzw sonstige Kriterien außer der zeitlichen Begrenzung für die Anrechnung vorzusehen, keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit iSd europarechtlichen Vorgaben zur AN-Freizügigkeit ist, ist für mich offensichtlich (auch Generalanwalt Bobek hat unter Rn 56 ausgeführt, dass er schwer erkennen könne, worin bei einer „völlig neutralen Regelung“ eine Diskriminierung liegen soll, wenn in Bezug auf die Bezugsgruppen stets auf vier Jahre Vordienstzeiten abgestellt wird). Da sowohl österreichische als auch im Ausland erworbene Vordienstzeiten zeitlich beschränkt bei der Vorrückung im KollV aufgrund des Beschlusses der Universität Wien einheitlich berücksichtigt wurden, lag kein Sachverhalt vor, der vergleichbar mit zuvor entschiedenen Sachverhalten Anlass dazu gab, Zweifel an der Vereinbarkeit der gegenständlichen Regelung mit Art 45 AEUV und Art 7 Abs 1 der VO 492/2011 zu hegen (so auch Potz, Arbeitnehmerfreizügigkeit und Entgeltsysteme – verlangt das Unionsrecht die Gleichbehandlung von Vordienstzeiten und Dienstzeiten, JAS 2020, 83 [96]).

Dennoch seien kurz die wesentlichen Entscheidungen des EuGH zur Vereinbarkeit österreichischer Vordienstzeitenregelungen mit der AN-Freizügigkeit erwähnt.

In der für Österreich grundlegenden E Österreichischer Gewerkschaftsbund (EuGH 30.11.2000, C-195/98, Slg 2000, I-10497) hat der EuGH entschieden, dass die Regelung des § 26 VBG mit der AN-Freizügigkeit nicht zu vereinbaren ist, wenn sie bei der Bemessung der Entlohnung die Berücksichtigung von Vordienstzeiten vorsieht, dabei aber Vordienstzeiten als Lehrer im öffentlichen Dienst in Österreich zur Gänze anrechnet, während vergleichbare im ausländischen öffentlichen Dienst geleistete Vordienstzeiten nur zur Gänze angerechnet werden, wenn ein öffentliches Interesse hieran besteht und der Finanzminister die Anrechnung genehmigt hat. Vollkommen zu Recht hat der EuGH daher zusammenfassend festgehalten, dass generell eine Regelung mittelbar diskriminierend ist, wenn sie an die Berücksichtigung ausländischer Vordienstzeiten strengere Voraussetzungen stellt als an inländische Vordienstzeiten.

Die Beschränkung der Anrechnung ausländischer Vordienstzeiten hat in mehreren weiteren Entscheidungen des EuGH seine Fortsetzung gefunden. Die Rs Körbler (EuGH 30.10.2003, C-224/01, ECLI:EU:C:2003:513) betraf die Regelung des § 50a GehaltsG, wonach Universitätsprofessoren, die eine Dienstzeit von mindestens 15 Jahren an einer österreichischen Universität aufweisen und mindestens vier Jahre bereits eine Dienstalterszulage erhalten haben, einen Anspruch auf eine weitere, besondere Dienstalterszulage hatten. Der EuGH sah hier in doppelter Hinsicht eine Beschränkung der AN-reizügigkeit: Zum einen werden Wander-AN aus anderen Mitgliedstaaten als Österreich dadurch benachteiligt, dass Dienstzeiten als Universitätsprofessor in ihren Heimatstaaten oder anderen Mitgliedstaaten nicht berücksichtigt werden, zum anderen könnten aber auch österreichische Professoren davon abgehalten werden, von ihrem Recht auf AN-Freizügigkeit Gebrauch zu machen, wenn ihnen bei einer Rückkehr nach Österreich die im Ausland absolvierten vergleichbaren Zeiten nicht berücksichtigt werden.

Fortgesetzt wurde diese Rsp des EuGH in einem Verfahren, das der Zentral-BR der Salzburger Landeskliniken Betriebs-GmbH (SALK) gegen das Land Salzburg geführt hat. Das Salzburger Landes-VBG sah vor, dass Vordienstzeiten beim Land Salzburg bei der Einstufung in das dienstzeitenabhängige Gehaltsschema zu 100 % berücksichtigt wurden, während alle sonstigen Vordienstzeiten nur zu 60 % Berücksichtigung fanden. Der Unterschied zu den vorangegangenen Entscheidungen lag darin, dass auch einschlägige Vordienstzeiten im öffentlichen Dienst in Österreich nicht berücksichtigt wurden, wenn sie nicht beim Land Salzburg zurückgelegt wurden. Dennoch führte der EuGH aus, dass diese Regelung mittelbar diskriminierend sei, da sie nicht sämtliche von Wander-AN28bei AG mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als der Republik Österreich zurückgelegten berufseinschlägigen Vordienstzeiten berücksichtigt und sich somit stärker auf Wander-AN als auf inländische AN auswirke, da diese vor dem Eintritt in den Dienst des Landes Salzburg sehr wahrscheinlich Berufserfahrung in einem anderen Mitgliedstaat als der Republik Österreich erworben haben. So würde ein Wander-AN, der bei AG mit einem Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als der Republik Österreich dieselbe einschlägige Berufserfahrung erworben hat wie ein AN, der seine Berufslaufbahn bei Dienststellen des Landes Salzburg durchlaufen hat, in eine niedrigere Entlohnungsstufe eingruppiert. Dass sich diese Regelung auch nachteilig auf inländische AN auswirkt, sei für das Vorliegen einer mittelbaren Diskriminierung irrelevant, da eine mittelbar diskriminierende Regelung nicht bewirken muss, dass alle Inländer begünstigt werden. Auch könnte ein beim Land Salzburg beschäftigter AN davon abgehalten werden, von seinem Recht auf AN-Freizügigkeit Gebrauch zu machen, wenn bei seiner Rückkehr zum alten AG die innerhalb der EU erworbenen Dienstzeiten nur zu 60 % angerechnet werden.

In der E Eurotherme Schallerbach (EuGH 13.3.2019, C-427/17, ECLI:EU:C2019:193) ging es um die Frage, ob § 3 Abs 3 UrlG den Regelungen zur AN-Freizügigkeit entgegen steht, wenn diese Norm bei einem dienstzeitenabhängigen erhöhten Urlaubsanspruch nach 25 Dienstjahren nur die Berücksichtigung von im Inland zugebrachten Vordienstzeiten und auch nur im Höchstausmaß von fünf Jahren vorsieht. Der OGH hatte im Verfahren jedoch vorgebracht, dass § 3 Abs 3 UrlG in Österreich nach einhelliger Auffassung und ständiger Spruchpraxis der Gerichte europarechtskonform auszulegen sei und auch ausgelegt werde und daher auch innerhalb des EU- und EWR-Raums erbrachte Vordienstzeiten berücksichtigt, also im Inland erbrachten Vordienstzeiten gleichgestellt werden. Der Begründung der Kl, dass die Regelung des § 3 Abs 3 UrlG mittelbar diskriminierend sei, wenn sie einem AN nach 25 Dienstjahren sechs statt bisher fünf Wochen Urlaub gewähre, da österreichische AN eher 25 Dienstjahre bei einem DG in Österreich verbringen als Wander-AN, ist der EuGH – mE zu Recht (vgl im Vorfeld dieser E in diesem Sinne bereits Friedrich, Anrechnung von ausländischen Vordienstzeiten bei der Berechnung des Urlaubsausmaßes, ASoK 2017, 162; aA damals als Parteienvertreter des betroffenen AN Mayr, Gebührt die sechste Urlaubswoche aufgrund der Arbeitnehmerfreizügigkeit? ecolex 2016, 852) – nicht gefolgt, da sich (auch statistisch) in keiner Weise belegen ließ, dass Österreicher eher 25 Dienstjahre bei demselben österreichischen AG blieben als Wander-AN. Eine unmittelbare Diskriminierung wurde schon ausgeschlossen, da das Kriterium der Dienstzugehörigkeit nicht unmittelbar an die Staatsangehörigkeit anknüpft.

In sämtlichen Verfahren zum österreichischen Recht zur Anrechnung von Vordienstzeiten auf von der Dauer der Beschäftigung in einem Betrieb abhängigen Ansprüchen ist der EuGH stets nur dann von einer mittelbaren Diskriminierung ausgegangen, wenn die nationale Vorschrift neben der Dauer der anzurechnenden Vordienstzeiten noch weitere Unterscheidungskriterien für die Berücksichtigung vorgesehen hat. Sofern sich die Kommission im Verfahren Krah zur Begründung einer mittelbaren Diskriminierung auf die Rs SALK berufen hat, verkennt sie nicht nur – wie auch vom EuGH unter den hier aufgrund der Eindeutigkeit der Rechtslage nicht veröffentlichten Rn 32 ff festgestellt – die Unterschiede in den Sachverhalten, da in letzterer Entscheidung eine Regelung auf dem Prüfstand stand, die bei der Berücksichtigung der Vordienstzeiten eine Bevorzugung von im Dienst des Landes Salzburg absolvierten Zeiten vorsah und somit, auch wenn hiervon auch Österreicher nachteilig betroffen sein konnten, gerade nicht alle Vordienstzeiten gleich behandelt wurden. Vielmehr missinterpretiert sie auch die sonstige bisherige Rsp, die nie auch nur ansatzweise zum Ausdruck gebracht hat, dass eine mittelbare Diskriminierung vorliegen könne, wenn ohne weitere Kriterien sämtlich im In- und europäischen Ausland im zeitlich selben Ausmaß berücksichtigt werden. Da in der hier besprochenen E die mit den Vordienstzeiten verbundenen Berufserfahrungen unabhängig davon beurteilt werden, ob sie in Österreich oder in einem anderen Mitgliedstaat erworben wurden, steht der EuGH in diesem Punkt im Einklang mit seiner bisherigen Rsp, wenn er davon ausgeht, dass keine mittelbare oder unmittelbare Diskriminierung vorliegt.

2.
Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit durch die bloß zeitlich beschränkte Berücksichtigung von Vordienstzeiten

In vielen Punkten für nicht nachvollziehbar bzw in sich widersprüchlich halte ich die Begründung des EuGH, weshalb die generell zeitlich befristete Vordienstzeitenanrechnung eine Beschränkung der AN-Freizügigkeit sein soll. Ausgehend davon, dass Art 45 AEUV nicht nur ein Diskriminierungsverbot, sondern auch ein Beschränkungsverbot beinhalte, das jeder nationalen Maßnahme entgegenstehe, die geeignet ist, die Ausübung der AN-Freizügigkeit durch die Unionsangehörigen zu behindern oder weniger attraktiv zu machen, stellt der EuGH unter Bezugnahme auf seine bisherige Rsp auch vollkommen zu Recht fest, dass die AN-Freizügigkeit einem AN nicht garantieren kann, dass „ein Umzug in einen anderen Mitgliedstaat als seinen Herkunftsmitgliedstaat in sozialer Hinsicht neutral ist, da ein solcher Umzug aufgrund der Unterschiede, die zwischen den Systemen und den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bestehen, für die betreffende Person je nach Einzelfall Vorteile oder Nachteile in diesem Bereich haben kann. [...] Unionsrecht garantiert nämlich nur, dass Arbeitnehmer, die im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats als ihres Herkunftsmitgliedstaats eine Tätigkeit ausüben, denselben Bedingungen unterliegen wie die Arbeitnehmer, für die das innerstaatliche Recht des Aufnahmemitgliedstaats gilt“. Im Ergebnis tendiert die E Krah mE aber durchaus in die Richtung, dass das Behinderungsverbot in eine Richtung interpretiert wird,29dass Unterschiede in den Systemen immer mehr beseitigt werden sollen und das Gebot der Inländergleichbehandlung gerade nicht mehr entscheidend sein soll, dass ein aus der Sicht des AN subjektiver und kein objektiver Maßstab angelegt werden soll. Vollkommen zu Recht (so auch Potz, Arbeitnehmerfreizügigkeit und Entgeltsysteme – verlangt das Unionsrecht die Gleichbehandlung von Vordienstzeiten und Dienstzeiten, JAS 2020, 83 [99]) hat nämlich Generalanwalt Bobek die Fragen gestellt und verneint, ob dieser „Beeinträchtigungsansatz vom Grundgedanken einer Diskriminierung und ihrer Prüfung abgelöst“ ist und „eine Beeinträchtigung vorliegen [kann], wenn es nicht einmal den geringsten Hinweis auf eine Ungleichbehandlung (aus Gründen der Staatsangehörigkeit) gibt“. Schließlich werden mobile und immobile AN vollkommen gleich behandelt. Vor diesem Hintergrund ist es für mich vollkommen unverständlich, wie der EuGH auf die Idee kommt, dass es einen AN davon abhalten könnte, von seinem Recht auf Freizügigkeit keinen Gebrauch zu machen, wenn ihm einschlägige Vordienstzeiten über vier Jahre genauso wie einem Inländer nicht angerechnet werden.

ME liegt der EuGH auch falsch, wenn er sich zur Begründung seines Ergebnisses auf seine bisherige Rsp beruft. Auch hier verkennt der EuGH nämlich zum einen die Unterschiede in den zu beurteilenden nationalen Regelungen und zum anderen die Schlüsse, die der EuGH daraus gezogen hat. In der Rs SALK hatte der EuGH zunächst festgestellt, dass eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit vorliegt, wenn eine nationale Regelung Vordienstzeiten nur dann berücksichtigt, wenn sie bei derselben Gebietskörperschaft absolviert wurden. Es wurden also Vordienstzeiten im Ausland schlechter behandelt, als wenn sie bei dieser Gebietskörperschaft erworben wurden. Da von dieser Regelung jedoch auch Wander-AN aus Österreich nachteilig betroffen waren, wenn sie im Ausland beschäftigt waren, stellte sich das Problem der Beschränkung der AN-Freizügigkeit. Meiner Meinung nach ist es geradezu das klassische Beispiel einer Beschränkung der AN-Freizügigkeit, also einer Regelung, die einen AN davon abhalten könnte, von seinem Recht auf AN-Freizügigkeit Gebrauch zu machen, wenn eine mittelbar aufgrund der Staatsangehörigkeit diskriminierende Regelung auch Inländer davon abhalten könnte, im europäischen Ausland zwischenzeitlich eine Beschäftigung aufzunehmen. Insofern ist nämlich die Lage eines Inländers mit einem mittelbar diskriminierten Ausländer ident, wenn dieselben Vordienstzeiten nicht angerechnet werden. Zu Recht sah der EuGH in dieser E auch keine sachliche Rechtfertigung unter dem Aspekt einer Treueprämie, da die Vordienstzeiten von jedem AG der Gebietskörperschaft berücksichtigt wurden, also auch bei gegenüber ihren AG „untreuen“ AN.

Dabei hat der EuGH in der E Eurotherme Schallerbach gerade keine Beschränkung der AN-Freizügigkeit angenommen, da inländische und ausländische Vordienstzeiten bei einem anderen AG in gleichem Ausmaß von maximal fünf Jahren angerechnet wurden und damit dem Grundgedanken des Unionsrechts gerecht wurde, dass „Arbeitnehmer, die im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates als ihres Herkunftsmitgliedstaates eine Tätigkeit ausüben, denselben Bedingungen unterliegen wie die Arbeitnehmer dieses Mitgliedsstaats“. Zudem sei die Aussage, dass die zeitliche Beschränkung von Vordienstzeiten einen AN davon abhalten könnte, Österreich zu verlassen, „viel zu ungewiss und indirekt ..., als dass diese Regelung die Arbeitnehmerfreizügigkeit beeinträchtigen könnte“.

Hingegen wurde in der E Österreichischer Gewerkschaftsbund (EuGHC-24/17, EU:C:2019:373) eine Beschränkung der AN-Freizügigkeit durch § 26 VBG angesehen, der eine Berücksichtigung von Vordienstzeiten bei der Gehaltseinstufung zur Gänze nur in Fällen vorgesehen hat, in denen die Tätigkeiten bei einer Gebietskörperschaft oder einem Gemeindeverband im Anwendungsbereich der Regelungen zur AN-Freizügigkeit ausgeübt wurden; Vordienstzeiten bei anderen AG wurden hingegen maximal im Ausmaß von zehn Jahren berücksichtigt. Der EuGH sah eine Beschränkung der AN-Freizügigkeit darin, dass AN, die bei einem AG einschlägige Berufserfahrung von über zehn Jahren erworben haben, die bei der Gehaltseinstufung jedoch keine Berücksichtigung finden, ebenso davon abgehalten werden könnten, eine Stelle in Österreich anzunehmen, wie österreichische AN davon abgehalten werden könnten, bei einem AG im europäischen Ausland eine Tätigkeit anzunehmen, wenn bei der Rückkehr nach Österreich die dort erworbenen Dienstzeiten bei der Gehaltseinstufung keine Berücksichtigung finden. Doch auch hier ist anzuführen, dass neben der zeitlichen Beschränkung weitere, wenn auch nicht unmittelbar oder mittelbar diskriminierende differenzierende Voraussetzungen für die uneingeschränkte Anrechnung von Vordienstzeiten aufgestellt wurden. Allein aufgrund der zeitlich eingeschränkten Anerkennung der Vordienstzeiten hat auch hier der EuGH keine Beschränkung der AN-Freizügigkeit begründet, sondern lediglich aufgrund der unterschiedlichen Behandlung bestimmter Vordienstzeiten.

Da mE bei der bloß zeitlichen Beschränkung der Anerkennung von Vordienstzeiten bei zeitabhängigen Ansprüchen keine Beschränkung der AN-Freizügigkeit vorliegt, stellt sich aus meiner Sicht auch nicht die Frage einer etwaigen Rechtfertigung der Behinderung. Trotzdem möchte ich kurz auf die Argumentation des EuGH diesbezüglich eingehen. Es ist allgemein anerkannt, dass eine einschlägige Berufserfahrung jemanden dazu befähigt, seine Tätigkeit besser zu verrichten. Mit zunehmender Berufserfahrung steigen somit auch die berufsspezifischen Fähigkeiten. Die Auffassung der Universität Wien, dass nach vier Jahren eine weitere Berufserfahrung für die Tätigkeit nicht mehr zusätzlich positiv sei, man quasi „ausgelernt“ habe, mag zwar im universitären Karrieremodell sinnvoll sein (in diese Richtung Potz, Arbeitnehmerfreizügigkeit und Entgeltsysteme – verlangt das Unionsrecht die Gleichbehandlung von Vordienstzeiten und Dienstzeiten, JAS 2020, 83 [100]), kann aber keinesfalls mit Allgemeingültigkeit auf das allgemeine Arbeitsrecht übertragen werden. Nach30vier Jahren Berufstätigkeit steht kaum ein AN auf der Höhe seines beruflichen Leistungsvermögens. Insofern wären die Ausführungen des EuGH als obiter dictum mE zutreffend.

3.
Auswirkungen auf die österreichische Rechtslage

Wenn die bloß teilweise Berücksichtigung von Vordienstzeiten im Ausmaß von maximal vier Jahren nach den Ausführungen des EuGH eine Beschränkung der AN-Freizügigkeit sein soll, auch wenn österreichischen AN ebenfalls maximal vier Jahre angerechnet werden können, hat es mit der Inländergleichbehandlung nichts mehr zu tun. Vielmehr führt dies zu einer Inländerdiskriminierung, kann sich der Österreicher mit ausschließlichen Vordienstzeiten doch nicht auf die AN-Freizügigkeit berufen (dazu ausführlich Burger-Ehrnhofer, Neue Regelungen für die Anrechnung von Vordienstzeiten in Kollektivverträgen, ASoK 2019, 442).

Darf der nationale Gesetzgeber in diskriminierungsfreier Weise die Anrechnung von Vordienstzeiten nicht mehr auf eine bestimmte Anzahl von Jahren beschränken, so kann dies auch für die Zukunft bedeuten – worauf auch die österreichische Regierung und Generalanwalt Bobek im Verfahren hingewiesen haben –, dass auf die Berücksichtigung von Vordienstzeiten generell verzichtet wird. Wie so oft wäre dann einem einzelnen AN durch die Rsp geholfen, zukünftig allen AN aber eine schlechtere Position verschafft. Gerade in Bereichen, in denen es den Arbeitsvertragsparteien und/oder den Kollektivvertragsparteien zukommt, Mindestarbeitsbedingungen zu regeln, wäre es wünschenswert, dass die Gerichte aller Instanzen so weit denken, dass sie auch berücksichtigen, wie der Arbeitsmarkt auf die E reagieren wird. Letztendlich gibt die E Krah dem nationalen Gesetzgeber bzw den Kollektivvertragsparteien ein „Alles-oder-Nichts-Prinzip“ vor, dass sich in der Wirklichkeit immer zu Lasten des schwächeren AN auswirkt. Entweder gibt es ein System, in dem alle gleichwertigen Vordienstzeiten angerechnet werden, oder keines. Insb aufgrund des Umstandes, dass es im europäischen Arbeitsrecht keine explizite Regelung gibt, ob und inwieweit Vordienstzeiten anzurechnen sind, erscheint es aber mehr als fraglich (Potz, Arbeitnehmerfreizügigkeit und Entgeltsysteme – verlangt das Unionsrecht die Gleichbehandlung von Vordienstzeiten und Dienstzeiten, JAS 2020, 83 [99]), ob der EuGH vorgeben darf, ob und unter welchen Voraussetzungen Vordienstzeiten angerechnet werden müssen, wenn es eine nationale Regelung zur Vordienstzeitenanrechnung in Gehaltstabellen gibt. Der EuGH gibt de facto ein System vor, dass, sofern generell Vordienstzeiten bei der Einstufung in ein Gehaltsschema berücksichtigt werden, eine Berücksichtigung von Vordienstzeiten, die gleichwertig sind, verlangt, während die Nichtberücksichtigung von bloß nützlichen Vordienstzeiten zulässig sein soll. Damit hat mE der EuGH seine Kompetenzen überschritten, da er über die Grenzen, die Art 45 AEUV vorgibt, die Regelungskompetenz der nationalen Gesetzgeber und Sozialpartner beschränkt.