2Scheinunternehmen und Pflichtversicherung
Scheinunternehmen und Pflichtversicherung
Wurde ein DN von einem Scheinunternehmen zur SV angemeldet, so wird regelmäßig davon auszugehen sein, dass tatsächlich Arbeitsleistungen verrichtet wurden.
Kann der Versicherungsträger nachweisen, dass eine Beschäftigung als DN bei einem (als Scheinunternehmen festgestellten) DG gar nicht begonnen hat, so besteht keine Pflichtversicherung, die nach § 11 Abs 7 ASVG erlöschen könnte. In den Fällen, in denen ein solcher Nachweis nicht vorliegt, bewirkt die Feststellung eines Scheinunternehmens, dass die Bescheinigungslast dafür, dass tatsächlich Arbeitsleistungen erbracht wurden, für den Zeitraum ab Feststellung des Scheinunternehmens den DN trifft. Wirkt der DN nicht mit bzw gelingt ihm die Glaubhaftmachung nicht, so erlischt die Pflichtversicherung gem § 11 Abs 7 ASVG nicht rückwirkend ab ihrem Beginn bzw ab der Anmeldung, sondern ab der rechtskräftigen Feststellung des Scheinunternehmens.
Hinsichtlich des vor der Feststellung der Scheinunternehmerschaft des DG liegenden Zeitraumes kann die Pflichtversicherung des DN weder nach § 11 Abs 7 ASVG erlöschen, noch kann für diesen Zeitraum ein Auftraggeber fiktiver DG iSd § 35a Abs 3 ASVG sein.
§ 35a Abs 3 erster Satz ASVG stellt entweder auf Fallkonstellationen ab, in denen zusätzlich zu einem Scheinunternehmen eine weitere Person als DG in Frage kommt, oder auf Fallkonstellationen, in denen die DG-Eigenschaft iSd § 35 Abs 1 ASVG nicht dem Scheinunternehmen, sondern einer anderen Person zukommt. Denkbar ist freilich auch der Fall, dass das Scheinunternehmen einziger DG iSd § 35 ASVG ist.
Ist das Auftrag gebende Unternehmen nach § 35a Abs 3 GSVG als fiktiver DG zu betrachten, so tritt es je nachdem, ob ursprünglich in Bezug auf eine Beschäftigung beim Scheinunternehmen eine Pflichtversicherung bestand oder nicht, auf Grund einer gesetzlichen Fiktion ab der rechtskräftigen Feststellung des Scheinunternehmens als fiktiver DG neben den Scheinunternehmer, oder es besteht ab der rechtskräftigen Feststellung des Scheinunternehmens eine Pflichtversicherung allein auf Grund der Beschäftigung bei dem fiktiven DG.
[...] Die revisionswerbende Gebietskrankenkasse (im Folgenden: GKK) stellte mit Bescheid vom 25.7.2018 fest, dass der Erstmitbeteiligte vom 17.10. bis 30.11.2016 nicht der Voll(Kranken-, Unfall-, Pen-31sions-)versicherungspflicht gem § 4 Abs 1 Z 1 ASVG iVm § 4 Abs 2 ASVG und (nicht) der Arbeitslosenversicherungspflicht gem § 1 Abs 1 lit a AlVG auf Grund einer Beschäftigung zur DG S GmbH unterliege. [...] Der Erstmitbeteiligte sei von der S GmbH vom 17.10. bis 30.11.2016 als DN zur SV nach dem ASVG gemeldet worden. [...] Das Finanzamt 8/16/17 habe mit Bescheid vom 12.12.2016 rechtskräftig festgestellt, dass die S GmbH ab 12.10.2016 gem § 8 Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz (SBBG) als Scheinunternehmen gelte. [...] Von der GKK seien sämtliche ab 12.10.2016 gemeldeten Dienstverhältnisse, darunter das des Erstmitbeteiligten, „amtswegig storniert“ worden. [...] Am 17.1.2017 habe der Erstmitbeteiligte bei der GKK vorgesprochen und angegeben, [...] er sei am 14.10.2016 von N. K. als Fassader aufgenommen worden und habe [...] vom 17.10. bis 30.11.2016 für die S GmbH vollzeitig Styropor-Fassaden hergestellt. [...] Die S GmbH habe keinen Betrieb auf ihre Rechnung und Gefahr geführt. Sie habe in Österreich eine Scheinadresse angegeben. Es habe sich kein Hinweis auf einen tatsächlichen Geschäftsbetrieb in Österreich ergeben.
[...] Auch N. K. sei als DG auszuschließen, weil er auf Grund des Alters nicht mit der Beschreibung des DG durch den Erstmitbeteiligten übereinstimme. [...] Der Erstmitbeteiligte erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde und brachte vor, dass er am 14.10.2016 vom Geschäftsführer der S GmbH eingestellt worden und in der Folge vom 17.10. bis 30.11.2016 bei der S GmbH als Fassader beschäftigt gewesen sei. Zum Beweis beantragte der Erstmitbeteiligte die Einvernahme von drei Zeugen. Der Erstmitbeteiligte begehrte die Feststellung der Pflichtversicherung im angegebenen Zeitraum auf Grund seiner Beschäftigung bei der S GmbH. Mit dem in Revision gezogenen Beschluss hat das BVwG den Bescheid der GKK [...] behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die GKK zurückverwiesen. [...] Mit Bescheid des Finanzamtes 8/16/17 vom 12.12.2016 sei rechtskräftig festgestellt worden, dass die S GmbH als Scheinunternehmen gem § 8 Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz (SBBG) gelte. (In der Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, dass dies jedenfalls ab dem 12.10.2016 als dem Beginn der Anmeldung diverser DN bei der GKK gelte.) Gem § 35a Abs 1 ASVG idF BGBl I Nr 113/2015seien die Krankenversicherungsträger an die rechtskräftige Feststellung des Vorliegens eines Scheinunternehmens durch die Abgabenbehörden des Bundes nach § 8 SBBG gebunden.
Gem § 43 Abs 4 ASVG seien die Versicherten verpflichtet, zur Auskunftserteilung über die Beschäftigung bei einem rechtskräftig als Scheinunternehmen nach § 35a ASVG festgestellten Unternehmen binnen sechs Wochen nach schriftlicher Aufforderung persönlich beim Krankenversicherungsträger zu erscheinen. Gem § 35a Abs 3 ASVG habe der Krankenversicherungsträger den DG von Personen zu ermitteln, die der Aufforderung zum persönlichen Erscheinen beim Krankenversicherungsträger nach § 43 Abs 4 ASVG rechtzeitig nachgekommen seien und glaubhaft gemacht hätten, für bestimmte Zeiträume tatsächlich Arbeitsleistungen im Bereich eines Scheinunternehmens verrichtet zu haben.
[...] Sei der nach allgemeinen Grundsätzen ermittelte DG ein Scheinunternehmen, ohne dass die Haftung eines fiktiven DG nach § 35a Abs 3 Satz 2 ASVG in Betracht komme, ändere dies grundsätzlich nichts an der Pflichtversicherung des DN, der tatsächlich Arbeitsleistungen erbringe bzw erbracht habe, es sei denn, die Pflichtversicherung sei gem § 11 Abs 7 ASVG deswegen erloschen, weil er seiner Mitwirkungsverpflichtung nicht nachgekommen sei. Dementsprechend hätte die GKK zunächst Feststellungen darüber treffen müssen, ob der Erstmitbeteiligte tatsächlich Arbeitsleistungen im Bereich des Scheinunternehmens geleistet habe.
[...] Trotz umfangreichen Vorbringens unter Nennung zahlreicher Zeugen sowie auf den Baustellen tätiger Unternehmer habe die GKK offen gelassen, ob der Erstmitbeteiligte tatsächlich Arbeitsleistungen erbracht habe. Hätte die weitere Prüfung ergeben, dass der Erstmitbeteiligte auf den genannten Baustellen tatsächlich Arbeitsleistungen erbracht habe, wäre von der GKK der tatsächliche DG zu ermitteln gewesen. [...] Wenn der eigentliche DG nicht hätte ermittelt werden können und die Haftung eines fiktiven DG nach § 35a Abs 3 zweiter Satz ASVG nicht in Betracht gekommen wäre, hätte die revisionswerbende GKK dies feststellen müssen. In Verkennung der Rechtslage habe die GKK vermeint, mangels DG iSd § 35 ASVG sei die Pflichtversicherung zu verneinen. [...] Die beschriebenen groben Ermittlungslücken würden das BVwG berechtigen, von einer Entscheidung in der Sache abzusehen und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die GKK zurückzuverweisen.
[...] Gegen diesen Beschluss richtet sich die Revision.
Der VwGH hat erwogen:
[...] Das Finanzamt [...] hat mit Bescheid vom 12.12.2016 festgestellt, dass die S GmbH als Scheinunternehmen gem § 8 SBBG gilt. Dieser Bescheid ist am 27.12.2016 in Rechtskraft erwachsen. Die S GmbH gilt somit als Unternehmen, das vorrangig darauf ausgerichtet ist, Lohnabgaben, Beiträge zur SV, Zuschläge nach dem BUAG oder Entgeltansprüche von AN zu verkürzen, oder Personen zur SV anzumelden, um Versicherungs-, Sozial- oder sonstige Transferleistungen zu beziehen, obwohl diese keine unselbstständige Erwerbstätigkeit aufnehmen. [...] Gem § 35a Abs 1 ASVG ist die GKK an die rechtskräftige Feststellung, dass die S GmbH als Scheinunternehmen gilt, gebunden. Die rechtlichen Folgen dieser Bindung ergeben sich insb aus § 11 Abs 7 und § 35a Abs 3 ASVG. [...] Eine Folge besteht darin, dass die Pflichtversicherung einer im § 10 Abs 1 ASVG bezeichneten Person – sohin einer solchen, deren Beschäftigung als DN bei einem DG begonnen hat – mit der rechtskräftigen Feststellung eines Scheinunternehmens erlischt, wenn die Person der Aufforderung zum persönlichen Erscheinen beim Versicherungsträger nach § 43 Abs 4 ASVG nicht oder nicht rechtzeitig nachkommt oder wenn sie nicht glaubhaft machen kann, dass sie tatsächlich Arbeitsleistungen verrichtet hat. Wurde ein DN von einem Scheinun-32ternehmen angemeldet, so wird regelmäßig davon auszugehen sein, dass tatsächlich Arbeitsleistungen verrichtet wurden. Lässt sich indes nachweisen, dass dieser eine Beschäftigung als DN bei einem DG gar nicht begonnen hat, so besteht keine Pflichtversicherung, die nach § 11 Abs 7 ASVG erlöschen könnte. In den Fällen, in denen ein solcher Nachweis nicht vorliegt, bewirkt die Feststellung eines Scheinunternehmens, dass die Bescheinigungslast dafür, dass tatsächlich Arbeitsleistungen erbracht wurden, für den Zeitraum ab Feststellung des Scheinunternehmens den DN trifft. Denn wirkt der DN nicht mit bzw gelingt ihm die Glaubhaftmachung nicht, so erlischt die Pflichtversicherung gem § 11 Abs 7 ASVG nicht etwa rückwirkend ab ihrem Beginn bzw ab der Anmeldung, sondern ab der rechtskräftigen Feststellung des Scheinunternehmens.
[...] Gem § 35a Abs 3 erster Satz ASVG hat der Krankenversicherungsträger bei Personen, die der nach rechtskräftiger Feststellung des Scheinunternehmens ergehenden Aufforderung zum persönlichen Erscheinen beim Krankenversicherungsträger nach § 43 Abs 4 ASVG rechtzeitig nachgekommen sind und die glaubhaft gemacht haben, (für bestimmte Zeiträume) tatsächlich Arbeitsleistungen „im Bereich eines Scheinunternehmens“ verrichtet zu haben, den DG dieser Personen zu ermitteln (wozu der Krankenversicherungsträger im amtswegigen Verfahren zur Feststellung einer Pflichtversicherung nach allgemeinen Grundsätzen ohnehin verpflichtet ist). [...] Aus der [...] gesetzlichen Definition eines „Scheinunternehmens“ folgt für jene Scheinunternehmer, in deren Bereich DN tatsächlich eine unselbstständige Erwerbstätigkeit ausüben, dass sie grundsätzlich iSd § 35 Abs 1 ASVG DG sein können, die einen DN iSd § 4 Abs 2 ASVG beschäftigen, sodass dieser gem § 4 Abs 1 Z 1 ASVG pflichtversichert ist (vgl auch die in § 9 SBBG vorausgesetzte Pflicht des Scheinunternehmens, als DG Entgelt zu zahlen).
[...] § 35a Abs 3 erster Satz ASVG stellt nun entweder auf Fallkonstellationen ab, in denen zusätzlich zu einem Scheinunternehmen eine weitere Person als DG in Frage kommt (zB ein weiterer Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts [GesbR]), oder auf Fallkonstellationen, in denen nach den Grundsätzen der Sachverhaltsfeststellung gem § 539a ASVG die DG-Eigenschaft iSd § 35 Abs 1 ASVG nicht dem Scheinunternehmen, sondern einer anderen Person zukommt. Denkbar ist freilich auch der Fall, dass das Scheinunternehmen einziger DG iSd § 35 ASVG ist.
[...] Scheitert in der in § 35a Abs 3 erster Satz ASVG genannten Situation die Ermittlung eines wahren (dh nicht bloß – wie es in den Erläuterungen zur RV heißt – als „Anmelde- und Verrechnungsvehikel“ fungierenden) DG – der vom Scheinunternehmen verschieden ist –, so gilt gem § 35a Abs 3 zweiter Satz ASVG ab der rechtskräftigen Feststellung des Scheinunternehmens als DG das Auftrag gebende Unternehmen, wenn es wusste oder wissen musste, dass es sich beim Auftrag nehmenden Unternehmen um ein Scheinunternehmen nach § 8 SBBG handelt (was in Anbetracht der Veröffentlichung gem Abs 10 leg cit regelmäßig der Fall sein wird), und nicht beweist, von den betreffenden Personen keine Arbeitsleistungen erhalten zu haben oder zu erhalten.
[...] Gelingt dem Auftrag gebenden Unternehmen der Gegenbeweis, dass es keine Arbeitsleistungen erhalten hat oder erhält, aus dem Grund, dass die Person gar keine Arbeitsleistungen im Bereich des Scheinunternehmens erbracht hat oder erbringt, so widerlegt dies die ursprüngliche Glaubhaftmachung durch diese Person, dass sie tatsächlich Arbeitsleistungen erbracht hätte (§ 11 Abs 7 Z 2 ASVG), sodass eine allfällige in Bezug auf eine Beschäftigung im Bereich eines Scheinunternehmens bestehende Pflichtversicherung ab der rechtskräftigen Feststellung des Scheinunternehmens erlischt.
[...] Ist das Auftrag gebende Unternehmen außer dem eben genannten Fall aus den in § 35a Abs 3 ASVG genannten Gründen (Nichtwissen von der Scheinunternehmerschaft oder Beweis, aus anderen Gründen keine Arbeitsleistungen erhalten zu haben oder zu erhalten) nicht als fiktiver DG zu betrachten, so erlischt eine allfällige in Bezug auf eine Beschäftigung im Bereich eines Scheinunternehmens bestehende Pflichtversicherung nicht ab der rechtskräftigen Feststellung des Scheinunternehmens, war es doch Anwendungsvoraussetzung des § 35a Abs 3 ASVG, dass der DN den in § 11 Abs 7 ASVG genannten Pflichten nachgekommen ist.
[...] Ist das Auftrag gebende Unternehmen hingegen aus den in § 35a Abs 3 ASVG genannten Gründen als fiktiver DG zu betrachten, so tritt es je nachdem, ob ursprünglich in Bezug auf eine Beschäftigung beim Scheinunternehmen eine Pflichtversicherung bestand oder nicht (ein Erlöschen kommt in dieser Situation nicht in Frage, weil der DN die in § 11 Abs 7 Z 1 und 2 ASVG genannten Voraussetzungen erfüllt), auf Grund einer gesetzlichen Fiktion ab der rechtskräftigen Feststellung des Scheinunternehmens als fiktiver DG neben den Scheinunternehmer oder es besteht ab der rechtskräftigen Feststellung des Scheinunternehmens eine Pflichtversicherung allein auf Grund der Beschäftigung bei dem fiktiven DG.
[...] Sache des vorliegenden Verfahrens ist die Feststellung der Pflichtversicherung des Erstmitbeteiligten nach dem ASVG und dem AlVG auf Grund einer behaupteten Beschäftigung bei der DG S GmbH vom 17.10. bis 30.11.2016. Der Bescheid des Finanzamts 8/16/17 vom 12.12.2016, wonach die S GmbH als Scheinunternehmen gem § 8 SBBG gilt, ist am 27.12.2016 in Rechtskraft erwachsen. Die Feststellung der Pflichtversicherung wird von der erst nach dem gegenständlichen Zeitraum erfolgten Feststellung der S GmbH als Scheinunternehmen nicht berührt. Weder kann die gegenständliche Pflichtversicherung nach § 11 Abs 7 ASVG erlöschen, noch kann für den gegenständlichen Zeitraum ein Auftraggeber fiktiver DG iSd § 35a Abs 3 zweiter Satz ASVG sein.
[...] Die GKK hat die DG-Eigenschaft der S GmbH verneint, weil sie keinen Betrieb auf ihre Rechnung und Gefahr geführt habe und weil der Erstmitbetei-33ligte nicht von dem Geschäftsführer der S GmbH in Dienst genommen worden sei. Inwieweit diese Auffassung mit § 35 Abs 1 ASVG (im Hinblick auf das dort neben „für dessen Rechnung der Betrieb geführt wird“ beispielhaft angeführte „für dessen Rechnung die Tätigkeit geführt wird“) im Einklang steht sowie sich – in Anbetracht dessen, dass kein anderer DG ermittelt wurde – mit § 539a ASVG vereinbaren lässt, wird das BVwG im fortgesetzten Verfahren zu beurteilen haben. Sollte es zu dem Ergebnis kommen, dass die S GmbH als DG in Frage kommt, wird es die weiteren Voraus setzungen der behaupteten Pflichtversicherung, insb die tatsächliche Ausübung einer Tätigkeit durch den Erstmitbeteiligten, zu prüfen haben. Die Auffassung des BVwG, die GKK hätte – trotz zutreffender Verneinung der DG-Eigenschaft der S GmbH – weitere Feststellungen über den wahren DG, über den fiktiven DG und über die Tätigkeit des Erstmitbeteiligten treffen müssen, trifft nicht zu. Das BVwG hätte auf der Basis der ausreichenden Ermittlungsergebnisse nach allfälligen eigenen ergänzenden Ermittlungen in der Sache entscheiden müssen. [...]
1. Die E des VwGH enthält wichtige Aussagen zu den Auswirkungen einer festgestellten Scheinunternehmerschaft auf die Pflichtversicherung der vom Scheinunternehmen angemeldeten DN. Als Scheinunternehmen gilt nach § 8 Abs 1 SBBG ein Unternehmen, das vorrangig darauf ausgerichtet ist, entweder Lohnabgaben, Sozialversicherungsabgaben oder Entgeltansprüche von AN zu verkürzen, oder Personen zur SV anzumelden, um Versicherungs-, Sozial- oder sonstige Transferleistungen zu beziehen, obwohl diese keine unselbständige Erwerbstätigkeit aufnehmen. Die Feststellung der Scheinunternehmerschaft erfolgt nach dem in § 8 SBBG geregelten Verfahren durch Bescheid des Finanzamtes, an den die Krankenversicherungsträger gebunden sind. Die §§ 11 Abs 7 und 35a ASVG enthalten flankierende Regeln zu den sozialversicherungsrechtlichen Folgen der festgestellten Scheinunternehmerschaft für die vom Unternehmen angemeldeten DN. Dabei stellt sich zunächst die Frage, ob deren Pflichtversicherung aufrecht bleibt; bejahendenfalls ist fraglich, wer als DG dieser DN gilt. Diese Fragen sind teilweise in den § 11 Abs 7 und § 35a ASVG geregelt. § 11 Abs 7 leg cit regelt das Erlöschen der Pflichtversicherung; § 35a leg cit regelt die Ermittlung des DG, wobei unter bestimmten Voraussetzungen auch der Auftraggeber des Scheinunternehmens als (fiktiver) DG in Betracht kommt. Subsidiär greifen die allgemeinen Regeln und Grundsätze zur Pflichtversicherung ein.
2. Hinsichtlich der sozialversicherungsrechtlichen Sonderregeln hält der VwGH treffend fest, dass diese nicht für Zeiträume zur Anwendung gelangen, die vor der (rechtskräftigen) Feststellung der Scheinunternehmerschaft liegen – weder kann daher für diese Zeiträume die Pflichtversicherung (rückwirkend) nach § 11 Abs 7 ASVG erlöschen, noch ist für diese Zeiträume die fiktive DG-Eigenschaft des Auftraggebers nach § 35a ASVG möglich. Insoweit besteht keine Rückwirkung der festgestellten Scheinunternehmerschaft, sondern ist für die davorliegenden Zeiträume (nur) nach allgemeinen Regeln zu beurteilen, ob wegen tatsächlicher Beschäftigung der gemeldeten DN eine Pflichtversicherung vorliegt und wer nach § 35 ASVG als DG gilt.
3. Für den Zeitraum ab Feststellung der Scheinunternehmerschaft greifen hingegen die erwähnten Sonderregeln ein, wobei hier zunächst zu prüfen ist, ob eine allfällige Pflichtversicherung der angemeldeten DN nach § 11 Abs 7 ASVG erlischt. Abs 7 leg cit sieht ein Erlöschen vor, wenn der DN entweder seiner Pflicht zur Mitwirkung an der Sachverhaltsfeststellung betreffend die Beschäftigung beim Scheinunternehmen nicht nachkommt oder eine tatsächliche Beschäftigung nicht glaubhaft machen kann. Hinsichtlich der zweiten Variante ist allerdings zu beachten, dass (schon nach allgemeinen Regeln) eine Pflichtversicherung der gemeldeten DN nur eingetreten sein kann, wenn diese tatsächlich Arbeitsleistungen im Bereich des Scheinunternehmens erbracht haben, und dass sich daher streng genommen auch nur in diesem Fall die Frage des Erlöschens stellt (vgl auch Julcher in Mosler/Müller/Pfeil [Hrsg], Der SV-Komm, ASVG § 11 Rz 35). Sofern daher Abs 7 leg cit auch dann vom Erlöschen der Pflichtversicherung spricht, wenn dem DN die Glaubhaftmachung tatsächlicher Arbeitsleistungen nicht gelingt, scheint dies auf den ersten Blick ungenau formuliert: Wenn mangels tatsächlicher Beschäftigung von Beginn an gar keine Pflichtversicherung eingetreten ist (vgl § 10 Abs 1 ASVG), kann in rechtlicher Hinsicht eigentlich nur eine deklarative „Stornierung“ der unrichtigen Versicherungsmeldungen (bzw des unrichtigen Versicherthaltens) erfolgen, weil ja mangels Beschäftigungsaufnahme von Beginn an gar keine Pflichtversicherung eintreten konnte. Wenn man allerdings mit dem VwGH (zu Recht) den Gehalt des § 11 Abs 7 ASVG in einer Verschiebung der Nachweisobliegenheit hinsichtlich einer tatsächlichen Beschäftigung deutet, „passt“ der Gesetzeswortlaut wieder: Geht man für den Zeitraum vor Feststellung der Scheinunternehmerschaft von der (durch die Anmeldung als DN ausgehenden) Vermutung der tatsächlichen Erbringung von Arbeitsleistungen in diesem Zeitraum aus, dann müsste der Versicherungsträger diese Vermutung widerlegen und mangelnde Beschäftigung nachweisen. Gelingt dem Versicherungsträger der Nachweis nicht, besteht (wegen kraft Anmeldung vermuteter tatsächlicher Beschäftigung) die Pflichtversicherung jedenfalls für den Zeitraum vor Feststellung der Scheinunternehmerschaft. Für den Zeitraum ab Feststellung der Scheinunternehmerschaft besteht hingegen keine Vermutung der tatsächlichen Beschäftigung mehr, und obliegt es vielmehr nach § 11 Abs 7 ASVG dem DN, die tatsächliche Beschäftigung für diesen Zeitraum glaubhaft zu machen. Scheitert die Glaubhaftmachung, erlischt die (bislang allenfalls auch nur auf vermuteter Beschäftigung basierende) Pflichtversicherung ab dem Zeitpunkt der Feststellung der Scheinunternehmerschaft.34
4. Macht der DN gegenüber dem Versicherungsträger die Erbringung tatsächlicher Arbeitsleistungen im Zeitraum ab Feststellung der Scheinunternehmerschaft glaubhaft, so hat nach § 35a Abs 3 ASVG in weiterer Folge der Versicherungsträger den DG zu ermitteln (und zwar anhand der allgemeinen Regeln zum DG nach § 35 ASVG); DG kann entweder das Scheinunternehmen sein und/oder ein Dritter. Der bisher von manchen vertretenen Auffassung, wonach ein Scheinunternehmen (ab Feststellung der Scheinunternehmerschaft) kein DG sein könne, ist der VwGH zu Recht nicht gefolgt. Weder findet sich dafür im Gesetzeswortlaut eine Stütze, noch ist ein sachlicher Grund dafür ersichtlich, Scheinunternehmen bei tatsächlicher Beschäftigung von DN aus ihrer Stellung als sozialversicherungsrechtlicher DG (und damit auch aus der Haftung für Sozialversicherungsbeiträge) zu entlassen. Ist daher ein Unternehmen nach allgemeinen Grundsätzen (§ 35 ASVG) als DG anzusehen, ändert daran die Feststellung der Scheinunternehmerschaft nichts.
5. Fragen wirft allerdings die Anordnung in § 35a Abs 3 S 2 ASVG auf, wonach ab Feststellung der Scheinunternehmerschaft der Auftraggeber des Scheinunternehmens (bei Kenntnis oder Kennenmüssen der Scheinunternehmerschaft) als fiktiver DG gilt, wenn die Ermittlung eines DG nach S 1 leg cit nicht möglich ist. Nach dem Gesetzeswortlaut scheint somit die DG-Fiktion des Auftraggebers nur dann einzugreifen, wenn gar kein DG ermittelt werden kann, sodass bereits die DG-Eigenschaft des Scheinunternehmens die Fiktion ausschließt. Dieses Ergebnis ist aber (insb angesichts der wohl regelmäßig fehlenden Liquidität des Scheinunternehmens) wenig befriedigend; auch wertungsmäßig spricht einiges für eine Beitragshaftung des Auftraggebers, wenn dieser von der Scheinunternehmereigenschaft seines Vertragspartners weiß oder wissen muss. Wohl deshalb interpretiert der VwGH § 35a Abs 3 ASVG dahingehend, dass sich die Pflicht des Versicherungsträgers zur Ermittlung eines DG nur auf vom Scheinunternehmen verschiedene DG bezieht, und dass daher die DG-Fiktion des Auftraggebers bereits dann in Betracht kommt, wenn kein vom Scheinunternehmer verschiedener DG ermittelt werden kann. Dieser einschränkenden Auslegung hätte es allerdings erst gar nicht bedurft, wenn der Gesetzgeber anstelle der DG-Fiktion des Auftraggebers einfach dessen bloße Beitragshaftung (zusätzlich zu jener des DG) angeordnet hätte. Es ist nicht ersichtlich, warum der Gesetzgeber diesen Weg, den übrigens bereits § 9 SBBG hinsichtlich der Haftung für die Entgeltansprüche der DN vorzeichnet, nicht auch für die Beitragshaftung gewählt hat.