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Immaterieller Schadenersatz bei sexueller bzw geschlechtsbezogener Belästigung durch Stellvertreter des Arbeitgebers ohne formale Organstellung

FRANKHUSSMANN
§§ 6 Abs 1 und 2, 7 Abs 1 und 2, 12 Abs 11 GlBG

Der Vorgesetzte einer als Büroangestellter beschäftigten AN setzte diese von Beginn ihres Dienstverhältnisses an davon in Kenntnis, dass er der „Chef“ sei und der Geschäftsführer des nunmehr bekl Unternehmens, sein Stiefsohn, diese Funktion nur „auf dem Papier“ ausübe. Tatsächlich führte er sämtliche Verhandlungen, unterfertigte Aufträge und übte für die AN die AG-Rolle aus. Er unterzeichnete ihren Dienstvertrag, erteilte ihr und einer weiteren Mitarbeiterin die Arbeitsanweisungen und ordnete Mehrstunden an.

Im weiteren Verlauf des Arbeitsverhältnisses übersandte der Vorgesetzte der AN ein Pornovideo, dessen Inhalt offenkundig auf ihr äußeres Erscheinungsbild anspielte, setzte ihre Arbeitsleistung wiederholt mit sexuellen Verhaltensweisen in Verbindung („sie solle mehr arbeiten und weniger onanieren“) und machte auch das weibliche Geschlecht diskriminierende Äußerungen wie, es werde „eine Sekretärin mit Eiern in den Hosen“ gebraucht. Er tätigte auch die Aussage, die AN und ihre Kollegin seien „eh nur Hausfrauen“ und könnten „ihren Dreck, den sie machen, ... selbst wegsaugen“. Der Vorgesetzte bediente sich dabei eines lockeren, teils freizügig-scherzhaften, mit einem sexuellen Unterton versehenen Umgangstons. Die AN war von Beginn an irritiert, beschloss aber aus Sorge um ihren Arbeitsplatz, die Verhaltensweisen des Vorgesetzten ohne Reaktion zu ignorieren. In der Folge kündigte sie aber aufgrund ihrer Belastung das Arbeitsverhältnis und klagte das Unternehmen aufgrund des Verhaltens des Vorgesetzten auf Schadenersatz wegen sexueller Belästigung (§ 6 Abs 2 GlBG) sowie geschlechtsbezogener Belästigung (§ 7 Abs 2 GlBG).

Die Vorinstanzen gaben der Klage statt und sprachen der Kl Schadenersatz iHv € 4.000,- zu. Sie erachteten die Verhaltensweisen des Vorgesetzten als für die AN unerwünscht. Diese schufen für sie eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt und stellten sexuelle sowie geschlechtsbezogene Belästigungen dar. Der OGH wies die außerordentliche Revision des bekl Unternehmens zurück.

Der OGH führte in seiner Urteilsbegründung aus, dass seit der E vom 20.4.2017, 9 ObA 38/17d, klargestellt ist, dass die ausdrückliche oder stillschweigende Zurückweisung oder Ablehnung eines sexuell belästigenden Verhaltens durch die betroffene Person keine Tatbestandsvoraussetzung der sexuellen Belästigung iSd § 6 Abs 2 GlBG ist. Die AN ging über die Verhaltensweisen ihres Vorgesetzten nur deshalb hinweg, weil sie Angst hatte, wieder arbeitslos zu werden und in ihrem Alter (von damals 48 Jahren) keine Arbeit mehr zu finden.

Auch die Beurteilung der Vorinstanzen, die Haftung des bekl Unternehmens sei nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Vorgesetzte der AN keine formale Organstellung innehatte, steht im Einklang mit der Rsp: Eine juristische Person hat nicht nur für die sexuelle Belästigung durch ihre Vertretungsorgane – etwa den Geschäftsführer einer GmbH – gem § 6 Abs 1 Z 1 GlBG einzustehen (OGH 5.6.2008, 9 ObA 18/08z). Sie haftet als AG für eine sexuelle Belästigung iSd § 6 Abs 1 Z 1 GlBG auch dann, wenn der Belästiger kraft seiner Befugnisse und seiner Stellung gegenüber den anderen DN als zur selbstständigen Ausübung von Unternehmer- und insb AG-Funktionen 22 berechtigt ist und die sexuelle oder geschlechtsbezogene Belästigung damit in einem inneren Zusammenhang steht (OGH 21.12.2011, 9 ObA 118/11k). Wenn das Berufungsgericht auf Grundlage der oben genannten Sachverhaltsfeststellungen den Vorgesetzten der AN als einen zur Geschäftsführung berufenen Stellvertreter qualifiziert, ist dies nach Lage des Falles jedenfalls vertretbar. Das Wissen der AN darüber, dass er nicht Geschäftsführer der Bekl war, vermag an dessen Zurechnung zur Bekl im Rahmen des § 6 Abs 1 Z 1 bzw § 7 Abs 1 Z 1 GlBG nichts zu ändern.

Die Höhe des durch eine sexuelle und geschlechtsbezogene Belästigung verursachten immateriellen Schadens ist im Wege einer Globalbemessung für die durch die (fortgesetzte) Belästigung geschaffene Situation in ihrer Gesamtheit nach den auch sonst im Schadenersatzrecht angewandten Grundsätzen zu bemessen. Bei der Bemessung ist insb auf die Dauer der Diskriminierung und die Erheblichkeit der Beeinträchtigung Bedacht zu nehmen. Letztlich hängt die Bemessung von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab und begründet daher für sich keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO. Berücksichtigt man das Vorliegen mehrerer Übergriffe und die Erheblichkeit der Beeinträchtigung, die insb darin zum Ausdruck kommt, dass sich die AN veranlasst sah, das Dienstverhältnis mit der Bekl zu lösen, kann im Zuspruch von insgesamt € 4.000,- als Ausgleich der erlittenen persönlichen Beeinträchtigung (§ 12 Abs 11 GlBG) keine überhöhte Entschädigung erblickt werden, die der Korrektur durch den OGH bedürfte.