BMAGSK (Hrsg)Förderung der sozialen Mobilität in Österreich. Vermögen der privaten Haushalte in Österreich: Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Verlag des ÖGB, Sozialpolitische Studienreihe, Bd 26, Wien 2019, 164 Seiten, broschiert, € 20,-

FRANZISKADISSLBACHER

In der österreichischen Bevölkerung gibt es eine sehr hohe Zustimmung zum Ideal der Chancengleichheit, und zwar entlang des politischen Spektrums, das ist aus vielen Studien bekannt. Alle Menschen – unabhängig von ihrem sozialen und wirtschaftlichen Hintergrund – sollten die gleiche Möglichkeit haben, ein gutes Leben zu führen oder einen Hochschulabschluss zu erreichen. Doch im OECD-Vergleich ist Österreich besonders weit davon weg von diesem Ideal, die Vererbung des sozialen Status über mehrere Generationen hinweg ist stark, die Chancengleichheit besonders niedrig.

Die OECD-Ökonomen Michael Förster und Sebastian Königs vermessen im ersten Beitrag des Bandes verschiedene Dimensionen der Sozialen Mobilität in Österreich. Der Befund: Einkommen und der sozioökonomische Status der Eltern, beispielsweise deren Bildungsabschluss und Beruf, haben einen entscheidenden Einfluss auf den Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung, zu bester Gesundheitsversorgung, zu beruflichen Netzwerken, und damit auf die Chancen und Möglichkeiten ihrer Kinder. In Österreich dauert es durchschnittlich fünf Generationen, bis ein Kind, dessen Eltern sich im unteren Zehntel der Einkommensverteilung befinden, das österreichische Durchschnittseinkommen erreicht. Fünf Generationen, die aber niemand überlebt. Als Handlungsfelder identifizieren die Autoren etwa den Ausbau qualitativ hochwertiger frühkindlicher Betreuung und Bildung, die Stärkung der Chancengerechtigkeit im Bildungssystem und die Besteuerung von Erbschaften und Vermögen, um Chancenungerechtigkeiten abzubauen.

Bei letzterem, der Verteilung der privaten Vermögen, setzen die zwei führenden Köpfe der Vermögensforschung in Österreich, Martin Schürz und Pirmin Fessler, im zweiten Beitrag des Bandes an. Dass Vermögen noch deutlich ungleicher verteilt ist als Einkommen haben die beiden Autoren bereits in einer Vielzahl von Publikationen gezeigt. Weniger bekannt ist hingegen, dass Erbschaften noch ungleicher verteilt sind als Vermögen. Neben einer Charakterisierung der Vermögensverteilung spannt der Beitrag die Zeitdimension der sozialen Mobilität – des sozialen Auf- oder Abstiegs zwischen Generationen einer Familie – bezüglich der Vermögen auf: Personen mit einem Großvater (väterlicherseits), der bereits Akademiker war, leben heute in Haushalten mit überdurchschnittlich hohen Vermögen. Auch ein bildungsbürgerlicher Hintergrund der Eltern hat entscheidenden Einfluss auf die Vermögenshöhe ihrer 64 Kinder. Und Erben wird für die Position in der Vermögensverteilung immer wichtiger als Sparen aus dem Arbeitseinkommen. „Diese Situation wird sich in Österreich in Zukunft noch weiter verschärfen.“ (S 133).

In Summe hat die Sozialpolitische Studienreihe (Bd 26) zwei äußerst informative, für Nicht-ÖkonomInnen verständlich formulierte Beiträge versammelt. Zudem ist der Band auf der Homepage des Sozialministeriums gratis zum Download bereitgestellt. Die zwei Beiträge können auch als Plädoyer für eine ernsthafte Debatte zur Besteuerung von Erbschaften und Vermögen gelesen werden. Denn vererbt wird eben nicht nur in Geld bemessenes Vermögen – die sichtbare Spitze des Eisberges –, sondern auch Bildung, Gesundheit, Status, Einfluss, Anerkennung und Netzwerke. Dass die soziale Mobilität in Österreich so gering ist, die Chancen so ungleich verteilt sind, muss auf jeden Fall nachdenklich stimmen.