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Unzulässige Kettenverträge vor unbefristetem Arbeitsverhältnis – Anspruch auf Abfertigung „alt“

MANFREDTINHOF

Die Kl war bei der Bekl von 1.9.2005 bis zu ihrem Pensionsantritt am 30.6.2018 als Expeditarbeiterin im Ausmaß von 36 Wochenstunden beschäftigt. Bereits davor war sie bei der Bekl im Zeitraum von 23.3.1991 bis 31.8.2005 regelmäßig im Nachtdienst von Samstag bis Sonntag als Expeditarbeiterin tätig gewesen. Gelegentlich hatte sie auch zusätzliche Schichten übernommen. Nur wenn die Kl auf Urlaub oder im Krankenstand gewesen war, hatte sie keine Dienste geleistet. Sie war nur für die Dauer ihrer jeweiligen Dienste zur SV gemeldet. Da die Kl aber nicht nur tageweise, sondern dauernd angemeldet sein wollte, hatte sie zusätzlich ab 1.7.1991 (bis 31.8.2005) von Montag bis Freitag im Ausmaß von 25 Wochenstunden als mobile Hauskrankenpflegerin gearbeitet. Die Kl ging von einem seit 23.3.1991 durchgehenden Arbeitsverhältnis zur Bekl aus und klagte die daraus resultierende Abfertigung „alt“ ein.

Der OGH wies die außerordentliche Revision der Bekl gegen die der Klage stattgebende Entscheidung des Berufungsgerichts zurück. Die angefochtene Entscheidung bewegt sich im Rahmen der Grundsätze der Rsp zu Kettenarbeitsverhältnissen, welche im folgenden Absatz zusammengefasst werden.

Kettenarbeitsverträge sind nur dann rechtmäßig, wenn die Aneinanderreihung einzelner auf bestimmte Zeit abgeschlossener Arbeitsverträge im Einzelfall durch besondere soziale, wirtschaftliche Gründe bzw organisatorische oder technische Gründe gerechtfertigt ist, weil sonst die Gefahr der Umgehung zwingender, den AN schützender Rechtsnormen durch den AG und einer darin zum Ausdruck kommenden rechtsmissbräuchlichen Gestaltung von Arbeitsverträgen besteht. Ist die erste Befristung eines Arbeitsverhältnisses grundsätzlich zulässig, so ist aber bereits die erste Verlängerung auf bestimmte Zeit darauf zu prüfen, ob damit nicht zum Nachteil des AN die Bestimmungen des Kündigungsschutzes oder (auch) die gesetzlichen Vorschriften über Kündigungsfristen und Kündigungstermine umgangen werden. Je öfter die Aneinanderreihung erfolgt, desto strenger sind die inhaltlichen Anforderungen an die Rechtfertigungsgründe. Auch die Dauer der Befristung und die Art der Arbeitsleistung sind in die Überlegungen einzubeziehen; dies im Hinblick auf die durch die mehrfache Verlängerung verstärkte Erwartung des AN, es werde zu weiteren Verlängerungen kommen, sowie im Hinblick auf die gegenüber dem Verlust des Kündigungsschutzes immer mehr zurücktretenden Vorteile für den AN aus der Befristung. Es bedarf einer Interessenabwägung iSd beweglichen Systems, bei der nicht nur das Ausmaß der Unterbrechungszeiten, sondern auch das Ausmaß der zwischen diesen Unterbrechungszeiten liegenden Beschäftigungszeiten zu berücksichtigen ist. Übersteigt die Dauer der Zeiten der Unterbrechung erheblich jene der Beschäftigung, so spricht dies tendenziell gegen eine unzulässige Vertragskette.

Im vorliegenden Fall fehlen außerdem jegliche Anhaltspunkte dafür, dass für die gewählte Vertragsgestaltung auch Interessen der Kl maßgebend waren. Dass sie die ihr jeweils angebotenen Dienste auch sanktionslos ablehnen konnte, mag durchaus sein. Tatsächlich stellte sich das gelebte Vertragsverhältnis zwischen den Parteien aber so dar, dass die Kl regelmäßig und ohne (längere) Unterbrechungen den Nachtdienst von Samstag auf Sonntag verrichtete. Interessen der Kl an der Aneinanderreihung befristeter Arbeitsverhältnisse anstelle eines durchgehenden Arbeitsverhältnisses sind nicht zu erkennen.

Zur Rechtsansicht der Bekl, die Kl hätte die Unzulässigkeit der Kettenarbeitsverträge nicht rechtzeitig bekämpft und somit Ihre Aufgriffsobliegenheit verletzt, meint der OGH, dass zwar unzulässige Mehrfachbefristungen – wenn der AN daraus einen Fortsetzungsanspruch ableitet – ohne Aufschub gegenüber dem AG geltend zu machen sind, hier aber kein solcher Fall vorliegt. Klagsgegenständlich ist nämlich ein Abfertigungsanspruch der Kl nach Auflösung des bis 30.6.2018 andauernden Arbeitsverhältnisses. Dieser Entgeltanspruch verjährt gem § 1486 Z 5 ABGB erst nach drei Jahren.