58Arbeitskräfteüberlassung an das Bundesministerium für Justiz: Keine unmittelbare Anwendbarkeit der LeiharbeitsRL mangels Vorliegens einer „wirtschaftlichen Tätigkeit“
Arbeitskräfteüberlassung an das Bundesministerium für Justiz: Keine unmittelbare Anwendbarkeit der LeiharbeitsRL mangels Vorliegens einer „wirtschaftlichen Tätigkeit“
Der Kl war bei der Bekl – eine Anstalt öffentlichen Rechts, die ausschließlich als Personaldienstleister des Justizministeriums tätig ist – von 2.1.2013 bis 15.10.2018 beschäftigt. Die Bekl führt das Recruiting der AN durch, schließt die Arbeitsverträge und überlässt die AN dann der Justiz. Bei den überlassenen Arbeitskräften handelt es sich um Ärzte, Sozialarbeiter, Psychologen, Amtsdolmetscher und Experten.
Der Kl wurde bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft eingesetzt. Die Bekl orientierte sich damals bezüglich der Arbeits- und Entgeltbedingungen am BAGS-KollV in der jeweils 97 geltenden Fassung. Der Kl hatte daher Anspruch auf Erholungsurlaub im Ausmaß von 30 Werktagen. Die Tätigkeit des Kl umfasste die Unterstützung der Staatsanwaltschaft bei betriebswirtschaftlichen, steuerlichen und handelsrechtlichen Fragen, bei Erstellung von Berichten für die Staatsanwälte, die Vorbereitung von Fragen für Vernehmungen, die Teilnahme an Vernehmungen, die Mitwirkung bei Hausdurchsuchung, bei Erstellung von Zahlungsstromanalysen und die Unterstützung der Wirtschaftsexperten bei Erstellung von Berichten und Analysen.
Am 10.7.2018 wurde der Kl dienstfrei gestellt und zum 15.10.2018 gekündigt.
Der Kl begehrte ua die Zahlung einer Urlaubsersatzleistung sowie die Feststellung eines jährlichen Anspruchs auf 36 Werktage Urlaub (statt der gewährten 30 Werktage), da nach der RL 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Leiharbeit vom 19.11.2008 (LeiharbeitsRL) die wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen der Leih-AN während der Dauer ihrer Überlassung mindestens denjenigen entsprechen müssten, die für sie gelten würden, wenn sie von dem entleihenden Unternehmer unmittelbar für den gleichen Arbeitsplatz eingestellt worden wären. Vertragliche DN des Bundes hätten hingegen mit Vollendung des 43. Lebensjahres Anspruch auf eine sechste Urlaubswoche.
Das Erstgericht wies den Anspruch auf eine Urlaubsersatzleistung ab.
Das Berufungsgericht hingegen gab der Berufung des Kl im Hinblick auf die Urlaubsersatzleistung Folge.
Der OGH gab der Revision der Bekl Folge und wies das Klagebegehren ab.
Er hielt in seiner Begründung hierzu fest, dass § 20 Justizbetreuungsagentur-Gesetz (JBA-G) vorsieht, dass für die durch die Bekl begründeten Arbeitsverhältnisse, damit auch für das zum Kl, § 1 Abs 2 VBG 1948 und § 4 AngG keine Anwendung finden. Für Arbeitsverhältnisse sind das Angestelltengesetz und die übrigen für private AG geltenden arbeitsrechtlichen Rechtsvorschriften, damit auch das Urlaubsgesetz, anzuwenden.
Der dem Kl tatsächlich gewährte Urlaub entspricht den Regelungen des Urlaubsgesetzes, wonach bei einer Dienstzeit von weniger als 25 Jahren ein Anspruch auf 30 Werktage Urlaub besteht und sich dieser Anspruch erst nach Vollendung des 25. Jahres auf 36 Werktage erhöht. Ausgehend von dieser gesetzlichen Regelung besteht der geltend gemachte Anspruch auf Urlaubsersatzleistung nicht. Eine Berechtigung des Anspruchs des Kl könnte sich daher nur aus einer unmittelbaren Anwendung der LeiharbeitsRL ergeben.
Nach Art 1 Abs 2 gilt die LeiharbeitsRL für öffentliche oder private Unternehmen, bei denen es sich um Leihunternehmen und entleihende Unternehmen handelt, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, unabhängig davon, ob sie Erwerbszwecke verfolgen oder nicht.
Die Vorinstanzen haben unter Verweis darauf, dass die Richtlinie für öffentliche und private Unternehmen gilt, die Anwendbarkeit bejaht, sich jedoch nicht näher mit der Frage befasst, ob es sich im vorliegenden Fall beim Leiharbeitsunternehmen und dem entleihenden Unternehmen jeweils um ein solches handelt, das eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt.
Der OGH setzte sich daher eingehend mit der Judikatur des EuGH und der einschlägigen Literatur zum Begriff der „wirtschaftlichen Tätigkeit“ auseinander.
Vor diesem Hintergrund kam der Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass auch, wenn durch die Bekl Arbeitskräfte gegen Entgelt auf Basis einer Rahmenvereinbarung mit dem BM für Justiz überlassen werden, es sich zum einen um keine Leistungen handelt, die von der Bekl auf dem Markt angeboten werden, sondern um einen ausgegliederten Personalpool, durch den der flexible Einsatz von Arbeitskräften innerhalb der Justiz gewährleistet werden soll, wobei diese Arbeitskräfte auch ausschließlich dem BM für Justiz zur Erbringung der im Gesetz geregelten Aufgaben zur Verfügung stehen.
Zum anderen erfolgt der Einsatz nicht im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit des Beschäftigers Republik Österreich. Experten wie der Kl werden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaften, damit einer genuin hoheitlichen Tätigkeit eingesetzt. So ergibt sich aus den Feststellungen, dass der Kl im Bereich der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft tätig war und diese bei betriebswirtschaftlichen, steuerlichen und handelsrechtlichen Fragen unterstützte, Berichte für die Staatsanwälte erstellte, um entweder Anklage erheben zu können, die Verfahren einzustellen oder Ermittlungsschritte zu setzen, bei der Vorbereitung von Fragen für Vernehmungen, der Teilnahme an Vernehmungen, der Mitwirkung bei Hausdurchsuchungen, bei Erstellung von Zahlenstromanalysen und der Unterstützung der Wirtschaftsexperten bei Erstellung von Berichten und Analysen eingesetzt wurde. Der Kl wurde daher im Bereich der Hoheitsverwaltung des Bundes beschäftigt. 98
Insoweit liegt aus Sicht des OGH in Bezug auf die Überlassung des Kl sowohl auf Seiten der Bekl als Überlasser als auch auf Seiten des Bundes als Beschäftiger keine „wirtschaftliche Tätigkeit“ iSd LeiharbeitsRL vor, weshalb der Anspruch auf eine sechste Urlaubswoche bzw einer Urlaubsersatzleistung nicht besteht.