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Verbot des Abwerbens von Klienten während des aufrechten Dienstverhältnisses unterliegt nicht den Beschränkungen für Konkurrenzklauseln gem §§ 36 f AngG

DAVIDKOXEDER

Die Bekl waren beim Kl, einem Wirtschaftstreuhänder, seit 2008 als Bilanzbuchhalterinnen zu einem Bruttomonatsgehalt von weniger als € 1.500,- als Teilzeitkräfte beschäftigt. Nachdem die Bekl eine BuchhaltungsOG gründeten, kündigten sie ihre Dienstverhältnisse zum 31.12.2015 auf.

Die Dienstverträge der Bekl enthielten eine „Klientenschutzklausel“, mit der sich die AN verpflichteten, für die Dauer von zwei Jahren nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Klienten des DG weder mittelbar noch unmittelbar zu betreuen. Bei einer Verletzung dieser Bestimmung wurde eine Vertragsstrafe in der Höhe des eineinhalbfachen durchschnittlichen Jahresumsatzes des DG mit den betreffenden Klienten vereinbart.

Mit der gegen die Bekl eingebrachten Klage führte der Kl aus, dass die Bekl unter Verstoß gegen das Verbot des § 77 Abs 10 Wirtschaftstreuhandberufsgesetz (WTBG) idgF noch während ihrer aufrechten Dienstverhältnisse mehrere namentlich genannte Klienten aktiv angeworben hätten. Die Bekl seien wegen vorsätzlicher Verletzung dieses Schutzgesetzes zum Ersatz des dadurch verursachten Schadens verpflichtet und der Kl machte aus diesem Titel 85 % des mit den angeworbenen Klienten durchschnittlich erzielten Jahresumsatzes geltend.

Die Bekl bestritten das Klagevorbringen und wandten ua die Unwirksamkeit eines Konkurrenzverbots ein, weil ihre zuletzt bezogenen Gehälter unter den in § 36 Abs 2 AngG normierten Grenzbetrag gelegen seien.

Sowohl das Erstgericht als auch das Berufungsgericht wiesen das Klagebegehren ab und begründeten ihre Entscheidung vor allem damit, dass sich der Anwendungsbereich des in § 77 Abs 10 WTBG geregelten Konkurrenzverbots von jenem der spezielleren Norm des § 36 AngG, der in Abs 3 die Wirksamkeit einer Konkurrenzklausel gegenüber Angestellten begrenze, unterscheide.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mit der Begründung zu, weil der Frage, ob die Regelung des § 77 Abs 10 WTBG iVm einer vereinbarten Klientenschutzklausel dem Anwendungsbereich des § 36 AngG unterliegt, eine über den Anlassfall hinausgehende Bedeutung zukomme.

Der OGH hielt in seiner rechtlichen Begründung fest, dass die Parteien mit der obgenannten Verpflichtung der Bekl eine sogenannte „Mandantenschutzklausel“ oder „Klientenschutzvereinbarung“ mit Wirksamkeit für die Zeit nach dem Ende des Dienstverhältnisses vereinbart haben, wobei eine derartige Vereinbarung, die eine nachvertragliche Erwerbsbeschränkung darstellt, nach ständiger Judikatur den §§ 36, 37 AngG unterliegt.

Jedoch begehrte der Kl im vorliegenden Fall gerade nicht die mit den Bekl für eine Betreuung seiner Klienten nach Beendigung des Dienstvertrages vereinbarte Vertragsstrafe, sondern Schadenersatz für eine Konkurrenztätigkeit, die von den Bekl unter Verstoß gegen § 77 Abs 10 WTBG noch während ihrer aufrechten Dienstverhältnisse oder spätestens anlässlich ihrer Beendigung ausgeübt worden sein soll.

Ergänzend hielt der OGH fest, dass § 77 Abs 10 WTBG als auch der vereinbarten bzw dem § 36 Abs 1 AngG unterliegenden Konkurrenzklausel ein ähnlicher Zweck zugrunde zu legen ist. Beide Bestimmungen dienen dem Schutz eines berechtigten wirtschaftlichen Interesses des DG, weil sich zwischen den für ihn tätigen Personen und den ständig von ihn betreuten Klienten oft ein für die Abwerbung erleichterndes Vertrauensverhältnis entwickelt. Dennoch unterscheidet sich der Anwendungsbereich der beiden Gesetzesbestimmungen.

Bei einer Klientenschutzklausel beginnt der Wirkungsbereich erst nach Beendigung des Dienstverhältnisses. Der Angestellte wird für die Zeit danach in seiner Erwerbstätigkeit und im umfassenden Einsatz aller während des vorherigen Arbeitsverhältnisses rechtmäßig gewonnenen Informationen und Kenntnisse beschränkt. Hingegen gilt das Verbot gem § 77 Abs 10 WTBG ex lege während der Vertragsdauer bis zur Beendigung des Rechtsverhältnisses mit dem Berufsberechtigten. Diese Bestimmung stellt – soweit sie sich auf Angestellte bezieht – keine Konkurrenzklausel gem § 36 AngG dar, sondern es handelt sich um eine berufsspezifische Konkretisierung des nach § 7 Abs 4 AngG während eines aufrechten Dienstverhältnisses geltenden Konkurrenzverbots.

Wenn gegen dieses Konkurrenzverbot verstoßen wird, ist der DG unter den sinngemäß anzuwendenden Voraussetzungen des § 7 Abs 3 AngG zum Schadenersatz berechtigt, wobei die 100 Geltendmachung dieses gesetzlichen Anspruchs nicht den für vertragliche Konkurrenzklauseln geltenden Regeln und Beschränkungen der §§ 36 f AngG unterliegt, vor allem nicht der Einkommensgrenze nach § 36 Abs 2 AngG.

Der OGH gab der Revision des Kl daher Folge und die Entscheidungen der Vorinstanzen waren aufzuheben.