61

Anspruch auf angemessenes Entgelt bei laufender Entgegennahme von Arbeitsleistungen ohne arbeitsvertragliche Grundlage

RICHARDHALWAX

Der Kl, der von 1995 bis 30.11.2017 Vertragslehrer des Bundes war, hatte mit dem Bekl – einem von einem Gemeindeverband geführten Hotel- und Restaurantbetrieb – für den Zeitraum 25.9.2010 bis 30.6.2011 einen befristeten Dienstvertrag als „Internatsaufsicht“ geschlossen. Dieses Dienstverhältnis wurde per 31.12.2010 einvernehmlich beendet. Danach schlossen die Streitteile keinen weiteren – mündlichen oder schriftlichen – Dienstvertrag mehr ab. Ab 1.1.2011 erhielt der Kl vom Bekl kein Entgelt und keine Gehaltsabrechnungen mehr. Dennoch war der Kl während der Schulwochen auch nach dem 31.12.2010 bis zum 24.5.2017 weiter wie zuvor als Aufsichts- und Ansprechperson für die Internatsschüler tätig, die der Bekl beherbergte. Der Umfang und Inhalt der vom Kl ab 1.1.2011 verrichteten Tätigkeiten entsprach Umfang und Inhalt der bis 31.12.2010 im Rahmen seines Dienstverhältnisses zum Bekl verrichteten Tätigkeiten. Lediglich seine monatliche Arbeitszeit verkürzte sich ab 1.1.2011 von 189 Stunden auf 168 Stunden. Die Tätigkeiten des Kl waren zwar vom Bekl nicht angeordnet bzw verlangt worden, sie wurden aber mit Wissen des Bekl geduldet und von ihm laufend entgegen genommen.

Der Kl begehrte ein Nettomonatsentgelt von € 1.633,33 (inklusive Sonderzahlungen) für 23 Monate, insgesamt € 37.566,59 netto sA. In eventu – für den Fall der Bestreitung einer echten Nettolohnvereinbarung – begehrte er ein Monatsentgelt von € 1.981,39 brutto zuzüglich Sonderzahlungen, insgesamt daher € 53.167,29 brutto. Der Bekl bestritt und wandte einen Sachbezugwert von insgesamt € 4.512,60 für Kost und Logis als Gegenforderung ein.

Das Erstgericht wies das Haupt- und Eventualbegehren ab. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl teilweise Folge, sprach aus, dass die Klagsforderung mit dem € 32.726,62 brutto entsprechenden Nettobetrag zu Recht, die Gegenforderung nicht zu Recht bestehe. Eine Veranschlagung von Sonderzahlungen sei schon deshalb unbillig, weil es an einer gesetzlichen, kollektivvertraglichen oder einzelvertraglichen Grundlage fehle.

Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht für zulässig erklärt, weil es sich zwar auf eine Reihe von höchstgerichtlichen Rechtssätzen habe berufen können, aber die einzige dabei angeführte E mit vergleichbarer Konstellation aus dem Jahr 1987 stamme.

Beide – jeweils vom Gegner beantwortete – Revisionen waren laut OGH entgegen dem – nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Der Bekl meinte, es mangle an gesicherter Rsp zu einem aus § 1435 ABGB iVm § 1152 ABGB abgeleiteten Anspruch. Das trifft allerdings nicht zu. Bereits zu 9 ObA 22/90 vom 31.1.1990 hat der OGH festgehalten, dass jede Arbeitsleistung für einen anderen auch ohne Vorliegen eines Arbeitsvertrags Rechtsfolgen nach sich ziehen kann. Insb kann auch ein Verwendungsanspruch nach § 1041 ABGB in Frage kommen, etwa wenn jemand irrtümlich Arbeit geleistet hat, die einem anderen zugute kommt. Schließlich können auch Arbeitsleistungen zum Nutzen eines anderen verwendet werden (OGH 19.11.1974, 3 Ob 200/74; siehe auch OGH 2.9.1987, 14 ObA 76/87). Abgesehen davon kommen auch Kondiktionsansprüche nach § 1431 ABGB oder § 1435 ABGB als „tragfähige Grundlage“ in Betracht (vgl OGH 10.10.2001, 9 ObA 217/01d; OGH 21.12.2011, 7 Ob 236/11y).

Dazu ist in Lehre und Rsp anerkannt, dass derjenige, der eine Leistung, die in der Natur nicht mehr zurückgenommen werden kann, wie vor allem eine Arbeitsleistung, in Anspruch nimmt, diese auf Grund des in § 1152 ABGB zum Ausdruck kommenden Prinzips angemessen zu entlohnen hat, außer er braucht nicht damit zu rechnen, dass er sie besonders zu vergüten hat (RS0021263; zuletzt etwa OGH 20.2.2020, 5 Ob 86/19m).

Von dieser – entgegen seiner im Zulassungsausspruch vertretenen Meinung – gefestigten Rsp ausgehend hat das Berufungsgericht einen Anspruch des Kl auf ein angemessenes Entgelt bejaht, weil der Bekl im Hinblick auf Art und Umfang der von ihm (bzw seinem „Führungspersonal“) wissentlich geduldeten und laufend entgegengenommenen Arbeitsleistungen des Kl keinen Zweifel an deren Entgeltträchtigkeit haben konnte.

Der Kl bemängelte ua die vom Berufungsgericht angenommene Höhe dieses Entgelts. Zu prüfen sind laut OGH jeweils die konkreten Umstände des Einzelfalls, weshalb sich bei der Prüfung der Angemessenheit des Entgelts in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage stellt (OGH 27.2.2020, 8 ObA 1/20k). 101

Der Kl räumt ein, dass die vom Berufungsgericht gewählte Vorgangsweise, sich an dem im vormaligen Dienstverhältnis bezahlten Bruttostundenlohn (Grundlohn zuzüglich anteiliger Bereitschaftspauschale) zu orientieren, um das angemessene Entgelt in concreto zu ermitteln, eine von drei gangbaren Alternativen ist, haben die Parteien doch selbst zu erkennen gegeben, welchen Wert sie der Arbeitsleistung des Kl beigemessen haben. Es ist noch vertretbar, dass das Berufungsgericht bei seiner auf § 273 ZPO gestützten Ausmittlung mangels kollektiv- bzw einzelvertraglicher Grundlage (vgl RS0027834) keine Sonderzahlungen in Anschlag gebracht hat, weil der Kl nicht zur Darstellung bringt, dass ihm für das vormalige Dienstverhältnis Sonderzahlungen zugestanden wären. Der Kl geht selbst davon aus, dass das Kollektivvertragsrecht im Hinblick auf § 1 Abs 2 Z 3 ArbVG auf die Bekl als Gemeindeverband gerade nicht anwendbar war, sodass er im Ergebnis keine Bedenken an der Angemessenheit des festgesetzten Entgelts zu wecken vermag.