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Das Vorliegen einfacher manueller Tätigkeiten reicht ohne Einbindung in einen Betrieb nicht für die Qualifikation als Dienstverhältnis aus

ALEXANDERDE BRITO

Im Zuge der Generalsanierung seines privaten Einfamilienhauses hatte der spätere Revisionswerber hinsichtlich der durchzuführenden Trockenbauarbeiten zunächst JG um Rat gefragt. Später wurde vereinbart, dass JG gegen ein Entgelt von € 12,- pro Stunde im Haus des Revisionswerbers Arbeiten verrichten solle. JG war im Einfamilienhaus des Revisionswerbers am 11.2.2015 von 7:00 Uhr bis etwa 15:00 Uhr und am 12.2.2015 von 7:00 bis etwa 10:30 Uhr tätig geworden. Bei seiner Tätigkeit habe er Gipskartonplatten verklebt und verspachtelt. Der Revisionswerber hat keine Arbeitsanweisungen erteilt und die Arbeiten nicht kontrolliert. In der Folge wurde von Organen der Abgabenbehörden des Bundes eine Kontrolle im Haus des Revisionswerbers durchgeführt, bei der JG arbeitend angetroffen wurde.

Die Burgenländische Gebietskrankenkasse (BGKK) hatte daraufhin festgestellt, dass es sich bei der Beschäftigung von JG um einen Dienstvertrag nach § 4 Abs 2 ASVG handelte. Das BVwG folgte dieser Ansicht, bestätigte, das JG der Pflichtversicherung in der KV, UV, PV und AlV unterliege und verpflichtete den späteren Revisionswerber zur Nachzahlung von Beiträgen. Ferner schrieb es ihm Beitragszuschläge vor. In seiner rechtlichen Beurteilung führte das BVwG aus, dass eine Behörde berechtigt sei, von einem Dienstverhältnis auszugehen, wenn jemand bei der Erbringung von Dienstleistungen arbeitend unter solchen Umständen angetroffen werde, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuteten. Bei den von JG für den Revisionswerber verrichteten Arbeiten habe es sich um einfache manuelle Tätigkeiten gehandelt, die keinen ins Gewicht fallenden eigenen Gestaltungspielraum eröffnet hätten und nach der Lebenserfahrung im Rahmen eines Dienstverhältnisses verrichtet würden. Demnach sei „ohne Weiteres“ vom Vorliegen einer Tätigkeit in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit auszugehen. Das BVwG ließ die Revision nicht zu.

Die gegen dieses Erk erhobene außerordentliche Revision hielt der VwGH jedoch für zulässig und berechtigt. 105

Für die Beurteilung, ob eine Erwerbstätigkeit in persönlicher Abhängigkeit ausgeübt wird, ist es von besonderer Aussagekraft, ob der Erwerbstätige in einen Betrieb mit einer vom DG determinierten Ablauforganisation in einer Weise eingebunden war, dass dies der Erteilung ausdrücklicher persönlicher Weisungen und entsprechender Kontrollen gleichgehalten werden kann („stille Autorität“ des DG). Weiters spielt die für die Tätigkeit erforderliche Qualifikation eine Rolle, weil sich unabhängig vom Vorliegen konkreter Weisungen (die in der Realität des Arbeitsverhältnisses nicht immer erwartet werden können) mit steigender Qualifikation in der Regel auch die fachliche bzw sachliche Entscheidungsbefugnis ständig erweitert. Qualifizierte sachliche Entscheidungsbefugnisse können einen gewissen Spielraum für eine eigenständige (unter Umständen auch unternehmerische) Gestaltung der Tätigkeiten eröffnen. Derartige Dispositionsmöglichkeiten stärken, insb bei Fehlen der Einbindung in eine Betriebsorganisation, die Sphäre persönlicher Ungebundenheit und sprechen für das Vorliegen eines freien Dienstverhältnisses.

Eine Einbindung in die betriebliche Organisation setzt zunächst das Vorhandensein eines Betriebs voraus. ISd Definition des § 34 Abs 1 ArbVG, auf die auch in diesem Zusammenhang zurückgegriffen werden kann, ist diejenige Arbeitsstätte als Betrieb anzusehen, die eine organisatorische Einheit bildet, innerhalb derer eine physische oder juristische Person oder eine Personengemeinschaft mit technischen oder immateriellen Mitteln die Erzielung bestimmter Arbeitsergebnisse fortgesetzt verfolgt, ohne Rücksicht darauf, ob Erwerbsabsicht besteht oder nicht. Maßgeblich für eine Einbindung in die betriebliche Organisation ist insb, ob von der aus Infrastruktur und beteiligten Personen gebildeten organisatorischen Einheit ein personenbezogener Anpassungsdruck auf den darin eingebundenen Erwerbstätigen ausgeht. Strukturen einer betrieblichen Organisation, in die eine Einbindung erfolgen kann, manifestieren sich zB in einem durch die Erfordernisse der betrieblichen Einrichtung vorgegebenen Ablauf, in einer gemeinsamen aufeinander abgestimmten Tätigkeit mehrerer Mitarbeiter oder in der Anwesenheit von Vorgesetzten an der Arbeitsstätte.

Insb können auch Baustellen als ein Betrieb angesehen werden, in den eine Einbindung erfolgen kann. Der VwGH hat in seiner Judikatur aber auch bereits wiederholt darauf hingewiesen, dass der bloße Umstand, dass ein Auftraggeber Eigentümer eines Hauses ist, an dem Arbeiten durchgeführt wurden, noch nicht ausreichend ist, um vom Vorliegen eines Betriebes auszugehen. Im vorliegenden Fall hat der Revisionswerber nach den Feststellungen des BVwG eine „Generalsanierung seines privaten Einfamilienhauses“ begonnen. Daraus allein kann nicht abgeleitet werden, dass eine als Betrieb anzusehende Baustelle etabliert worden bzw JG in eine solche dem Revisionswerber zuzuordnende Betriebsorganisation eingebunden gewesen wäre. Derartiges hat das BVwG aber ohnehin nicht unterstellt. Vielmehr ist es davon ausgegangen, dass schon allein durch die Verrichtung einfacher manueller Arbeiten durch JG eine Vermutung des Vorliegens der persönlichen Abhängigkeit begründet worden wäre, die ohne Weiteres zur Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses nach § 4 Abs 2 ASVG berechtige. Damit hat das BVwG aus den dargestellten Gründen die Rechtslage verkannt, weshalb das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben wurde.