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Das Vergreifen in der Entscheidungsform muss eindeutig sein, um eine Umdeutung des Rechtsmittels zu rechtfertigen

PIA ANDREAZHANG

Der 1988 geborene Kl ist seit einem Sturz 2005 querschnittgelähmt. Am 31.5.2010 trat er erstmals ins Erwerbsleben ein. Der Kl beantragte im Mai 2013 die Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension. Die Pensionsversicherungsanstalt (PVA) wies dies unter Hinweis auf § 255 Abs 7 und § 254 ASVG ab. Der Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Im Juli 2019 beantragte der Kl neuerlich die Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension. Dieser Antrag wurde mit der Begründung abgewiesen, dass originäre Invalidität vorliege und die besondere Wartezeit von 120 Versicherungsmonaten nach § 255 Abs 7 ASVG nicht erfüllt sei. Der Kl brachte Klage ein und stellte neben dem Begehren auf Zuerkennung der Berufsunfähigkeitspension zwei Eventualbegehren (Maßnahmen der beruflichen und medizinischen Rehabilitation). Er brachte vor, dass die Berufsunfähigkeit erst im Jahr 2012, also nach Eintritt ins Erwerbsleben, eingetreten sei. Der Bescheid aus dem Jahr 2013 enthalte dazu keine Feststellungen. Die PVA wandte ein, dass mit dem rechtskräftigen Bescheid von 2013 bereits über das Vorliegen originärer Invalidität abgesprochen worden sei. Der Kl sei zu keinem Zeitpunkt arbeitsfähig gewesen und erfülle die Voraussetzungen des § 255 Abs 7 ASVG nicht.

Das Erstgericht stellte fest, dass der Kl bis zum Stichtag 23 Beitragsmonate der Pflichtversicherung erworben habe und wies das Klagebegehren ab. Hinsichtlich des Vorliegens der originären Invalidität sei das Gericht an den rechtskräftigen Bescheid von 2013 gebunden und es liege daher das Prozesshindernis der entschiedenen Sache vor. Auch die Eventualbegehren wurden abgewiesen. Das Urteil wurde dem Kl am 30.4.2020 zugestellt und er brachte am 29.5.2020 elektronisch Berufung ein.

Das Berufungsgericht wertete diese Berufung als Rekurs und wies diesen als verspätet zurück. Da das Erstgericht aufgrund des Prozesshindernisses der entschiedenen Sache die Klage abgewiesen habe, hätte es anstelle eines Urteils eigentlich mit (Zurückweisungs-)Beschluss entscheiden müssen. Die Zulässigkeit einer Anfechtung richte sich aber alleine nach der vom Gesetz vorgeschriebenen 114 Entscheidungsform. Das Rechtsmittel sei daher der Rekurs und dafür betrage die Frist 14 Tage. Gem § 1 Abs 1 1. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz habe diese am 15.5.2020 geendet, weshalb die Einbringung am 29.5.2020 verspätet sei. Gegen diesen Beschluss brachte der Kl Rekurs ein.

Der OGH hob den Beschluss des Rekursgerichts auf und trug diesem die inhaltliche Entscheidung über das Rechtsmittel auf.

Das Rekursgericht stützt sich auf die Rsp, dass ein Vergreifen in der Entscheidungsform nicht zur Verlängerung von Notfristen führt. Dies setzt aber voraus, dass das Erstgericht unzweifelhaft und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, das Klagebegehren in Form eines Beschlusses zurückweisen zu wollen, im Spruch aber irrtümlich mit einer Abweisung vorgegangen ist.

Im vorliegenden Fall ist dies aus der Begründung des Erstgerichts aber nicht zweifelsfrei ableitbar. Das Erstgericht hatte unabhängig von der Begründung des angefochtenen Bescheids auch die Erfüllung der Wartezeit, bezogen auf den neuen Stichtag, zu prüfen. Je nach dem Ergebnis ist mit klagestattgebender oder klageabweisender Sachentscheidung vorzugehen. Für die Rechtzeitigkeit eines Rechtsmittels kommt es nicht ausschließlich darauf an, welche Entscheidungsform die objektiv richtige gewesen wäre, sondern auch darauf, welche das Gericht im Lichte eines objektiven Empfängerhorizonts tatsächlich gewählt hat.

Im Urteil des Erstgerichts finden sich auch Feststellungen zur Wartezeit. Im Zusammenhang mit der originären Invalidität berief es sich darauf, dass ein auf § 255 Abs 7 ASVG gestützter ablehnender Pensionsbescheid als rechtskräftige Entscheidung über die originäre Berufsunfähigkeit zu werten ist. In den Urteilsgründen verweist es darauf, dass das Prozesshindernis der entschiedenen Rechtssache vorliegt und begründet unmittelbar anschließend die Abweisung der Eventualbegehren. In ihrer Gesamtheit rechtfertigen diese Entscheidungsgründe nicht in der geforderten Unmissverständlichkeit die Annahme, das Erstgericht hätte die Klage mit Beschluss zurückweisen wollen. Dagegen spricht auch, dass das Erstgericht in der Verhandlung ebenfalls ausdrücklich angegeben hat, eine Sachentscheidung fällen zu wollen.

Allein der Umstand, dass das Erstgericht auch das Vorliegen der originären Berufsunfähigkeit klären wollte und in diesem Zusammenhang die Rechtskraftwirkung des Bescheids aus 2013 bejaht hat, lässt objektiv nicht die eindeutige Folgerung zu, dass es die Klage zurückweisen wollte und sich in der Entscheidungsform nur vergriffen hat. Die Begründung der Entscheidung könnte objektiv auch so verstanden werden, dass das Erstgericht das Vorliegen des rechtskräftigen Bescheids lediglich auf die originäre Berufsunfähigkeit bezogen hat und mangels Erfüllung der Wartezeit tatsächlich mit einer Klagsabweisung vorgehen habe wollen.