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Einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld: Arbeitslosengeldbezug im Beobachtungszeitraum ist anspruchsschädlich

KRISZTINAJUHASZ

Die Härtefallklausel des § 24 Abs 1 Z 2 KBGG („Unterbrechung von nicht mehr als 14 Kalendertagen“) ist auf den Bezug von Leistungen aus der AlV nicht anwendbar. Somit ist die negative Anspruchsvoraussetzung des Nichtbezugs von Leistungen aus der AlV auch dann verwirklicht, wenn diese Leistung nicht mehr als 14 Kalendertage lang in Anspruch genommen wird.

SACHVERHALT

Der Kl war von 13.3.2017 bis 31.8.2018 in einer Rechtsanwaltskanzlei beschäftigt. Von 1.9.2018 bis 6.1.2019 war er arbeitslos gemeldet und bezog Arbeitslosengeld. Für seine am 13.9.2018 geborene Tochter bezog deren Mutter bis einschließlich 12.9.2019 Kinderbetreuungsgeld.

Der Kl beantragte das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld von 13.9. bis 12.11.2019. Im 182-tägigen Beobachtungszeitraum gem § 24 Abs 1 Z 2 und Abs 2 KBGG von 11.3.2018 bis 12.9.2019 bezog er allerdings an zwölf Kalendertagen Arbeitslosengeld.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Die Bekl lehnte den Antrag des Kl ab und begründete dies damit, dass der Bezug von Leistungen aus der AlV auch nur an einem Tag des 182-tägigen Beobachtungszeitraums den Anspruch auf einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld ausschließe. Das Erstgericht folgte diesem Standpunkt und wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl nicht Folge und führte aus, dass die mit 31.8.2018 erfolgte Beendigung des Dienstverhältnisses aufgrund der Geburt am 13.9.2018 eine unschädliche kurze Unterbrechung der Erwerbstätigkeit sei. Allerdings könne sich – nach den Regeln der Wortinterpretation – nur auf diese Beendigung die Härtefallklausel beziehen, nicht jedoch auf die negative Anspruchsvoraussetzung, dass während des Beobachtungszeitraums keine Leistungen aus der AlV bezogen werden dürfen.

Die Revision des Kl war zulässig, aber nicht berechtigt.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„[…] 1.3 Das Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens (einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld) wurde mit der Novelle zum KBGG, BGBl I 2009/116BGBl I 2009/116, geschaffen.

1.4 Nach den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 340 BlgNR 24. GP 16) soll dadurch jenen Eltern, die vor der Geburt über ein relativ hohes Erwerbseinkommen verfügt haben, die Möglichkeit gegeben werden, trotz kurzzeitigen Rückzugs aus dem Erwerbsleben den bisherigen Lebensstandard aufrecht zu erhalten. […]

1.5 Mit der Novelle des KBGG, BGBl I 2011/139BGBl I 2011/139, wurde § 24 Abs 1 Z 2 KBGG dahin ergänzt, dass der anspruchsberechtigte Elternteil im Beobachtungszeitraum auch keine Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung erhalten durfte. In § 24 Abs 2 Satz 2 KBGG wurde der Ausdruck ‚dieser Erwerbstätigkeit‘ jeweils durch die Wortfolge ‚dieser zuvor mindestens sechs Monate andauernden Erwerbstätigkeit‘ ersetzt. […]

1.6 Mit dem FamZeitbG, BGBl I 53/2016BGBl I 53/2016, wurde der Zeitraum von sechs Monaten in § 24 Abs 1 Z 2 und Abs 2 KBGG in einen Zeitraum von 182 Tagen verändert. Der bereits zuvor bestandene Ausschluss bei Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung (wie Arbeitslosengeld, Notstandshilfe) während des relevanten Zeitraums sollte nach den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP 10) unverändert bleiben.

2.1 Jede Gesetzesauslegung beginnt mit der wörtlichen (sprachlichen, grammatikalischen) Auslegung […].

2.2 Nach dem Wortlaut des § 24 Abs 1 Z 2 KBGG dürfen ‚in diesem Zeitraum‘ (dem in § 24 Abs 2 KBGG definierten Zeitraum) keine Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezogen werden.

2.3 Diese eindeutig negativ formulierte Anspruchsvoraussetzung verliert jeden Sinn, wenn einem Elternteil das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld zugebilligt wird, obwohl er mit Ausnahme einer Unterbrechung von höchstens 14 Kalendertagen während des gesamten Beobachtungszeitraums (und allenfalls schon zuvor) durchgehend Arbeitslosengeld bezogen hat und daher nach den Intentionen des Gesetzgebers eindeutig nicht zur Zielgruppe jener Eltern gehört, deren relativ höheres Erwerbseinkommen während des durch die Kinderbetreuung bedingten kurzzeitigen Rückzugs 124 aus dem Erwerbsleben durch das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld (teilweise) ersetzt werden soll.

2.4 Weder der Wortlaut des § 24 Abs 1 Z 2 iVm § 24 Abs 2 KBGG noch die Gesetzesmaterialien bieten Anlass für die vom Kläger gewünschte Interpretation […].

2.5 Ein Verständnis, dass die tatsächliche Ausübung einer in Österreich sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit jedenfalls gleich zu behandeln ist wie der Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung – dies unabhängig von deren Ausgestaltung – findet sich auch in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht:

Der Bezug einer Leistung aus der Arbeitslosenversicherung wie dem Weiterbildungsgeld, […] ist gerade keine Erwerbstätigkeit, weil de facto Arbeitslosigkeit vorliegt (10 ObS 103/14s SSV-NF 28/61; 10 ObS 89/17m). Anders beurteilt der Oberste Gerichtshof den Bezug von Bildungsteilzeitgeld: Bei diesem handelt es sich zwar ebenfalls um eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung, die aber bei aufrechtem Dienstverhältnis (mit einem die sozialversicherungsrechtliche Geringfügigkeitsgrenze zwingend überschreitendem Lohnanspruch und aufrecht bleibender Pflichtversicherung) gewährt wird und daher iSd Ausübung einer sozialversicherungspflichtigen (Teilzeit-)Erwerbstätigkeit iSd § 24 Abs 1 Z 2 und Abs 2 KBGG den Anspruch auf einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld nicht ausschließt (10 ObS 153/15w SSV-NF 30/21). Zu 10 ObS 89/17m sah der Oberste Gerichtshof eine Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhalts nach dem AMSG ebenfalls nicht als Leistung aus der Arbeitslosenversicherung an, die unter die negative Anspruchsvoraussetzung in § 24 Abs 1 Z 2 KBGG fällt. […]

2.6 Die Judikatur differenziert beim Ausschluss vom einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld somit danach, ob neben dem Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung ein Beschäftigungsverhältnis mit aufrechter Pflichtversicherung besteht und de facto keine Arbeitslosigkeit besteht. Beim Bezug von Arbeitslosengeld nach Beendigung des Dienstverhältnisses ist dies nicht der Fall. […]

2.7 In § 24 Abs 1 Z 3 KBGG formuliert der Gesetzgeber den Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung während des Bezugs des Kinderbetreuungsgeldes ebenfalls als unbedingten Ausschluss vom Anspruch auf einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld. Während des Bezugs erzielte Erwerbseinkünfte dürfen die Zuverdienstgrenze nicht übersteigen, während Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung unabhängig von ihrer Höhe dem Anspruch schaden. […]

3. […] differenzierende Regelungen, die zu Härtefällen führen, [sind] nicht generell als gleichheitswidrig zu betrachten. Der Gleichheitssatz erlaube es, Fälle zu vernachlässigen, die sich als atypische und bloß ausnahmsweise vorkommende Härtefälle darstellen. […] Aufgrund der Einkommensersatz Einkommensersatzfunktion des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes wurde der Anspruch für alle in Betracht kommenden Anspruchsberechtigten vom Nichtbezug von (nach der Rechtsprechung bestimmten) Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung abhängig gemacht. […] nur ausnahmsweise vorkommende Härtefälle zu vernachlässigen, erlaubt der Gleichheitssatz nach der Rechtsprechung des VfGH gerade (VfSlg 17.784; VgSlg 11.301 ua).

4. Ergebnis: Die negative Anspruchsvoraussetzung des Nichtbezugs von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung (§ 24 Abs 1 Z 2 KBGG) ist auch dann verwirklicht, wenn diese Leistung nicht mehr als 14 Kalendertage lang in Anspruch genommen wird.“

ERLÄUTERUNG

Im vorliegenden Fall war zu klären, ob die Härtefallklausel des § 24 Abs 1 Z 2 KBGG („Unterbrechung von nicht mehr als 14 Kalendertagen“) sich auch auf den Bezug von Leistungen aus der AlV bezieht und der Bezug von Arbeitslosengeld über einen 14 Kalendertage nicht übersteigenden Zeitraum daher dem Anspruch auf einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld nicht schadet.

Das Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens wurde mit der Novelle zum KBGG, BGBl I 2009/116BGBl I 2009/116, geschaffen. Nach § 24 Abs 1 KBGG (BGBl I 2016/53BGBl I 2016/53) hat ein Elternteil Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens (einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld) für sein Kind, sofern „1. die Anspruchsvoraussetzungen nach § 2 Abs. 1 Z 1, 2, 4 und 5 erfüllt sind, 2. dieser Elternteil in den letzten 182 Kalendertagen unmittelbar vor der Geburt des Kindes, für das Kinderbetreuungsgeld bezogen werden soll, durchgehend erwerbstätig gemäß Abs. 2 war, sowie in diesem Zeitraum keine Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung erhalten hat, wobei sich Unterbrechungen von insgesamt nicht mehr als 14 Kalendertagen nicht anspruchsschädigend auswirken, und 3. dieser Elternteil während des Bezugs des Kinderbetreuungsgeldes keine Erwerbseinkünfte erzielt, wobei sich ein Gesamtbetrag an maßgeblichen Einkünften (§ 8 Abs. 1) von nicht mehr als 6.800 Euro pro Kalenderjahr nicht schädlich auswirkt, und keine Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung erhält“.

Das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld steht daher nur vor der Geburt tatsächlich erwerbstätigen Eltern offen. § 24 Abs 2 KBGG definiert den Begriff der Erwerbstätigkeit. Die Erwerbstätigkeit muss durchgehend in den letzten sechs Monaten vor der Geburt tatsächlich ausgeübt werden, wobei sehr geringfügige Unterbrechungen – das sind solche bis zu 14 Tagen – zur Vermeidung von Härtefällen zulässig sind. Die Zeiten des Beschäftigungsverbots nach dem MSchG (Mutterschutz) werden Zeiten der tatsächlichen 125 Ausübung einer Erwerbstätigkeit gleichgestellt. Weiters gelten Zeiträume, in denen die Erwerbstätigkeit unterbrochen wurde, um sich der Kindererziehung zu widmen, als der tatsächlichen Ausübung einer Erwerbstätigkeit gleichgestellt, sofern es sich um Zeiten der gesetzlichen Karenz nach dem MSchG oder Väter-Karenzgesetz (VKG) handelt (aufrechtes, ruhendes Dienstverhältnis).

Mit der Novelle des KBGG (BGBl I 2011/139BGBl I 2011/139) wurde der Nichtbezug von Leistungen aus der AlV als negative Anspruchsvoraussetzung eingefügt (§ 24 Abs 1 Z 2 KBGG). Die Gesetzesmaterialien führten dazu aus, dass Eltern, die vor der Geburt arbeitslos sind, nicht zur Zielgruppe des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes gehören und daher auch dann keinen Anspruch haben, wenn sie vor der Geburt neben dem Bezug von Leistungen aus der AlV geringfügig beschäftigt waren (ErläutRV 1522 BlgNR 24. GP 3). Weiters wurde durch die Novellierung in § 24 Abs 2 Satz 2 KBGG der Ausdruck „dieser Erwerbstätigkeit“ jeweils durch die Wortfolge „dieser zuvor mindestens sechs Monate andauernden Erwerbstätigkeit“ ersetzt. Nach den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 1522 BlgNR 24. GP 4) sollte dadurch eine Missbrauchsbekämpfung durch Verhinderung von (kurzfristiger) Scheinerwerbstätigkeit in Österreich erfolgen (OGH10 ObS 117/14z SSV-NF 29/13).

Nach der Judikatur ist der Anspruch auf das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld dann ausgeschlossen, wenn neben dem Bezug von Leistungen aus der AlV kein Beschäftigungsverhältnis mit aufrechter Pflichtversicherung und somit faktisch Arbeitslosigkeit besteht. Nach Ansicht der OGH wollte der Gesetzgeber Personen, die eine geringfügige Beschäftigung ausüben, wie Arbeitslose behandeln und sie vom Bezug von einkommensabhängigem Kinderbetreuungsgeld ausschließen. Daher muss diese Zielsetzung umso mehr für Personen gelten, die nach Beendigung des Dienstverhältnisses Arbeitslosengeld beziehen. Zudem sollten nach den Gesetzesmaterialien nicht mehrere Einkommensersätze gleichzeitig gebühren (ErläutRV 340 BlgNR 24. GP 17; OGH 22.2.2016, 10 ObS 153/15w), was auch die Differenzierung zwischen der die Pflichtversicherung begründenden Erwerbstätigkeit und Leistungen aus der AlV in Bezug auf die Anspruchsschädlichkeit erklärt. Somit konnte die Argumentation des Kl, wonach der Anspruch auf einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld nicht ausgeschlossen werden kann, wenn während des 182-tägigen Beobachtungszeitraums maximal 14 Kalendertage lang (in seinem Fall zwölf Kalendertage) Leistungen aus der AlV (hier das Arbeitslosengeld) bezogen wurde, nicht gefolgt werden.

Anzumerken ist, dass der Gesetzgeber für alle Anspruchsberechtigten das Ausmaß jenes Zeitraums, in dem sie die Anspruchsvoraussetzungen des § 24 Abs 1 Z 2 KBGG erfüllen müssen, gleich geregelt hat. Der Kl hat innerhalb des 182-tägigen Beobachtungszeitraums (11.3. bis 11.9.2018) beginnend mit 1.9.2018 zwar nur zwölf Tage Arbeitslosengeld bezogen (nach Ende des Beobachtungszeitraums jedoch insgesamt bis zum 6.1.2019) und sieht seine Situation als „atypischen Härtefall“ an. Nach VfGH-Judikatur widersprechen derartige seltene Härtefälle allerdings nicht dem Gleichheitssatz (VfGHB 158/05 VfSlg 17.784; VfGHG 67/87 VgSlg 11.301 ua).