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Unberechtigter Austritt trotz verspäteter Gehaltszahlung; Zuspruch von Urlaubsersatzleistung und Überstundenentlohnung bei Teilzeitbeschäftigter im Handel

MANFREDTINHOF
§ 26 Z 2 AngG; Abschnitt 2. Pkte A., E. und G. KollV für Handelsangestellte

Hat eine AN die AG unter Setzung einer Nachfrist zur Zahlung eines Entgeltrückstands aufgefordert und wird die Überweisung des offenen Entgeltbetrags am letzten Tag der Zahlungsfrist im Einvernehmen mit der AG von der AN selbst vom Firmenkonto vorgenommen, so ist das Verhalten der AN dahin zu verstehen, dass sie mit dieser Zahlung zur Abwendung des Austritts einverstanden ist, auch wenn die Gutbuchung auf ihrem Konto erst am darauffolgenden Tag erfolgt. Es liegt daher kein Austrittsgrund mehr vor. Gingen sowohl AN als auch AG zum Zeitpunkt des Abschlusses des Dienstvertrags davon aus, dass der AN sechs Wochen Erholungsurlaub zustehen, wird unabhängig von der Formulierung im Dienstvertrag das gemeinsame Verständnis der Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses Vertragsinhalt. Ausgehend von einer Vereinbarung von sechs Urlaubswochen führt dies bei einer ebenfalls vereinbarten Viertagewoche zu einem jährlichen Urlaubsanspruch von 24 Arbeitstagen. Wird mit einer AN eine tägliche Normalarbeitszeit von acht Stunden an vier Tagen die Woche vereinbart und von der kollektivvertraglich vorgesehenen Möglichkeit der Vereinbarung einer längeren – bis zu zehn Stunden dauernden – täglichen Normalarbeitszeit nicht Gebrauch gemacht, stellen die Überschreitungen der täglichen Arbeitszeit von acht Stunden Überstunden und nicht Mehrarbeit dar.

SACHVERHALT

Die AN war vom 20.9.2016 bis 6.12.2018 als Angestellte mit einer Wochenarbeitszeit von 32 Stunden bei der AG beschäftigt. Vereinbart war eine Viertagewoche von Montag bis Donnerstag. Auf das Dienstverhältnis ist der KollV für Angestellte und Lehrlinge in Handelsbetrieben anzuwenden.

Vor Unterzeichnung des Dienstvertrags unterfertigte die AN ein in Englisch abgefasstes Schreiben („Job Offer“), das ua die Stellenbezeichnung, den Beginn des Arbeitsverhältnisses, die wöchentliche Arbeitszeit und das Entgelt festhielt. Handschriftlich wurde auf diesem Dokument ein siebenter Punkt hinzugefügt, wonach der AN sechs Kalenderwochen Urlaub zukommen. Dieser Punkt wurde von der AN separat unterschrieben. Sie und der Geschäftsführer der AG gingen zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses davon aus, dass der AN sechs Wochen Erholungsurlaub zustehen. Art 6 („Urlaub“ bzw „Vacation“) des zweisprachigen Dienstvertrags enthält einen Urlaubsanspruch von 5 Wochen und 79 lautet in deutscher Sprache auszugsweise wie folgt: „Der Mitarbeiter hat Anspruch auf einen jährlichen Erholungsurlaub von 30 (dreißig) Werktagen.“

Nachdem bereits ein Forderungsschreiben erfolglos geblieben war, machte die AN am 28.11.2018 mit eingeschriebenem Brief die Gehälter von September bis November 2018 und die Weihnachtsremuneration geltend. Sie ersuchte, „die Zahlung so zu leisten, dass der ausstehende Betrag spätestens am 5.12.2018 zur Verfügung steht, und auch zukünftig die Rechtzeitigkeit der Zahlungen zu gewährleisten“. Weiters heißt es in diesem Schreiben: „Für den Fall, dass ich über die oben angeführte Zahlung nicht fristgerecht verfügen kann, erkläre ich mit 6.12.2018 meinen berechtigten vorzeitigen Austritt wegen Vorenthaltung des Entgelts.“

Am 5.12.2018 überwies die AN mit Zustimmung des Geschäftsführers den gesamten offenen Betrag vom mittlerweile durch eine Kreditaufnahme gefüllten Firmenkonto auf ihr eigenes Konto. Sie war sich im Zeitpunkt der Überweisung darüber im Klaren, dass die Gutschrift erst am nächsten Tag erfolgen kann, weil es sich um verschiedene Bankinstitute handelt. Am 6.12.2018 verwies die AN gegenüber dem Geschäftsführer auf ihr Schreiben vom 28.11.2018 und trat unter Hinweis darauf, dass die Zahlung nicht rechtzeitig erfolgt war, ihren Dienst nicht mehr an.

In der Zeit zwischen 3.9. und 27.9.2018 erbrachte die AN an insgesamt zwölf Arbeitstagen Arbeitsleistungen über acht Stunden hinaus.

Die AN begehrte klageweise eine Kündigungsentschädigung, resultierend aus dem ihrer Ansicht nach berechtigten vorzeitigen Austritt wegen Entgeltvorenthaltung. Außerdem klagte sie eine Urlaubsersatzleistung auf Basis eines Urlaubsanspruchs von 30 Urlaubstagen (6 Wochen) jährlich sowie die geleisteten Überstunden ein.

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Das Erstgericht ging von einem unberechtigten Austritt aus. Eine Kündigungsentschädigung stehe der AN daher nicht zu. Betreffend die Mehrleistungen wurde ausgesprochen, dass bei Teilzeitbeschäftigung für Mehrarbeit der gesetzliche Zuschlag von 25 % des auf die Arbeitsstunde entfallenden Normallohnes gebühre. Erst ab der 41. Stunde stehe ein 50 %-iger Überstundenzuschlag zu. Was den Urlaub betrifft, seien die Parteien bei Abschluss des Vertrags von einem Urlaubsausmaß von sechs Wochen ausgegangen. Im Zusammenhang mit einer Viertagewoche betrage der Urlaub daher 24 Arbeitstage pro Jahr. Nach § 10 Abs 2 UrlG stehe bei unberechtigtem vorzeitigen Austritt keine Urlaubsersatzleistung zu. Diese Regelung stehe jedoch im Widerspruch zu Art 7 der RL 2003/88/EG. Aufgrund des Vorrangs des Unionsrechts habe die AN daher einen Anspruch auf einen bezahlten Jahresurlaub von vier Urlaubswochen unabhängig von der Beendigungsart, im vorliegenden Fall also auf Basis von 16 Urlaubstagen pro Jahr.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der AN gegen den klagsabweisenden Teil des Urteils nicht Folge. Es teilte die Auffassung des Erstgerichts, dass der Austritt der AN gegen Treu und Glauben verstoßen habe. Bei der Überstundenberechnung sei zu berücksichtigen, dass die Parteien eine Viertagewoche vereinbart hätten. Damit könne die tägliche Normalarbeitszeit auf zehn Stunden ausgedehnt werden, wenn der Angestellte an jedem Tag, an dem er zum Einsatz komme, mindestens acht Stunden beschäftigt werde. Überstunden lägen daher nur bei einer Überschreitung einer Arbeitsleistung von täglich zehn Stunden vor. Nach den Feststellungen seien beide Parteien von sechs Wochen Erholungsurlaub ausgegangen, es bestehe daher ein Urlaubsanspruch von 24 Arbeitstagen pro Jahr.

Der OGH hielt die außerordentliche Revision der AN für zulässig und auch teilweise – betreffend die Überstundenentlohnung – für berechtigt.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„[…] 3. […] Unstrittig hat die Beklagte der Klägerin über einen längeren Zeitraum unzulässig das Entgelt vorenthalten. Die Klägerin hat nach den Feststellungen auch wiederholt auf Zahlung gedrungen und zuletzt mit Schreiben vom 28.11.2018 eine Nachfrist bis 5.12.2018 gesetzt. Das Geld ist aber erst am 6.12.2018 auf dem Konto der Klägerin gutgebucht worden, sohin grundsätzlich nach Ablauf der Nachfrist. Der konkrete Einzelfall ist allerdings dadurch gekennzeichnet, dass die Überweisung des offenen Betrags am letzten Tag der Frist nach Gesprächen darüber, wie ein Austritt der Klägerin abgewendet werden kann, im Einvernehmen zwischen der Klägerin und dem Geschäftsführer der Beklagten erfolgt, von der Klägerin selbst vom gedeckten Firmenkonto vorgenommen wurde und auch nicht festgestellt werden konnte, dass die Klägerin ernsthaft befürchtete oder befürchten musste, dass das Geld nicht am nächsten Tag auf ihrem Konto gutgeschrieben wird. Der Geschäftsführer der Beklagten konnte in der konkreten Situation das Verhalten der Klägerin nur dahin verstehen, dass sie – unabhängig davon, dass die Gutbuchung erst am darauffolgenden Tag erfolgen konnte – mit einer Zahlung durch Überweisung am letzten Tag der Frist zur Abwendung des Austritts einverstanden ist. Für die Klägerin stellte die von ihr selbst vorgenommene Überweisung am 5.12.2018 sicher, dass ihr der gesamte offene Betrag am nächsten Tag zur Verfügung stehen wird und damit ihre Ansprüche zur Gänze abgedeckt werden. Dies war auch, als sie am 6.12.2018 auf die Wirksamkeit des Austritts beharrte, der Fall. 80 Aufgrund der am 5.12.2018 erfolgten einvernehmlichen Zahlung durch Überweisung durch die Klägerin selbst lag daher kein Austrittsgrund mehr vor. Zurecht sind daher die Vorinstanzen von einem unberechtigten Austritt ausgegangen. Der Klägerin steht daher keine Kündigungsentschädigung zu.

4. Nach den Feststellungen gingen sowohl die Klägerin als auch der Geschäftsführer der Beklagten zum Zeitpunkt des Abschlusses des Dienstvertrags davon aus, dass der Klägerin sechs Wochen Erholungsurlaub zustehen. Unabhängig von der Formulierung im ‚Job Offer‘ (in dem sogar ausdrücklich sechs Kalenderwochen festgehalten sind) und im Dienstvertrag (in dem der Erholungsurlaub mit 30 Werktagen umschrieben wird) wurde daher das gemeinsame Verständnis der Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses Vertragsinhalt.

Die Auslegung nach dem objektiven Erklärungswert, nach der redlichen Verkehrssitte, kommt nur dann in Betracht, wenn eine Willensübereinstimmung der Partei nicht feststellbar ist und die Verkehrssicherheit den Schutz des berechtigten Vertrauens des einen Partners auf den ihm erkennbaren Erklärungswert des Verhaltens des anderen Teils vorsieht (RS0017811). Der natürliche Konsens der Parteien geht dem objektiven Erklärungswert (also auch dem allfälligen Urkundeninhalt) vor (RS0017811 [T2]; RS0013957 [T1] ua).

Wenn daher die außerordentliche Revision nur mit der Auslegung der Vertragsurkunde argumentiert, übersieht sie die Feststellung des Erstgerichts zum übereinstimmenden Parteiwillen. Ausgehend von einer Vereinbarung von sechs Urlaubswochen führt dies aber bei einer ebenfalls vereinbarten Viertagewoche zu einem jährlichen Urlaubsanspruch von 24 Arbeitstagen.

Gegen die auf dieser Basis vorgenommene Berechnung der der Klägerin zustehenden Urlaubsersatzleistung wendet sich die außerordentliche Revision nicht, weshalb darauf nicht weiter eingegangen werden muss.

5. Die Klägerin macht weiters geltend, dass sie 15 Stunden 40 Minuten Überstunden geleistet habe, wofür entgegen der Rechtsauffassung der Vorinstanzen 50 % Überstundenzuschlag zustünden.

Zwischen den Parteien war ein Arbeitsausmaß von 32 Stunden pro Woche und eine Viertagewoche von Montag bis Donnerstag á acht Stunden vereinbart.

Abschnitt 2. Punkt A.4. des KollV sieht bei Teilzeitbeschäftigten die Möglichkeit der Vereinbarung einer Viertagewoche vor, dabei kann die tägliche Normalarbeitszeit auf 10 Stunden ausgedehnt werden, wenn die Angestellte an jedem Tag, an dem sie zum Einsatz kommt, mindestens acht Stunden beschäftigt wird.

Der KollV regelt weiters unter Abschnitt 2. Punkt G. die Überstunden. Dort heißt es unter anderem:

‚1. Allgemeines

1.1. Als Überstunde gilt jede Arbeitsstunde, durch die das Ausmaß der auf Grund der Bestimmungen gemäß A. dieses Abschnitts jeweils festgelegten täglichen Arbeitszeit einschließlich allfälliger Mehrarbeit gemäß E. dieses Abschnitts überschritten wird. […]

1.3. Bei anderer Verteilung der Normalarbeitszeit gemäß A. dieses Abschnitts liegen Überstunden erst dann vor, wenn die aufgrund der anderen Verteilung der Normalarbeitszeit auf die einzelnen Wochen jeweils vereinbarte tägliche Arbeitszeit einschließlich der Mehrarbeit gemäß E. dieses Abschnitts überschritten wird.

1.4. Bei Teilzeitbeschäftigten liegen Überstunden erst vor, wenn das Ausmaß der für die Vollzeitbeschäftigten festgesetzten täglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit überschritten wird.‘

Abschnitt 2. Punkt E. des KollV definiert die Mehrarbeit:

‚1. Arbeitsleistung im Ausmaß der Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit (bei bisher 40 Stunden Normalarbeitszeit) von 1,5 Stunden pro Woche ist Mehrarbeit. Diese Mehrarbeit (von 38,5 bis 40 Stunden) ist zuschlagsfrei zu behandeln und wird auf das erlaubte Überstundenausmaß nicht angerechnet. Dieser Grundsatz gilt auch bei anderer Verteilung der Normalarbeitszeit nach den Punkten A.2., 4. und 7., B. sowie C.1. dieses Abschnitts mit der Maßgabe, dass jeweils 1,5 Stunden pro Woche über die sich aus der anderen Verteilung der Normalarbeitszeit ergebenden jeweiligen wöchentlichen Arbeitszeit als Mehrarbeit gelten. […]‘

Gemäß § 19d Abs 3 AZG liegt Mehrarbeit dann vor, wenn teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen über das vereinbarte Arbeitszeitausmaß hinaus tätig werden. Das AZG umschreibt somit den Begriff der Mehrarbeit über die Teilzeitarbeit als Überschreiten der vereinbarten Teilzeitarbeit. Nach dem KollV liegt Mehrarbeit darüber hinaus auch dann vor, wenn die kollektivvertragliche Normalarbeitszeit von 38,5 Stunden pro Woche bis zum Ausmaß der gesetzlichen Normalarbeitszeit überschritten wird. Überstundenarbeit liegt hingegen erst dann vor, wenn entweder die Grenzen der zulässigen wöchentlichen Normalarbeitszeit überschritten werden oder die tägliche Normalarbeitszeit, die sich aufgrund der Verteilung der wöchentlichen Normalarbeitszeit ergibt, überschritten wird. Aus Abschnitt 2. Punkt G.1.4. ergibt sich, dass im Fall einer Teilzeitbeschäftigung Überstunden erst dann vorliegen, wenn das Ausmaß der für Vollzeitbeschäftigte festgesetzten täglichen oder wöchentlichen Normalarbeitszeit überschritten wird. Bis zum Erreichen dieser Grenze gebührt keine Überstundenvergütung. Maßstab für die Überstundenarbeit Teilzeitbeschäftigter ist daher die Normalarbeitszeit von vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern des Betriebs (vgl Löschnigg/Schnittler/Löschnigg, Handelsangestellten-KV 2018, 321 f).

Im konkreten Fall wurde mit der Klägerin eine tägliche Normalarbeitszeit von acht Stunden an vier Tagen die Woche vereinbart. Von der Möglichkeit, 81 eine längere tägliche Normalarbeitszeit zu vereinbaren, wurde nicht Gebrauch gemacht. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kommt es daher auf die grundsätzliche Zulässigkeit der Vereinbarung einer Normalarbeitszeit bis zu 10 Stunden nicht an.

Die vereinbarte tägliche Normalarbeitszeit von acht Stunden wurde im September 2018 um insgesamt 15 Stunden und 40 Minuten überschritten. Dass im Betrieb der Beklagten mit vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern eine Normalarbeitszeit vereinbart wurde, die acht Stunden täglich überschreitet, wurde von keiner der Parteien behauptet. Die Überschreitungen der täglichen Arbeitszeit stellen daher Überstunden, nicht Mehrarbeit dar. Darauf, ob auch die wöchentliche Normalarbeitszeit überschritten wurde, kommt es nicht an. Richtig steht daher für die geltend gemachten 15 Stunden und 40 Minuten ein Überstundenzuschlag von 50 % zu.“

ERLÄUTERUNG

Im vorliegenden Fall hatten die Gerichte folgende Fragen aus drei Themenbereichen zu behandeln:

1. War der Austritt der AN treuwidrig und somit unberechtigt, obwohl die Gehaltszahlung erst nach Ende der Zahlungsfrist auf dem Konto der AN einging?

Diese Frage wurde von sämtlichen Instanzen einheitlich bejaht. Ein Austritt wegen Entgeltvorenthaltung kann dann nicht als berechtigt angesehen werden, wenn die AN ohnehin nicht ernsthaft befürchtete oder befürchten musste, dass das von ihr selbst angewiesene Geld nicht am nächsten Tag auf ihrem Konto gutgeschrieben wird und sie den AG im festen Glauben ließ, ihren Austritt durch rechtzeitige Nachzahlung abgewendet zu haben.

2. Wurde ein Urlaubsausmaß von sechs Wochen vereinbart, obwohl der Dienstvertrag einen jährlichen Erholungsurlaub von 30 Werktagen (also fünf Wochen) vorsieht? Und: Ist eine Urlaubsersatzleistung zuzusprechen, obwohl ein unberechtigter Austritt vorlag, und wenn ja in welchem Ausmaß?

Einigkeit unter den Gerichten herrschte auch bei der Frage, ob zwischen den Parteien sechs Wochen Urlaub pro Jahr (also hier 24 Arbeitstage) vereinbart waren. Dieser Anspruch ergibt sich aus dem vor dem Dienstvertrag unterfertigten „Job Offer“, dem handschriftlich das Zustehen der sechsten Urlaubswoche hinzugefügt wurde, und dem in dieser Hinsicht übereinstimmenden Parteiwillen. Das bedeutet, dass bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses mangels Urlaubsverbrauchs im Regelfall eine Urlaubsersatzleistung auf Basis von sechs Wochen zustünde. Allerdings sieht das aktuelle österreichische Urlaubsrecht in § 10 Abs 2 UrlG vor, dass eine Ersatzleistung nicht gebührt, wenn der AN ohne wichtigen Grund, also unberechtigt, vorzeitig austritt. Zum Thema des Anspruchs auf finanzielle Vergütung des zum Zeitpunkt der Auflösung des Dienstverhältnisses nicht verbrauchten Urlaubs hat sich auch der EuGH schon mehrmals geäußert (etwa zu C-118/13, Bollacke vom 12.6.201 und zu C-341/15, Maschek vom 20.7.2016). Der EuGH hat jeweils den Anspruch auf eine Urlaubsersatzleistung unabhängig vom Beendigungsgrund anerkannt. (Der OGH hat zwischenzeitig zur Frage des Zustehens einer Urlaubsersatzleistung bei unberechtigtem Austritt ein Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH eingeleitet [OGH9 ObA 137/19s, vgl DRdA-infas 2020, 340], eine Entscheidung steht noch aus.) Der Rsp des EuGH folgend, hat das Erstgericht der AN trotz deren unberechtigten Austritts eine Urlaubsersatzleistung im Ausmaß von (nur) vier Wochen pro Jahr (also hier auf Basis von 16 Arbeitstagen) zugesprochen. Die vier Wochen stellen den durch die EU-Arbeitszeit-RL garantierten Mindestzeitraum dar. Da die AG dagegen kein Rechtsmittel einbrachte und den Rechtsmitteln der AN kein Erfolg beschieden war, blieb es bei der vom Erstgericht vorgenommenen Berechnung. Dies obwohl sowohl das Berufungsgericht als auch der OGH lapidar von einem jährlichen Urlaubsanspruch von 24 Arbeitstagen ausgegangen sind. Da die AN in ihrer Revision die Berechnung der Urlaubsersatzleistung durch die Unterinstanzen nicht infrage gestellt hat, blieb dem OGH eine nähere Auseinandersetzung mit der heiklen Thematik des Spannungsfeldes zwischen österreichischem Gesetz und der Rsp des EuGH erspart.

3. Stellt die Überschreitung der täglichen Normalarbeitszeit Überstundenarbeit dar, obwohl der KollV die Möglichkeit einer längeren Normalarbeitszeit vorsieht?

In dieser Frage waren sich die mit dem Fall beschäftigten Gerichte nicht einig: Das Erstgericht ging erst ab der 41. Wochenstunde von Überstunden aus, darunter von geringer zu entlohnenden Mehrstunden. Dabei wurde übersehen, dass der KollV vorsieht, dass bei Teilzeitbeschäftigten Überstunden dann vorliegen, wenn das Ausmaß der für die Vollzeitbeschäftigten festgesetzten täglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit überschritten wird. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Normalarbeitszeit der Vollzeitbeschäftigten pro Tag acht Stunden überschreitet. Das Berufungsgericht wiederum verwies auf die Bestimmung im KollV, dass bei Teilzeitbeschäftigten mit einer vereinbarten Viertagewoche die tägliche Normalarbeitszeit auf zehn Stunden ausgedehnt werden kann, wenn die Angestellte an jedem Tag, an dem sie zum Einsatz kommt, mindestens acht Stunden beschäftigt wird. Es kam daher zu dem Schluss, dass eine Überstunde erst ab der elften Arbeitsstunde täglich vorliege. Der OGH hielt 82 demgegenüber sinngemäß fest, dass die grundsätzliche Zulässigkeit der Vereinbarung einer längeren Normalarbeitszeit nicht „automatisch“ dazu führt, dass hier bis zu zehn Stunden pro Tag als Normalarbeitszeit anzusehen sind. Darüber hinaus wäre nämlich eine Vereinbarung zwischen den Arbeitsvertragsparteien über die Verlängerung der Normalarbeitszeit erforderlich gewesen, die aber im konkreten Fall nicht getroffen worden war. Daher waren sämtliche Arbeitsleistungen über acht Stunden hinaus als zuschlagspflichtige Überstunden zu werten.