Krankenstand und Quarantäne: Begründung eines Leistungsanspruchs zwischen ASVG und EpiG

PIA ANDREAZHANG / ELISABETHHANSEMANN / FABIANGAMPER / CAROLINEKRAMMER

Das Jahr 2020 und auch noch das Jahr 2021 werden vom neuartigen Coronavirus bestimmt. Wir erleben derzeit die größte Pandemie seit über 100 Jahren und somit auch die Notwendigkeit, erstmals wieder gesetzliche Regulative anzuwenden, welche wir glücklicherweise bis vor kurzem großteils unberücksichtigt lassen konnten. Eines der wesentlichsten Gesetze zur Bekämpfung der Pandemie ist das Epidemiegesetz 1950 (EpiG) mit der Normierung einer ganz zentralen Maßnahme: die Absonderung (Quarantäne). Um zu verhindern, dass sich die Krankheit in der Bevölkerung weiterverbreitet, können Kranke, krankheitsverdächtige oder ansteckungsverdächtige Personen angehalten oder im Verkehr mit der Außenwelt beschränkt werden (§ 7 Abs 1a EpiG). Auf Grundlage dieser Bestimmung erfolgt gegenwärtig im Regelfall eine zehntägige Absonderung von mit SARS-CoV-2-infizierten bzw -krankheitsverdächtigen und -ansteckungsverdächtigen Personen. Da die Übertragbarkeit der Krankheit nicht immer zeitgleich mit Auftreten der Symptome erfolgt, ist es notwendig, auch jene Personen abzusondern, die nur in Verdacht stehen, sich mit dem Virus angesteckt zu haben, weil sie etwa Kontakt mit einer infizierten Person hatten. Das bedeutet, dass sowohl gesunde bzw arbeitsfähige Personen abgesondert werden können, als auch jene, die tatsächlich erkrankt bzw arbeitsunfähig sind. Diese Tatsache wirft einige arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Probleme auf. Im Anschluss sollen die sozialversicherungsrechtlichen Fragestellungen erläutert werden und ein Lösungsversuch erfolgen.

1.
Quarantäne nach dem EpiG im Zusammenspiel mit Krankenstand nach ASVG
1.1.
Die relevanten Bestimmungen des ASVG

§ 117 ASVG definiert, dass als Leistungen der KV aus dem Versicherungsfall der Krankheit ua die Krankenbehandlung nach §§ 133 ff ASVG und aus dem Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit insb das Krankengeld nach §§ 138 ff ASVG gewährt wird. Zur Beantwortung der Frage, ob ein/e Versicherte/r also Anspruch auf diese Leistungen hat, ist zuerst zu klären, wann ein entsprechender Versicherungsfall überhaupt vorliegt.

Wann liegt eine Krankheit iSd ASVG vor?

§ 120 Z 1 ASVG definiert Krankheit als „regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand, der die Krankenbehandlung notwendig macht“. Es müssen daher zwei Elemente vorliegen: die Regelwidrigkeit des Zustandes sowie die Behandlungsbedürftigkeit.

Bereits die Regelwidrigkeit ist sehr schwer festzumachen. Diese ist grundsätzlich dann gegeben, wenn es eine Abweichung vom Idealzustand eines gesunden Menschen gibt und diese Abweichung durch die Medizin definiert wird. Im Allgemeinen muss sie aber immer mit der Behandlungsbedürftigkeit gemeinsam betrachtet werden.*

Für die Frage der Behandlungsbedürftigkeit sind die in § 133 Abs 2 ASVG genannten Ziele einer Krankenbehandlung zu beachten. Dies liegt dann vor, wenn der regelwidrige Zustand ohne ärztliche Hilfe nicht behoben oder gebessert werden kann. Der OGH bezieht sich in seiner Definition vorrangig auf dieses Element und sieht eine Krankheit im sozialversicherungsrechtlichen Sinn dann als gegeben an, „wenn die Gesundheit, die Arbeitsfähigkeit oder die Fähigkeit, für lebenswichtige persönliche Bedürfnisse zu sorgen, nach Möglichkeit wiederhergestellt, gefestigt oder gebessert werden kann.“*157 Die Behandlungsbedürftigkeit ist immer ex ante zu beurteilen. Stellt sich im Laufe der Diagnose heraus, dass keine Krankheit vorliegt, endet auch die Leistungspflicht der KV. Daher liegt auch bei einem Krankheitsverdacht Behandlungsbedürftigkeit vor und eine Untersuchung zur Beseitigung des Verdachts ist vom Behandlungsbegriff gedeckt.

Wann liegt Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit iSd ASVG vor?

Der Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit ist nach § 120 Z 2 ASVG mit dem Beginn der durch eine Krankheit iSd § 120 Z 1 ASVG herbeigeführten Arbeitsunfähigkeit gegeben. Arbeitsunfähigkeit liegt immer dann vor, wenn der Erkrankte seine bisherige Erwerbstätigkeit nicht bzw nicht ohne Gefahr der Verschlechterung seines Zustandes ausüben kann. Zur Beurteilung ist immer auf den letzten konkreten Arbeitsplatz der/des Versicherten abzustellen.

Der Versicherungsfall endet entweder mit dem Wegfall der Arbeitsunfähigkeit oder aber auch mit einem Ende der Krankheit.

Aus dem oben Gesagten ergibt sich für eine Erkrankung mit dem Virus SARS-CoV-2, dass es sich bei Vorliegen von Symptomen jedenfalls um eine Krankheit iSd ASVG handelt. Sobald Symptome eintreten, ist von einem regelwidrigen Zustand auszugehen und sobald jemand behandlungsbedürftig ist, von einer Krankheit iSd § 120 Z 1 ASVG. Wenn die Krankheit ein Ausmaß erreicht, welches die Ausübung der bisherigen Erwerbstätigkeit unmöglich macht, dann liegt der Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit iSd ASVG ebenfalls vor. Dies ist natürlich auch immer von der jeweiligen ausgeübten Berufstätigkeit abhängig und jeweils im Einzelfall zu beurteilen. Die betroffenen Personen haben daher bei Erfüllung oben genannter Voraussetzungen Anspruch auf die Leistungen der KV nach § 117 ASVG, also Krankenbehandlung durch VertragsärztInnen sowie Krankengeld im gesetzlichen Ausmaß (§ 143 ASVG).

In den Fällen einer symptomlosen Infektion kann aber wiederum nicht von einem Versicherungsfall der Krankheit iSd ASVG ausgegangen werden, da weder die Regelwidrigkeit noch die Behandlungsbedürftigkeit gegeben ist. In diesen Fällen stellt sich daher auch gar nicht die Frage, ob ein Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit gegeben ist, da ja bereits keine Krankheit iSd ASVG vorliegt.

1.2.
Der Vergütungsanspruch nach § 32 EpiG und seine historische Entwicklung

Wer behördlich abgesondert wurde, darf die Wohnung für den Zeitraum der Absonderung (bei Absonderung wegen SARS-CoV-2 derzeit zehn Tage*) nicht mehr verlassen. Auch das Verlassen der Wohnung aus beruflichen Gründen ist nicht erlaubt. Die abgesonderte Person ist daher rechtlich daran gehindert, ihre Arbeitsstätte zu erreichen. In den meisten Fällen ist die abgesonderte Person dadurch auch an der Ausübung ihrer Erwerbstätigkeit gehindert. Da das Entgelt in einem synallagmatischen Verhältnis zur Arbeitsleistung steht, verliert der/die AN in der Regel den Entgeltanspruch, wenn die Umstände für das Ausbleiben der Arbeitsleistung nicht auf Seiten des/der AG liegen. Da typischerweise die meisten AN von einer regelmäßigen Entgeltzahlung existentiell abhängig sind, besteht für einige Situationen, in welchen auch den/die AN keine Schuld am Ausfall der Arbeitsleistung trifft, für einen gewissen Zeitraum eine Entgeltfortzahlung. Der wichtigste Entgeltfortzahlungsgrund ist jener wegen Dienstverhinderung durch Krankheit (ua § 8 Abs 1 AngG bzw § 2 Abs 1 EFZG bzw § 1154b ABGB). Dieser ist bei Absonderung nach dem EpiG, wie oben erläutert, allerdings nicht immer bzw über die gesamte Dauer gegeben. Es war daher notwendig, einen eigenständigen Vergütungsanspruch zu schaffen.

Vergütungsanspruch nach dem EpiG

Nach § 32 EpiG haben natürliche und juristische Personen sowie Personengesellschaften des Handelsrechts einen Vergütungsanspruch nach dem EpiG, sofern sie Vermögensnachteile aufgrund eines Verdienstentgangs erlitten haben, die deshalb entstanden sind, weil diese Personen durch eine in Abs 1 taxativ aufgezählte Maßnahme an ihrem Erwerb behindert wurden.

Für AN ist die Z 1 leg cit relevant, da hier die Absonderung nach § 7 EpiG aufgezählt wird. Berechnet wird der Vergütungsanspruch für AN nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz idF BGBl 1974/399. AG haben den Vergütungsbetrag an dem für die Zahlung des Entgelts üblichen Termin auszubezahlen, der Anspruch auf die Vergütung gegenüber dem Bund geht schließlich mit dem Zeitpunkt der Auszahlung von dem/der AN auf den/die AG über.

Insb in Hinblick darauf, dass nicht nur arbeitsfähige Personen abgesondert werden, sondern ebenso arbeitsunfähige, stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis dieser Vergütungsanspruch 158 zu etwaigen anderen Ansprüchen steht. Für AN wären in dieser Hinsicht vor allem der Entgeltfortzahlungsanspruch wegen Dienstverhinderung durch Krankheit oder ein Krankengeldanspruch denkbar. Eine Subsidiarität des EpiG gegenüber Vergütungen nach anderen Vorschriften lässt sich aus § 32 Abs 5 EpiG herauslesen: „Auf den gebührenden Vergütungsbetrag sind Beträge anzurechnen, die dem Vergütungsberechtigten wegen einer solchen Erwerbsbehinderung nach sonstigen Vorschriften oder Vereinbarungen sowie aus einer anderweitigen während der Zeit der Erwerbsbehinderung aufgenommenen Erwerbstätigkeit zukommen.“ Der Wortlaut wegen einer solchen Erwerbsbehinderung vermag auf den ersten Blick zur Annahme verleiten, dass der Anspruch nach sonstigen Vorschriften gerade in einer der in Abs 1 aufgezählten Maßnahmen begründet sein müsse. Ob eine so enge Auslegung vom Gesetzgeber gewollt ist, ist allerdings fraglich.

Historische Entwicklung des Vergütungsanspruchs

Bereits in der Urfassung des EpiG von 1913 wurde ein Anspruch auf Entschädigung für die Zeit der Erwerbsbehinderung aufgrund von Maßnahmen nach dem EpiG normiert. So regeln die Abs 2 und 3 des § 32 EpiG idF 1920 das Verhältnis zwischen Vergütungsanspruch und Ansprüchen nach sonstigen Vorschriften oder auf Grund der Arbeiterkrankenversicherung* – Ansprüche, die nicht zwingend aus den in Abs 1 aufgezählten Maßnahmen begründet sein müssen. Bestehen solche Ansprüche, so soll diese Vergütung bis zur Höhe der Vergütung nach dem EpiG ergänzt werden. Vereinfacht gesagt, wird bloß von einer Aufzahlung auf einen etwaigen Krankengeldanspruch bzw Entgeltfortzahlungsanspruch ausgegangen (§ 32 Abs 2 aF) bzw fällt ein Vergütungsanspruch nach dem EpiG zur Gänze weg, wenn nach sonstigen Vorschriften eine gleich hohe oder höhere Vergütung gebührt. Der Vergütungsanspruch nach dem EpiG ist also nur subsidiär zu etwaigen anderen Ansprüchen anzuwenden. Und zwar auch zu jenen Ansprüchen, die nicht unmittelbar wegen der in Abs 1 aufgezählten Gründen entstehen. So ist das Krankengeld etwa ein Anspruch aus dem Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit und hat etwa mit einer Absonderungsmaßnahme nach § 7 EpiG nichts zu tun.

Eine historische Betrachtung des EpiG lässt annehmen, dass der Gesetzgeber im Zuge der Novellierung des EpiG 1950 im Jahr 1974 die Abs 2 und 3 der alten Fassung des EpiG inhaltlich übernehmen wollte, die Formulierung aber unglücklich gewählt hat. Hätte der Gesetzgeber eine inhaltliche Änderung der Nachrangigkeit des Vergütungsanspruchs beabsichtigt, so hätte sich eine Begründung für diese Änderung in den Erläuterungen der Regierungsvorlage gefunden.* Diese schweigen allerdings zu dem neu eingeführten Abs 5 des § 32 EpiG. Weiters wäre mit der engen Lesart die Frage, wie sich der Vergütungsanspruch zu sonstigen Ansprüchen – aus anderen Tatbeständen begründenden – verhält, ungeregelt geblieben. Man kann dem Gesetzgeber wohl kaum unterstellen, dass er eine Regelung so abändert, sodass eine gesetzliche Lücke entsteht und diese Lücke sehenden Auges bestehen belässt.

So wie bereits vor der Novellierung bleibt das Ziel des Gesetzgebers auch weiterhin, dass abgesonderten Personen für die Unbill dieser Maßnahme eine Entschädigung zumindest in Höhe des Vergütungsanspruchs nach dem EpiG zusteht.

1.3.
Der Erlass des BMSGPK

Am 20.7.2020 hat das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK) zur Kostentragung des Bundes gemäß EpiG einen 2. Erlass zur Vollziehung der Berechnung des Verdienstentgangs gemäß EpiG 1950* herausgegeben. Darin nimmt das Ministerium auch zum Verhältnis der Absonderung nach EpiG 1950 und der Arbeitsunfähigkeit nach ASVG Stellung. Es hält fest: „Im Falle ‚kranker‘ Personen wäre zwar die Voraussetzung der Arbeitsunfähigkeit gegeben, allerdings ist auch hier aufgrund des spezielleren Vergütungsanspruches nach dem EpiG von einem Vorrang desselben gegenüber den Bestimmungen des ASVG auszugehen.“ Als „Untermauerung“ führt das Ministerium die Bestimmung des § 11 Abs 3 lit d ASVG an, wonach die Pflichtversicherung für die Zeit einer Arbeitsunterbrechung aufgrund einer Maßnahme nach dem EpiG weiterbesteht. Für den Fall, dass eine Entgeltfortzahlung oder Krankengeld in Zeiten der Absonderung gewährt würde, wäre eine solche Bestimmung nicht erforderlich.

Dazu kann allerdings ausgeführt werden, dass es sich dabei um eine unzutreffende Schlussfolgerung handelt. § 11 Abs 3 lit d ASVG wäre sehr 159 wohl auch dann erforderlich und sinnvoll, wenn von einem Vorrang des Krankengeldes (oder der Entgeltfortzahlung) gegenüber dem EpiG ausgegangen wird. Nämlich für jene Personen, die nach dem EpiG aufgrund eines Krankheitsoder Ansteckungsverdachts abgesondert werden, zugleich aber noch arbeitsfähig sind und keine Möglichkeit haben, ihre Berufstätigkeit von zu Hause auszuüben. Ihnen steht kein Entgelt mehr zu und zugleich auch kein Krankengeld, da keine Arbeitsunfähigkeit vorliegt, weshalb die Pflichtversicherung enden würde. In diesen Fällen steht natürlich eine Entschädigung nach dem EpiG zu, die aber für sich genommen keine Fortdauer der Pflichtversicherung oder sonstige Inklusion in die SV begründet. Somit braucht es die Sonderbestimmung des § 11 Abs 3 lit d ASVG, damit die Pflichtversicherung dennoch weiterbesteht.

Die Argumentation des BMSGPK, dass diese Bestimmung somit auf den Vorrang des EpiG schließen lässt, ist somit nicht nachvollziehbar. Im selben Erlass geht das Ministerium von einem durch das EpiG normierten „spezielleren Vergütungsanspruch“ aus. Auf die Behauptung, die auf das Vorliegen einer lex specialis hindeutet, soll im nächsten Abschnitt eingegangen werden.

1.4.
EpiG als lex specialis zum ASVG?

Die Krankenversicherungsträger gehen ebenso wie ein Teil der Lehre* davon aus, dass das EpiG als lex specialis sowohl die Ansprüche auf Entgeltfortzahlung als auch auf Krankengeld nach dem ASVG verdrängt. Die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) geht in ihrer Argumentation sogar so weit, dass kein Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit iSd ASVG vorliegt, sobald eine behördliche Absonderung vorgenommen wird und vollzieht dies auch so.* Bei einem großen Teil der Lehre hat sich aber mittlerweile die Ansicht durchgesetzt, dass das EpiG das ASVG nicht als lex specialis verdrängt.*

Damit die Regel „lex specialis derogat legi generali“ zur Anwendung kommt, muss es grundsätzlich einen Konflikt zweier Rechtsnormen geben. Enthalten beide widersprechenden Normen dieselben Tatbestandsmerkmale und ist eine der beiden enger, enthält also noch ein weiteres Merkmal, dann würde die speziellere Norm die allgemeinere Vorschrift verdrängen.* Wenn man nun den Vergütungsanspruch nach § 32 EpiG mit dem Anspruch auf Krankengeld nach § 138 ASVG vergleicht, fällt auf, dass es sich nicht um genau dieselben Tatbestandsmerkmale handelt. Es stimmt zwar, dass das EpiG zusätzliche Tatbestandselemente aufweist, insb das Vorliegen einer Krankheit nach § 1 EpiG und einer behördlichen Maßnahme nach § 32 Abs 1 EpiG, dies alleine reicht aber für eine Derogation nicht aus. So liegen einerseits nicht genau dieselben Tatbestandsmerkmale vor, da beispielsweise der Vergütungsanspruch auch vorliegen würde, wenn jemand nur aufgrund eines COVID-Verdachts abgesondert wird, aber keine behandlungsbedürftige Krankheit vorliegt. In diesem Fällen gäbe es aber kein Krankengeld nach ASVG. Somit liegt die für die Verdrängungswirkung notwendige „Spezialität“ nicht vor.

Es ist auch auszuführen, dass kein echter Normenkonflikt vorliegt, da entsprechend der Subsidiaritätsklausel des § 32 Abs 5 EpiG auf den gebührenden Vergütungsbetrag jene Beträge anzurechnen sind, „die dem Vergütungsberechtigten wegen einer solchen Erwerbsbehinderung nach sonstigen Vorschriften oder Vereinbarungen sowie aus einer anderweitigen während der Zeit der Erwerbsbehinderung aufgenommenen Erwerbstätigkeit zukommen“. Dies wurde in Kapitel 1.2. bereits ausführlich dargelegt.

Diese Anrechnungsregel gilt auch für das Krankengeld nach § 138 ASVG,* weshalb auch kein Normenkonflikt besteht, der mittels der Spezialitätsregel aufgelöst werden müsste.

1.5.
Fazit: Subsidiarität des EpiG

Aus den obigen Ausführungen ist deutlich ersichtlich, dass der Vergütungsanspruch nach § 32 EpiG subsidiär zum Krankengeld (bzw auch etwaigen Entgeltfortzahlungsansprüchen) zusteht. Das lässt sich schon aus der historischen Betrachtung des EpiG schließen. Auch die vorgebrachten Argumente dagegen, wie insb eine allfällige Spezialität des EpiG oder die zitierten Ausführungen des Ministeriums, führen zu keinem anderen Ergebnis.

2.
Fallgruppen: Was bedeutet das für die Praxis?

Werden AN abgesondert, so gebühren in der Praxis je nach Fallkonstellation unterschiedliche Leistungen. 160

2.1.
Aufrechtes Dienstverhältnis und Vorliegen von Arbeitsfähigkeit iSd ASVG

Hier stellt sich zunächst einmal die Frage, ob der/die AN überhaupt an ihrem Erwerb behindert ist. Ist ein Arbeiten von zu Hause aus möglich (Homeoffice) und gibt es die dafür notwendige Vereinbarung zwischen AG und AN, so ist mit der Absonderungsmaßnahme nach dem EpiG keine Behinderung am Erwerb entstanden. Der/Die AN kann trotz Absonderung weiterhin im Homeoffice arbeiten und erhält weiterhin das vereinbarte Entgelt. Ist kein Weiterarbeiten im Homeoffice möglich und/oder vereinbart, so ist der/die AN alleine aufgrund der Absonderungsmaßnahme am Erwerb behindert und die Anspruchsvoraussetzungen auf Vergütung nach § 32 EpiG werden erfüllt.

2.2.
Aufrechtes Dienstverhältnis und Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit iSd ASVG

Bei Arbeitsunfähigkeit liegt neben der Erwerbsbehinderung wegen Absonderung auch noch eine Dienstverhinderung wegen Krankheit vor. Aufgrund der subsidiären Anwendbarkeit des EpiG besteht hier in erster Linie Anspruch auf Entgeltfortzahlung wegen Dienstverhinderung durch Krankheit. Da der Vergütungsanspruch des EpiG nach dem EFZG berechnet wird, besteht bei vollem Entgeltfortzahlungsanspruch de facto kein Vergütungsanspruch. Bei nur mehr halbem Entgeltfortzahlungsanspruch oder ausschließlichem Krankengeldanspruch besteht Anspruch auf eine Vergütung nach dem EpiG in Höhe der Differenz zwischen dem niedrigeren Entgeltfortzahlungs- bzw Krankengeldanspruch und dem Vergütungsanspruch.

Exkurs: Leistungsanspruch bei Arbeitslosengeldbezug

Eine Sonderregelung wurde für den Leistungsbezug arbeitssuchender Personen während einer Absonderung geschaffen. Die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosengeld sind gem § 7 Abs 1 AlVG die Verfügbarkeit zur Arbeitsvermittlung, die erfüllte Anwartschaft und eine noch nicht ausgeschöpfte Bezugsdauer. Die Verfügbarkeit wird in Abs 2 leg cit konkretisiert. Der Vermittlung auf dem Arbeitsmarkt steht demnach jene Person zur Verfügung, die eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf und arbeitsfähig, arbeitswillig und arbeitslos ist.

Insb die Voraussetzung, eine Beschäftigung aufnehmen zu können, ist bei abgesonderten Personen in der Regel nicht gegeben (Ausnahme: Arbeitsbeginn im Homeoffice), weshalb auch kein Anspruch auf Arbeitslosengeld besteht. Ein Vergütungsanspruch nach dem § 32 EpiG ist allerdings für arbeitssuchende Personen nicht vorgesehen. Daher hat der Gesetzgeber in § 7 Abs 5 Z 3 AlVG die Möglichkeit, eine Beschäftigung aufnehmen zu können und zu dürfen, für die Dauer der Absonderung gem §§ 7 oder 17 des EpiG gesetzlich fingiert. Gesunden Arbeitssuchenden gebührt daher für die Dauer der Absonderung weiterhin Arbeitslosengeld.

Liegt während der Absonderung auch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit iSd ASVG vor, so gebührt Krankengeld und das Arbeitslosengeld ruht gem § 16 Abs 1 lit a AlVG.

Bei einem Krankenhausaufenthalt ruht das Arbeitslosengeld im Falle einer Unterbringung nach dem EpiG nicht, sondern gebührt aufgrund der Ausnahmeregelung in § 16 Abs 1 lit c AlVG weiterhin.

3.
Resümee

In der Praxis kommt es aufgrund der unterschiedlichen Rechtsauslegungen (siehe oben Kapitel 1.3. und 1.4.) zu teilweise absurden Fallkonstellationen, die für die Versicherten oftmals zu Leistungslücken bzw in Einzelfällen sogar zum Verlust des Arbeitsplatzes führen.

Die Arbeiterkammer fordert daher Rechtssicherheit für die Betroffenen. Es braucht einen gesetzeskonformen Erlass des Bundesministeriums und ebenso eine gesetzmäßige Vollziehung der ÖGK. Auch bei Absonderung liegt bei Erkrankung mit dem Coronavirus ein Krankenstand iSd ASVG vor.

Die aktuelle Vollziehung, also der Vorrang der Entschädigung nach dem EpiG vor einer allfälligen Entgeltfortzahlung oder einem Krankengeldanspruch, ist sozialpolitisch durchaus sinnvoll, da sie insb der Sicherung von Arbeitsplätzen und der finanziellen Entlastung der Krankenversicherungsträger dient. Es ist daher notwendig, die derzeitige Praxis rechtlich abzusichern. Hierfür braucht es eine gesetzliche Änderung, da dies – wie eben ausgeführt – nicht der derzeitigen Rechtslage entspricht. Es wird daher eine Anpassung des § 32 Abs 5 EpiG vorgeschlagen, um allen Beteiligten Rechtssicherheit zu geben. Im Zentrum einer solchen Neuregelung muss natürlich eine lückenlose finanzielle und wenn nötig auch medizinische Absicherung der Versicherten stehen. 161