Havelková/MöschelAnti-Discrimination Law in Civil Law Jurisdictions

Oxford Unity Press, Oxford 2019, 320 Seiten, £ 80,–, E-Book

VERENAKREINER (WIEN)

Das E-Book „Anti-Discrimination Law in Civil Law Jurisdictions“ ist ein spannender Streifzug durch die Diskriminierungsgesetzgebung quer durch verschiedene europäische Länder. Die AutorInnen führen aus, dass die vorhandene Literatur zur Antidiskriminierung zum großen Teil aus „Common Law“-Rechtsordnungen stamme oder sich mit europäischem Recht beschäftige, jedoch kaum wissenschaftliche Literatur zu dem Thema aus Zivilrechtsordnungen zu finden sei. Barbara Havelková und Mathias Möschel wollen mit diesem Buch diese Lücke schließen und ihren Fokus auf Antidiskriminierungsgesetze in Zivilrechtsordnungen legen. In dem vorliegenden Werk soll – in einer vergleichenden Analyse von Antidiskriminierungsgesetzgebung in den Zivilrechtsordnungen von Kontinentaleuropa – untersucht werden, wie Antidiskriminierungsgesetze in die einzelnen Zivilrechtsordnungen in Europa passen, wie gut diese implementiert sind und welche Faktoren dies jeweils positiv oder negativ beeinflussen. Inhaltlich ist das Buch eine Sammlung von einzelnen Beiträgen zu völlig unterschiedlichen Themen, sodass ein wirklicher Vergleich zwischen den Ländern zum jeweiligen Thema nicht wirklich möglich ist. Trotzdem bietet das Buch einen sehr interessanten Einblick in andere europäische Staaten.

Für LeserInnen, die sich selbst mit der wissenschaftlichen Untersuchung von Rechtsvergleichung in einem Diskriminierungsthema beschäftigt haben – wie ich selbst –, ist zunächst der Überblick, den dieses Buch bietet, besonders interessant. Dem Leser wird ein breiter Einblick in die Antidiskriminierungsgesetzgebung verschiedenster europäischer Länder und in die Umsetzung der Antidiskriminierungsrichtlinien der Europäischen Union gewährt. Eine erste Conclusio ist für den Leser schon anhand der Themen der einzelnen Beiträge deutlich ersichtlich: Offenbar bestehen sowohl die strukturelle Diskriminierung von Frauen und anderen (benachteiligten) Gruppen als auch die Schwierigkeiten bei der Durchsetzung von Antidiskriminierungsrecht nicht nur in Österreich, sondern auch in allen anderen im Buch näher beleuchteten Ländern, selbst jenen, die eigentlich für Gleichbehandlung bekannt sind, wie etwa die Niederlande oder die skandinavischen Länder. Blickt man über die eigenen Landesgrenzen hinweg und beschäftigt sich genauer mit den anderen europäischen Ländern, wozu dieses Buch bestens geeignet ist, erkennt man, dass auch in jenen Ländern, die man eigentlich für gefestigter in der Durchsetzung von Antidiskriminierung hielt, ähnliche Probleme bestehen. Sowohl die Schwierigkeit, die Vorgaben der EU zu Antidiskriminierung in der eigenen nationalen Gesetzgebung zu implementieren, als auch die Schwierigkeiten in der Rechtsdurchsetzung scheinen ein allgemein – länderübergreifend – bestehendes Problem zu sein.

Die AutorInnen des Buches zeigen mit dem Werk auch auf, dass nicht alle Länder die gleichen Voraussetzungen hatten, Antidiskriminierungsrecht umzusetzen und belegen mit den einzelnen Beiträgen, dass nicht nur kulturelle, sondern mitunter auch politische Faktoren eine Rolle spielen. Freilich wird in dem Buch nicht jede einzelne Zivilrechtsordnung in Europa beleuchtet. Havelková und Möschel haben sich aber bei der Auswahl der Länder einige Gedanken gemacht und versuchen gezielt, durch die Betrachtung verschiedener Länder verschiedene Modelle im Kampf gegen Diskriminierung aufzuzeigen. Die Auswahl der Länder, in welche dieses Werk – zumindest in einige Bereiche des Antidiskriminierungsrechts – Einblick gibt, reichen vom Vereinigten Königreich bis über die am ehesten für Toleranz und Gleichbehandlung bekannten Länder, wie Niederlande oder Schweden, weiter über südeuropäische Länder, wie Spanien oder Italien bis zu ehemaligen Ostblockstaaten wie Tschechien oder Rumänien.

Die einzelnen Beiträge des Buchs geben weiters einen sehr interessanten Einblick, wie kulturelle Einflüsse der einzelnen Länder die Implementierung der Antidiskriminierungsgesetze massiv beeinflussen können. In Kapitel 1 („Cultural Narratives and the Application of Non-Discrimination Law“) wird etwa eindrucksvoll aufgezeigt, dass kulturelle Einflüsse in den Niederlanden, im Vereinten Königreich und in Deutschland auf die Implementierung der Antidiskriminierungsgesetze einen Effekt haben. Das Kapitel arbeitet auf, wie die Toleranzkultur in den Niederlanden, der rechtliche Pragmatismus im Vereinten Königreich und der verfassungsrechtliche Patriotismus in Deutschland die Implementierung und Anwendung der Antidiskriminierungsgesetze 267 beeinflusst haben. So wird etwa eine Erklärung dafür erarbeitet, warum sich beispielsweise Deutschland vergleichsweise hart gegen Antidiskriminierungsgesetze „gewehrt“ hat, aber letztlich die Umsetzung und Anwendung von Antidiskriminierung trotzdem besser vorangeht als in anderen Ländern.

Auch das vierte Kapitel („Disability Non-Discrimination Law and Quota Schemes“), welches sich mit dem Verhältnis zwischen Anti-Diskriminierungsgesetzen und Quotenregelungen für behinderte AN auseinandersetzt, ist ein guter Einblick in die verschiedenen Jurisdiktionen in Europa und deren jeweiligen Weg zur Verhinderung von Diskriminierung von Behinderten und der Förderung deren Beschäftigung. Havelková vergleicht historisch zunächst den Umgang mit behinderten AN am US-amerikanischen Arbeitsmarkt (basierend auf Antidiskriminierungsgesetzen) mit den europäischen Verhältnissen (eher Quotenregelungen) und untersucht die Veränderungen, als in den europäischen Staaten Antidiskriminierungsgesetze zusätzlich zu den Quotenregelungen implementiert wurden. Die These, dass Quotenregelungen in Common Law-Staaten nicht den Zweck verfolgen, Beschäftigung von behinderten AN zu unterstützen, ist für mich nicht nachvollziehbar. Welchen Sinn sollten die Quotenregelungen sonst haben, als die Beschäftigung von Behinderten zu fördern? Nachdem die Autorin auch ausführt, dass die meisten dieser Common Law-Staaten nicht einmal eine Ausgleichszahlung oder eine Pönale eingeführt haben, werden auch kaum nur finanzielle Gründe hinter den Quotenregelungen stehen. ME sind Quotenregelungen statt Antidiskriminierungsgesetze eher auf einen anderen Zugang zum Thema zurückzuführen. Aufgrund der Tatsache, dass in den wenigen Common Law-Ländern nur zum Teil rechtlich verbindliche Quotenregelungen in Kraft sind (und zum Teil nur im öffentlichen Sektor), sind aber Vergleiche zwischen den Rechtssystemen kaum möglich und werden Ergebnisse von Havelková als „vorläufig“ bezeichnet. Dieses Kapitel regt zwar durchaus zum Nachdenken an, ob Quoten ein erfolgversprechendes Modell sind, die Zahl der behinderten AN zu erhöhen, zumal auch hier in Österreich der Eindruck entsteht, dass viele Unternehmen bereitwillig eher die Ausgleichstaxen zahlen, als behinderten Personen eine Chance auf Beschäftigung zu geben. Die einzige Conclusio, die dieses Kapitel allerdings wirklich bringt, ist, dass sich nach Ansicht der Autorin Antidiskriminierungsgesetze für Behinderte und Quotenregelungen nicht wirklich ausschließen. Dem Kapitel sind aber leider keine weiteren Thesen über die Effektivität des einen oder anderen Systems zu entnehmen.

Besonders spannend ist das Kapitel „Combating Pregnancy Discrimination in the Netherlands“. In diesem Beitrag wird deutlich, wie viele Parallelen zur österreichischen Praxis in der Umsetzung von struktureller Diskriminierung von Frauen, insb im Zusammenhang mit der Schwangerschaft, bestehen. Burri führt in diesem Kapitel aus, dass „flexible Arbeit“, im Speziellen befristete Dienstverträge, in den letzten Jahren extrem zugenommen hat. Darin spiegelt sich die Unwilligkeit der niederländischen AG wider, unbefristete Dienstverträge auszustellen. Ich gehe davon aus, dass sich – wie auch in Österreich – dieser Trend gerade deshalb entwickelt hat, da Schutzgesetze insb im Zusammenhang mit Schwangerschaft bei unbefristeten Dienstverhältnissen so stark ausgeprägt sind, dass es AG generell vorziehen, Dienstverhältnisse nur befristet anzubieten. In den Niederlanden scheint die Bereitschaft, Rechte im Zusammenhang mit Schwangerendiskriminierungen durchzusetzen, eher gering zu sein. Die Autorin sieht den Grund dafür im niedrigen Informationsstand der arbeitenden Bevölkerung über ihre Rechte. Ohne natürlich direkte Wahrnehmungen in den Niederlanden zu haben, erscheint es mir aber kaum vorstellbar, dass die Möglichkeit, zu arbeitsrechtlicher Beratung zu gelangen, schwieriger ist als in Österreich. Nach meinen Wahrnehmungen aus der Beratung in Österreich ist es diskriminierten Personen fast immer bewusst, dass sie aufgrund der Schwangerschaft oder Geburt bei den Arbeitsbedingungen oder im Zusammenhang mit der Verlängerung des Dienstverhältnisses oder Beendigung des Dienstverhältnisses diskriminiert werden. Ich stimme allerdings Burri voll und ganz darin zu, dass Betroffene oft sehr niedrige Erwartungen an Gerichtsverfahren oder an Beschwerden haben und die Befürchtung hegen, dass der Aufwand an Energie und Kosten den Output letztlich nicht wert ist. Insb im Zusammenhang mit Schwangerendiskriminierung tendieren Betroffene auch dazu, sich auf die kommende Mutterschaft und das Kind zu konzentrieren und dies nicht von einem ärgerlichen Verfahren beeinträchtigen lassen zu wollen.

Im Unterschied zu Österreich führt die Autorin sogar aus, dass das Beschwerdeprogramm des IHR (Institute for Human Rights) tatsächlich niederschwellig zugänglich und vor allem kurz ist. Während die Dauer der Verfahren in Österreich vor der Gleichbehandlungskommission oftmals zwei Jahre in Anspruch nehmen, ist in den Niederlanden von einem Kurzverfahren die Rede. Dies wäre auch hierzulande sehr wünschenswert, da die Aussicht auf eine Verfahrenserledigung noch bevor das Kind geboren ist, die Bereitschaft von Frauen, einen Antrag einzubringen, sicher erhöhen würde. Burri ist auch darin voll und ganz zuzustimmen, dass die breiten Informationskampagnen und der Fokus auf dieses Thema auch eine Kehrseite der Medaille haben: AG werden dadurch mitunter kreativer und sind bemüht, Diskriminierungen geschickt zu verschleiern, sodass eine Glaubhaftmachung nahezu unmöglich wird. In Österreich zumindest wäre dieser Art von Diskriminierung letztendlich nur dadurch zu begegnen, dass jeder befristete Dienstvertrag, unabhängig von einer sachlichen Rechtfertigung für die Befristung, bis zur Geburt (oder besser bis zum Ende der Schutzfrist) zu verlängern ist.

Auch der österreichische Beitrag über die Arbeit des Senats 2 der Gleichbehandlungskommission („Senate of the Austrian Equal Treatment Commission“) ist ein interessanter Einblick in Diskriminierungsfälle in der Arbeitswelt und deren Bekämpfung. Diese Zahlen und Auswertungen werden auf Basis jener Fälle dargestellt, die mitunter nie vor einem Arbeits- und Sozialgericht verhandelt werden, sondern lediglich mit einem Gutachten der Gleichbehandlungskommission enden. Risak, Berger und Brehm haben in diesem Kapitel eine eigene Datenerhebung vorgestellt. Dabei wurden Daten untersucht, die bei den Gleichbehandlungsberichten der Gleichbehandlungskommission in dieser Form nicht erhoben werden. Hierbei wurden Daten über das Geschlecht der Antragsteller, den Bildungsstand der Antragsteller, den derzeitigen Jobstatus der 268 Antragsteller, den Beruf der Antragsteller, Details über die AntragsgegnerInnen, Diskriminierungstatbestand, Zeitpunkt der Diskriminierung und Häufigkeit der Diskriminierung erhoben und untersucht. Dabei wurden die Resultate aller Entscheidungen, die zwischen 2004 und 2017 veröffentlicht wurden, zu Grunde gelegt und brachten zum Teil sehr überraschende Erkenntnisse: Das wohl überraschendste Erkenntnis aus diesen Daten ist, dass der Senat II in nur 40 % der Fälle die Diskriminierung bestätigt hat und in 60 % gegen die AntragstellerInnen entschieden hat. Wie die AutorInnen ausführen, ist die Wahrnehmung, dass die Gleichbehandlungskommission eher für die AntragstellerInnen entscheiden und Diskriminierungen eher bestätigen würde, offenbar ein weit verbreiteter Irrglaube. Des Weiteren führen Risak, Berger und Rehm aus, dass männliche Antragsteller in nur 35 % der Fälle gewonnen haben, während weibliche Antragstellerinnen in 47 % der Fälle gewonnen haben. Die Erklärungen der AutorInnen zu diesem Ungleichgewicht in den Geschlechterverhältnissen sind eher spekulativ. So wird als mögliche Begründung ausgeführt, dass Frauen generell solidere Fälle einbringen, während Männer dazu tendieren, ihre Position zu überschätzen, oder dass Frauen generell eher als echte (Diskriminierungs-)Opfer gesehen werden. ME ist eher die zweitere Erklärung überzeugend: Nämlich, dass ein gewisser „gender bias“ hinter diesen Zahlen steckt und Frauen generell eher als Diskriminierungsopfer wahrgenommen werden als Männer. Meine eigene Wahrnehmung aus der Praxis untermauert diese These der AutorInnen. Oftmals zeigt sich dieser „gender bias“ häufig auch im Geschlecht des Gegenübers: Während Männern (etwa vom Gericht) viel eher eine Diskriminierung (zumindest eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts) zugetraut wird, sind Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts viel härter glaubhaft zu machen, wenn die handelnden Personen ebenfalls Frauen sind. Es wäre daher mE wünschenswert gewesen, diese erhobenen Zahlen in Beziehung zum Geschlecht der handelnden Personen bei den jeweiligen Antragsgegnern zu setzen. Ein solcher Vergleich hätte die These der AutorInnen untermauern können.

Eine andere interessante Erkenntnis hat der Bildungsstand der AntragstellerInnen gezeigt. Offensichtlich gewinnt ein Großteil jener AntragstellerInnen, die keinen Universitätsabschluss haben. Des Weiteren befindet sich ein überwiegender Anteil der obsiegenden Personen im Zeitpunkt der Antragsstellung in aufrechter Beschäftigung. In vielen Punkten beschränkt sich der Beitrag leider darauf, Anstöße zu weiteren Untersuchungen zu geben, zeigt aber auch zutreffend auf, dass in vielen Fällen keine Vergleiche möglich sind, da keine offiziellen Daten dazu erhältlich sind.

Insgesamt ist das Buch ein wertvoller Querschnitt der Antidiskriminierungsgesetzgebungen in den europäischen Zivilrechtsordnungen bzw deren Implementierung. Ich empfehle das Buch all jenen, die sich mit Diskriminierungsthemen beschäftigen und zum Vergleich den Blick über die jeweiligen Landesgrenzen hinauswagen möchten. Dieses Werk kann aber auch – insb aufgrund der englischen Sprache – bei rechtsvergleichenden Studien zu einem der besprochenen Themen mitunter eine wertvolle Hilfe darstellen.