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Teilzeitdiskriminierung bei bezahlten Pausen

FLORIANHÖRMANN (WIEN)
Art 157 AEUV; § 3 GlBG; §§ 11 und 19d Abs 6 AZG; Anhang für das Bundesland Kärnten des KollV des Österreichischen Roten Kreuzes
  1. Teilzeitbeschäftigte sind diskriminiert, wenn die Ruhepause nur AN mit einer Tagesarbeitszeit von acht Stunden bezahlt und auf die Arbeitszeit angerechnet wird, nicht aber AN mit einer Tagesarbeitszeit unter acht und über sechs Stunden. Letztere haben daher ebenfalls Anspruch auf eine bezahlte Pause, die auf die Arbeitszeit anzurechnen ist.

  2. Dass AN mit einer Tagesarbeitszeit von sechs Stunden oder weniger keine aliquote Pause gewährt wird, ist durch den fehlenden Erholungsbedarf infolge der kürzeren Tagesarbeitszeit gerechtfertigt.

  3. AN mit geteilten Diensten im mobilen Bereich der Gesundheits- und Sozialen Dienste haben nach dem KollV keinen Anspruch auf eine bezahlte Pause. Sie sind dadurch jedoch nicht benachteiligt, weil ihre Wegzeiten zwischen Einsatz- und Wohnort zwischen den Arbeitsblöcken zur Hälfe als Arbeitszeit angerechnet und bezahlt werden.

[...] Der Anhang des KollV für das Bundesland Kärnten enthält hinsichtlich der Ruhepausen folgende Regelung:

„5. PausenregelungenAbweichend von den Regelungen des AZG sind in der täglichen Normalarbeitszeit von grundsätzlich 8 Stunden von der Arbeitgeberin bzw vom Arbeitgeber bezahlte Pausen von je 30 Minuten pro Arbeitstag enthalten.Bei einer kürzeren täglichen Arbeitszeit ist diese bezahlte Pause von je 30 Minuten nicht vorgesehen. Jedoch wird festgehalten, dass es jeder Arbeitnehmerin bzw jedem Arbeitnehmer möglich ist, in der Arbeitszeit eine kurze Kaffee- oder Jausenpause zu machen.Bei geteilten Diensten ist keine bezahlte Pause vorgesehen, auch wenn die gesamte Arbeitszeit acht Stunden umfasst.“Der Antragsteller begehrt die Feststellung (A), dass die AN, die dem Geltungsbereich des Anhangs für das Bundesland Kärnten unterliegen, Anspruch auf Bezahlung einer Pause von je 30 Minuten pro Arbeitstag auch dann haben, wenn die Arbeitszeit kürzer als acht Stunden ist, wobei bei einer täglichen Arbeitszeit, die sechs Stunden nicht überschreitet, diese Pause aliquot bemessen wird.Weiters beantragt er die Feststellung (B), dass dies auch für jene AN gilt, die dem Geltungsbereich des Anhangs für das Bundesland Kärnten unterliegen und im Rahmen eines geteilten Dienstes im mobilen Bereich der Gesundheits- und Sozialen Dienste tätig werden.Der Antragsteller macht geltend, dass die Pausenregelung für das Bundesland Kärnten eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts sowie eine (un-)mittelbare Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten darstelle. [...]

Der OGH hat dazu erwogen:

I. Zum Feststellungsantrag A: [...]

9. [...] Vergleicht man nun die Personen, die acht Stunden Tagesarbeitszeit aufweisen und solche, die über sechs, aber unter acht Stunden Tagesarbeitszeit aufweisen, so steht beiden Gruppen nach dem Gesetz eine Erholungspause von mindestens 30 Minuten zu (§ 11 Abs 1 AZG). Nach dem Anhang zum KollV für das Bundesland Kärnten wird nur der engsten Gruppe diese Erholungspause bezahlt und auf die Arbeitszeit angerechnet. Damit ist die Gruppe der Beschäftigten, die zwischen sechs und acht Stunden arbeiten, gegenüber der Gruppe der Personen, die eine Tagesarbeitszeit entsprechend der Normalarbeitszeit aufweisen, objektiv benachteiligt.

Von der Antragsgegnerin wurde dazu vorgebracht, dass es nicht unsachlich sei, wenn ein Mehr an Arbeitszeit ein Mehr an Entlohnung nach sich ziehe. Dieser zu allgemeine Ansatz verfehlt den Kern des hier zu beurteilenden Problems. Voranzustellen ist, dass bei einer gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Regelung von Überstundenzuschlägen bezweckt wird, die absolute Arbeitsbelastung ab einer bestimmten Arbeitszeitgrenze besonders abzugelten (Heilegger, aaO § 19d Rz 113). Dass nun schon die Leistung (nur) der Normalarbeitszeit eine solche Mehrbelastung darstellt, die Unterschiede in der Entlohnung und der Anrechnung der Ruhepausen rechtfertigt, bringt auch der Antragsgegner nicht vor. Würde aber allein der Umstand, dass länger gearbeitet wird, eine – abweichend von einer bloßen Aliquotierung – unterschiedliche Entlohnung und unterschiedliche Arbeitsbedingungen rechtfertigen, wäre § 19d Abs 6 AZG sinnentleert.

[...]

Tatsächlich ist kein sachlicher Grund ersichtlich, weshalb Personen, die schon aufgrund des Gesetzes ab einer bestimmten Mindestarbeitszeit einen Anspruch auf eine gleich lange Pause haben (§ 11 Abs 1 AZG), bei den Rahmenbedingungen der Pausengewährung unterschiedlich behandelt werden.

Davon ausgehend, dass diese Ungleichbehandlung überwiegend zu Lasten von Teilzeitbeschäftigten wirkt und damit überwiegend Frauen trifft, führt das bei solchen AN, wenn sie mehr als sechs und weniger als acht Stunden arbeiten, zu einer unsachlichen Ungleichbehandlung von Teilzeitbeschäftigten und einer mittelbaren Diskriminierung von Frauen.

Die Regelung verstößt somit gegen § 19d Abs 6 AZG, stellt zugleich aber auch eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und damit einen Verstoß gegen §§ 3, 5 Abs 2 GlBG dar. Das hat zur Folge, dass ein Anspruch auf die Gewährung der gleichen Arbeitsbedingungen besteht, sohin eine bezahlte Pause, die auf die Arbeitszeit anzurechnen ist (§ 19d Abs 6 AZG; § 12 Abs 6 GlBG).

10. AN, deren Gesamtdauer der Tagesarbeitszeit nicht mehr als sechs Stunden beträgt, haben nach dem AZG keinen Anspruch auf eine Ruhepause. Da die Ruhepause – wie bereits ausgeführt – der Erholung des AN dient, ist bereits objektiv eine Notwendigkeit für eine Pause erst nach einer bestimmten Dauer der Arbeitsleistung anzunehmen. 215 Wenn das AZG in Übereinstimmung mit Art 4 der RL 93/104/EG diesen Zeitraum mit sechs Stunden Arbeitsleistung annimmt, ist das jedenfalls sachlich gerechtfertigt.

Das hat offenbar auch der Antragsteller erkannt, der sich in seinem Vorbringen daher primär auf eine Diskriminierung in Bezug auf das Entgelt stützt bzw auf eine Diskriminierung in Bezug auf die sonstigen Arbeitsbedingungen, weil die Pause nicht in die Normalarbeitszeit einbezogen wird. Der Antrag selbst ist jedoch nur darauf gerichtet, dass bei einer täglichen Arbeitszeit, die sechs Stunden nicht überschreitet, die (zu bezahlende) Pause von 30 Minuten aliquot bemessen wird. Der Antrag ist daher auf Gewährung einer Pause gerichtet, damit weder auf ein höheres Entgelt für die (tatsächliche) Arbeitszeit noch auf eine Verkürzung dieser Arbeitszeit.

Dafür, dass aber Personen, die im Rahmen ihrer Tagesarbeitszeit nicht über sechs Stunden arbeiten, keine Arbeitspause gewährt wird, bestehen, wie ausgeführt, sachliche Gründe. Eine Diskriminierung ist daher zu verneinen. In diesem Umfang war der Feststellungsantrag abzuweisen.

11. Zusammengefasst ergibt sich damit für den ersten Teil des Antrags (A1), dass Personen, deren Tagesarbeitszeit aufgrund von Teilzeitbeschäftigung mehr als sechs, aber weniger als acht Stunden beträgt, durch die Regelung des Anhangs für das Bundesland Kärnten diskriminiert werden. Bei solchen Beschäftigten, die weniger als sechs Stunden arbeiten (A2), ist es dagegen aufgrund der insgesamt kürzeren Tagesarbeitszeit sachlich gerechtfertigt, dass ihnen keine Pause gewährt wird. Auf die sonstigen Arbeitsbedingungen bezieht sich der Antrag nicht. [...]

II. Zum Feststellungsantrag B:

1. Das zweite vom Antragsteller gestellte Begehren betrifft AN, die im Rahmen eines geteilten Dienstes im mobilen Bereich der Gesundheits- und Sozialen Dienste tätig werden. Die Tätigkeit dieser Gruppe ist dadurch gekennzeichnet, dass die an einem Tag zu erbringende Arbeitsleistung geteilt ist, wobei die Unterbrechung über eine Stunde beträgt.

Während für die Bezahlung der gesetzlich eingeräumten Pausen der bundesweit geltende KollV keine Sonderregelung vorsieht, normiert der Anhang für das Bundesland Kärnten, dass bei geteilten Diensten, auch wenn die gesamte Arbeitszeit acht Stunden umfasst, kein Anspruch auf eine bezahlte Pause besteht. [...]

4. Im vorliegenden Fall hat der Antragsteller nicht behauptet, dass bei geteilten Diensten im Zeitraum der Unterbrechung vom AN Wegzeiten zurückzulegen sind, die nach allgemeinen Kriterien als Arbeitszeit anzusehen sind oder dass der AN sonst in seiner Möglichkeit, über diese Zeit nach seinem Willen zu verfügen, eingeschränkt ist. Damit ist aber von Arbeitspausen auszugehen. Diese haben aufgrund der Definition im KollV ein Ausmaß von zumindest einer Stunde. Eine Bezahlung dieser Pausen wie in § 15 des Bundes-KollV ist nicht vorgesehen. Allerdings räumt der KollV den AN eine Anrechnung der Wegzeiten zwischen Einsatz- und Wohnort zwischen den Arbeitsblöcken „zur Hälfte“ als Arbeitszeit ein. Diese Anrechnung erfolgt unabhängig von der Gesamtdauer der Tagesarbeitszeit. Es ist daher nicht so, dass AN, die geteilte Dienste verrichten, keine (teilweise) Abgeltung und Anrechnung ihrer Arbeitspause erhalten, sondern vielmehr so, dass eine andere Abgeltung und Anrechnung erfolgt als bei Personen, die keinen geteilten Dienst verrichten. Dass sie damit bei einer schematischen Betrachtungsweise grundsätzlich schlechter gestellt sind als AN, die keine geteilten Dienste leisten, lässt sich dem Antrag nicht entnehmen. [...] Wenn die Kollektivvertragsparteien im konkreten Fall für die geteilten Dienste eine andere Form der Abgeltung der Pausen vereinbart haben, bestehen dagegen keine sachlichen Bedenken. In diesem Umfang war das Feststellungsbegehren daher abzuweisen.

ANMERKUNG
1.
Einleitung

Der OGH beschäftigte sich in der vorliegenden E erstmals mit Teilzeitdiskriminierung bei bezahlten Pausen.

Nach der Pausenregelung im Anhang für das Bundesland Kärnten des KollV des Österreichischen Roten Kreuzes (im Folgenden: KollV) erhalten AN mit einer Tagesarbeitszeit von acht Stunden eine bezahlte Pause von 30 Minuten, die auf die Arbeitszeit anzurechnen ist. AN mit kürzerer Tagesarbeitszeit oder geteilten Diensten hingegen nicht.

Die ÖGB Gewerkschaft vida beantragte die Feststellung, auch AN mit einer Tagesarbeitszeit unter acht Stunden hätten Anspruch auf eine bezahlte Pause von 30 Minuten. Bei einer Tagesarbeitszeit von sechs Stunden oder weniger sei die Pause aliquot zu bemessen. Dasselbe gelte für AN mit geteilten Diensten. Die Pausenregelung diskriminiere Teilzeitbeschäftigte und mittelbar Frauen.

Der OGH sah nur AN mit einer Tagesarbeitszeit unter acht und über sechs Stunden diskriminiert; ihre Ruhepause sei zu bezahlen und auf die Arbeitszeit anzurechnen. AN mit einer Tagesarbeitszeit von sechs Stunden oder weniger sowie AN mit geteilten Diensten seien hingegen nicht diskriminiert und haben keinen Anspruch auf eine bezahlte Pause.

Dem OGH ist großteils zuzustimmen. ME sind allerdings auch AN mit einer Tagesarbeitszeit von sechs Stunden oder weniger durch die Pausenregelung diskriminiert. Rechtsfolge dieser Diskriminierung ist keine aliquote bezahlte Pause, sondern ein höheres Entgelt oder eine aliquote Arbeitszeitverkürzung der diskriminierten AN. Die Abweisung des auf eine aliquote Pause gerichteten Feststellungsantrags erfolgte daher zu Recht. Nachstehend werden die tragenden Gründe der E untersucht.

2.
Begriff der Ruhepause

Gegenstand der E sind Differenzierungen bei bezahlten Ruhepausen. Es ist daher zunächst auf den Begriff der Ruhepause einzugehen. 216

Auf unionsrechtlicher Ebene normiert Art 4 Arbeitszeit-RL 2003/88/EG, dass „jedem Arbeitnehmer bei einer täglichen Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden eine Ruhepause“ zu gewähren ist. Die Ruhepause ist mE keine Arbeitszeit, sondern Ruhezeit iSd Arbeitszeit-RL. AN dürfen den Arbeitsplatz in der Ruhepause verlassen und müssen dem AG nicht zur Verfügung stehen. Die Vergütung der AN regelt die Arbeitszeit-RL grundsätzlich nicht. Diese richtet sich nach nationalem Recht (siehe Hörmann, Teilzeitdiskriminierung in Kollektivverträgen [2020] Rz 183 ff mwN).

Auf nationaler Ebene setzt § 11 Abs 1 AZG die Vorgaben des Art 4 Arbeitszeit-RL um. Danach ist „die Arbeitszeit durch eine Ruhepause von mindestens einer halben Stunde zu unterbrechen“, wenn die Gesamtdauer der Tagesarbeitszeit mehr als sechs Stunden beträgt. Die Ruhepause ist grundsätzlich keine Arbeitszeit, sondern eine Unterbrechung der Arbeitszeit (RIS-Justiz RS0051370 [T1]). Sie dient der Erholung und der Erfüllung der sonstigen Lebensbedürfnisse des AN (RIS-Justiz RS0102995). Laut OGH muss es sich bei der Ruhepause um echte Freizeit handeln. Der AN muss nach Belieben über die Zeit verfügen können (OGH 25.5.2020, 9 ObA 121/19p). Da Ruhepausen Freizeit und keine Arbeitszeit sind, gebührt für diese Zeit grundsätzlich kein Entgelt (OGH 30.1.2012, 9 ObA 104/11a). KollV oder Einzelvereinbarung können aber die Bezahlung der Ruhepause vorsehen (OGH8 ObA 61/13yDRdA 2014, 420 [Schindler]).

3.
Anwendbare Diskriminierungsverbote

Vorliegend geht es um mögliche (mittelbare) Diskriminierungen von Teilzeitbeschäftigten und Frauen beim Entgelt und den sonstigen Arbeitsbedingungen. Prüfungsmaßstab sind daher zum einen das Teilzeitdiskriminierungsverbot des § 19d Abs 6 AZG, zum anderen die Geschlechtsdiskriminierungsverbote des Art 157 AEUV und § 3 GlBG.

4.
Bezahlte Pause für AN mit Tagesarbeitszeit unter acht und über sechs Stunden

Der OGH behandelte zunächst den Feststellungsantrag, auch AN mit einer Tagesarbeitszeit unter acht und über sechs Stunden hätten Anspruch auf eine bezahlte Pause von 30 Minuten. Fraglich war, ob diese AN gegenüber AN mit einer Tagesarbeitszeit von acht Stunden diskriminiert sind.

Im ersten Schritt ist zu prüfen, ob eine Benachteiligung wegen der geschützten Merkmale der Teilzeitbeschäftigung oder des Geschlechts vorliegt.

Der OGH bejahte eine Benachteiligung, weil beiden AN-Gruppen nach dem Gesetz eine Ruhepause zustehe, die allerdings nur AN mit einer Tagesarbeitszeit von acht Stunden bezahlt und auf die Arbeitszeit angerechnet wird. Dem ist zuzustimmen.

Teilzeitbeschäftigte sind freilich nicht unmittelbar benachteiligt, weil auch Vollzeitbeschäftigte an einzelnen Tagen weniger als acht Stunden arbeiten können. Das Teilzeitdiskriminierungsverbot des § 19d Abs 6 AZG verbietet mE aber auch mittelbare Teilzeitdiskriminierungen (siehe Hörmann, Teilzeitdiskriminierung Rz 61 ff mwN). Von einer mittelbaren Teilzeitbenachteiligung dürfte auch der OGH ausgehen, wenn er ausführt, dass die Ungleichbehandlung überwiegend zu Lasten von Teilzeitbeschäftigten wirke. Da Teilzeitbeschäftigte überwiegend Frauen sind, liegt auch eine mittelbare Frauenbenachteiligung vor.

Im zweiten Schritt ist fraglich, ob es eine Rechtfertigung für diese mittelbare Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten und Frauen gibt. Bei Teilzeitdiskriminierungen gilt in richtlinienkonformer Interpretation des § 19d Abs 6 AZG derselbe Rechtfertigungsmaßstab wie bei Geschlechtsdiskriminierungen (siehe Hörmann, Teilzeitdiskriminierung Rz 72 f mwN).

Weder das allgemeine Vorbringen der Antragsgegnerin, ein Mehr an Arbeitszeit ziehe ein Mehr an Entlohnung nach sich, noch der Verweis auf allfällige freiwillige Leistungen des AG sind taugliche Rechtfertigungsgründe. Eine abgeltenswerte Mehrbelastung ist bei Leistung (nur) der Normalarbeitszeit nicht anzunehmen (wohl aber bei bezahlten Pausen bei Überstunden wegen der klaren Parallele zum Überstundenzuschlag; siehe dazu Hörmann, Teilzeitdiskriminierung Rz 208 ff, 216). Der OGH bejahte daher zu Recht eine Diskriminierung.

Als Rechtsfolge müssen die AN mit einer Tagesarbeitszeit unter acht und über sechs Stunden mit den AN mit einer Tagesarbeitszeit von acht Stunden gleichgestellt werden. Sie haben daher – wie der OGH antragsgemäß feststellte – ebenfalls Anspruch auf eine bezahlte Pause, die auf die Arbeitszeit anzurechnen ist.

5.
Keine aliquote Pause für AN mit Tagesarbeitszeit von sechs Stunden oder weniger

Sodann prüfte der OGH den Feststellungsantrag, AN mit einer Tagesarbeitszeit von sechs Stunden oder weniger hätten Anspruch auf eine aliquote bezahlte Pause.

Der OGH argumentierte, der Feststellungsantrag sei auf Gewährung einer Pause gerichtet, somit weder auf ein höheres Entgelt noch auf eine Arbeitszeitverkürzung. Dass AN mit einer Tagesarbeitszeit von sechs Stunden oder weniger keine Ruhepause gewährt wird, sei gerechtfertigt. Denn die Notwendigkeit für eine Pause sei erst nach einer bestimmten Dauer der Arbeitsleistung anzunehmen. Eine Diskriminierung sei daher zu verneinen und der Feststellungsantrag abzuweisen.

Der Abweisung des Feststellungsantrags ist zuzustimmen. Denn AN mit einer Tagesarbeitszeit von sechs Stunden oder weniger haben – wie unter Pkt 6 gezeigt – keinen Anspruch auf eine aliquote Pause aufgrund einer Teilzeit- oder Frauendiskriminierung.

6.
Diskriminierung von AN mit Tagesarbeitszeit von sechs Stunden oder weniger

Unrichtig ist hingegen die pauschale Verneinung einer Diskriminierung von AN mit einer Tagesarbeitszeit 217 von sechs Stunden oder weniger. Da der Antrag auf eine aliquote bezahlte Pause gerichtet war, prüfte der OGH auch gar nicht, ob diese AN durch bezahlte Ruhepausen beim Entgelt diskriminiert sind. Dieser Frage kommt weit über den vorliegenden KollV hinaus Bedeutung zu (siehe Hörmann, Teilzeitdiskriminierung Rz 190 zu ähnlichen Kollektivvertragsregelungen sowie § 48b BDG für Beamte und Vertragsbedienstete), weshalb sie nachstehend zu untersuchen ist:

Im ersten Schritt ist zu prüfen, ob eine Benachteiligung wegen der geschützten Merkmale der Teilzeitbeschäftigung oder des Geschlechts vorliegt.

AN mit einer Tagesarbeitszeit von sechs Stunden oder weniger haben weder Anspruch auf eine Ruhepause nach dem AZG noch auf eine bezahlte Pause nach dem KollV. Sie sind somit von der bezahlten Ruhepause ausgeschlossen. Dabei muss man sich vor Augen halten: Die Ruhepause ist keine Arbeitszeit, sondern Ruhezeit nach der Arbeitszeit-RL. Der AN steht dem AG in der Ruhepause nicht zur Verfügung und darf den Arbeitsplatz verlassen (siehe Pkt 2). Für das Entgelt folgt daraus: Ist die Ruhepause bezahlt, erhalten AN mit einer Tagesarbeitszeit von sechs Stunden oder weniger im Verhältnis zu ihrer Arbeitszeit ein geringeres Entgelt pro Arbeitsstunde als AN mit einer Tagesarbeitszeit von acht Stunden. So bekommt ein AN mit einer Tagesarbeitszeit von sechs Stunden bei einem Grundentgelt von € 10,– pro Stunde im Verhältnis zu seiner Arbeitszeit für jede Arbeitsstunde € 10,– (€ 60,–: 6 Stunden = € 10,– pro Stunde). Ein AN mit einer Tagesarbeitszeit von acht Stunden, die eine bezahlte Ruhepause von 30 Minuten beinhaltet, erhält hingegen für jede Arbeitsstunde € 10,67 (€ 80,–: 7,5 Stunden = € 10,67 pro Stunde). AN mit kürzeren Arbeitszeiten sind daher durch bezahlte Ruhepausen beim Entgelt benachteiligt.

Geht man davon aus, dass eine Tagesarbeitszeit von sechs Stunden oder weniger überwiegend von Teilzeitbeschäftigten und somit Frauen geleistet wird, liegt eine mittelbare Teilzeit- und Frauenbenachteiligung vor (siehe zur statistischen Grundlage Hörmann, Teilzeitdiskriminierung Rz 197 f mwN).

Im zweiten Schritt ist zu untersuchen, ob es eine Rechtfertigung für diese mittelbare Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten und Frauen gibt.

Der OGH nannte als Rechtfertigung dafür, dass AN mit einer Tagesarbeitszeit von sechs Stunden oder weniger keine aliquote (bezahlte) Pause gewährt wird, den fehlenden Erholungsbedarf. Die Notwendigkeit für eine Pause sei erst nach einer bestimmten Dauer der Arbeitsleistung anzunehmen (mit ähnlicher Argumentation VwGH 2015/12/0051 ASoK 2016, 282 [Wohlesser/Zankel]).

Dass eine Ruhepause erst bei einer Tagesarbeitszeit von mehr als sechs Stunden zusteht, weil nach der Arbeitszeit-RL und § 11 Abs 1 AZG erst ab dieser Schwelle ein Erholungsbedarf besteht, ist ein rechtmäßiges Ziel. Das Mittel der Bezahlung der Ruhepause hat mE aber keinen Einfluss auf die Erholung der AN. Erholung ist entgeltunabhängig. Die Bezahlung der Ruhepause ist folglich nicht geeignet und schon gar nicht erforderlich, um das Ziel der Erholung zu ermöglichen.

Die Arbeitszeitverkürzung durch Anrechnung der Ruhepause auf die Arbeitszeit wirkt sich zwar wohl positiv auf die Erholung des AN aus, sie ist mE aber nicht erforderlich, um das Erholungsbedürfnis bei einer Tagesarbeitszeit von sechs bis acht Stunden zu erfüllen. Dazu genügt eine unbezahlte Ruhepause ohne Arbeitszeitverkürzung. Diese Wertung entspricht auch § 2 Abs 1 Z 1 und § 11 Abs 1 AZG, wonach die Ruhepause keine Arbeitszeit ist.

Die Entgeltbenachteiligung von Teilzeitbeschäftigten und Frauen durch bezahlte Ruhepausen ist daher nicht dadurch gerechtfertigt, dass ein Erholungsbedarf erst ab einer bestimmten Arbeitszeitschwelle besteht. Dies rechtfertigt nur die Gewährung der Ruhepause ab einer bestimmten Arbeitszeitschwelle, nicht aber die Bezahlung der Ruhepause und ihre Anrechnung auf die Arbeitszeit. Es gibt auch keine anderen legitimen Rechtfertigungsgründe für diese Differenzierung (siehe dazu ausführlich Hörmann, Teilzeitdiskriminierung Rz 199 ff).

Als Rechtsfolge der Entgeltdiskriminierung haben AN mit einer Tagesarbeitszeit von sechs Stunden oder weniger keinen Anspruch auf eine aliquote bezahlte Pause. Denn nicht die fehlende Pause diskriminiert diese AN (siehe Hörmann, Teilzeitdiskriminierung Rz 193 f), sondern die Bezahlung der Ruhepause, das geringere Entgelt pro Arbeitsstunde. AN mit einer Tagesarbeitszeit von sechs Stunden oder weniger haben daher bei gleicher oder gleichwertiger Tätigkeit Anspruch auf das gleiche Entgelt pro Arbeitsstunde wie AN mit einer Tagesarbeitszeit von acht Stunden.

Schreibt ein KollV – wie vorliegend – die Anrechnung der Ruhepause auf die Arbeitszeit vor, ist die Ruhepause zwar zu bezahlen, aber dennoch keine Arbeitszeit iSd AZG. Es handelt sich um eine kollektivvertraglich angeordnete Arbeitszeitverkürzung (Schindler in Resch [Hrsg], Ruhe und Erholungszeiten [2013] 35 [47]). AN mit einer Tagesarbeitszeit von sechs Stunden oder weniger sind von dieser Arbeitszeitverkürzung ohne ersichtlichen sachlichen Grund ausgeschlossen. ME könnten sie daher alternativ zu höherem Entgelt für die tatsächliche Arbeitszeit – gestützt auf eine Diskriminierung bei den sonstigen Arbeitsbedingungen – vertretbar auch eine aliquote Arbeitszeitverkürzung bei entsprechendem Lohnausgleich geltend machen (vgl dazu auch OGH9 ObA 15/17xDRdA 2018, 242 [Schörghofer] = ZAS 2018, 194 [Schrank]).

7.
Keine Benachteiligung von AN mit geteilten Diensten

Zuletzt beurteilte der OGH den Feststellungsantrag, AN mit geteilten Diensten im mobilen Bereich der Gesundheits- und sozialen Dienste hätten Anspruch auf eine bezahlte Pause. Diese AN sind überwiegend Frauen und haben nach der Pausenregelung des KollV auch bei einer Tagesarbeitszeit von acht Stunden keinen Anspruch auf eine bezahlte Pause.

Der OGH verneinte eine Benachteiligung dieser AN, weil ihre Wegzeiten zwischen Einsatz- und Wohnort zwischen den Arbeitsblöcken zur Hälfe als Arbeitszeit angerechnet und bezahlt werden. 218

Mangels gegenteiliger Behauptung des Antragstellers beurteilte der OGH diese Wegzeiten nicht als Arbeitszeit iSd AZG, sondern als Arbeitspausen (siehe dazu RIS-Judikatur RS0051331 und OGH9 ObA 8/18vDRdA 2019, 30 [Heilegger] = ZAS 2019, 87 [Wiesinger]; aus Platzgründen unterbleibt eine nähere Auseinandersetzung mit diesem Aspekt). Somit erfolgt die Abgeltung und Anrechnung der Pausen dieser AN schlicht nach einem anderen System als bei AN ohne geteilte Dienste. AN mit geteilten Diensten sind dadurch aber nicht schematisch benachteiligt. Dem ist zuzustimmen.

8.
Resümee

Dem OGH ist großteils zuzustimmen.

AN mit einer Tagesarbeitszeit unter acht und über sechs Stunden sind gegenüber AN mit einer Tagesarbeitszeit von acht Stunden diskriminiert, wenn nur letzteren die Ruhepause bezahlt und auf die Arbeitszeit angerechnet wird. Sie haben daher ebenfalls Anspruch auf eine bezahlte Ruhepause, die auf die Arbeitszeit anzurechnen ist.

AN mit einer Tagesarbeitszeit von sechs Stunden oder weniger haben zwar keinen Anspruch auf eine aliquote bezahlte Pause. ME sind sie allerdings – was der OGH aufgrund des auf eine aliquote Pause gerichteten Antrags nicht prüfte – durch bezahlte Ruhepausen beim Entgelt und den sonstigen Arbeitsbedingungen diskriminiert. Sie haben daher Anspruch auf höheres Entgelt für die tatsächliche Arbeitszeit oder eine aliquote Arbeitszeitverkürzung bei entsprechendem Lohnausgleich.