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Neuregelung des § 7 Abs 1 BPG: Beurteilung der Unverfallbarkeit von Anwartschaften aus „Altverträgen“

MARTINACHLESTIL
§ 7 Abs 1 iVm Art VI Abs 1 Z 16 BPG

Der Kl war vom 21.7.2008 bis 31.3.2012 und vom 1.11.2013 bis 30.6.2019 bei der Bekl beschäftigt. Im März 2009 schlossen die beiden eine Pensionszusage über eine Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenpension ab. § 3 der Vereinbarung lautete: „Für die angeführten Leistungen ist keine Wartezeit vorgesehen.“ Die Pensionszusage wurde durch den Abschluss einer Rückdeckungsversicherung finanziert, ergänzend wurde dem Kl auch eine Option auf Kapitalabfindung eingeräumt („im Fall eines unverfallbaren Anspruchs nach Beendigung des Dienstverhältnisses …“). Die Kapitalabfindung sollte dem Umfang der zu diesem Zeitpunkt ordnungsgemäß vorgesorgten Pensionsrückstellung, mindestens jedoch dem Rückkaufswert inklusive der bis zu diesem Zeitpunkt gutgeschriebenen Gewinnanteile der Rückdeckungsversicherung entsprechen. Diese Pensionszusage sollte auch für das ab 1.11.2013 bestehende Arbeitsverhältnis „im vollen Umfang gewährt“ werden. Beide Arbeitsverhältnisse endeten durch Kündigungen durch den Kl.

Mit der eingebrachten Stufenklage begehrte der Kl die Rechnungslegung über den Rückkaufswert einschließlich der bis zu diesem Zeitpunkt gutgeschriebenen Gewinnanteile sowie Zahlung des sich aufgrund des Rechnungslegungsbegehrens ergebenden Betrags. Die Vorinstanzen wiesen das Rechnungslegungsbegehren für den Zeitraum bis 20.5.2018 wegen Verfalls (§ 7 BPG idF vor BGBl I 2018/54BGBl I 2018/54) rechtskräftig ab. Revisionsgegenständlich ist noch das Rechnungslegungsbegehren für den Zeitraum 21.5.2018 bis 30.6.2019.

§ 7 Abs 1 und 2 BPG idF vor BGBl I 2018/54BGBl I 2018/54 lautete:

„§ 7. (1) Mangels einer für den Arbeitnehmer günstigeren Vereinbarung wird bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses die aus einer direkten Leistungszusage erworbene Anwartschaft für die Alters- und Hinterbliebenenversorgung unverfallbar, wenn

1. das Arbeitsverhältnis nicht durch Kündigung seitens des Arbeitnehmers, durch Entlassung aus Verschulden des Arbeitnehmers oder unbegründeten vorzeitigen Austritt endet,

2. seit Erteilung der Leistungszusage fünf Jahre vergangen sind, und

3. sofern eine fünf Jahre übersteigende Wartezeit zulässig vereinbart wurde, diese abgelaufen ist.

(2) Der Rechtsanspruch auf eine Versorgungsleistung kann vom Ablauf einer Frist seit Erteilung der Leistungszusage (Wartezeit) abhängig gemacht werden. …“

Diese Bestimmung wurde zur Umsetzung der RL 2014/50/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.4.2014 über Mindestvorschriften zur Erhöhung der Mobilität von AN zwischen den Mitgliedstaaten durch Verbesserung des Erwerbs und der Wahrung von Zusatzrentenansprüchen („Portabilitäts-Richtlinie“) mit BGBl I 2018/54BGBl I 2018/54 novelliert und lautet nunmehr:

„§ 7. (1) Mangels einer für den Arbeitnehmer günstigeren Vereinbarung wird bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Eintritt des Leistungsfalles die bisher aus einer direkten Leistungszusage erworbene Anwartschaft auf eine Alters- und Hinterbliebenenversorgung unverfallbar, wenn seit Erteilung der Leistungszusage drei Jahre vergangen sind.“

Abs 2 wurde aufgehoben.

Die Übergangsbestimmung des Art VI Abs 1 Z 16 BPG idF BGBl I 2018/54BGBl I 2018/54 lautet:

„16. Die §§ 7, 8 und 17 Abs. 1 in der Fassung des BGBl I Nr 54/2018 treten mit 21. Mai 2018 in Kraft und gelten für Beschäftigungszeiten aus direkten Leistungszusagen, die nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes entstehen. Für Beschäftigungszeiten aus direkten Leistungszusagen, die vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes liegen, gelten weiterhin die Regelungen der §§ 7, 8 und 17 in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl I Nr 54/2018.“

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt mit der Begründung, dass mit § 3 der Vereinbarung die gesetzliche Wartezeit abbedungen worden sei. 187Das Berufungsgericht sah das anders und wies auch diesen Teil des Rechnungslegungsbegehrens ab: Mit § 3 der Vereinbarung von 2009 hätten die Streitteile auf die Wartezeit iSd § 7 Abs 1 Z 3 und Abs 2 BPG idF vor der Novelle BGBl I 2018/54BGBl I 2018/54 verzichtet, nicht aber auf die „Unverfallbarkeitsfrist“ des § 7 Abs 1 Z 2 BPG leg cit. Nach der Übergangsbestimmung des Art VI Abs 1 Z 16 BPG idF BGBl I 2018/54BGBl I 2018/54 könnten nur jene Beschäftigungszeiten für die Zurücklegung der Unverfallbarkeitsfrist nach § 7 Abs 1 BPG idF BGBl I 2018/54BGBl I 2018/54 berücksichtigt werden, die nach dem 21.5.2018 zurückgelegt wurden. Weil die Unverfallbarkeitsfrist im Zusammenhang mit der Selbstkündigung durch den Kl nach neuer Rechtslage erst am 22.5.2018 zu laufen begonnen habe – sodass im Zeitpunkt der Kündigung noch keine drei Jahre vergangen gewesen seien –, seien keine Pensionsansprüche unverfallbar geworden.

Der OGH erachtet die dagegen gerichtete außerordentliche Revision des Kl für zulässig und berechtigt.

Mit der neuen Fassung (nF) des § 7 Abs 1 BPG durch BGBl I 2018/54BGBl I 2018/54 ist die Maßgeblichkeit der Beendigungsart für die Unverfallbarkeit entfallen. Zugleich wurde die gesetzliche Unverfallbarkeitsfrist auf drei Jahre „seit Erteilung der Leistungszusage“ verkürzt. Für die Anwendung dieser Regelung auf Anwartschaften aus „Altverträgen“, dh vor dem 21.5.2018 abgeschlossene Vereinbarungen, sieht die Übergangsbestimmung des Art VI Abs 1 Z 16 BPG eine Differenzierung vor. Danach soll die neue Regelung des § 7 Abs 1 BPG für Beschäftigungszeiten aus direkten Leistungszusagen, die nach dem Inkrafttreten der Novelle zum 21.5.2018 entstehen, gelten, während für davor liegende Beschäftigungszeiten die alte Regelung gilt (so auch die Erläuterungen zur RV 164 BlgNR 26. GP 4).

Für die Beurteilung der Unverfallbarkeit von Anwartschaften aus den Beschäftigungszeiten, die nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuregelung liegen, gilt nach der Übergangsbestimmung § 7 Abs 1 BPG nF; es kommt sohin darauf an, ob die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 BPG nF erfüllt sind. § 7 Abs 1 BPG nF macht die Unverfallbarkeit nur davon abhängig, dass „seit Erteilung der Leistungszusage drei Jahre vergangen sind“. Weder der Übergangsbestimmung noch § 7 Abs 1 BPG nF lässt sich aber entnehmen, dass die Berücksichtigung der „neuen“ Beschäftigungszeiten auch ein Verstreichen der dreijährigen Unverfallbarkeitsfrist des § 7 Abs 1 BPG nF ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens erfordert. Ein solches Verständnis, das auf einen neuen Fristenlauf hinausliefe, wäre nicht mit dem Wortlaut des § 7 Abs 1 BPG nF („seit Erteilung der Leistungszusage“) in Einklang zu bringen. Auch bei vor dem 21.5.2018 vereinbarten direkten Leistungszusagen ist für den Ablauf der Unverfallbarkeitsfrist des § 7 Abs 1 iVm Art VI Abs 1 Z 16 BPG idF BGBl I 2018/54BGBl I 2018/54 sohin nur wesentlich, dass sie „seit Erteilung der Leistungszusage“ verstrichen ist.

Für den vorliegenden Fall bedeutet das, dass für Anwartschaften für Beschäftigungszeiten, die nach dem Inkrafttreten des BGBl I 2018/54BGBl I 2018/54 entstehen, die Art der Beendigung des Dienstverhältnisses keine Rolle mehr spielt, sodass die Eigenkündigung des Kl für die Frage der Unverfallbarkeit unschädlich ist. Weiter folgt daraus, dass Anwartschaften des Kl aus diesen Beschäftigungszeiten infolge des Ablaufs der dreijährigen Unverfallbarkeitsfrist seit Erteilung der Leistungszusage unverfallbar geworden sind. Da der Kl für die Unverfallbarkeit der Anwartschaften für die Beschäftigungszeit von 21.5.2018 bis 30.6.2019 die Voraussetzung des § 7 Abs 1 BPG nF (drei Jahre seit Erteilung der Leistungszusage) erfüllt, besteht sein Rechnungslegungsbegehren im Hinblick auf diesen Zeitraum daher zu Recht.