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Schadenersatzansprüche wegen Verletzung des StellenbesetzungsG werden verjährungsrechtlich nicht von § 29 Abs 1 GlBG verdrängt

CHRISTOSKARIOTIS

Der Kl ist seit 8.10.1973 bei der Bekl beschäftigt. Auf das Dienstverhältnis kommt die Dienstordnung A für die Angestellten bei den Sozialversicherungsträgern Österreichs (DO.A) zur Anwendung. Der Kl bewarb sich auf ausgeschriebene Positionen als I. „Leiter/Leiterin des Geschäftsbereiches Medizinische Verwaltung (HGMB)“ und als II. „Stellvertreter/Stellvertreterin des Leiters Medizinische Administration – Landesstelle Wien (WMAD)“. Die Besetzungen erfolgten mit Vorstandsbeschlüssen vom 25.2.2016. Der Kl kam bei beiden Besetzungsvorgängen nicht zum Zug.

Der Kl begehrt mit der am 21.2.2019 eingebrachten Klage die Entgeltdifferenz zum Bewerbungsfall I., in eventu die Entgeltdifferenz zum Bewerbungsfall II., weil der wahre Grund für die Nichtbeachtung bei den Besetzungsvorgängen, seine fehlende Parteizugehörigkeit und der stetige Versuch, gegen den Parteiproporz aufzutreten, gewesen sei. Der Kl begründete sein Begehren damit, dass er aufgrund seiner langjährigen Berufserfahrung und umfassenden Ausbildung besonders qualifiziert gewesen wäre. Einerseits liege eine Verletzung des Sachlichkeitsgebots des StellenbesetzungsG vor, andererseits liege auch ein Verstoß gegen das Verbot der Diskriminierung aufgrund von Weltanschauung (bewusste Nichtmitgliedschaft in einer Partei) nach dem GlBG vor.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren und das Eventualbegehren wegen Verfristung nach § 29 Abs 1 GlBG (sechsmonatige Frist) ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl Folge und hob das Ersturteil zur Verfahrensergänzung auf. Zwar könnte das Vorbringen des Kl in Bezug auf eine mittelbare oder unmittelbare Diskriminierung aufgrund seiner Weltanschauung mittels Klage wegen § 29 GlBG wegen Verjährung nicht mehr geltend gemacht werden, dem Vorbringen sei aber auch zu entnehmen, dass der Kl den Schadenersatzanspruch mit einer unsachlichen Vorgangsweise der Bekl bei der Ernennung und somit mit einer Verletzung des Willkürverbots argumentiert.

In seinem gegen diesen Aufhebungsbeschluss gerichteten Rekurs beantragt der Kl, den Beschluss aufzuheben und dem Berufungsgericht unter Überbindung seiner Rechtsansicht, wonach die streitgegenständlichen Schadenersatzansprüche der allgemeinen Verjährungsfrist von drei Jahren und nicht der Verjährungsfrist von sechs Monaten (nach dem GlBG) unterliegen, die neuerliche Entscheidung über die Rechtssache aufzutragen; in eventu, die Entscheidung des Berufungsgerichts nur in seiner rechtlichen Beurteilung zu korrigieren.

Der OGH hielt fest, dass der vom Kl dagegen erhobene Rekurs nicht berechtigt ist und führte dazu aus, dass die Besetzung der Stellen unstrittig nach Maßgabe des StellenbesetzungsG, BGBl I 1998/26, zu erfolgen hat. Nach § 4 Abs 1 leg cit hat das für die Besetzung zuständige Organ die Stelle ausschließlich aufgrund der Eignung der Bewerber zu besetzen. Nach § 4 Abs 2 leg cit ist die Eignung insb aufgrund fachlicher Vorbildung und bisheriger Berufserfahrung der Bewerber, ihrer Fähigkeit zur Menschenführung, ihrer organisatorischen Fähigkeiten und ihrer persönlichen Zuverlässigkeit festzustellen. Wenn internationale Erfahrungen für die betreffende Stelle erforderlich sind, ist darauf besonders Bedacht zu nehmen.

Der OGH hat im Zusammenhang mit dem StellenbesetzungsG bereits mehrfach als Gesetzeszweck betont, dass nach diesem Gesetz der geeignetste Kandidat die Stelle erlangen soll. Ein gesetzmäßiges Vorgehen nach § 4 StellenbesetzungsG verlangt daher, dass sich die Besetzung einer ausgeschriebenen Stelle im Rahmen sachlich auszuübenden Ermessens an der Besteignung zu orientieren hat.

Ungeachtet des Umstands, dass das StellenbesetzungsG keinen subjektiven Anspruch auf Einstel190lung vermittelt und es jedenfalls öffentlichen Interessen (Transparenz bei der Stellenbesetzung im staatsnahen Unternehmensbereich) dient, schützt das StellenbesetzungsG auch die Interessen von Bewerbern, um diese ua vor unsachlichen Besetzungsentscheidungen zu bewahren. Der Schutzzweck der Norm kann damit einen Schadenersatzanspruch zugunsten des bestqualifizierten Bewerbers auslösen, wenn die Stelle aus unsachlichen Gründen mit einem anderen Kandidaten besetzt wurde.

Im Hinblick auf das StellenbesetzungsG im Besonderen wurde in OGH vom 23.12.2014, 1 Ob 218/14m, ausgeführt, dass der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen wegen einer Verletzung des StellenbesetzungsG nicht die Regeln des GlBG oder des B-GlBG entgegengehalten werden können. Weder aus dem GlBG noch aus dem B-GlBG lässt sich ableiten, dass diese Gesetze außerhalb ihres Anwendungsbereichs (Schutz vor Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung) sonstige Schadenersatzansprüche wegen einer unterlassenen Postenvergabe abschließend regelten bzw sonstige Schadenersatzregeln derogiert hätten. Gegen eine derartige materielle Derogation spricht auch der unterschiedliche Normzweck des StellenbesetzungsG (Grundsatz der Transparenz und Besteignung) im Vergleich zur ratio legis der genannten Gleichbehandlungsgesetze (Unterbindung von Diskriminierung aus bestimmten Gründen).

Deshalb ist aber auch in der vorliegenden Konstellation keine solche materielle Derogation durch das GlBG gegeben, weil ein auf eine Verletzung des StellenbesetzungsG gestützter Schadenersatzanspruch nicht unter generelleren Voraussetzungen als jener des GlBG auf den Ausgleich einer Diskriminierung abzielt, sondern vielmehr darauf, dass die Stellenbesetzung nicht mit der bestgeeigneten Person iSd StellenbesetzungsG erfolgt ist. Zweifellos wäre dabei eine Ermittlung der bestgeeigneten Person, die auch auf diskriminierenden Gründen beruht, im Hinblick auf das dem StellenbesetzungsG inhärente Sachlichkeitsgebot unsachlich. Ist aber auch hier ein Derogationsverhältnis zu verneinen, wird die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen aus einer Verletzung des StellenbesetzungsG auch verjährungsrechtlich nicht von § 29 Abs 1 GlBG verdrängt, wenn der Ermittlung der Besteignung unter Umständen auch ein vom GlBG erfasster diskriminierender Umstand zugrunde lag. Ein anderes Verständnis hätte auch Wertungswidersprüche zur Folge, weil sonst die besonders geregelten Diskriminierungsgründe des GlBG bei Prüfung der Unsachlichkeit einer Stellenbesetzung nach Ablauf der Sechsmonatsfrist des § 29 GlBG unbeachtlich würden, vom GlBG nicht erfasste Motive der Ungleichbehandlung hingegen nicht.

Das ändert aber nichts daran, dass der Kl für den geltend gemachten Schadenersatzanspruch nachzuweisen hat, dass er tatsächlich der am besten qualifizierte Bewerber war und bei rechtmäßiger Vorgangsweise mit der ausgeschriebenen Funktion betraut worden wäre.

Im Ergebnis war der Rekurs des Kl aus Sicht des OGH daher nicht berechtigt, weshalb die Rechtssache zwecks Feststellungen zur behaupteten Verletzung des Besteignungsgebots an die Erstinstanz zur neuerlichen Entscheidung ging.