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Keine eingehende Sachprüfung im Rahmen der Prüfung der Unzuständigkeitseinrede – Maßgeblichkeit der nicht bereits als unrichtig bekannten Klagsbehauptungen

KLAUSBACHHOFER

Die Kl war seit 2008 bei den Bekl ununterbrochen auf Basis von jährlich wiederkehrenden, dem TAG (Theaterarbeitsgesetz) unterliegenden Bühnendienstverträgen als Balletttänzerin beschäftigt. Der schriftliche Dienstvertrag der Kl enthält die Klausel „Für Streitigkeiten aus diesem Vertrag vereinbaren die Parteien die Zuständigkeit eines Schiedsgerichtes aufgrund einer Schiedsvereinbarung gemäß § 9 Abs 2 ASGG“. Mit Schreiben vom 13.9.2019 erklärten die Bekl gegenüber der Kl iSd § 27 TAG, dass das Vertragsverhältnis nicht verlängert werde und mit 31.8.2020 beendet sei.

Die Kl begehrte, diese nach ihrem Standpunkt als Kündigung eines bereits unbefristeten Dienstverhältnisses aufzufassende Beendigung gem § 105 Abs 3 Z 1 und Abs 3 ArbVG für unwirksam zu erklären.

Die Bekl erhoben die Einreden der Unzulässigkeit des Rechtsweges und der Unzuständigkeit des Arbeits- und Sozialgerichts wegen Schiedsanhängigkeit bzw wirksamer Schiedsvereinbarung. Die Einschränkung der Schiedsgerichtsbarkeit nach § 9 Abs 2 2. Halbsatz ASGG (wonach Schiedsgerichtsverfahren in Arbeitsrechtssachen nach § 50 191Abs 1 ASGG außer für Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder einer Kapitalgesellschaft nur für bereits entstandene Streitigkeiten wirksam sind, Anmerkung des Bearbeiters) finde auf Bühnenarbeitsverträge nach § 40 TAG keine Anwendung. Eine betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeit nach § 50 Abs 2 ASGG liege nicht vor, weil die Nichtverlängerung eines zulässig befristeten Bühnendienstverhältnisses keine Kündigung darstelle.

Das Erstgericht verwarf sowohl die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges (unangefochten) als auch die Einrede der Unzuständigkeit. Nach § 9 Abs 2 ASGG iVm § 40 TAG könnten betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeiten auch im Anwendungsbereich des TAG keinesfalls einem Schiedsgericht übertragen werden. Die Kl stütze ihr Begehren auf § 105 Abs 3 ArbVG und die Kündigung eines unbefristeten Dienstverhältnisses, weshalb zweifelsfrei eine betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeit vorliege. Im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung komme es nicht darauf an, ob das Klagebegehren berechtigt sei.

Das Rekursgericht gab dem gegen die Abweisung der Unzuständigkeitseinrede gerichteten Rechtsmittel der bekl Parteien Folge, wies in Abänderung des erstgerichtlichen Beschlusses die Klage zurück und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig. Grundsätzlich sei im Anwendungsbereich des TAG bei Vorliegen einer entsprechenden Schiedsvereinbarung das Bühnenschiedsgericht für alle arbeitsrechtlichen Streitigkeiten iSd § 50 Abs 1 ASGG zuständig. Die Frage, ob eine von der Schiedsgerichtsbarkeit ausgenommene betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeit nach § 50 Abs 2 ASGG vorliege, sei nach dem materiellen Betriebsverfassungsrecht zu lösen. Der Ablehnung der Fortsetzung eines befristeten Bühnendienstverhältnisses komme nach stRsp nicht die Wirkung einer Kündigung zu, weshalb schon die Klagsbehauptungen die Zuständigkeit des Arbeits- und Sozialgerichts nicht begründen könnten. Die Anfechtung einer Nichtverlängerungserklärung sei nicht möglich.

Der Revisionsrekurs wurde vom OGH als zulässig und auch berechtigt erkannt, es wurde ihm durch Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses Folge gegeben.

Das Rekursgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass nach § 41 JN die Entscheidung über die Zuständigkeit zunächst aufgrund jener Tatsachenbehauptungen zu erfolgen hat, auf welche der Kl sein Begehren stützt, soweit sie dem Gericht nicht als unrichtig bekannt sind. Begründen schon die Klagsangaben die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts nicht, dann ist die Klage zurückzuweisen. Begründen sie die Zuständigkeit, erweisen sie sich aber im Verlauf des Verfahrens als unrichtig, dann ist die Klage nicht zurückzuweisen, sondern abzuweisen.

Die Zuständigkeitsprüfung soll aber nicht mit einer weitgehenden Sachprüfung belastet werden. Es habe daher bei der Maßgeblichkeit der vom Kl zur Zuständigkeit des angerufenen Gerichts vorgetragenen Tatsachen auch dann zu bleiben, wenn der Bekl seine Unzuständigkeitseinrede nur mit Behauptungen untermauert, die zugleich das Nichtbestehen des eingeklagten Anspruchs belegen sollen. Ob diese „doppelrelevanten Tatsachen“ zutreffen, ist – so weiter die Begründung des OGH – nicht im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung des angerufenen Gerichts zu entscheiden, sondern der Sachentscheidung vorbehalten.

Die Zuständigkeit des Erstgerichts ist im vorliegenden Fall begründet, wenn das Klagebegehren eine betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeit nach § 50 Abs 2 ArbVG über Rechte oder Rechtsverhältnisse, die sich aus dem II., V., VI., VII. oder VIII. Teil des ArbVG oder aus gleichartigen österreichischen Rechtsvorschriften ergeben, betrifft.

Die Kl hat ihr Begehren ausschließlich auf § 105 Abs 3 ArbVG gestützt und damit begründet, dass die Bekl eine Kündigung ihres unbefristeten Dienstverhältnisses ausgesprochen hätten. Mit diesen Klagsbehauptungen sind die Voraussetzungen für den Anspruch auf Anfechtung nach § 105 Abs 3 ArbVG für den Gerichtshof ausreichend und schlüssig erfüllt. Ob das Sachvorbringen und die ihm von der Kl beigemessene rechtliche Qualifikation zutreffen, obliegt der meritorischen Entscheidung (vgl dazu OGH 25.8.2020, 8 ObA 68/20p).

Anmerkung des Bearbeiters:

Der OGH behandelt die von der Bekl erhobene Unzuständigkeitseinrede, indem er die prozessuale von der meritorischen Entscheidung trennt und die Verquickung beider Entscheidungen, der das Rekursgericht entgegen dem letztlich bestätigten Erstgericht noch gefolgt war, wieder auflöst. Dass nach diesem formellen Obsiegen der Kl auch mit einem Erfolg in der Sache zu rechnen ist, ist freilich zu bezweifeln. Aufgrund der (in der dargestellten Entscheidung zitierten) Entscheidung zu 8 ObA 68/20p hat sich der OGH bereits festgelegt, Nichtverlängerungserklärungen von wiederholt befristeten Dienstverhältnissen nicht als anfechtbare Kündigungs- bzw Beendigungserklärungen anzusehen.192