98Keine Aufklärungspflicht über die Möglichkeit der Geltendmachung des Fahrtkostenzuschusses
Keine Aufklärungspflicht über die Möglichkeit der Geltendmachung des Fahrtkostenzuschusses
Der Kl war von 5.11.2012 bis 31.12.2019 im Wohn- und Pflegeheim der bekl Gemeinde als Pflegehelfer beschäftigt. Ihm war bewusst, dass sein Dienstverhältnis auf dem (Tiroler) Gemeinde-Vertragsbedienstetengesetz 2012 (G-VBG 2012) basiert. Er kündigte sein Dienstverhältnis zum 31.12.2019 auf und wurde von 29.11. bis 31.12.2019 dienstfrei gestellt.
Bei der Einstellung des Kl wurde von der Bekl ein Mitarbeiter-Stammblatt angelegt, aus dem sich auch seine (unstrittig mehr als 2 km entfernte) Adresse in W* ergab. Über allfällige Fahrtkostenzuschüsse oder darüber, wie der Kl seine Arbeitsstelle erreichte, wurde nicht gesprochen. Dem (für finanzielle Aspekte des Dienstverhältnisses nicht zuständigen) Heimleiter war nicht bekannt, dass ein Fahrtkostenzuschuss beantragt werden muss. Im Herbst 2019 bemerkte der Kl, dass ein Arbeitskollege einen Fahrtkostenzuschuss bekam und sprach mit dem (neuen) Heimleiter darüber. Diesem war der Fahrtkostenzuschuss auch nicht bekannt. Er holte Informationen ein und informierte den Kl darüber, dass ihm seit 2012 ein Fahrtkostenzuschuss zugestanden wäre. Die Bekl informierte im Oktober 2019 in der Folge alle Mitarbeiter darüber, dass Fahrtkostenzuschüsse beantragt werden müssten und legte ein entsprechendes Formular auf. Seither werden neue Mitarbeiter auf diese Möglichkeit hingewiesen. Nach einem an die Bekl gerichteten Aufforderungsschreiben der AK Tirol vom 11.11.2019 langte am 18.11.2019 bei der Bekl der Antrag des Kl auf Gewährung eines Fahrtkostenzuschusses nach § 64 G-VBG ein. Im Dezember 2019 wurde der Fahrtkostenzuschuss von € 20,- ausbezahlt.
Mit seiner am 13.12.2019 beim Erstgericht eingebrachten Mahnklage begehrte der Kl die Zahlung von € 720,- brutto samt 8,58 % Zinsen seit 11.11.2019 an Fahrtkostenzuschuss für die Zeit von Dezember 2016 bis November 2019. Die Bekl hätte den Kl auf die Möglichkeit des Bezugs eines Fahrtkostenzuschusses hinweisen müssen, zumal es nicht Aufgabe des AN als juristischen Laien sein könne, sich hinreichende Kenntnis über mögliche Zulagen, Zuschläge oder Zuschüsse zu verschaffen.
Die Bekl bestritt und beantragte Klagsabweisung. Das Erstgericht wies die Klage ab. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl teilweise Folge und änderte das Ersturteil durch Zuspruch des Hauptbegehrens zuzüglich Zinsen von 4 % seit 21.12.2019 ab.
In ihrer ordentlichen Revision beantragte die Bekl die Abänderung des Berufungsurteils iS einer Wiederherstellung des klagsabweisenden Ersturteils; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Kl beantragte, die Revision zurückzuweisen, in eventu, ihr keine Folge zu geben.
Die Revision war laut OGH zulässig und berechtigt, weshalb das klagsabweisende Urteil des Erst198gerichts, soweit es noch nicht in Rechtskraft erwachsen ist, wiederherzustellen war.
§ 64 Abs 8 G-VBG 2012 fordert vom Vertragsbediensteten zur Geltendmachung des Fahrtkostenzuschusses eine schriftliche Meldung aller anspruchsbegründenden Tatsachen. Wie auch aus der Rsp des VwGH zu der nahezu wortgleichen Bestimmung des § 20b Abs 8 GehG 1956 in der bis 31.12.2007 in Geltung gestandenen Fassung hervorgeht, kann diese Notwendigkeit der schriftlichen Meldung nicht durch telefonische Erklärungen oder Äußerungen gegenüber den Kollegen und dem Vorgesetzten über den Hausbau und eine Wohnungsnahme ersetzt werden. Auch entsprechende Nachforschungspflichten wurden bereits vom VwGH verneint.
Davon, dass der Kl vor dem 18.11.2019 nicht iSd § 64 Abs 8 G-VBG alle anspruchsbegründenden Tatsachen schriftlich gemeldet hatte, sind auch die Vorinstanzen zutreffend ausgegangen, hatte der Kl der Bekl doch keine Informationen dazu erteilt, ob er die Wegstrecke zwischen seiner Wohnung und der Dienststelle „an den Arbeitstagen regelmäßig zurücklegt“ (§ 64 Abs 1 G-VBG 2012). Vom Kl wurde auch nicht behauptet, dass er durch Erklärung beim AG einen Pauschbetrag nach § 16 Abs 1 Z 6 lit d EStG 1988 in Anspruch genommen hatte, woran aber § 1 Abs 3 der genannten VO iVm § 64 Abs 3 G-VBG 2012 zur Geltendmachung des monatlichen Fahrtkostenzuschusses von € 20,- anknüpft. Vielmehr steht fest, dass der Kl „zumindest im Februar 2019“ kein Pendlerpauschale bezogen hatte.
Wie etwa zu OGH vom 17.5.2018, 9 ObA 26/18s, ausgeführt, kann aus den § 1157 ABGB und § 18 AngG eine allgemeine Verpflichtung des AG zur Aufklärung des AN über AN-Rechte nicht abgeleitet werden, sodass keine generelle Verpflichtung des AG zu einer solchen Aufklärung besteht.
Besondere Umstände für eine konkrete Pflicht der Bekl, auf die Möglichkeit eines Fahrtkostenzuschusses nach § 64 G-VBG 2021 hinzuweisen, sind hier nicht ersichtlich, weil die Bekl nur Kenntnis vom Wohnort des Kl (und damit der Entfernung zur Arbeitsstätte) hatte, nicht aber etwa, ob und gegebenenfalls wie der Kl die Wegstrecke an Arbeitstagen regelmäßig zurücklegte. Der Kl hatte ihr gegenüber auch nicht erklärt, das Pendlerpauschale (§ 16 Abs 1 Z 6 lit d EStG 1988) in Anspruch zu nehmen, wovon aber nach § 1 Abs 3 der zitierten Verordnung der begehrte Fahrtkostenzuschuss abhängt. Eine rechtliche Verpflichtung der Bekl, den Kl über die Möglichkeit der Geltendmachung des Fahrtkostenzuschusses iSd § 64 G-VBG 2012 aufzuklären, ist hier daher nach Lage des Falls zu verneinen.