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Aliquote Anrechnung von Vordienstzeiten bei schwankendem Beschäftigungsausmaß und Berücksichtigung von Ferienzeiten

RICHARDHALWAX

Die Kl arbeitete vom 1.8.2009 bis 31.7.2013 an einer Privatschule in Berlin. Seit 2.9.2013 steht sie in einem Dienstverhältnis zum bekl Bund, wobei sie an einer AHS dieselben beiden Fächer wie bereits in Deutschland unterrichtet.

Die Kl stellte mit ihrer Klage ein Zahlungsbegehren und begehrte zudem zu ihren Gunsten gegenüber dem bekl Bund im Wesentlichen festzustellen, „dass die bekl Partei verpflichtet ist, der kl Partei auch weiterhin Bezüge in jener Höhe zu bezahlen, die sich daraus ergeben, dass die Vordienstzeiten von 1.8.2009 bis 31.7.2013 zur Gänze iSd § 26 VBG angerechnet werden, sodass zum 7.9.2015 ein Besoldungsdienstalter von 8 Jahren, 3 Monaten und 27 Tagen gegeben war, daher eine Einstufung l1, Entlohnungsstufe 5 mit nächster Vorrückung 1.6.2017“.

Das Erstgericht traf mit seinem das Zahlungsbegehren ausklammernden Teilurteil die Feststellung, dass die bekl Partei verpflichtet ist, der Kl auch weiterhin Bezüge in jener Höhe zu bezahlen, die sich daraus ergeben, dass die Vordienstzeiten von 1.8.2009 bis 31.7.2013 anzurechnen seien, mit der Modifikation, dass es 927,29 anzurechnende Tage annahm, und wies das Feststellungsmehrbegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte unter Hinweis auf die Richtigkeit der erstgerichtlichen Rechtsanschauungen diese E. Es ließ die ordentliche Revision mangels Rsp des OGH zur Frage zu, ob und in welchem Ausmaß die Ferienzeiten eines Lehrers nach § 26 Abs 3 VBG als Vordienstzeit anzurechnen sind.

Gegen das Berufungsurteil richtet sich die wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision der Kl mit dem Antrag, ihrem Feststellungsbegehren zur Gänze stattzugeben. Der Revision wurde teilweise Folge gegeben und die Urteile der Vorinstanzen abgeändert.

Im Revisionsverfahren war nur mehr strittig, ob die im Dienstverhältnis zum Träger der deutschen Schule zurückgelegten Dienstzeiten zur Gänze oder (aufgrund des herabgesetzten, von Jahr zu Jahr schwankenden Beschäftigungsausmaßes) nur aliquot, sowie ob die in den Zeiten des Dienst199verhältnisses enthaltenen Ferienzeiten zur Gänze oder bloß teilweise, als Vordienstzeiten nach § 26 Abs 3 VBG anzurechnen sind.

Gem § 26 Abs 3 Satz 1 VBG 1948 idgF sind über die in § 26 Abs 2 angeführten Zeiten hinaus „Zeiten der Ausübung einer einschlägigen Berufstätigkeit oder eines einschlägigen Verwaltungspraktikums als Vordienstzeiten anrechenbar“. Dass die Unterrichtstätigkeit der Kl in Deutschland „einschlägig“ war, ist im Revisionsverfahren nicht mehr strittig.

Bei § 26 Abs 3 VBG kommt es auf die „Ausübung“ der (einschlägigen) Berufstätigkeit an. Dies wird als Erfordernis einer tatsächlichen Berufstätigkeit verstanden und aus diesem abgeleitet, dass Zeiten einer Nichtausübung des Berufs nicht anrechenbar sind, weil in diesen keine Berufserfahrung erworben wurde. Abwesenheiten, die zu einem gewöhnlichen Berufsleben zu zählen sind, wie etwa ein Erholungsurlaub, Krankenstand oder Beschäftigungsverbot, können dabei aber außer Betracht bleiben.

Grundsätzlich gehören so wie in Österreich auch in Berlin die Ferien zum gewöhnlichen Schuljahr. Wenn und insoweit die Kl damit in den Ferien keine eigentliche berufliche Erfahrung durch Unterrichtstätigkeit sammeln konnte, so ist dies weder für Österreich noch für Deutschland atypisch, sondern liegt in den Besonderheiten des allgemeinen Schulbetriebs begründet und rechtfertigt damit nicht ein Ausscheiden dieser Zeiten iSd § 26 Abs 3 VBG.

Zum anderen liegt der Betrachtung der Vorinstanzen das Missverständnis zugrunde, Ferienzeiten wären für Lehrer automatisch Urlaub. Dies ist weder für Österreich noch – hier allein interessierend – für Deutschland richtig.

Der Wortlaut des § 26 Abs 3 VBG sieht eine Anrechnung von Zeiten einer Berufstätigkeit vor, „insoweit“ diese eine fachliche Erfahrung vermitteln. Daraus ist abzuleiten, dass bei einem (im Verhältnis zur Normalarbeitszeit) reduzierten Beschäftigungsausmaß auch nur eine entsprechend aliquote Anrechnung der Vordienstzeiten erfolgen kann. Nach der gewöhnlichen Lebenserfahrung ist davon auszugehen, dass bei einem geringeren Beschäftigungsausmaß innerhalb desselben Zeitraums weniger Erfahrung erworben wird.

Eine Anrechnung von Vordienstzeiten in Anwendung des pro-rata-temporis-Grundsatzes ist jedenfalls auch sachlich gerechtfertigt, wenn nur einschlägige Zeiten angerechnet werden, die ganz konkret eine einschlägige fachliche Erfahrung vermitteln, und zudem eine Tätigkeit vorliegt, bei dem ein höheres Beschäftigungsausmaß in der Regel zu einem Zugewinn an Kompetenzen bzw Fähigkeiten führt. Gerade bei der Lehrtätigkeit an einer Schule liegt es auf der Hand, dass mit zunehmendem Ausmaß der Lehrverpflichtung es wahrscheinlicher wird, dass der Lehrer mit besonderen Konstellationen – zB Problemschülern – konfrontiert ist und folglich auch seine Erfahrung und Kompetenz im Umgang mit solchen Konstellationen zunimmt.

Nach der gewöhnlichen Lebenserfahrung kann aber auch davon ausgegangen werden, dass ab einem bestimmten intensiven Beschäftigungsausmaß kein nennenswerter Erfahrungszugewinn durch ein noch höheres Beschäftigungsausmaß erzielbar ist. Daher kann typischerweise von einer vollen Anrechenbarkeit ausgegangen werden, wenn die frühere Tätigkeit in einem Ausmaß von zumindest 80 % ausgeübt wurde. Ausgehend davon haben die Vorinstanzen zutreffend der Kl jenes Schuljahr, in der ihre Lehrverpflichtung die Grenze von 80 % überschritt, voll angerechnet, ansonsten aber entsprechend dem jeweiligen Beschäftigungsausmaß eine Aliquotierung nach dem Grundsatz pro rata temporis vorgenommen.