84Entlassung wegen herabwürdiger Äußerungen gegenüber Studentin gerechtfertigt
Entlassung wegen herabwürdiger Äußerungen gegenüber Studentin gerechtfertigt
Der Kl war bei der Bekl viele Jahre lang als Vortragender beschäftigt. Am 13.10.2020 tätigte der Kl im Zuge einer von ihm abgehaltenen Lehrveranstaltung herabwürdigende und herabsetzende Äußerungen gegenüber einer Studentin. Noch am selben Tag (Montag, den 17.10.2020), als der Geschäftsführer der Bekl von dem Vorfall erfuhr, wurde der Kl dienstfrei gestellt. Nach zweimaliger Rücksprache mit ihrer Rechtsvertretung (17./18.10. 2020 und 19.10.2020) und Erörterung der Angelegenheit im Führungsgremium der Bekl (19.10.2020) sprach die Bekl am 20.10.2020 die Entlassung des Kl in Anbetracht der getätigten Äußerungen wegen Vertrauensunwürdigkeit nach § 27 Z 1 AngG aus. Die Entlassung wurde vom Kl angefochten.
Das Berufungsgericht sah die Entlassung des Kl wegen Vertrauensunwürdigkeit als berechtigt an und hielt ua fest, dass die vom Kl gewählten Äußerungen weder mit dem Argument der „Freiheit der Lehre“ noch mit seinem festgestellten „pointierten“ Vortragsstil gerechtfertigt werden können. Weiters ging das Berufsgericht aufgrund der Schwere der Entgleisung des Kl und der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, dass sich derartige Vorfälle auch in Zukunft wieder ereignen werden, von der Unzumutbarkeit seiner Weiterbeschäftigung aus.
Die gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts an den OGH gerichtete außerordentliche Revision des Kl wurde gem § 508a Abs 2 ZPO mangels Vorliegens der Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO als unzulässig zurückgewiesen.
Der OGH hielt in seinen rechtlichen Ausführungen fest, dass das Vorliegen der Voraussetzungen für eine gerechtfertigte vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses immer nur aufgrund der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden kann. Bei der Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten des 177Angestellten den Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit nach § 27 Z 1 AngG erfüllt, kommt es insb darauf an, ob für den DG vom Standpunkt vernünftigen kaufmännischen Ermessens die gerechtfertigte Befürchtung bestand, dass seine Belange durch den Angestellten gefährdet seien, wobei nicht das subjektive Empfinden des DG entscheidend ist, sondern an das Gesamtverhalten des Angestellten – unter Berücksichtigung der nach den Begleitumständen des Einzelfalles und der gewöhnlichen Verkehrsauffassung – ein objektiver Maßstab anzulegen ist. Da dies immer nur aufgrund der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden kann, liegt keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung vor.
Nach der Rsp und Lehre bedarf es für die Geltendmachung des Entlassungsgrundes der Vertrauensunwürdigkeit gem § 27 Z 1 AngG grundsätzlich keiner vorangegangenen Ermahnung oder Verwarnung.
Ergänzend führte der OGH aus, dass Entlassungsgrundsätze in der Regel unverzüglich geltend zu machen sind. Der Grundsatz, dass die Entlassung unverzüglich auszusprechen ist, beruht auf der Überlegung, dass ein AG, der eine Verfehlung seines AN nicht sofort mit der Entlassung beantwortet, dessen Weiterbeschäftigung nicht als unzumutbar ansieht und auf die Ausübung des Entlassungsrechts im konkreten Fall verzichtet. Vorläufige Maßnahmen, wie zB die bis zur Klärung der tatsächlichen oder rechtlichen Lage vorgenommene Suspendierung eines AN, können die Annahme eines Verzichts des AG auf die Ausübung des Entlassungsrechts verhindern, wobei das Erfordernis der Unverzüglichkeit der vorzeitigen Auflösung nicht überspannt werden darf. Die Frage, ob der Ausspruch der Entlassung verspätet erfolgt ist, und der DN berechtigt davon ausgehen durfte, dass der DG auf die Geltendmachung des Entlassungsrechts verzichtet hätte, ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig.
Der OGH sah die Beurteilung des Berufungsgerichts nicht als korrekturbedürftig an. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach die Entlassung des Kl rechtzeitig erfolgt sei, entspricht nach der Lage des gegenständlichen Falls den dargelegten Grundsätzen der Rsp.
Mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung gab der OGH der außerordentlichen Revision des Kl daher nicht Folge.