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Kein Erwerb von Schwerarbeitszeiten während des Bezugs von Krankengeld

ALEXANDERDE BRITO

Zeiten des Bezugs von Krankengeld nach § 138 ASVG können nicht als Schwerarbeitszeiten iSd SchwerarbeitsV qualifiziert werden.

Sachverhalt

Der 1958 geborene Kl bezog in den Monaten April 2006 und Juli 2007 bis Oktober 2007 nach Ausschöpfung seines Entgeltfortzahlungsanspruchs Krankengeld nach § 138 ASVG während des aufrechten Bestands seines Dienstverhältnisses. Verfahrensgegenstand war die Qualifikation dieser Zeiten als Schwerarbeitszeiten iSd § 607 Abs 14 ASVG, § 4 Abs 3 Z 1 und Abs 4 APG.

Verfahren und Entscheidung

Die bekl Pensionsversicherungsanstalt sprach mit Bescheid aus, dass der Kl in gewissen Zeiträumen Schwerarbeitszeiten erworben habe. Der Kl begehrte die Feststellung von Schwerarbeitsmonaten auch für die Monate, während derer er Krankengeld nach Ende des Entgeltfortzahlungsanspruches bezogen hatte.

Das Erstgericht gab der Klage hinsichtlich der weiteren Schwerarbeitsmonate statt. Das Berufungsgericht änderte das Urteil über Berufung der Bekl dahin ab, dass es die fraglichen Monate nicht als Schwerarbeitsmonate feststellte. Es ließ die Revision mit der Begründung zu, es bestehe keine höchstgerichtliche Rsp zur Frage, ob Zeiten der Teilversicherung nach § 8 Abs 1 Z 2 lit c ASVG als Schwerarbeitsmonate nach § 607 Abs 14 ASVG bzw § 4 Abs 3 Z 1 und Abs 4 APG qualifiziert werden könnten.

Dagegen richtet sich die Revision des Kl, mit der er die Wiederherstellung des klagestattgebenden Urteils des Erstgerichts anstrebt; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag. Der OGH hielt die Revision für zulässig, aber für nicht berechtigt.

Originalzitate aus der Entscheidung

„[…] 2.1. Nach § 4 SchwerarbeitsV […] ist ein Schwerarbeitsmonat jeder Kalendermonat, in dem eine oder mehrere Tätigkeiten nach § 1 Abs 1 der SchwerarbeitsV zumindest in jenem Ausmaß aus221geübt werden, das einen Versicherungsmonat im Sinn des § 231 Z 1 lit a ASVG begründet. Arbeitsunterbrechungen bleiben dabei außer Betracht, solange die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung weiter besteht. […]

2.2. […] Demnach ist bei der Feststellung von Schwerarbeitszeiten vom Grundsatz auszugehen, dass nur tatsächlich geleistete Schwerarbeit und tatsächliche Beanspruchung durch Schwerarbeit im konkreten […] Monat einen Schwerarbeitsmonat begründen kann […]. […] Demnach ist maßgeblich, ob eine Schwerarbeit darstellende Tätigkeit tatsächlich im Mindestmaß von 15 Tagen im Kalendermonat ausgeübt wurde […].

2.3. Das Abstellen auf die tatsächliche Ausübung steht im Einklang mit der gesetzgeberischen Zielsetzung, wonach die Anerkennung von Schwerarbeitszeiten jenen Versicherten offen stehen soll, die im Rahmen ihrer Berufstätigkeit tatsächlich besonders belastenden Formen von Schwerarbeit ausgesetzt waren […].

3.1. Im vorliegenden Fall steht nicht die Qualifikation der vom Kläger tatsächlich ausgeübten Tätigkeit als Schwerarbeit in Frage, sondern die Beurteilung von Zeiten des Bezugs von Krankengeld nach § 138 ASVG als für die Qualifikation als Schwerarbeitsmonate unschädliche Arbeitsunterbrechungen gemäß § 4 Satz 2 SchwerarbeitsV.

3.2. Ausgehend von dieser Bestimmung können Zeiten des Urlaubsverbrauchs Schwerarbeitszeiten begründen, wenn während des Urlaubs, wäre fiktiv gearbeitet worden, Schwerarbeit geleistet worden wäre [...]. Dies wurde aus dem im Urlaubsrecht – insbesondere im Hinblick auf das Urlaubsentgelt nach § 6 UrlG – geltende ‚fiktive Ausfallsprinzip‘ abgeleitet.

Wesentlich für die (mögliche) Anerkennung von Zeiten des Urlaubsverbrauchs als Schwerarbeitszeiten ist unter Wertungsgesichtspunkten auch der damit angesprochene begrenzte Zeitraum von in der Regel fünf Wochen pro Arbeitsjahr. Demgegenüber wird die Möglichkeit, dass über Jahre Schwerarbeitszeiten erworben werden könnte, obwohl keine Schwerarbeit vorliegt, nicht als vom Zweck der SchwerarbeitsV gedeckt angesehen […].

3.3. Das Berufungsgericht hat bereits darauf hingewiesen, dass die Dauer des Krankengeldanspruchs nach § 139 ASVG weit über den zeitlichen Umfang eines Jahresurlaubs hinausgeht. Es führte auch zutreffend aus, dass die Bemessung des Krankengeldes nach § 141 ASVG auch nicht dem urlaubsrechtlichen Ausfallsprinzip […] folgt, sondern den Entgeltverlust nicht unbedingt zur Gänze ersetzt […].

3.4. Eine Beurteilung von Zeiten des Bezug von Krankengeld nach § 138 ZPO im Lichte des § 4 Satz 2 SchwerarbeitsV durch den Obersten Gerichtshof liegt noch nicht vor.

Zu 10ObS103/10k&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True" target="_blank">10 ObS 103/10k SSV-NF 24/58 wurde lediglich ausgesprochen, dass ‚Arbeitsunterbrechungen, die die Pensionsversicherung nicht beenden (zB Urlaub, Krankenstand)‘, außer Acht zu lassen seien. Dabei wurde nicht zwischen Zeiten der arbeitsrechtlichen Entgeltfortzahlung und solchen des Bezugs von Krankengeld nach § 138 ASVG differenziert […]. Soweit angemerkt wird, bei Arbeitsunterbrechungen ‚wie zB Krankenstand, Urlaub‘ gelte das Ausfallsprinzip (Pöltner/Pacic, ASVG [96. Erg-Lfg], Anhang SchwerarbeitsV Anm 16), wird offenkundig nicht auf den Bezug von Krankengeld nach § 138 ASVG, sondern auf die arbeitsrechtliche Entgeltfortzahlung abgestellt.

4. Ausgehend von den dargestellten Stellungnahmen ist als Zwischenergebnis festzuhalten, dass die in der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshof als maßgeblich angesehenen Wertungen – das Abstellen auf die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit, die Beachtung der zeitlichen Dauer der Unterbrechung der Tätigkeit sowie das Abstellen auf den am Ausfallsprinzip orientierten Entgeltbezug – keinen Anhaltspunkt dafür bilden, auch Zeiten des Bezugs von Krankengeld nach § 138 ASVG als Unterbrechung im Sinn des § 4 Satz 2 SchwerarbeitsV zu werten.

5.1. Gegen die Beurteilung von Zeiten des Bezugs von Krankengeld als – für die Qualifikation als Schwerarbeitszeiten unschädliche – ‚Arbeitsunterbrechung‘ gemäß § 4 Satz 2 SchwerarbeitsV spricht aber auch der bereits vom Berufungsgericht angesprochene Wechsel des Versicherungstatbestands, der mit dem Beginn des Krankengeldbezugs eintritt.

5.2. […] Die Teilversicherung ist im Verhältnis zur Vollversicherung […] nicht ein Minus, sondern ein Aliud, weil sie nicht etwa nur eine eingeschränkte Vollversicherung ist, sondern ein eigenes Rechtsinstitut darstellt […].

5.3. Zu berücksichtigen ist darüber hinaus, dass jene Zeiten nach dem 31.12.1955 und vor dem 1.1.2005, während derer der Versicherte nach dem 31.12.1970 Krankengeld bezog, gemäß § 227 Abs 1 Z 6 ASVG als Ersatzzeiten [… ] gelten. Durch das Pensionsharmonisierungsgesetz […] wurden für Personen, die […] nach dem 1.1.1955 geboren sind, die bisherigen Ersatzzeiten ab 1.1.2005 durch entsprechende Teilpflichtversicherungen in der Pensionsversicherung […] abgelöst […].

Es würde aber […] einen Wertungswiderspruch begründen, für Zeiten des Krankengeldbezugs, die ab dem 1.1.2005 in der Pensionsversicherung erworben wurden, die Möglichkeit der Anerkennung als Schwerarbeitsmonate nach § 4 SchwerarbeitsV zu eröffnen, während dies für die davor liegenden Zeiten des Bezugs von Krankengeld mangels Bestehens einer Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nicht in Betracht kam.

6. Im Ergebnis ist daher festzuhalten: Zeiten des Bezugs von Krankengeld nach § 138 ASVG können nicht als Schwerarbeitszeiten im Sinn der SchwerarbeitsV qualifiziert werden.“

Erläuterung

ISd restriktiven Konstruktion der Schwerarbeitsregelung und auch im Hinblick auf die bisherige 222Judikatur insgesamt war die E in dieser Form erwartbar. Die Anrechnung von Schwerarbeitszeiten, die nur „fiktiv“ geleistet wurden, entspräche auch nicht der Intention des Gesetzgebers. Die Abweisung der Revision erfolgte daher aus mehreren Gründen:

1. Schwerarbeit muss tatsächlich geleistet werden; Ausnahmen sind nur bei aufrechtem Dienstverhältnis und in eng begrenzten Zeiträumen möglich. Die bisherige Judikatur und Literatur hält den Erwerb von Schwerarbeitszeiten eben nur für „kurze Arbeitsunterbrechungen, die die PV nicht beenden (zB Urlaub, Krankenstand“) für möglich. Nach der vorliegenden E muss „Krankenstand“ wohl als Zeit der Entgeltfortzahlung durch den AG verstanden werden.

2. Die Teilversicherung in der PV während des Bezugs von Krankengeld ist im Verhältnis zur Vollversicherung nicht ein Minus, sondern etwas Anderes als die Pflichtversicherung bei Ausübung der Tätigkeit. Die Wandlung von ehemaligen Ersatzzeiten (wie eben den Krankengeldbezugszeiten) zu Beitragszeiten in der PV ab 1.1.2005 und damit eine Berücksichtigung als Zeiten der Schwerarbeit würde einen Wertungswiderspruch gegenüber Krankengeldbezugszeiten vor dem 1.1.2005 bedeuten.

3. Bei Berücksichtigung von Zeiten des Krankengeldbezugs als Schwerarbeitszeiten könnten sehr lange Zeiträume ohne (tatsächliche) Ausübung der Schwerarbeit zu einem Anspruch auf eine Schwerarbeitspension führen.