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Abfindung von Pensionsanwartschaften aufgrund eines Betriebsübergangs – Teilwertverfahren unter Berücksichtigung feststehender kollektivvertraglicher Zeitvorrückungen

MARTINACHLESTIL

Der Kl ist Flugkapitän und war seit 16.10.1991 bei der Bekl beschäftigt. Bis 30.6.2012 unterlag sein Dienstverhältnis dem KollV für das Bordpersonal der A* und L* (OS KollV Bord 2008) sowie dem Zusatz-KollV 2 (KollV-Alt). Gem Pkt 10 (63) KollV-Alt gebührte dem Kl eine leistungsorientierte Firmenpension im Ausmaß von 60 % der Bemessungsgrundlage. Der Kl wurde mit Schreiben vom 1.5.2012 vom zum 1.7.2012 bevorstehenden Betriebsübergang zur T* GmbH und den damit verbundenen Änderungen informiert, insb darüber, dass die Erwerberin gem § 5 Abs 1 AVRAG die leistungsorientierten Pensionskassenzusagen laut OS KollV Bord 2008 nicht übernehmen wird, sondern sich die Pensionszusagen ab dem Übergangsstichtag nach der Pensionskassen-BV der Nachfolgerin richten.183

Das Begehren des Kl ist auf Zahlung eines Abfindungsbetrags nach § 5 Abs 2 AVRAG gerichtet. Im Revisionsverfahren besteht unter den Parteien Konsens darüber, dass die Berechnung dieses Anspruchs nach versicherungsmathematischen Grundsätzen im Teilwertverfahren zu erfolgen hat. Strittig ist, welche Rechnungsparameter zugrunde zu legen sind.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren teilweise statt. Rechtlich ging es ua davon aus, dass für die Berechnung der Abfindung von einer Bemessungsgrundlage in Höhe des Gehalts auszugehen sei, das der Kl unter Einbeziehung künftiger Biennalsprünge zum frühestmöglichen gesetzlichen Pensionsalter (Korridorpension) erreicht hätte. Das Berufungsgericht hingegen vertrat die Ansicht, dass die Berechnung der Abfindung unter der Fiktion einer Beendigung des Dienstverhältnisses im Zeitpunkt des Betriebsübergangs zu erfolgen habe. Die Pensionszusage des Kl beziehe sich auf das zum Zeitpunkt der Beendigung gebührende letzte Bruttomonatsgehalt, künftige Biennalsprünge seien daher in die Teilwertberechnung nicht einzubeziehen.

Der OGH erachtete die dagegen gerichtete ordentliche Revision des Kl für zulässig und auch berechtigt. Er hat dazu Folgendes erwogen:

Das „Teilwertverfahren“ iSd § 5 Abs 2 AVRAG gehört versicherungsmathematisch zu den Gleichverteilungsverfahren, die die Kosten für die Versorgungszusage auf der Basis der bereits geleisteten und noch zu leistenden Dienstjahre bestimmen. Gleichverteilungsverfahren abstrahieren vom Leistungsplan und ermitteln einen konstanten, periodeneinheitlichen Kostensatz. Ausgehend von den zugesagten Leistungen und unabhängig davon, ob diese sich den einzelnen Dienstjahren zuordnen lassen, wird der Versorgungsaufwand gleichmäßig über die aktive Dienstzeit des AN verteilt. Das Gesetz selbst legt für die Berechnung des Abfindungsanspruchs bei leistungsorientierten Zusagen nur einige Parameter fest – Alter im Zeitpunkt der Erteilung der Zusage, Anfallsalter, einen je nach Bestehen eines Anspruchs auf Valorisierung differenzierenden Rechnungszinssatz. Im Übrigen verweist es aber auf die allgemeinen nach dem Teilwertverfahren und bei der Bildung von Rückstellungen anzuwendenden versicherungsmathematischen Grundsätze.

Der versicherungsmathematische Teilwert zu einem gegebenen versicherungstechnischen Alter ist definiert als Differenz zwischen dem Barwert der erwarteten künftigen Pensionsleistungen und dem Barwert der (fiktiven, ersparten) künftigen Prämien.

Die Rückstellungen für Pensionszusagen sind steuerrechtlich nach § 14 Abs 6 EStG, unternehmensrechtlich nach §§ 198 Abs 8 Z 4, 211 UGB zu bilden. Unternehmensrechtlich ist das Teilwertverfahren, bei dem bereits feststehende künftige Erhöhungen der Bemessungsrundlage wie die Biennalsprünge auf die Dauer des Dienstverhältnisses aufgeteilt werden, als allgemein üblich zu betrachten. Das entspricht der versicherungsmathematischen Praxis, wonach bei Rückstellungsberechnungen kollektivvertragliche Vorrückungen in der Regel berücksichtigt werden, um damit eine gleichmäßige Prämienverteilung über die gesamte Periode der aktiven Dienstzeit zu erreichen. Das gilt im Prinzip auch bei der Rückstellung nach dem Steuerrecht; nur die Berücksichtigung künftiger „Karrieresprünge“ ist steuerrechtlich untersagt.

Immer soll mit der Berechnung der auf Basis des Letztgehalts berechnete Barwert des Pensionsanspruchs – je nach versicherungsmathematischer Einschätzung – erreicht werden. Die sich wegen der Beendigung des Anwartschaftserwerbs ab Betriebsübergangsstichtag ergebende Aliquotierung des Barwerts der Pensionszusage ergibt sich aus der Formel der Teilwertberechnung und nicht aus dem Ansatz einer niedrigeren Bemessungsgrundlage.

In diesem Sinn sind auch die Materialien zu § 5 AVRAG (ErläutRV 1077 BlgNR 18. GP 13) zu interpretieren, wenn sie ohne weitere Erklärung ausführen, dass bei gehaltsabhängigen Pensionszusagen das Gehalt im Zeitpunkt des Betriebsübergangs den Berechnungen des Teilwerts zugrunde zu legen sei. Da das Dienstverhältnis mit dem Betriebsübergang endet, sind künftige pensionswirksame Karriereschritte und Gehaltsentwicklungen nicht zu prognostizieren. Sie sind aber insoweit einzubeziehen, als sie ausgehend von der Einstufung zum Betriebsübergangsstichtag bereits unabhängig von einem weiteren Willensentschluss des AG feststehen. Dies entspricht einem nach versicherungsmathematischen Grundsätzen errechneten Rentenbarwert und davon abgeleiteten Teilwert.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass bei der Berechnung der strittigen Pensionsabfindung von einer auf versicherungsmathematischen Grundsätzen beruhenden Bildung der Pensionsrücklage nach dem Teilwertverfahren unter Berücksichtigung feststehender kollektivvertraglicher Zeitvorrückungen auszugehen ist.184