36Schnittstelle vom Konkurrenzverbot zur Konkurrenzklausel am Beispiel von Angestellten von Wirtschaftstreuhändern
Schnittstelle vom Konkurrenzverbot zur Konkurrenzklausel am Beispiel von Angestellten von Wirtschaftstreuhändern
Eine „Mandantenschutzklausel“, die eine nachvertragliche Erwerbsbeschränkung bewirkt, unterliegt nach stRsp den §§ 36 und 37 AngG. Der Wirkungsbereich einer Klientenschutzklausel beginnt erst im Anschluss an die Beendigung des Dienstverhältnisses.
Das Verbot gem § 77 Abs 10 Wirtschaftstreuhand- Berufsgesetz (WTBG) gilt dagegen während der Vertragsdauer bis zur Beendigung des Rechtsverhältnisses mit dem Berufsberechtigten. Diese Bestimmung stellt keine in Gesetzesform ergangene Konkurrenzklausel gem § 36 AngG dar, sondern es handelt sich um eine berufsspezifische Konkretisierung des nach § 7 Abs 4 AngG während eines aufrechten Dienstverhältnisses geltenden Konkurrenzverbots.
Die Geltendmachung des gesetzlichen Anspruchs auf Ersatz des verursachten Schadens wegen Verstoßes gegen dieses Konkurrenzverbot unterliegt nicht den für vertragliche Konkurrenzklauseln geltenden Regelungen und Beschränkungen der §§ 36 f AngG, insb auch nicht der Einkommensgrenze nach § 36 Abs 2 AngG.
Die Bekl waren beim Kl, der als Wirtschaftstreuhänder tätig ist, seit 2008 als Bilanzbuchhalterinnen zu einem Bruttogehalt von jeweils weniger als 1.500 € (teilzeit-)beschäftigt. Die Bekl kündigten ihre Dienstverhältnisse zum 31.12.2015, nachdem sie eine Buchhaltungs OG gegründet hatten, in deren Rahmen sie nun selbstständig tätig sind.
Die Dienstverträge beider Bekl enthalten folgende Klausel mit der Überschrift „Klientenschutz“:
„Die Arbeitnehmerin verpflichtet sich, für die Dauer von zwei Jahren nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Klienten des DG weder mittelbar noch unmittelbar zu betreuen. Bei einer Verletzung dieser Bestimmung wird schon jetzt eine Vertragsstrafe in der Höhe des eineinhalbfachen durchschnittlichen Jahresumsatzes des DG mit den betreffenden Klienten vereinbart (...).“
Der Kl brachte vor, die Bekl hätten unter Verstoß gegen das Verbot gem § 88 Abs 8 WTBG idF BGBl I 58/1999bzw des gleichlautenden § 77 Abs 10 WTBG idgF noch während ihrer aufrechten Dienstverhältnisse mehrere namentlich genannte Klienten aktiv abgeworben. Die Bekl seien wegen vorsätzlicher Verletzung dieses Schutzgesetzes zum Ersatz des dadurch verursachten Schadens verpflichtet. Der Kl mache aus diesem Titel 85 % des mit den abgeworbenen Klienten durchschnittlich erzielten Jahresumsatzes geltend.
Die Bekl wandten ua die Unwirksamkeit eines Konkurrenzverbots ein, weil ihre zuletzt bezogenen 344 Gehälter den in § 36 Abs 2 AngG normierten Grenzbetrag nicht erreicht hätten.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Klagebegehren stütze sich auf eine gesetzliche Konkurrenzklausel, die im vorliegenden Fall ebenso wie eine vertragliche Klientenschutzklausel den Beschränkungen des § 36 AngG unterliege.
Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel des Kl nicht Folge und billigte die Rechtsausführungen des Erstgerichts. Der Anwendungsbereich des in § 77 Abs 10 WTBG geregelten Konkurrenzverbots unterscheide sich von jenem der spezielleren Norm des § 36 AngG, in dessen Abs 3 [richtig: 2] die Wirksamkeit einer Konkurrenzklausel gegenüber Angestellten begrenzt werde.
Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil der Frage, ob die Regelung des § 77 Abs 10 WTBG in Verbindung mit einer vereinbarten Klientenschutzklausel dem Anwendungsbereich des § 36 AngG unterliegt, eine über den Anlassfall hinausgehende Bedeutung zukomme.
Die [...] Revision des Kl [...] ist zulässig, weil die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts einer Klarstellung und Korrektur bedarf.
Die Revision ist iSd darin gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.
1. Nach Art II Abs 1 AngG findet dieses Gesetz auch auf das Dienstverhältnis von Personen Anwendung, die vorwiegend zur Leistung kaufmännischer oder höherer, nicht kaufmännischer Dienste oder zu Kanzleiarbeiten bei Wirtschaftstreuhändern angestellt sind. § 7 Abs 4 AngG ist (mit einer hier nicht relevanten Ausnahme) auf diese Dienstverhältnisse sinngemäß anzuwenden.
Gem § 36 Abs 2 AngG ist eine Vereinbarung nach Abs 1 leg cit, durch die der Angestellte für die Zeit nach der Beendigung des Dienstverhältnisses in seiner Erwerbstätigkeit beschränkt wird (Konkurrenzklausel), unwirksam, wenn sie im Rahmen eines Dienstverhältnisses getroffen wird, bei dem das für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührende Entgelt exklusive allfälliger Sonderzahlungen das Zwanzigfache der Höchstbeitragsgrundlage nach § 45 ASVG nicht übersteigt.
2. Die Streitteile haben mit der Verpflichtung der Bekl, während zweier Jahre nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Klienten des DG weder mittelbar noch unmittelbar zu betreuen, eine sogenannte „Mandantenschutzklausel“ oder „Klientenschutzvereinbarung“ mit Wirksamkeit für die Zeit nach dem Ende des Dienstverhältnisses vereinbart. Eine derartige Vereinbarung, die eine nachvertragliche Erwerbsbeschränkung bewirkt, unterliegt nach stRsp den §§ 36, 37 AngG (RIS-Justiz RS0118907; 8 ObA 21/04b = ZAS 2005/23 [Grießer]).
3. Der Kl begehrt im vorliegenden Fall aber gerade nicht die mit den Bekl für eine Betreuung seiner Klienten nach Beendigung des Dienstvertrags vereinbarte Vertragsstrafe, sondern Schadenersatz für eine Konkurrenztätigkeit, die von den Bekl unter Verstoß gegen (nunmehr) § 77 Abs 10 WTBG noch während ihrer aufrechten Dienstverhältnisse oder spätestens anlässlich ihrer Beendigung entfaltet worden sein soll.
Dem Berufungsgericht ist beizupflichten, dass § 77 Abs 10 WTBG als auch der vereinbarten, dem § 36 Abs 1 AngG unterliegenden Konkurrenzklausel ein ähnlicher Zweck zugrunde liegt. Beide dienen dem Schutz eines berechtigten wirtschaftlichen Interesses des DG, weil sich zwischen den für ihn tätigen Personen und den ständig von ihnen betreuten Klienten oft ein deren Abwerbung erleichterndes Vertrauensverhältnis entwickelt.
Der Anwendungsbereich der beiden Gesetzesbestimmungen unterscheidet sich jedoch.
Der Wirkungsbereich einer Klientenschutzklausel beginnt erst im Anschluss an die Beendigung des Dienstverhältnisses. Sie beschränkt den Angestellten für die Zeit danach in seiner Erwerbstätigkeit und im umfassenden Einsatz aller während des vorherigen Arbeitsverhältnisses rechtmäßig gewonnenen Informationen und Kenntnisse (9 ObA 59/15i; 9 ObA 185/05d mwN). Ohne gesonderte Vereinbarung würde eine solche nachvertragliche Beschränkung nicht bestehen, weil es DN grundsätzlich frei steht, ihre Qualifikationen bei künftigen AG gewinnbringend zu verwerten und im Fall des Wechsels in eine selbstständige Tätigkeit der Versuch, in den fremden Kundenkreis einzudringen, zum Wesen des Wettbewerbs gehört (vgl RS0078521).
Das Verbot gem § 77 Abs 10 WTBG gilt dagegen ex lege während der Vertragsdauer bis zur Beendigung des Rechtsverhältnisses mit dem Berufsberechtigten. Diese Bestimmung stellt, soweit sie sich auf Angestellte bezieht, entgegen der Auffassung der Vorinstanzen keine in Gesetzesform ergangene Konkurrenzklausel gem § 36 AngG dar, sondern es handelt sich um eine berufsspezifische Konkretisierung des nach § 7 Abs 4 AngG während eines aufrechten Dienstverhältnisses geltenden Konkurrenzverbots.
4. Wird gegen dieses Konkurrenzverbot verstoßen, ist der DG unter den sinngemäß anzuwendenden Voraussetzungen des § 7 Abs 3 AngG zum Ersatz des verursachten Schadens berechtigt. Die Geltendmachung dieses gesetzlichen Anspruchs unterliegt nicht den für vertragliche Konkurrenzklauseln geltenden Regelungen und Beschränkungen der §§ 36 f AngG, insb auch nicht der Einkommensgrenze nach § 36 Abs 2 AngG.
Der vom Berufungsgericht für seine vom erkennenden Senat nicht geteilte Rechtsansicht zitierten höchstgerichtlichen Judikatur (9 ObA 59/15i; 9 ObA 37/07t, 9 ObA 185/05d) lagen jeweils Klagsforderungen zugrunde, die auf vereinbarte Kundenschutzklauseln mit nachvertraglicher Erwerbsbeschränkung gegründet waren. Diese Rsp ist für den vorliegenden Fall, dem ein gesetzlicher Ersatzanspruch zugrunde liegt, nicht einschlägig.
5. Die Rechtsfrage der Qualifikation des geltend gemachten Anspruchs als Schadenersatz nach § 7 Abs 4 AngG wurde im bisherigen Verfahren mit den Parteien noch nicht erörtert. Zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung wird ihnen im fortgesetzten Verfahren Gelegenheit zu geben sein, zu den gesetzlichen Voraussetzungen, insb den Fristen nach § 7 Abs 3 AngG, Stellung zu nehmen und allfälliges Vorbringen zu erstatten. 345
Ein Konkurrenzverbot für die Zeit des aufrechten Bestandes des Arbeitsverhältnisses gab es ursprünglich nur in § 35 Wirtschaftstreuhänder- Berufsordnung. Im AngG war ein solches nicht enthalten. Erst mit BGBl 1975/418wurde in Art II Abs 1 AngG die Anwendbarkeit des AngG auf Angestellte bei Wirtschaftstreuhändern und im Speziellen die sinngemäße Anwendbarkeit von § 7 Abs 4 AngG vorgesehen. Dieser untersagt Angestellten „Aufträge, die in das Gebiet der geschäftlichen Tätigkeit des Dienstgebers fallen, auf eigene oder fremde Rechnung zu übernehmen, sofern dadurch das geschäftliche Interesse des Dienstgebers beeinträchtigt wird. ... Übertritt der Angestellte diese Vorschrift, so kann der Dienstgeber Ersatz des verursachten Schadens fordern.“
Mit BGBl I 1999/58wurde in § 88 Abs 8 Wirtschaftstreuhand- Berufsgesetz (WTBG) eine eigene Konkurrenzverbotsregelung aufgenommen. Danach durften Personen, die für einen Berufsberechtigten in welchem Rechtsverhältnis auch immer tätig sind, „während, innerhalb und anlässlich der Beendigung dieser Tätigkeit nur mit Zustimmung des Berufsberechtigten 1. Aufträge oder Bevollmächtigungen von dessen Klienten selbst übernehmen oder 2. dessen Klienten anderen Berufsberechtigten zuführen“. Diese Regelung wurde mit BGBl I 2017/137 ab 16.9.2017 in § 77 Abs 10 WTGB übernommen und entspricht im Wesentlichen § 7 Abs 4 AngG. Es handelt sich dabei und bei der Vorgängerregel des § 88 Abs 8 WTBG nicht um eine nachvertragliche Konkurrenzklauselbestimmung, sondern eben um ein Konkurrenzverbot während aufrechten Arbeitsverhältnisses (insoweit unzutreffend OGH 18.2.2014, 8 ObA 72/13s und Reissner in Reissner [Hrsg], AngG3 [2019] § 36 Rz 34; in dieser E ging es um eine Konkurrenztätigkeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses; unzutreffend daher auch Resch in Löschnigg [Hrsg], Angestelltengesetz II9 [2012] § 36 Rz 22). In der Vorentscheidung OGH8 ObA 58/08z vom 14.10.2008 war es offenbar um die Interpretation des Begriffes „Zuführen“ in einer (nachvertraglichen) Kundenschutzklausel gegangen. In dieser Vorentscheidung war mit Zwischenurteil über den Anspruchsgrund entschieden worden.
Wie oben zu 1. ausgeführt, hat § 88 Abs 8 WTBG, so wie jetzt § 77 Abs 10 WTBG, nur für die Zeit des aufrechten Arbeitsverhältnisses gegolten. In casu hatte sich der AG bei seiner Schadenersatzklage nur auf das WTBG gestützt, nicht aber auf die vertraglich vereinbarte Konkurrenzklausel, die jedoch festgestellt worden ist. §§ 36 f AngG beziehen sich nur auf Konkurrenzklauseln, also auf Regelungen für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, welche Konkurrenztätigkeiten durch den ehemaligen AN zu beschränken versuchen. Durchschnittliche Klientenschutzklauseln, die auch als Kundenschutzklauseln bezeichnet werden, für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses fallen nach ganz hM unter die Beschränkungen von §§ 36 f AngG und damit auch unter die Entgeltgrenze des § 36 Abs 2 AngG (siehe nur RIS-Justiz RS0118907; Kohlegger in Reissner, aaO § 36 Rz 34 mwN zu Judikatur und Literatur). Vom Erstgericht wurde die Zulässigkeitsbeschränkung für Konkurrenzklauseln in § 36 Abs 2 AngG, wonach eine Konkurrenzklausel unwirksam ist, „wenn sie im Rahmen eines Dienstverhältnisses getroffen wird, bei dem das für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührende Entgelt das Zwanzigfache der Höchstbeitragsgrundlage nach § 45 ASVG nicht übersteigt“, jedoch auf das gesetzliche Konkurrenzverbot im WTBG angewendet. Das Berufungsgericht teilte diese Rechtsansicht, wobei jedoch nicht recht verständlich ist, wieso – entsprechend der Wiedergabe in der E des OGH – dies gerade im Gegenteil mit dem unterschiedlichen Anwendungsbereich des in § 77 Abs 10 WTBG geregelten Konkurrenzverbots zu § 36 Abs 3 (richtig: 2) begründet worden ist. Diese Begründung hätte vielmehr erwarten lassen, die Beschränkung des § 36 Abs 2 AngG auf das gesetzliche Konkurrenzverbot des § 77 Abs 10 WTBG als nicht anwendbar anzusehen.
Das Berufungsgericht hat die Zulässigerklärung der ordentlichen Revision damit begründet, dass die Frage, ob die Regelung des § 77 Abs 10 WTBG iVm einer vereinbarten Klientenschutzklausel dem Anwendungsbereich des § 36 AngG unterliegt, eine über den Anlassfall hinausgehende Bedeutung zukommt. Gerade auch aufgrund des in der E des OGH wiedergegebenen Vorbringens des AG, der sich danach ausschließlich auf das gesetzliche Konkurrenzverbot im WTBG berufen hatte und nicht (auch) auf die vereinbarte (nachvertragliche) Klientenschutzklausel, verwundert diese Begründung. Demnach hätte der Klientenschutzklausel ja gar keine Bedeutung für das Verfahren zukommen können. Es ist aber tatsächlich die Schnittstelle zwischen gesetzlichem Konkurrenzverbot und einer vereinbarten Konkurrenzklausel, hier Klientenschutzklausel, welche problematisch ist. Der OGH hat sich freilich damit nicht befasst, sondern lediglich – insoweit zutreffend – ausgeführt, dass die Beschränkung des § 36 Abs 2 AngG nur für vertragliche Konkurrenzklauseln, nicht aber für das gesetzliche Konkurrenzverbot während aufrechten Arbeitsverhältnisses gilt. § 36 Abs 2 AngG bezieht sich eindeutig als Teil der Regelung über die Konkurrenzklausel nur auf Vereinbarungen, die für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gelten (siehe § 36 Abs 1 AngG: „Eine Vereinbarung, durch die der Angestellte für die Zeit nach der Beendigung des Dienstverhältnisses in seiner Erwerbstätigkeit beschränkt wird...“). Für das gesetzliche Konkurrenzverbot, auch jenes des § 7 AngG, kann diese Beschränkung aufgrund der Systematik des AngG nicht gelten. Es wurde dies 346 auch, soweit zu sehen ist, bisher noch nie vertreten. Die Beschränkung des § 36 Abs 2 AngG erfolgt deshalb, weil der Gesetzgeber davon ausgeht, dass AN, deren Einkommen eine bestimmte Höhe nicht überschreitet, in ihrer Konkurrenztätigkeit für den AG nicht so schädlich sein können, dass sie in ihrer Erwerbsfreiheit durch eine nachvertragliche Konkurrenzklausel beschränkt werden dürfen. Erwerbsfreiheit und Konkurrenzklausel stehen ohnedies generell in einem großen Spannungsverhältnis. Während aufrechten Arbeitsverhältnisses hingegen ist die Bindung des AN an den AG und dessen Interessen von Gesetzes wegen in vollem Umfang gegeben, was sich eben am gesetzlichen Konkurrenzverbot des § 7 AngG bzw § 88 Abs 8 / § 77 Abs 10 WTBG ganz deutlich zeigt. Während aufrechten Arbeitsverhältnisses kommt den Interessen des AG ein besonderer Schutz zu. Die Treuepflicht des AN gegenüber dem AG, die von engen Ausnahmen abgesehen nur während des aufrechten Arbeitsverhältnisses besteht, untersagt dem AN eine konkurrenzierende Tätigkeit. Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses sind die gegenseitigen Bindungen im Wesentlichen entfallen und bedarf es eben einer vereinbarten Konkurrenzklausel, um dem AN weiterhin eine Konkurrenztätigkeit zu verbieten. Dieses Recht zur Beschränkung der Erwerbsfreiheit des AN beschränkt der Gesetzgeber durch die Entgeltgrenze in § 36 Abs 2 AngG. Diese liegt 2021 für ab 17.3. (Angestellte) bzw 18.3. (Arbeiter) 2006 bis 28.12.2015 vereinbarte Konkurrenzklauseln bei monatlich € 3.145,– brutto inklusive Sonderzahlungen, für ab 29.12.2015 abgeschlossene bei monatlich € 3.700,– brutto ohne Sonderzahlungen. Davor abgeschlossene sind von keiner Entgeltgrenze abhängig.
Nach dem festgestellten Sachverhalt hatten die AN noch während ihrer aufrechten Arbeitsverhältnisse mehrere Klienten aktiv abgeworben. Das Abwerben ist sohin in die Zeit der Geltung des gesetzlichen Konkurrenzverbots gefallen, für welches die entgeltmäßige Beschränkung des § 36 Abs 2 AngG nicht gilt. Es fehlt aber eine Feststellung, wann der Schaden durch das Abwerben der Klienten eingetreten ist, noch während oder nach Beendigung der Arbeitsverhältnisse. Das bloße Abwerben der Klienten lässt offen, ob jene Geschäfte, aus denen dem AG der Schaden entstanden ist, noch während aufrechten Arbeitsverhältnisses oder erst danach gemacht wurden. Durchaus denkbar, dass diese Geschäfte erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgeschlossen wurden. Die Feststellung, dass die AN zum 31.12.2015 kündigten, nachdem sie eine Buchhaltungs OG gegründet hatten, in deren Namen sie „nun“ selbstständig tätig sind, legt dies sogar nahe. Das „nun“ könnte sich auf die Zeit nach Ende des Arbeitsverhältnisses mit 31.12.2015 beziehen. Sollte dies aber so gewesen sein, stellt sich die Schnittstellenproblematik zwischen gesetzlichem Konkurrenzverbot und nachvertraglicher Konkurrenzklausel, hier Klientenschutzklausel, in voller Schärfe: Ist auf das Abwerben abzustellen – dann Verstoß gegen das gesetzliche Konkurrenzverbot und keine Beschränkung gem § 36 Abs 2 AngG – oder auf den Abschluss der Geschäfte mit den abgeworbenen Kunden – dann Anwendbarkeit der Beschränkung des § 36 Abs 2 AngG auf die an sich sonst zur Anwendung kommende nachvertragliche Konkurrenzklausel (?). Diese Schnittstellenproblematik könnte vom Berufungsgericht gesehen worden sein und erklären, wieso dieses die ordentliche Revision an den OGH für zulässig erklärt hat. Der OGH ist hingegen darauf nicht eingegangen.
Der OGH hat bei Entlassungsprozessen wegen Handlungen des AN, die (zum Teil) noch vor der Gründung eines selbstständigen Unternehmens durch den AN vorgenommen worden sind, die Berechtigung der Entlassung auf den Entlassungstatbestand der Vertrauensunwürdigkeit gem § 27 Z 1 AngG gestützt und nicht auf jenen der Konkurrenztätigkeit gem § 27 Z 3 AngG (RIS-Justiz RS0029410). Allerdings gilt dies nur für die in diesem Rechtssatz zitierten Entscheidungen OGH 30.6.1999, 9 ObA 72/99z und OGH 4.6.1985, 4 Ob 68/85. In der dort ebenfalls angeführten OGH-E vom 31.8.1988, 9 ObA 170/88, nach welcher sogar der Entlassungstatbestand der Untreue im Dienst verwirklicht worden war, hat der OGH auch die Verwirklichung des Entlassungstatbestandes des § 27 Z 3 AngG angenommen. In der ebenfalls angeführten OGH-E 13.3.1991, 9 ObA 30/91, wurde – entgegen dem Rechtssatz – vom Entlassungsgrund des § 27 Z 3 AngG, also wegen Verstoßes gegen das gesetzliche Konkurrenzverbot, ausgegangen und vom OGH nur zusätzlich darauf hingewiesen, dass auch der Entlassungstatbestand des § 27 Z 1 AngG (Vertrauensunwürdigkeit) erfüllt worden ist.
Warum der OGH in jenen Entscheidungen, in denen er die Entlassung nicht auch auf einen Verstoß gegen das gesetzliche Konkurrenzverbot und damit auch auf § 27 Z 3 AngG gestützt hat, nur Bezug auf bloße Vorbereitungshandlungen zum Betreiben eines selbstständigen kaufmännischen Unternehmens (§ 27 Z 3 1. Tatbestand AngG) genommen hat und nicht auch auf Handelsgeschäfte im Geschäftszweig des DG (2. Tatbestand), kann nicht gesagt werden. In der E vom 13.3.1991, 9 ObA 30/91, in welcher der OGH von einem Verstoß gegen das gesetzliche Konkurrenzverbot und damit der Verwirklichung des Entlassungsgrundes des § 27 Z 3 AngG ausgegangen ist, hat er hingegen ausgeführt, dass der Ausdruck „Handelsgeschäfte machen“ in dieser Bestimmung nicht nur den Abschluss oder die Effektuierung eines Handelsgeschäftes bedeutet, sondern auch den Versuch eines Abschlusses, und sich dabei auf ältere Entscheidungen sowie Kuderna berufen.
Für die Problematik der Schnittstelle zwischen gesetzlichem Konkurrenzverbot und nachvertraglicher Konkurrenzklausel kann letztlich nur aus einer anderen E des OGH vom 6.4.2005, 9 ObA 36/05t, etwas gewonnen werden. In dieser hat 347 sich der OGH im Zusammenhang mit dem Entlassungstatbestand des Betreibens eines abträglichen Nebengeschäftes durch einen Arbeiter (§ 82 lit e 2. Fall GewO) mit Handlungen des AN noch während des aufrechten Arbeitsverhältnisses, die erst nach dessen Beendigung wirksam werden, auseinandergesetzt. Solle eine namens einer noch nicht bestehenden GmbH getroffene Vereinbarung erst zu einem Zeitpunkt nach Beendigung des Dienstverhältnisses wirksam werden, könne von einem Betreiben eines Nebengeschäftes vor Ablauf der Dauer des Arbeitsverhältnisses in aller Regel nicht die Rede sein, wenn der AG vor Beendigung des Dienstverhältnisses noch keine Aufträge des betreffenden Kunden verloren habe. Der AG hatte in der Berufungsbeantwortung selbst darauf hingewiesen, dass sich ein verantwortungsbewusster Firmengründer in der Regel parallel um Aufträge und um die Finanzierung bemühe, weil beides für die Gründung eines selbstständigen Unternehmens unabdingbar sei. Der OGH führte weiters aus, dass eine unternehmerische Tätigkeit des AN nicht so angelegt sein dürfe, dass eine nachteilige Wirkung für den AG bereits während des Dienstverhältnisses eintreten soll bzw mit großer Wahrscheinlichkeit eintreten wird. Sei eine solche nachteilige Wirkung beabsichtigt oder zumindest objektiv betrachtet ernstlich zu besorgen, würden auch gegenüber Dritten vorgenommene „Vorbereitungshandlungen“ den Entlassungsgrund des Betreibens eines abträglichen Nebengeschäftes darstellen.
Interessant ist, dass der OGH auch darauf Bezug genommen hat, dass es einem nicht durch ein nachvertragliches Konkurrenzverbot gebundenen AN, der sich mit der Absicht trägt, seinen AG zu wechseln, nicht verwehrt sein könne, notwendige Vorbereitungsmaßnahmen zu treffen, die ihm einen wirtschaftlich vernünftigen Beginn seiner selbstständigen Geschäftstätigkeit ermöglichen sollen. Das Fehlen eines nachvertraglichen Konkurrenzverbots hat sohin zu Gunsten des AN ausgeschlagen, was Konkurrenztätigkeiten durch diesen bei aufrechtem Arbeitsverhältnis in Vorbereitung der Aufnahme einer Geschäftstätigkeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses betrifft. Die Ausführungen des OGH lassen sich dahingehend interpretieren, dass bei Fehlen eines nachvertraglichen Konkurrenzverbots, also einer Konkurrenzklausel, konkurrenzierende Handlungen des AN während des Arbeitsverhältnisses nur dann verboten sind, wenn daraus nachteilige Wirkungen für den AG noch während aufrechten Arbeitsverhältnisses beabsichtigt oder zumindest ernstlich zu besorgen sind.
Damit hat der OGH den richtigen Weg für die Schnittstelle zwischen gesetzlichem Konkurrenzverbot und nachvertraglicher Konkurrenzklausel gewiesen. Gilt – wie im gegenständlichen Fall wegen der Unterschreitung der Entgeltgrenze des § 36 Abs 2 AngG – keine Konkurrenzklausel, dann hat dies auch Auswirkungen auf die Frage der Rechtswidrigkeit des Handelns des AN vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses und damit dessen Schadenersatzpflicht gegenüber dem AG. Die Geltung einer Konkurrenzklausel führt eher zur Rechtswidrigkeit von konkurrenzierenden Tätigkeiten vor Ende des Arbeitsverhältnisses, als wenn keine Konkurrenzklausel gilt. Der AN muss die Möglichkeit haben, bei freier unternehmerischer Tätigkeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine solche noch während aufrechten Bestandes des Arbeitsverhältnisses so vorzubereiten, dass er mit Ende des Arbeitsverhältnisses diese Tätigkeit auch tatsächlich aufnehmen kann. Dürfte der AN in einem solchen Fall Kunden des AG nicht einmal für den Abschluss von Geschäften für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewinnen, könnte er seine selbstständige Tätigkeit mit Ende des Arbeitsverhältnisses nicht aufnehmen. Der durch eine Konkurrenzklausel (auch) für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gebundene AN hingegen hat keinerlei schützenswertes Interesse an solchen Tätigkeiten vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses (natürlich auch danach nicht).
Demgemäß hat es im gegenständlichen Fall nicht genügt, wenn die AN noch während aufrechten Arbeitsverhältnisses Klienten (erst) für die Zeit nach dessen Beendigung abgeworben haben, um mit diesen (erst) dann Geschäfte zu machen. Vielmehr werden diese bereits vor Ende des Arbeitsverhältnisses Geschäfte abgeschlossen haben müssen, damit sie dem AG wegen verbotener konkurrenzierender Tätigkeit schadenersatzpflichtig sind. Das Vorbringen des AG, die AN hätten während aufrechter Arbeitsverhältnisse mehrere Klienten aktiv abgeworben, ist demnach noch nicht ausreichend gewesen, eine Schadenersatzpflicht der AN, deren Konkurrenzklauseln wegen Unterschreitung der Entgeltgrenze des § 36 Abs 2 AngG nicht wirksam gewesen sind, schadenersatzpflichtig zu machen. Der OGH hat zwar die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben und die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Die Schadenersatzpflicht der AN hat er jedoch mit bindender Wirkung bereits anerkannt, sodass insoweit das Verfahren für die AN bereits verloren gegangen ist. Dafür hätte es ausgehend vom veröffentlichten erstgerichtlichen Verfahren nach der hier vertretenen Ansicht jedoch noch einer näheren Klärung bedurft.
Auch wenn eine Konkurrenzklausel gilt, kommt der Schnittstellenproblematik Bedeutung zu, wenn für den Fall des Verstoßes gegen die Konkurrenzklausel – wie oft – eine Konventionalstrafe vereinbart wurde, die vom AN zu bezahlen ist. Rechnet man den Verstoß des AN noch dem aufrechten Arbeitsverhältnis zu und geht daher von einer Verletzung des gesetzlichen Konkurrenzverbotes aus, kann der AG nicht den Ersatz der Konventionalstrafe, sondern nur des tatsächlich eingetretenen Schadens verlangen. Aufgrund des richterlichen Mäßigungsrechts gem § 38 AngG kann zwar eine Mäßigung der Konventionalstrafe nicht unter den tatsächlichen Schaden erfolgen, den der AG erlitten hat (Untergrenze der Mäßigung), kann dem AN aber auch dann, wenn dem AG der Nachweis 348 eines tatsächlichen Schadens gar nicht gelingt, die Zahlung zumindest eines Teils der Konventionalstrafe vom Gericht auferlegt werden. Hier wird daher von Bedeutung sein, ob es auf den Zeitpunkt ankommt, zu dem der AN nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem von ihm noch vor Beendigung abgeworbenen Kunden ein Geschäft abschließt, oder ob der Schaden bereits durch das vor Ende des Arbeitsverhältnisses erfolgte Abwerben der Kunden als eingetreten angesehen wird. ME kann es auch hier nur auf den Zeitpunkt des Abschlusses des schädigenden Geschäftes ankommen, sodass der AG für den Fall der Vereinbarung einer Konventionalstrafe in der Konkurrenzklausel diese Konventionalstrafe – vorbehaltlich des Mäßigungsrechts des Gerichts – geltend machen kann. Das Abwerben der Kunden bei aufrechtem Arbeitsverhältnis ist „nur“ die Vorbereitung zur schädigenden Handlung durch den späteren Geschäftsabschluss. Diese ist zwar rechtswidrig, die schädigende Handlung als solche wird aber erst mit dem Geschäftsabschluss nach Ende des Dienstverhältnisses und sohin unter dem Regime der Konkurrenzklausel gesetzt.