Brameshuber/Friedrich/Karl (Hrsg)Festschrift Franz Marhold

Manz Verlag, Wien 2020, XIV, 1.004 Seiten, gebunden, € 198,–

MATTHIASNEUMAYR (SALZBURG)

75 Beiträge von 85 AutorInnen auf 1.004 Seiten spiegeln das breite Oeuvre des Jubilars wider, der im Februar 2020 zu seinem 65. Geburtstag mit der Festschrift geehrt wurde. Seine europäische Vernetzung ([c] Walter J. Pfeil) zeigt sich in den (Haupt-)Wirkungsorten der AutorInnen (mehr als 50 aus Österreich, daneben Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Niederlande, Polen, Schweiz, Slowenien, Spanien, Ungarn und Vereinigtes Königreich) sowie in den Sprachen, in denen die Beiträge geschrieben sind (hauptsächlich deutsch, daneben englisch, französisch und italienisch).

Die Festschrift ist in sechs Teile gegliedert: Österreichisches Arbeitsrecht (mit 19 vielleicht sind es auch medikamente, mit Beiträgen), Österreichisches Sozialrecht (11 Beiträge), Europäisches und internationales Arbeitsrecht (30 Beiträge), Europäisches Sozialrecht (8 Beiträge), Gesellschaftsrecht (4 Beiträge) und Strafrecht (3 Beiträge). Es ist schwer, aus den durchwegs interessanten Beiträgen bestimmte herauszugreifen und näher zu besprechen. Als Rezensent folge ich hier meinen eigenen Arbeitsschwerpunkten und Interessen.

Auch wenn ich es mit Sicherheit auf weniger Pistenkilometer bringe als der Geehrte, teilen wir die Freude am Skifahren. Michael Friedrich bearbeitet das Thema – aus arbeits- und sozialrechtlicher Sicht – im Zusammenhang mit dem Betriebsskifahren: Darf der AG beim Einstellungsgespräch berechtigterweise nach skifahrerischen Kenntnissen des Bewerbers fragen, wenn diese für die Verrichtung der Arbeit nicht notwendig sind? Ja, er darf, denn die Geheimhaltungsinteressen des AN sind hier nur gering einzustufen. Eine Ausnahme ergibt sich aus den Diskriminierungsverboten: Schwangere und Behinderte dürfen also sanktionsfrei über ihre Skifahrkünste lügen. Aus meiner Sicht zu Recht hält es der Autor für bedenklich, Betriebsskirennen wegen ihres Wettkampfcharakters aus dem Schutz der gesetzlichen UV auszunehmen, wie dies in OGH10 ObS 170/92 vom 30.6.1992 angedeutet wird. Den Wettkampfcharakter in den Vordergrund gerückt hat der OGH bisher bei Skirennen, die nicht der betrieblichen Gemeinschaftsbildung dienen, sondern wenig Konnex mit dem eigenen Betrieb aufweisen, wie es etwa bei der (freiwilligen) Teilnahme eines AN an den Landesmeisterschaften der Betriebe einer bestimmten Branche der Fall wäre. Weiter unten werde ich noch auf die möglicherweise auch hier fruchtbar zu machende „innere Handlungstendenz“ eingehen.

Marholds „Parallelordinaria“ Susanne Auer-Mayer befasst sich mit verfassungsrechtlichen Fragen der Kostenerstattung nach § 131 ASVG bei Inlandsbehandlungen. Insgesamt hält sie das Erk des VfGH zur Zulässigkeit des 20 %-igen Abschlags von den Vertragsarztkosten bei Inanspruchnahme eines Wahlarztes für überzeugend, vor allem, um ein Unterlaufen des Vertragsärztesystems zu verhindern. Eine interessante Änderung bringt hier § 131 Abs 1 Satz 2 ASVG idF des Sozialversicherungs-Organisationsgesetzes (SV-OG) – damit soll eine bundesweit einheitliche (absolute Höhe der) Kostenerstattung erreicht werden. Offen ist noch immer die vieldiskutierte Frage, ob der 20 %-Abschlag 350 unionsrechtskonform ist (siehe dazu das aktuell beim OGH zu 10 ObS 142/20k anhängige Verfahren).

Anders als das deutsche Bundessozialgericht (BSG) bezieht sich der OGH im Unfallversicherungsrecht nur selten auf die „innere Handlungstendenz“, meist in einem Kontext mit Abgrenzungen beim gleichgestellten Unfall nach § 176 Abs 1 Z 6 ASVG (zB OGH10 ObS 196/02zDRdA 2003, 468 [Marischka]). Rudolf Müller geht in seinem Beitrag zur inneren Handlungstendenz als Zurechnungskriterium der gesetzlichen UV davon aus, dass das äußere Geschehen für sich allein gesehen noch nicht kennzeichnend für die Zurechnung eines Geschehens zum Schutzbereich der UV ist, sondern dass die innere Handlungstendenz eine entscheidende Rolle spielen kann. Der Wert dieses Kriteriums zeigt sich nach seiner Darstellung vor allem bei der Zurechnung im Grenzbereich, also bei gemischten und bei mehrdeutigen Tätigkeiten, sowie in Schutzbereichen, bei denen es normativ in besonderem Maß auf eine bestimmte Zweckrichtung der Handlungsweise ankommt (Arbeitsweg, einige gleichgestellte Unfälle). Kurze Zeit nach dem Erscheinen der Festschrift hat sich Müller in einem weiteren Beitrag (DRdA-infas 2020, 270) mit der jüngsten Rechtsprechungsänderung des BSG zum Arbeitsweg von einem dritten Ort auseinandergesetzt. Nach dem BSG steht das objektive Zurücklegen eines mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges nach und von einem dritten Ort bei einer „entsprechenden subjektiven Handlungstendenz“ unter dem Schutz der Wegunfallversicherung, ohne dass es auf einen Angemessenheitsvergleich mit der üblichen Wegstrecke und ähnliche Kriterien ankommt.

Das Kollektivvertragsrecht in all seinen Facetten ist eines der akademischen Steckenpferde des Geehrten. Daher sind auch viele arbeitsrechtliche Beiträge der Festschrift dort angesiedelt. Einen neuen Blick auf den Schutz des AN durch die Betriebsverfassung und das zum Anwendungsbereich insb des Kündigungsschutzes nach dem ArbVG ganz herrschend vertretene Territorialitätsprinzip (RIS-Justiz RS0050969; aus der Literatur anstatt vieler Löschnigg, Arbeitsrecht13 Rz 2/028) eröffnet Olaf Deinert aus einer Perspektive zum Internationalen Privatrecht.

Diese kurzen Betrachtungen einzelner Beiträge (von der Rezension erfasst sind leider nur gut 4 %) belegen die Breite der behandelten Themen – vor allem auch derjenigen, mit denen sich der Geehrte selbst beschäftigt hat, worauf häufig Bezug genommen wird. Leider kann an dieser Stelle das Inhaltsverzeichnis nicht abgedruckt werden; das „Gewicht“ der Festschrift wäre daraus unschwer zu ersehen.