HörmannTeilzeitdiskriminierung in Kollektivverträgen

Manz Verlag, Wien 2020, XVIII, 218 Seiten, broschiert, € 58,–

BARBARATROST (LINZ)

Der Autor hat für diese Dissertation eine „Forschungslücke“ (S 3, Rz 4) gefunden, und er hat sie mit Ergebnissen akribischer Recherche gefüllt. Zwar existiert zu mittelbarer Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten eine Fülle an Material zu den europäischen Grundlagen und auch zur deutschen gesetzlichen Regelung (S 2 f), und es ist auch in der österreichischen Lehre das GlBG (auch) diesbezüglich gründlich erforscht. Keine Untersuchungen gibt es aber bislang zu mittelbaren Diskriminierungen von Teilzeitbeschäftigten in den insgesamt 860 Kollektivverträgen. Florian Hörmann hat von diesen immerhin eine Auswahl von 307 (!) bearbeitet. Eine Liste dieser Kollektivverträge findet sich im Anhang (S 181 ff). Technisch wurde diese Liste leserInnenfreundlich so gestaltet, dass die Kurzform des jeweiligen KollV aufscheint, sogleich aber direkt in der Fußnote dazu der Langtitel und das jeweilige aktuelle Datum angeführt ist.

Diese Masse der bearbeiteten Kollektivverträge soll nicht abschrecken. Nichts liest sich hier mühsam oder sperrig. Im Gegenteil! Die Prämisse steht am Beginn – die Methode ist die der Deduktion. Dies verlangt hier zunächst eine durchaus recht gründliche Analyse des europäischen und innerstaatlichen rechtlichen Rahmens, konkret des Art 157 AEUV, des § 3 GlBG und des § 19d Abs 6 AZG (S 9-46), wobei vor allem der Rechtfertigung im Lichte der Rsp des EuGH für den gegebenen Zusammenhang eine besondere Bedeutung zukommt (S 16 ff).

Auch der Kern der Untersuchung folgt dieser Methode: Nicht die Beispiele stehen im Vordergrund, sondern die systematische Betrachtung der denkbaren Problemfelder. Diese sind logisch nach den Stadien des Arbeitsverhältnisses geschlichtet: Beginnend mit den Vordienstzeitenanrechnungen bei der Einstellung und endend mit der Betriebspension beim Ausscheiden.

Drei Varianten von Benachteiligungen bei der Anrechnung von Vordienstzeiten waren in den Kollektivverträgen festzustellen: Der Ausschluss geringfügiger Beschäftigungszeiten, der Ausschluss nebenberuflicher Vordienstzeiten und die aliquote oder abgestufte Berücksichtigung von Dienstzeiten in Teilzeit. IdR sind diese Benachteiligungen nicht dem Rechtfertigungsgrund der mangelnden Berufserfahrung zugänglich (S 47 ff). Wichtig war in diesem Kontext auch nachzuweisen, dass die volle Anrechnung von Teilzeitbeschäftigungen keine mittelbare Männerdiskriminierung darstellt (S 59 f).

Zur Frage der Anwendung des pro-rata-temporis-Grundsatzes auf Zulagen und Zuschläge bringt Hörmann den Zweck der jeweiligen Leistung in die Diskussion ein und tritt damit der Rsp des EuGH entgegen (S 68, insb Rz 145). Was demnach für Sozialzulagen zu dem Befund einer mittelbaren Diskriminierung durch Aliquotierung führt (S 72), wirkt sich bei der Beurteilung von Mehrarbeits- und Differenzstunden gegenteilig aus. Hier folgt der Autor jener Argumentationslinie, wonach im Ergebnis die jeweiligen Zwecke einen höheren Differenzzuschlag und einen niedrigeren Mehrarbeitszuschlag rechtfertigen (S 80 ff).

Je ein eigenes Kapitel ist der Benachteiligung durch kollektivvertragliche „Freizeitgewährung“ gewidmet: Kap V „Bezahlte Pausen“ (S 85 ff) und Kap VI „Kollektivvertragliche Feiertage“ (S 105 ff).

Bezahlte Pausen, die wegen zu geringer Arbeitsdauer nicht in Anspruch genommen werden können, könnten für Teilzeitbeschäftigte eine Diskriminierung 362 beim Entgelt zur Folge haben (S 90, Rz 195). Dass es die Kollektivvertragsparteien gerade bei der Regelung dieses Themas nicht leicht haben, wenn sie diskriminierungsfrei agieren wollen, zeigt Hörmann anhand eines Rechenbeispiels, wonach die beispielsweise in § 14 Abs 2, 3 BARS-KollV (KollV für Rettungs- und Sanitätsberufe) enthaltene aliquote Zuerkennung von bezahlten Pausen an Teilzeitbeschäftigte letztlich rechnerisch eine mittelbare Diskriminierung der überwiegend vollzeitbeschäftigten Männer bewirkt (S 95 f, Rz 206).

Wie intensiv Diskussionen über Feiertage (auch) in der Öffentlichkeit geführt werden können, hat das noch nicht so lange zurückliegende Tauziehen um den Karfreitag gezeigt. Die Position in diesem Buch ist klar: Kollektivvertragliche „Halbfeiertage“ (hier insb angesprochen der 24.12. und der 31.12.) sind an deren Zweck, also der Möglichkeit zur Vornahme religiöser Handlungen, zu messen, sodass die sich daraus allenfalls ergebende Benachteiligung Teilzeitbeschäftigter beim Entgelt sachlich gerechtfertigt ist (S 112 f, Rz 253 ff).

Zu den „alten“ Rechtsfragen rund um Aliquotierung von Ansprüchen für den Fall von „Nicht-Leistungszeiten“ gehört die Behandlung von Sonderzahlungen. Diesen ist in den Ausführungen von Hörmann das Kapitel VII, S 115 ff, gewidmet. Im Fokus steht die Bemessung beim Wechsel von Vollzeit auf Teilzeit. Als eines von vielen Themen konnte diesem naturgemäß nicht jener weite Umfang eingeräumt werden, den diese wichtige und immer auch emotionalisierende Thematik vielleicht verdienen würde, stand doch bereits vor Jahrzehnten die Aliquotierungsfrage bei Sonderzahlungen sowohl in der Rsp (vgl nur zB bereits OGH 25.5.1994, 9 ObA 38/94; OGH 16.6.1994, 8 ObA 264-266/94) als auch in der Lehre (vgl nur zB Trost, Anspruch auf Sonderzahlungen in entgeltfreien Zeiten, DRdA 1995, 116 ff; Runggaldier, Anspruch auf anteilige Remuneration doch beschränkbar? RdW 1995, 64 ff; Naderhirn, Anspruch auf Urlaubszuschuss und Weihnachtsremuneration in entgeltfreien Krankenstandszeiten, ZAS 2002, 7 ff; Schindler, Gibt es eine allgemeine, gesetzliche Kürzungsregel für Sonderzahlungen? ZAS 2002, 136 ff) immer schon (auch) im Kontext mit mittelbarer oder gar unmittelbarer Diskriminierung (vgl nur zB § 14 Abs 4 MSchG im Verhältnis zu § 16 AngG; vgl Trost,

). Freilich hätte allein das Themenfeld Sonderzahlungen eine ganze Dissertation füllen können, und es tut also der wissenschaftlichen Gründlichkeit keinen Abbruch, wenn sich der Autor hier nur auf die wesentlichsten literarischen Aussagen aus den seinerzeitigen Diskussionen (wie etwa die in der Tat gewichtige E-Besprechung von Schindler aus 1997) beschränkt.

Inhaltlich bilden den Abschluss die Kapitel über Jubiläumsgeld (Kap VIII, S 131 ff) und Betriebspensionen (Kap IX, S 147 ff).

Die abschließende Quellendokumentation gibt eindrucksvoll Zeugnis von der wissenschaftlichen Gründlichkeit. Rezensionen, deren Inhalt besonderes Gewicht beigemessen wurde, scheinen übrigens auch im Literaturverzeichnis auf. Dies verdient zum besseren Umgang mit jenem deshalb Erwähnung, weil eben dort die Rezension nicht als solche ausgewiesen, sondern wie ein Aufsatz zitiert ist. Noch einmal darf an dieser Stelle die Nützlichkeit des Verzeichnisses der Kollektivverträge (S 181 ff) hervorgehoben werden, und auch das Judikaturregister (S 206 ff) erleichtert in dieser Übersichtlichkeit selbst in Zeiten von „Google und Co“ den Umgang mit der Materie in der Praxis.

Fazit: Gründlich, nützlich, spannend, praktisch... Aber natürlich auch eine Quelle für Diskussionen, weil man immer auch anderer Meinung sein könnte. Kurzum, es zahlt sich jedenfalls aus, dieses Buch zu lesen!