EngelhartDie Nichtigkeit von Arbeitsverträgen

Verlag des ÖGB, Wien 2020, 212 Seiten, broschiert, € 29,90

WOLFGANGKOZAK (WIEN)

Die in der Reihe „Besondere Probleme des Arbeitsrechts“ veröffentlichte Monografie beschäftigt sich mit Erscheinungsform und Existenz einer Nichtigkeit von Arbeitsverträgen und basiert auf der Dissertation der Autorin. Das Werk ist zweigeteilt und befasst sich zunächst mit der Nichtigkeit von Verträgen im allgemeinen Zivilrecht, bevor sich die Untersuchung im zweiten Teil speziell mit der Anwendung von Nichtigkeitsanordnungen im Arbeitsrecht beschäftigt.

Anna Lisa Engelhart fasst die unterschiedlichen Lehrmeinungen zusammen und verknüpft durch Verweise und Bezugnahmen die beiden, sonst eher selbständigen Teile, macht es aber durch die gewählte Form LeserInnen doch schwer, die allgemeinen zivilrechtlichen Betrachtungen mit dem besonderen Fokus der arbeitsrechtlichen Brille zu verbinden. Das wichtige und doch sperrige Thema tut sein Übriges, dass die Lektüre der Monografie alles andere als leichtfällt. Wird die Frage der Nichtigkeit von Arbeitsverträgen diskutiert, befindet man sich doch schnell an den Gretchenfragen dieses Themas: Wie schaut es mit der Rückabwicklung von Arbeitsverhältnissen aus, wie ist Bereicherung/Entreicherung zu messen, führen die Schwierigkeiten bei der Rückabwicklung dazu, dass eine Nichtigkeit von Arbeitsverträgen zu verneinen ist?

Hier führt die Autorin aber zwingend aus, dass der Arbeitsvertrag grundsätzlich keine derartigen Besonderheiten aufweist, dass Nichtigkeiten und daraus folgende Rückabwicklungsnotwendigkeiten nicht Platz greifen würden. Bei der Folgefrage, welche Wirkungen die Nichtigkeit zeitigt, generell ex nunc oder auch ex tunc, untersucht sie, ob der Bestandschutz des Arbeitsrechts die Möglichkeit einer Nichtigkeit ex tunc verhindert, kommt aber folgerichtig zum Ergebnis, dass der Bestandschutz aufgrund einer anderen Zielsetzung nicht als Argument dafür dienen kann, eine Nichtigkeit ex tunc zu verneinen. Damit ist man aber beim Hauptproblem einer arbeitsvertragsrechtlichen Rückabwicklung, nämlich wie die nicht rückstellbare Arbeitsleistung zu bewerten ist, wenn auch dieses Argument nicht valide dazu verwendet werden kann, eine Gesamtnichtigkeit ex tunc auszuschließen. Auch hier führt Engelhart die bisherige historische Judikatur zur illegalen Ausländerbeschäftigung vor Normierung von § 29 AuslBG an und kommt zum bisher anerkannten Schluss, dass das Bereicherungsrecht zur Bemessung der nicht zurückstellbaren Handlung heranzuziehen ist. Wo sich nun der Blickwinkel der Argumentation ändert, ist, dass nicht der durch die Arbeitsleistung verschaffte Nutzen zu bewerten ist, sondern nur die Leistung der Arbeit selbst ohne Ergebnisbewertung, da nach dem (ungültigen) Vertrag ja nur diese geschuldet gewesen wäre. Diese juristische Fortentwicklung ist mE der zentrale Punkt und Meilenstein dieser Arbeit. Wie man sich das dann in der Praxis vorstellen muss, darauf geht Engelhart in der Monografie leider nicht ein. Inwieweit Nachweiserfordernisse über einen Anwesenheitsund Leistungsbereitschaftsnachweis hinaus erforderlich sind, kann also nur spekuliert werden. Das Thema der Schlechterfüllung der Leistung (Herstellung unbrauchbarer Teile) wird von der Autorin zwar nicht angesprochen, wird aber in einer analogen Betrachtungsweise zu den Regelungen des Dienstnehmerhaftpflichtgesetzes (DHG) zu lösen sein.

Der Vorteil von Engelharts Blinkwinkel (unter Berufung auf Beuthien) ist aber, dass die Verteilung des wirtschaftlichen Risikos so zwischen den Vertragspartnern nicht verändert wird, was durch eine neutrale bereicherungsrechtliche Betrachtung des allgemeinen Zivilrechtes jedenfalls erfolgen würde. Hier kommt es mE nicht auf die theoretische Möglichkeit, wer mehr Nutzen aus einem nichtigen Arbeitsvertrag ziehen kann, an, sondern hier geht es um die Frage, ob die Risikoverteilung, die grundsätzlich durch den Arbeitsvertragstypus vorgenommen wird, durch die Nichtigkeit des Vertrages aufgehoben werden kann. Typischerweise unterfällt ein Arbeitsvertrag einer Gesamtnichtigkeit, wenn die Fehlerhaftigkeit ein derartiges Ausmaß annimmt, dass die Rechtsordnung die Aufrechterhaltung für nicht akzeptabel erklärt. Das betrifft aber nicht die typische Risikoverteilung eines Arbeitsvertrages, sondern andere Sachverhaltselemente, wie jenes der unerlaubten Beschäftigung. Diese Risikoverteilung zu ändern, würde insgesamt in das Verhandlungsverhältnis der potentiellen Partner unter Beachtung der arbeitsrechtlichen Grundannahmen der Rechtsordnung eingreifen und wäre daher unbillig, was im Ergebnis zum selben Ergebnis wie jenes von Engelhart führt.

Inwieweit die arbeitsrechtliche Entgeltbemessung bei der Rückabwicklung eine Rolle spielt, ist bei Gesamtnichtigkeiten ex tunc ebenfalls eine diffizile Problematik, die sich bei Teilnichtigkeiten so nicht stellt, da in diesem Fall noch ein (rest-)gültiger Arbeitsvertrag für die Anknüpfung von Mindestlohnnormen zur Verfügung steht. Engelhart streift die analoge Anwendung von § 1152 ABGB bzw die Anwendung von Mindestlohntarifen der Kollektivverträge der Sozialpartner nur kurz und weist diesen nur Maßstabsqualität zu. Dies berücksichtigt aber nicht den Paradigmenwechsel der österreichischen Arbeitsrechtsordnung, nämlich die Einführung von Bekämpfungsbestimmungen zum Lohn- und Sozialdumping, die Unterentlohnung sogar unter Verwaltungsstrafe stellen. Die Normen insb von § 29 Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSDBG) haben nicht nur den Schutz der individuellen Person zum Ziel, sondern haben überwiegend den Schutz des Wirtschaftsstandortes für rechtskonform handelnde Vertragspartner im Fokus. Dieses Schutzziel führt mE dazu, dass kollektivvertragliche Mindestlohntarife bei der gänzlichen Rückabwicklung von Arbeitsverträgen als Untergrenzen des Bereicherungsausgleichs für jene Partei, die Arbeitsleistung erbracht hat, angesehen werden muss, ansonsten der sogar strafbewehrte Schutz des Wirtschaftsstandortes durch eine niedrigere Bewertung unterlaufen würde.

Da im besonderen Teil der Schwerpunkt auf der absoluten Nichtigkeit ex tunc liegt, spielen Überlegungen, inwieweit die Geltendmachung einen solchen Rechtsmissbrauch darstellen kann, keine Rolle, da bei einer absoluten Nichtigkeit ex tunc das Interesse der Rechtsordnung am Nichtzustandekommen eines Vertrages so überwiegt, dass sich jede Person auf diese Nichtigkeit berufen kann. Wenn man nun mit 365Engelhart davon ausgeht, dass der arbeitsrechtliche Bestandschutz einer Nichtigkeit ex tunc grundsätzlich nicht entgegensteht, dann ist mE wegen der Vergleichbarkeit der Rechtsfolgen bei der Anwendung der Figur des Rechtsmissbrauches (zumindest die Person, deren Handlung rechtsmissbräuchlich wäre, könnte sich nicht auf die Nichtigkeit des Vertrages berufen und wäre an diesen gebunden und würde einen faktischen Bestandschutz darstellen) davon auszugehen, dass bei absoluter Nichtigkeit Rechtsmissbrauch gegenüber einer Geltendmachung nicht eingewandt werden kann. Die ebenfalls von Engelhart kurz behandelte culpa in contrahendo ist in jenen Fällen interessant, in denen der Vertragspartner einen Vertragsbestand durch Berufung auf eine absolute Nichtigkeit selbst wieder auflöst, indem er zuvor diese Nichtigkeit durch die Verletzung wichtiger Formalia (zB die Info eines Gleichbehandlungsgremiums) selbst bewirkt, um sich dann bei passender Situation auf die absolute Nichtigkeit des Arbeitsvertrages berufen zu können. Die ausführliche Befassung mit diesem Thema hätte aber den ohnehin schon beachtlichen Umfang gesprengt.

Aus meiner Sicht wird aus vorliegender Monografie ersichtlich, dass der Themenkomplex der Nichtigkeit von Arbeitsverträgen noch lange nicht erschöpfend diskutiert und erforscht ist. Anna Lisa Engelhart trägt mit ihrem Beitrag ein gewichtiges Stück zur weiteren Aufarbeitung dieses Themas bei. Ich persönlich würde mir wünschen, dass gerade bei der Aufarbeitung der Rückabwicklung die Befassung nicht immer bei allgemeinen Begriffen (wie Angemessenheit etc) stehenbleibt, sondern auch, wenn es sich hier immer um Einzelfallbeurteilungen handelt, zumindest Lösungswege soweit vorzeichnet bzw entwickelt werden, dass für die PraktikerInnen, die einen faktischen Fall entscheiden bzw behandeln müssen, Lösungswege soweit skizziert sind, dass dann auf dieses System zurückgegriffen werden kann. Dies würde die Reichweite und den Wirkungsgrad solcher Arbeiten nochmals erhöhen.

Vorliegender Band richtet sich aufgrund der wissenschaftlichen Tiefe nur an ein Fachpublikum, welches sich mit diesem Thema bereits intensiver beschäftigt hat. Es ist dem ÖGB-Verlag zu gratulieren, dass er sich entschlossen hat, die Monografie in sein Programm aufzunehmen. Man muss diese aber mit einem Warnhinweis versehen: Der nicht juristisch versierte Leser wird damit schnell überfordert sein.