LinimayerSchadenersatzansprüche wegen Mobbings am Arbeitsplatz

Manz Verlag, Wien 2020, XXVIII, 278 Seiten, broschiert, € 69,–

HELMUTZIEHENSACK (WIEN)

Basierend auf seiner Dissertation legt der Autor eine fulminante Abhandlung über schadenersatzrechtliche Aspekte im Zusammenhang mit Mobbing am Arbeitsplatz vor. Auf etwas unter 300 Seiten wird eine illustrative und tiefschürfende (vgl das mehr als 12 Seiten lange Literaturverzeichnis und den umfassenden Nachweisapparat mit mehr als 2.000 Fußnoten) Abhandlung dieses speziellen Teils des Schadenersatzrechtes geboten. Gegliedert in acht Kapitel führt das Werk über die Einführung und Grundlagen hin zur Darstellung der durch Mobbing verursachten Schäden und Analyse der gegebenen und mangelnden Ersatzfähigkeit erlittener Nachteile; auch abgehandelt werden die arbeitsrechtlichen Pflichten unter besonderer Betonung der Fürsorgepflicht (122 ff). Das fünfte Kapitel widmet sich der Frage der Haftung des mobbenden AN (219-257), das darauffolgende sechste Kapitel der Haftung des AG (259-265). Darüber hinaus wird auch auf Kausalitätsfragen und MehrtäterInnenkonstellationen eingegangen. Am Schluss findet sich noch eine Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse. Das Stichwortverzeichnis erleichtert das Auffinden benötigter Kommentierungen. Auf Randzahlen wurde zwar verzichtet, jedoch bietet die übersichtliche Gliederung in Verbindung mit dem umfangreichen Nachweisapparat (in den Fußnoten) eine vorzügliche Verwendbarkeit des Werkes.

Darin findet sich eine Darlegung zahlreicher neuralgischer Punkte des Mobbingrechtes, welchem trotz seiner in der Praxis steigenden Bedeutung bislang nur eingeschränkte Beachtung in der Literatur geschenkt worden ist. Umso willkommener erscheint die vorliegende Publikation, welche die Frage der Ersatzfähigkeit ideeller Schäden zumal bei bloßen Ehrverletzungen ebenso aufgreift wie die Frage, ob Mobbing nur vorsätzlich oder auch „nur“ bloß leicht oder grob fahrlässig begangen werden kann (siehe etwa S 165 zur Einschreitepflicht des AG, selbst wenn der Täter weder vorsätzlich noch absichtlich handelt; nur die vorsätzliche Begehungsmöglichkeit sehen Wiese, Zur Dogmatik des Mobbing im Arbeitsverhältnis, in FS Birk [2008] 1009, 1017 und Wickler, Teil 1 – Wissensgrundlagen der Mobbingbekämpfung, in Wickler, Handbuch Mobbing-Rechtsschutz 1 [2004] Rz 14; vgl die Nachweise in FN 1689 auf S 230; auf ein Vorsatzerfordernis scheint dagegen der OGH ebenso zu verzichten; siehe den Hinweis auf OGH 17.7.2018, 1 Ob 56/18v, in FN 164 auf S 25). Berücksichtigt und behandelt werden sowohl der (relativ neue, nämlich eingeführt mit dem StrafrechtsänderungsG 2015, BGBl I 2015/112, dazu 30 f) Straftatbestand des Cybermobbings nach § 107c StGB als auch das Mobbingverbot im öffentlichen Dienst nach § 43a BDG (32 ff), auch anwendbar für Vertragsbedienstete wegen des Verweises in § 5 VBG, weiters auch die besonderen Bestimmungen von § 99 BankwesenG, § 66 Abschlussprüfer-AufsichtsG, §§ 95 und 159 BörseG und § 98 WertpapieraufsichtsG (WAG) zur Hintanhaltung von Diskriminierung von Personen, welche iSd Gesellschaft, der Volkswirtschaft und demokratischen Fairness zumal im wirtschaftlichen Wettbewerb als AufdeckerInnen („whistleblower“) aufgetreten sind (34 ff).

Zuweilen wird der relativ moderne Begriff des Mobbings inflationär verwendet und nicht korrekt eingesetzt. Im Fall OGH 17.2.1987, 14 ObA 8/87, etwa ging es um die Beurteilung der Rechtswirksamkeit einer Entlassung im Hinblick auf ein unberechtigtes Verlassen des Arbeitsplatzes im Zuge einer Reihe von Provokationen des später klagenden entlassenen AN durch einen Kollegen. Bei Vorfällen, welche sich nur an zwei Tagen ereignet hatten, kann kaum von einem Mobbingverhalten iSd sozialwissenschaftlichen Definitionen gesprochen werden (41). Mobbing führt uU auch dazu, dass davon betroffene AN den berechtigten Austritt erklären müssen. Im Werk (auf S 41 ff) werden dazu einige OGH-Entscheidungen ausführlicher referiert, bspw OGH 13.4.1988, 9 ObA 47/88, wobei sich daneben auch die schadenersatzrechtliche Verantwortung des bekl AG stellen kann (42). Kennzeichen von Mobbing stellen häufig Herabsetzungen und Verbalinjurien dar, wie etwa im Fall OGH 10.5.1989, 9 ObA 71/89. Das monatelang andauernde schikanöse Verhalten des Firmeninhabers als AG berechtigte das Opfer zum Austritt, dies verbunden mit dem Anspruch auf Kündigungsentschädigung (42).

Linimayer geht dabei systematisch und strukturiert vor, indem er zwischen Mobbing durch den AG einerseits (sogenanntes „Bossing“), Vorgesetzte (ebenfalls „Bossing“ genannt) und/oder ArbeitskollegInnen (sogenanntes „Staffing“) andererseits differenziert (46 ff). Dabei lassen sich die Begehungsformen des Tuns und des Unterlassens unterscheiden. Weiters bedarf es der Berücksichtigung von Einzel-, Mit- bzw MehrtäterInnenkonstellationen (48, 269 f). Aus dem Strafrecht kennen wir die Fälle der Beitrags- und BestimmungstäterInnenschaft (§ 12 StGB). Dabei handelt es sich um eine bloße Variante der TäterInnenmehrheit. MittäterInnenschaft erfordert, dass die TäterInnen einen Schaden vorsätzlich und gemeinschaftlich herbeiführen (wollen; 269 mwN). Dagegen handelt es sich bei der NebentäterInnenschaft um das ungewollte Zusammenwirken (270 mwN).

Ein Hauptanliegen des Werkes stellt es dar, die Ersatzfähigkeit ideeller Schäden einer ausführlichen Untersuchung zu unterziehen (57 ff). Dabei zeigt Linimayer treffend auf, dass die Rsp hier einen restriktiven Ansatz verfolgt, der vom Grundsatz fehlender Ersatzfähigkeit ausgeht, dies mit Ausnahme ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung sowie bei Trauerschmerzen. 369

Zu den gesetzlich geregelten Tatbeständen zählt insb auch die Körperverletzung. Hier kommen physische Körperverletzungen infrage (von Linimayer als Körperverletzung ieS bezeichnet), aber auch Beeinträchtigungen der psychischen Gesundheit. Grundsätzlich besteht bei Personenschäden die Ersatzfähigkeit nur dann, wenn das Leiden Krankheitswert erreicht (66 mwN). Im Zusammenhang mit sämtlichen Körperverletzungen, also auch solchen, welche nicht den Körper an sich, sondern die Psyche betreffen, besteht auch eine strafrechtliche Komponente; wegen des Verdachts der Begehung einer (einfachen oder sogar schweren) Körperverletzung (§§ 83 f StGB) kommt es in der Praxis auch zuweilen zu Sachverhaltsdarstellungen und/oder Strafanzeigen. Diese Aspekte wurden im Buch allerdings noch ausgespart. Bedeutende Einschränkungen des Schadenersatzes bestehen bei Ehrverletzungen (72 ff), da bei diesen ideelle Beeinträchtigungen keine Ersatzfähigkeit erfahren. Hier finden sich die wichtigen Hinweise auf Bydlinski, Der Ersatz ideellen Schadens als sachliches und methodisches Problem, JBl 1965, 173, 237 (keine Prämierung von Selbstmitleid und Lebensuntüchtigkeit, umfassende Darlegung des Missbrauchsarguments). Wenngleich Linimayer mit dem Gedanken spielt, dies angesichts diverser Ansätze in der Lehre, doch auch für bloß ideelle Schäden Ersatzfähigkeit zuzugestehen, erkennt er auch die damit verbundenen Gefahren und die Betroffenheitsdivergenz zum Fall der Vertauschung eines Kindes (96), welche für ein Beibehalten des Ansatzes der Rsp sprechen mögen.

Mobbing löst nicht nur Schadenersatzansprüche aus, wenn eine rechtswidrige und schuldhafte Schädigung vorliegt, sondern im Vorstadium auch Unterlassungsansprüche gegenüber MobberInnen bzw dem AG (respektive des Einwirkens auf die Unterbindung von Mobbing, soweit möglich und zumutbar; dazu näher auf S 56 f). Naturgemäß musste der Autor Schwerpunkte setzen und konnte nicht sämtliche Problemstellungen auch im Randbereich umfassend zur Darstellung bringen. So wurde die eher zivilprozessuale Themenstellung der zulässigen Fassung von Unterlassungsbegehren im Zusammenhang mit Mobbing noch ausgespart. Dies ändert aber nichts am positiven Gesamteindruck: Die Lektüre dieser Monographie kann nur wärmstens empfohlen werden.