32Anspruch auf Familienzeitbonus auch bei zuvor bezogenem „bezahlten“ Sonderurlaub
Anspruch auf Familienzeitbonus auch bei zuvor bezogenem „bezahlten“ Sonderurlaub
Für die Verwirklichung des Tatbestands des § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG ist es – neben den weiteren in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen – erforderlich, dass im Beobachtungszeitraum der letzten 182 Tage unmittelbar vor Bezugsbeginn des Familienzeitbonus erstens eine – selbständige oder unselbständige – Erwerbstätigkeit ausgeübt wird, und dass zweitens durch diese Erwerbstätigkeit die Pflichtversicherung in der KV und PV begründet wird. Für die Anspruchsvoraussetzung des § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG kommt es nicht auf eine „physische“ Ausübung der Erwerbstätigkeit an.
Der Anspruch auf Familienzeitbonus besteht, sofern der Elternteil im 182-tägigen Beobachtungszeitraum unmittelbar vor Bezugsbeginn des Familienzeitbonus durchgehend – auch während der Tage eines bewilligten Sonderurlaubs aus wichtigen persönlichen oder familiären Gründen oder aus einem sonstigen besonderen Anlass – als DN sozialversicherungspflichtig unselbständig erwerbstätig mit Entgeltfortzahlung durch die/den DG war.
Es liegt keine gleichheitswidrige „Privilegierung“ von Vertragsbediensteten bzw BeamtInnen durch die rechtliche Möglichkeit von Bundes-, Landes- und Gemeinde-DG, ihren Bediensteten über deren Ersuchen einen bezahlten Sonderurlaub zu gewähren, vor, denn das Recht, eine/n DN über das Ausmaß des gesetzlichen Erholungsurlaubs gegen Entgeltfortzahlung vom Dienst freizustellen, steht auch anderen DG (der Privatwirtschaft) offen.
[1] Strittig ist im Verfahren die Auslegung des § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG, nämlich die Frage, was unter der tatsächlichen Ausübung einer kranken- und pensionsversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit 318 während der letzten 182 Tage unmittelbar vor Bezugsbeginn zu verstehen ist.
[2] Die Tochter des Kl wurde am 1.5.2019 geboren. Der Kl beantragte am 10.5.2019 die Gewährung eines Familienzeitbonus für seine Tochter im Umfang von 28 Tagen für den Zeitraum von 20.5.2019 bis 16.6.2019. Dem Kl wurde von seinem DG für den Bezugszeitraum gem § 47b des auf das Dienstverhältnis des Kl unstrittig anwendbaren Oö. LVBG, oö LGBl 1994/10, eine Vaterschaftsfrühkarenz im Ausmaß von 80 Stunden gewährt.
[3] Im Zeitraum der letzten 182 Tage vor dem Beginn des Bezugszeitraums am 20.5.2019 erhielt der Kl von seinem DG zwei Tage Sonderurlaub von 2.5.2019 bis 3.5.2019 und weitere 80 Stunden Sonderurlaub im Zeitraum von 6.5.2019 bis 19.5.2019. Während dieser Sonderurlaube bestand das Dienstverhältnis des Kl aufrecht fort. Er bezog weiter sein Gehalt und war weiterhin sozialversichert. Der DG führte die Sozialversicherungsbeiträge unverändert ab.
[4] Mit Bescheid vom 28.6.2019 lehnte die Bekl die Gewährung des beantragten Familienzeitbonus mit der Begründung ab, dass der Kl infolge der Gewährung von Sonderurlauben von mehr als 14 Tagen die Anspruchsvoraussetzungen des § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG nicht erfülle.
[...]
[7] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. [...]
[8] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Bekl nicht Folge.
[...]
[10] Die Revision ist [...] nicht berechtigt.
[11] Auch in der Revision hält die Bekl an ihrer Rechtsansicht fest, dass für die Ausübung einer tatsächlichen Erwerbstätigkeit iSd § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG nicht das Bestehen einer Sozialversicherungspflicht allein genüge, vielmehr müsse eine Erwerbstätigkeit tatsächlich, also physisch ausgeübt werden. Nur kurzfristige Unterbrechungen der Erwerbstätigkeit – bis zu 14 Tagen – seien zulässig, darüber hinaus nur solche Unterbrechungen, während derer der DN gesetzlich gezwungen sei, die Erwerbstätigkeit nicht auszuüben, insb daher Erholungsurlaub und Krankheit. Die Inanspruchnahme von Sonderurlaub sei kein solcher Fall und sei daher als Unterbrechung der Erwerbstätigkeit iSd § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG zu werten. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts führe dazu, dass privilegierte Gruppen, die Anspruch auf Sonderurlaub hätten, gegenüber gewöhnlichen DN in unsachlicher, den Gleichheitssatz verletzender Weise bessergestellt würden.
[12] Dem kommt keine Berechtigung zu:
[13] Zur Anspruchsberechtigung des Kl nach dem FamZeitbG:
[14] Anspruch auf den Familienzeitbonus hat ein Vater (Adoptivvater, Dauerpflegevater) für sein Kind (Adoptivkind, Dauerpflegekind) ua gem § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG, sofern er ua in den letzten 182 Tagen unmittelbar vor Bezugsbeginn durchgehend eine in Österreich kranken- und pensionsversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit tatsächlich ausgeübt sowie in diesem Zeitraum keine Leistungen aus der AlV erhalten hat, wobei sich Unterbrechungen von insgesamt nicht mehr als 14 Tagen nicht anspruchsschädigend auswirken.
[15] Nach der Absicht des Gesetzgebers sollen erwerbstätige Väter, die sich direkt nach der Geburt ihres Kindes intensiv und ausschließlich der Familie widmen, eine finanzielle Unterstützung, den Familienzeitbonus, erhalten (ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP 1). Anspruchsberechtigt sind nur Väter, die sich in Familienzeit befinden und die alle anderen Anspruchsvoraussetzungen erfüllen, zu denen auch die Erfüllung des Erwerbstätigkeitserfordernisses vor Bezugsbeginn gem § 2 Abs 1 Z 5 Fam-ZeitbG gehört. [...]
[16] Zum Erwerbstätigkeitserfordernis des § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG führten die Gesetzesmaterialien aus (ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP 2):
„Das Erwerbstätigkeitserfordernis entspricht im Grunde jenem nach § 24 Abs. 1 Z 2 Kinderbetreuungsgeldgesetz (KBGG) iVm § 24 Abs. 2 erster Satz KBGG. [...]“
[17] Zum Erwerbstätigkeitserfordernis nach § 24 Abs 1 Z 2 iVm § 24 Abs 2 erster Satz KBGG:
[18] Das Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens wurde mit der Novelle zum KBGG BGBl I 2009/116 geschaffen. [...]
[19] In den Gesetzesmaterialien wurde zum Erwerbstätigkeitserfordernis ausgeführt (ErläutRV 340 BlgNR 24. GP 16):
„Zusätzlich steht das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld nur vor der Geburt tatsächlich erwerbstätigen Eltern offen. Dabei muss es sich um eine in Österreich sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit handeln, eine Selbstversicherung, freiwillige Weiterversicherung, Mitversicherung etc. reicht nicht aus. [...]Die Erwerbstätigkeit muss durchgehend in den letzten sechs Monaten vor Geburt tatsächlich ausgeübt werden. Sehr geringfügige Unterbrechungen (das sind solche von bis zu 14 Tagen) sind zulässig, um Härtefälle zu vermeiden. Keine Unterbrechung der tatsächlichen Ausübung der Erwerbstätigkeit stellen Zeiten des Erholungsurlaubes oder der Krankheit dar (unter der Voraussetzung, dass die Sozialversicherungspflicht aus der Erwerbstätigkeit aufrecht bleibt, wie es etwa bei arbeitsrechtlicher Entgeltfortzahlung der Fall ist).“
[20] Mit der Novelle des KBGG, BGBl I 2011/139, wurde § 24 Abs 1 Z 2 KBGG dahin ergänzt, dass der anspruchsberechtigte Elternteil im Beobachtungszeitraum auch keine Leistungen aus der AlV erhalten durfte. [...]
[21] Mit dem FamZeitbG BGBl I 2016/53 wurde der Zeitraum von sechs Monaten in § 24 Abs 1 Z 2 und Abs 2 KBGG in einen Zeitraum von 182 Tagen verändert. In § 24 Abs 2 Satz 1 KBGG wurde nach dem Wort „sozialversicherungspflichtigen“ der in Klammern gesetzte Ausdruck „(kranken- und pensionsversicherungspflichtigen)“ eingefügt. In den Gesetzesmaterialien findet sich folgender Passus zu diesen Bestimmungen (ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP 10):
„Es wird eine Legaldefinition für den Begriff ‚Sozialversicherungspflicht‘ im Sinne dieses Gesetzes festgelegt. Das Erwerbstätigkeitserfordernis ist somit unter anderem nur dann erfüllt, wenn eine 319 gesetzliche Pflichtversicherung in der Krankenund Pensionsversicherung vorlag. Es reicht daher eine geringfügige Beschäftigung mit Unfallversicherungspflicht nicht aus, um diese Anspruchsvoraussetzung zu erfüllen. Unverändert bleibt der Ausschluss bei Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. ... Die bisherige 6-Monatsfrist für die Erfüllung der Zusatzvoraussetzung (das ist das Erwerbstätigkeitserfordernis und der Nichtbezug von Arbeitslosenversicherungsleistungen) wird auf Tage umgestellt. ... In diesem Zeitraum von 182 Tagen muss tatsächlich (also eine faktisch an den Tag gelegte) Arbeits- bzw Erwerbstätigkeit ausgeübt worden sein oder eine dieser Tätigkeit gleichgestellte Zeit vorliegen. ...“
[22] Der Begriff der „tatsächlichen Ausübung einer Erwerbstätigkeit“ im Schrifttum:
[...]
[27] Rsp zum Begriff der tatsächlichen Ausübung einer Erwerbstätigkeit:
[28] Die zu § 24 KBGG ergangene Rsp kann auch zur Auslegung von § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG herangezogen werden (10 ObS 38/19i SSV-NF 33/43).
[29] § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG erfordert – ebenso wie § 24 Abs 2 KBGG – die tatsächliche Ausübung einer in Österreich kranken- und pensionsversicherungspflichtigen Tätigkeit (RS0128183). Abzustellen ist darauf, ob eine Erwerbstätigkeit ausgeübt wurde, die der Sozialversicherungspflicht unterlag, sodass aufgrund dieser Tätigkeit Sozialversicherungsbeiträge geleistet werden mussten. Diese Voraussetzung ist etwa während der Ableistung des Präsenzdienstes nicht erfüllt (10 ObS 57/12y SSV-NF 26/59, zu § 24 Abs 2 KBGG; 10 ObS 38/19i SSV-NF 33/43 zu § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG).
[...]
[34] Zur Auslegung des § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG:
[35] Schon nach dem – für die Gesetzesauslegung primär maßgeblichen (§ 6 ABGB; 10 ObS 26/16w SSV-NF 30/35 mwH) – Wortlaut des § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG muss der Anspruchswerber im Beobachtungszeitraum eine – selbständige oder unselbständige – Erwerbstätigkeit ausgeübt haben, die die Pflichtversicherung in der KV und PV begründet.
[36] Daher ist der Tatbestand des § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG nicht erfüllt, wenn
keine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird (weil zB ein Dienstverhältnis schon beendet ist);
wenn eine solche Erwerbstätigkeit zwar ausgeübt wird, durch sie aber keine Pflichtversicherung in der KV und PV ausgelöst wird (etwa bei einer bloß geringfügigen Beschäftigung mit Unfallversicherungspflicht: ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP 10);
oder wenn zwar eine unselbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt wird, aber der Entgeltanspruch – und damit gem § 11 Abs 1 Satz 2 ASVG die Pflichtversicherung – geendet hat (etwa infolge einer Dienstverhinderung durch Krankheit, wenn kein Entgeltfortzahlungsanspruch [mehr] besteht, § 8 AngG, § 1154b ABGB, weitere Fälle nennt Julcher in SV-Komm [178. Lfg] § 11 ASVG Rz 15; zu dieser Fallgruppe gehört auch der von Holzmann-Windhofer, KBGG, 142 genannte Fall des Sonderurlaubs gegen Entfall der Bezüge und Sozialversicherungspflicht).
[37] Der Begriff „tatsächlich“ kann mehrere Bedeutungen haben, weil eine Tatsache zB einen wirklichen, einen nachweisbaren, einen bestehenden, einen wahren oder einen anerkannten Sachverhalt beschreiben kann. Es liegt daher ein unbestimmter und damit auslegungsbedürftiger Gesetzesbegriff vor (10 ObS 17/19a SSV-NF 33/17; 10 ObS 50/19d SSV-NF 33/68). Die Gesetzesauslegung darf bei der Wortinterpretation nicht stehen bleiben (RS0008788 ua). Der Sinn einer Bestimmung ist unter Bedachtnahme auf deren Zweck zu erfassen (objektivteleologische Interpretation). Die gesetzgeberische Regelung und die darin zum Ausdruck kommenden Wertmaßstäbe sind selbständig weiter und zu Ende zu denken (vgl RS0008836).
[38] Dass der Begriff „tatsächlich“ in § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG nicht iS einer konkreten Ausübung einer Arbeitsleistung innerhalb der vereinbarten Arbeitszeit und am vereinbarten Arbeitsort meint, ergibt sich [...] schon aus dem Umstand, dass Zeiten des Erholungsurlaubs und der Krankheit – unter der Voraussetzung, dass die Kranken- und Pensionsversicherungspflicht aus der Erwerbstätigkeit aufrecht bleibt – nach dem Willen des Gesetzgebers keine Unterbrechung der Erwerbstätigkeit im Beobachtungszeitraum darstellen (ErläutRV 340 BlgNR 24. GP 16 zu § 24 Abs 2 KBGG).
[39] Weiters stellt das Familienzeitbonusgesetz nicht auf eine bestimmte Erwerbstätigkeit ab, sondern primär darauf, dass sich die anspruchsberechtigten Väter unmittelbar vor der Inanspruchnahme von Familienzeit (§§ 1, 2 Abs 1 Z 3 und Abs 4 FamZeitbG) im Erwerbsleben befanden und für die von ihnen ausgeübte Erwerbstätigkeit Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten waren. Damit unterscheidet sich das Familienzeitbonusgesetz entscheidend etwa von der Schwerarbeit, bei der es nach der Absicht von Gesetz- und Verordnungsgeber sehr entscheidend auf die „tatsächliche“ (physische) Ausübung einer Arbeitstätigkeit ankommt, soll diese Schwerarbeit sein (ausführlich zum Fall einer vom Dienst freigestellten Betriebsrätin 10 ObS 117/16b SSV-NF 30/82).
[40] Die vom Gesetzgeber verfolgte Absicht wird in der Änderung des § 24 Abs 2 Satz 2 KBGG durch das BGBl I 2011/139 deutlich: Mit der Betonung, dass eine Erwerbstätigkeit im Beobachtungszeitraum „tatsächlich“ ausgeübt werden soll, wollte der Gesetzgeber vor allem zum Ausdruck bringen, Missbrauch durch die Ausübung einer bloßen Scheinerwerbstätigkeit in Österreich zu verhindern, wie dies in den oben wiedergegebenen Gesetzesmaterialien zu dieser Änderung ausdrücklich festgehalten wird (ErläutRV 1522 BlgNR 24. GP 4). Genau diese Absicht des Gesetzgebers drückt sich auch in den von der Revisionswerberin für ihren Standpunkt in Anspruch genommenen Formulierungen aus, dass die Erwerbstätigkeit „tatsächlich (also Tag für Tag) und durchgehend ausgeübt“ und „faktisch an den Tag gelegt“ werden muss (ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP 2 und 10). Diese Wertungen gelten auch für § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG. Eine darüber hinausgehende Bedeutung 320 in dem von der Revisionswerberin gemeinten Sinn, dass nur eine „physische“ Arbeitstätigkeit im Rahmen des Arbeitsvertrags den Tatbestand des § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG erfüllen könnte, kommt dem Begriff „tatsächlich“ in dieser Bestimmung aus den dargelegten Gründen nicht zu.
[41] Ergebnis: Für die Verwirklichung des Tatbestands des § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG ist es – neben den weiteren in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen – erforderlich, dass im Beobachtungszeitraum der letzten 182 Tage unmittelbar vor Bezugsbeginn erstens eine – selbständige oder unselbständige – Erwerbstätigkeit ausgeübt wird, und dass zweitens durch diese Erwerbstätigkeit die Pflichtversicherung in der KV und PV begründet wird.
[42] Anwendung auf den konkreten Fall:
[43] Zu Recht bejahten die Vorinstanzen den Anspruch des Kl auf Familienzeitbonus, weil dieser im Beobachtungszeitraum durchgehend – auch während der Tage des ihm bewilligten Sonderurlaubs – als Vertragsbediensteter sozialversicherungspflichtig unselbständig erwerbstätig war.
[44] Dem Vertragsbediensteten kann gem § 47 Abs 1 oö L-VBG auf sein Ansuchen aus wichtigen persönlichen oder familiären Gründen oder aus einem sonstigen besonderen Anlass ein Sonderurlaub gewährt werden. Für die Zeit des Sonderurlaubs behält der Vertragsbedienstete gem § 47 Abs 2 oö L-VBG den Anspruch auf die vollen Bezüge. Eine, wie die Bekl geltend macht, gleichheitswidrige „Privilegierung“ des Kl durch diese Bestimmung liegt nicht vor: Abgesehen davon, dass es wie ausgeführt für die Anspruchsvoraussetzung des § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG nicht auf eine „physische“ Ausübung der Erwerbstätigkeit ankommt, normiert § 47 oö L-VBG nicht einen „Anspruch“ des Vertragsbediensteten, sondern regelt nur das Recht des DG, dem Vertragsbediensteten über dessen Ersuchen einen bezahlten Sonderurlaub zu gewähren (arg: „kann“). Das Recht, einen DN über das Ausmaß des gesetzlichen Erholungsurlaubs gegen Fortzahlung des Entgelts vom Dienst freizustellen, steht auch anderen DG offen.
[...]
Beim mittlerweile bereits seit vier Jahren bestehenden Familienzeitbonus (am 1.3.2017 in Kraft getreten mit Anwendbarkeit für Geburten nach dem 28.2.2017, somit ab dem 1.3.2017) ist immer wieder Streitthema zwischen den beantragenden Elternteilen (Väter, Adoptiv- und Dauerpflegeväter sowie gleichgestellte gleichgeschlechtliche Mütter; siehe auch § 144 ABGB) und den Krankenversicherungsträgern (Österreichische Gesundheitskasse [ÖGK], Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau [BVAEB] und Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen [SVS]), ob die Voraus setzungen erfüllt werden. Diese sind angelehnt an das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld an sehr strenge Voraussetzungen gebunden, die genauestens bei sonstigem Anspruchsverlust zu erfüllen sind (vgl ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP 2). Mit dem Familienzeitbonus bezweckt der Gesetzgeber, dass sich Väter „direkt nach der Geburt ihres Kindes intensiv und ausschließlich der Familie widmen“ und dafür die Erwerbstätigkeit unterbrechen (einstellen, ruhend stellen), wofür sie den Familienzeitbonus für diese 28- bis 31-tägige Familienzeit (innerhalb von 91 Tagen ab der Geburt) als „finanzielle Unterstützung erhalten“ (Förderung des Aufbaus einer Vater-Kind- Beziehung, siehe ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP 1).
Der Familienzeitbonus richtet sich – so wie das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld – nur an erwerbstätige Elternteile. Es wird nach § 2 Abs 1 FamZeitbG das Bestehen eines Anspruchs auf Familienbeihilfe für das Kind (Z 1), der Mittelpunkt der Lebensinteressen von Vater (bzw gleichgestellter gleichgeschlechtlicher Mutter), Kind und anderem Elternteil in Österreich in einem gemeinsamen Haushalt (Z 2 und 4), die österreichische Staatsbürgerschaft bzw ein rechtmäßiger Aufenthalt in Österreich (Z 6) sowie die Familienzeit während des Bezugs des Familienzeitbonus für 28 bis 31 Tage im Zeitraum von 91 Tagen ab der Geburt des Kindes (§ 3 Abs 3 FamZeitbG) iS einer Unterbrechung der Erwerbstätigkeit (Z 3 iVm Abs 4) verlangt.
Für die Anerkennung als Familienzeit ist bei selbständig tätigen Vätern die „nach außen erkennbar in Erscheinung treten[de] und dokumentierbar[e]“ Unterbrechung der selbständigen Tätigkeit erforderlich (siehe OGH10 ObS 111/18y SZ 2018/110; bspw die Ruhendmeldung des Gewerbes nach ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP 2).
Bei unselbständig Erwerbstätigen können für die Karenzierung des Dienstverhältnisses die arbeitsrechtliche Rechtsgrundlage der seit September 2019 bestehenden Möglichkeit des „Papamonats“ bzw „Babymonats“ (Freistellung anlässlich der Geburt eines Kindes) nach § 1a VKG wie auch Zeiten von Väterfrühkarenz/Frühkarenzurlaub/Vaterschaftsfrühkarenz im öffentlichen Dienst iS einer gänzlichen Dienstfreistellung gegen Entfall der Bezüge dienen (es darf somit keine Entgeltfortzahlung durch die/den DG erfolgen und somit auch kein Urlaubsentgelt oder auch kein Krankengeld bezogen werden; vgl ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP 2).
Das oö Landes-Dienstrecht ermöglicht nach § 47b Oö. LVBG (Regelung für Beamte in § 81b Oö. LBG) für seine Bediensteten einen Rechtsanspruch auf die Vaterschaftsfrühkarenz für den Zeitraum von einer bis zu vier Wochen (somit bis zu 28 Tage) ab der Geburt des (Wahl- oder Pflege-)Kindes und darüber hinaus (iS gebundenen Ermessens – vgl AB 1321 BlgLT OÖ 27. GP 22), sofern keine dienstlichen Gründe entgegenstehen, die Weitergewährung der Vaterschaftsfrühkarenz über diese vier Wochen hinaus bis zum Ende des Zeitraums des Beschäftigungsverbots.
Im vorliegenden Fall wurde vom Vertragsbediensteten diese Vaterschaftsfrühkarenz nach § 47b Oö. LVBG für den Zeitraum von vier Wochen – im 321 unmittelbaren Anschluss an den Sonderurlaub Vaterschaftsfrühkarenz – in Anspruch genommen. Weitere Voraussetzungen für den Familienzeitbonus sind nach Z 5 leg cit, dass zusätzlich eine „in den letzten 182 Tagen unmittelbar vor Bezugsbeginn durchgehend“ „in Österreich kranken- und pensionsversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit tatsächlich ausgeübt“
werden muss sowie, dass „in diesem Zeitraum keine Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung erhalten“
worden sind, „wobei sich Unterbrechungen von insgesamt nicht mehr als 14 Tagen nicht anspruchsschädigend auswirken“.
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Anlässlich der Geburt eines Kindes gewährt der DG Land OÖ seinen Bediensteten (wie auch in vielen Kollektivverträgen vorgesehen) einen Sonderurlaub von zwei Tagen (Dienstfreistellung mit Entgeltfortzahlung durch den DG – siehe § 47 Oö. LVBG bzw § 81 Oö. LBG). Zusätzlich wird Vätern ein Sonderurlaub von maximal zwei Wochen (bei Vollzeitbeschäftigung somit maximal 80 Stunden) gewährt, wenn sie zumindest im gleichen Ausmaß Vaterschaftsfrühkarenz („Papamonat“ bzw „Babymonat“) in Anspruch nehmen. Die dienstrechtliche Vaterschaftsfrühkarenz („Papamonat“ bzw „Babymonat“) im oö. Landesdienst sowie deren finanzielle Förderung durch den Sonderurlaub Vaterschaftsfrühkarenz dienen insb auch dazu, dass sich Väter nach der Geburt ihrer Kinder ihren Familien widmen können. Von Relevanz ist, dass bei diesen Sonderurlauben die Väter lediglich von ihrer Dienstleistungspflicht befreit sind; sie erhalten die Entgeltfortzahlung durch den DG (wie auch bei Urlaubsverbrauch) und sind auch weiterhin in der SV pflichtversichert (KV, PV und UV).
Zu differenzieren (und nicht zu verwechseln) ist dieser Sonderurlaub mit Entgeltfortzahlung und aufrechter KV und PV von den verschiedenen möglichen Rechtsgrundlagen für die sogenannte „Familienzeit“ wie dem mit AG vereinbarten „Sonderurlaub gegen Entfall der Bezüge“.
Dieses Angebot des DG Land OÖ hat der Vater in diesem OGH-Fall angenommen und zusätzlich zu den zwei Tagen Sonderurlaub anlässlich der Geburt des Kindes auch die 14 Tage Sonderurlaub „Vaterschaftsfrühkarenz“ mit anschließender 28-tägiger Vaterschaftsfrühkarenz beansprucht (somit einen Sonderurlaub in der Dauer von 16 Tagen). Den Familienzeitbonus beanspruchte er für die unmittelbar anschließende Vaterschaftsfrühkarenz nach den Sonderurlauben vom 20.5. bis 16.6.2019 (28 Tage). Die 16 Sonderurlaubstage (2.5. und 3.5.2019 sowie vom 6.5. bis 19.5.2019) lagen somit innerhalb des 182-tägigen Beobachtungszeitraums vom 19.10.2018 bis 19.5.2019 vor Bezugsbeginn des Familienzeitbonus am 20.5.2019.
Die in diesem Verfahren erstmals vom OGH zu klärende strittige Rechtsfrage war, ob „die Konsumation eines bezahlten und sozialversicherungspflichtigen Sonderurlaubs als ‚tatsächliche Ausübung einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit‘ im Sinn des § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG anzusehen“ ist oder nicht (so auch die Begründung des Berufungsgerichts für die Zulässigkeitserklärung der Revision, Pkt 8 der E). Denn eine mehr als 14-tägige Unterbrechung der Erwerbstätigkeit iSd § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG hat die Konsequenz, dass dann kein Anspruch auf den Familienzeitbonus besteht.
Zur Auslegung des Gesetzesbegriffes „tatsächlich“ ist anzumerken, dass diese nicht nur iSd Wortinterpretation, sondern auch iSd objektiv-teleologischen Interpretation der Gesetzesregelung und der „darin zum Ausdruck kommenden Wertmaßstäbe“ zu erfolgen hat (siehe Pkt 37 der E).
Mit der Formulierung der tatsächlichen Erwerbstätigkeitsausübung wird entsprechend dem Gesetzgeberwillen der Zweck der Abgrenzung zu Scheinerwerbstätigkeiten verfolgt (siehe OGH Pkt 40 und ErläutRV 1522 BlgNR 24. GP 4 zur Änderung von § 24 Abs 2 Satz 2 KBGG [BGBl I 2011/139], die auch für § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG heranzuziehen sind). Dies wird auch durch die ErläutRV (1110 BlgNR 25. GP 2 und 10) verdeutlicht, nach denen die Erwerbstätigkeit „tatsächlich (also Tag für Tag) und durchgehend ausgeübt“ werden muss bzw „faktisch an den Tag“ zu legen ist (vgl OGH Pkt 40). Es besteht aber durch den Begriff „tatsächlich“ keine „darüber hinausgehende Bedeutung“ in einem Sinn, „dass nur eine ‚physische‘ Arbeitstätigkeit im Rahmen des Arbeitsvertrags den Tatbestand des § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG erfüllen könnte“.
Wird Erholungsurlaub konsumiert (grundsätzlich Anspruch auf fünf Wochen jährlich), so wird auch hier keine Dienstleistung/Arbeitsleistung für dessen Dauer erbracht. Dennoch gilt dies nicht als Unterbrechung iSd § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG (vgl dazu die ErläutRV 340 BlgNR 24. GP 16 zu § 24 KBGG), denn auch hier erfolgt weiterhin die Entgeltfortzahlung durch die/den DG und die SV (KV, PV) bleibt weiterhin aufrecht. Außerdem ist diese Unterbrechung gesetzlich gerechtfertigt durch die mit den gesetzlichen Urlaubsregelungen bezweckten Erholung von der Arbeitsleistung. In der Praxis gab, gibt es und wird es bei regelmäßiger Verteilung des fünfwöchigen Urlaubs immer Phasen in den jeweiligen 182-tägigen Beobachtungszeiträumen der Väter bezüglich Familienzeitbonus geben, in denen Erholungsurlaube und somit keine physischen Arbeitsleistungen vorlagen bzw vorliegen 322 werden („gesetzlich gerechtfertigte Nichtausübung der Erwerbstätigkeit“).
In Fällen von Krankenständen ist aus AN-Schutzgründen die/der DN mangels Arbeitsfähigkeit infolge Krankheit (siehe bspw § 120 ASVG) gesetzlich gerechtfertigt daran gehindert, ihre/seine Erwerbstätigkeit auszuüben. Daher zählen die Krankenstandstage für diese 14-tägige Frist nur, wenn dafür keine bzw nur mehr eine Entgeltfortzahlung unter 50 % durch die/den DG erfolgt (vgl Marek, Kinderbetreuungsgeld und Familienzeitbonus [2020] 47; siehe außerdem auch OGH 25.2.2014, 10 ObS 5/14d; zu einer 25 %-igen Entgeltfortzahlung bei längerem Krankenstand siehe bspw § 29 Abs 3 Oö. LVBG). Solange jedoch noch die volle (100 %) bzw halbe (50 %) Entgeltfortzahlung bei Krankenstand durch die/den DG geleistet wird, sind diese Krankenstandstage nicht als „Unterbrechungstage“ zu werten.
Dementsprechend wird dies auch in den Gesetzesmaterialien klargestellt (die Aussagen zum einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld sind aufgrund der gleichen Voraussetzungen hinsichtlich der Erwerbstätigkeit im Beobachtungszeitraum auch für den Familienzeitbonus heranziehbar): Sofern „die Sozialversicherungspflicht [KV und PV] aus der Erwerbstätigkeit aufrecht bleibt, wie [...] etwa bei arbeitsrechtlicher Entgeltfortzahlung“ führen Zeiten von Krankheit zu keiner Unterbrechung der „tatsächlichen Ausübung der Erwerbstätigkeit“ im Beobachtungszeitraum (ErläutRV 340 BlgNR 24. GP 16 und OGH Pkt 38).
Für einen Anspruch auf Familienzeitbonus ist für die Erfüllung der Voraussetzung des § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG erforderlich, dass die ausgeübte – selbständige oder unselbständige – Erwerbstätigkeit während des 182-tägigen Beobachtungszeitraums vor Familienzeitbonus-Bezugsbeginn auch eine Pflichtversicherung in der KV und PV begründet (vgl Pkt 41 der E).
Der durch den DG Land OÖ bewilligte Sonderurlaub Vaterschaftsfrühkarenz bedingt auch das aufrechte Weiterbestehen der KV und PV für den betroffenen Vater, womit auch dieses Kriterium erfüllt wird.
Daher ist dieser Begriff „‚tatsächlich‘ [...] nicht im Sinn einer konkreten Ausübung einer Arbeitsleistung innerhalb der vereinbarten Arbeitszeit und am vereinbarten Arbeitsort“ zu verstehen (so OGH Pkt 38).
Unterbrechungen wie für Erholungsurlaub und Krankenstand mit Entgeltfortzahlung und aufrechter Sozialversicherungspflicht führen daher nicht zu der Konsequenz des Anspruchsverlusts auf Familienzeitbonus (siehe Pkt 38 der E). Gleiches gilt somit auch für „bezahlte“ Sonderurlaube: Da bei diesen die volle Entgeltfortzahlung durch den DG erfolgt, inklusive dem Weiterbestehen der Sozialversicherungspflicht, sind sie nicht als Unterbrechungstage zu qualifizieren und stehen somit dem Anspruch auf Familienzeitbonus nicht entgegen.
Anders als seitens der ÖGK angenommen, liegt hier durch die Konsumation der „bezahlten“ Sonderurlaube kein Fall einer mehr als 14-tägigen Unterbrechung iSd § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG vor.
Eine andere Bewertung bedingen hingegen Dienstfreistellungen wie der unbezahlte Urlaub (sonstige Karenz), da es hier keine Entgeltfortzahlung durch die/den DG gibt. Hier bewirkt ein über 14-tägiger Zeitraum den Verlust des Anspruchs auf Familienzeitbonus (siehe OGH 14.3.2018, 10 ObS 25/18a).
Anders als die ÖGK sieht der OGH zu Recht in der Möglichkeit (kein Rechtsanspruch!) der Gewährung von Sonderurlaubstagen durch DG wie bspw das Land OÖ oder den Bund für wichtige persönliche bzw familiäre Gründe oder sonstige besondere Anlässe keine gleichheitswidrige Privilegierung. Denn auch DG der Privatwirtschaft können ihre MitarbeiterInnen auch für derartige Situationen unter Weiterzahlung des Entgelts inklusive Aufrechterhaltung der Vollversicherung (KV, PV und UV) von ihrer Arbeitsleistung iS eines „bezahlten“ Urlaubs freistellen. So hält der OGH explizit fest (Pkt 44), dass „[d]as Recht, einen Dienstnehmer über das Ausmaß des gesetzlichen Erholungsurlaubs gegen Fortzahlung des Entgelts vom Dienst freizustellen, [...] auch anderen Dienstgebern offen“ stehen würde.
Diese rechtliche Beurteilung der „bezahlten“ Sonderurlaube hat auch Relevanz für andere sonstige Formen von Dienstfreistellungen mit Entgeltfortzahlung durch DG und aufrechter Pflichtversicherung und deren Auswirkungen auf den Anspruch auf den Familienzeitbonus (bspw derzeit aktuell Dienstfreistellungen wegen Zuordnung zur COVID-19-Risikogruppe). Sie betrifft aber auch andere Dienstfreistellungen, die durch die DN selbst finanziert werden, wie bspw Sabbaticals (Freistellungen gegen Kürzung der Bezüge) und sogenannte Zeitwertkonto-Modelle mit einer Dienstleistungs- und Freistellungsphase.
Beim Zeitwertkonto (bspw das Modell für oö Landesbedienstete nach § 25c Oö. LVBG und § 70d Oö. LBG, Ansparprozentsatz zwischen 2 und 15 %) wird während der sogenannten Ansparphase ein (finanzieller) „Zeitbonus“ (Zeitwertkontoguthaben) durch Arbeitsleistung auf dem Niveau des bisherigen Beschäftigungsausmaßes (Basis zB von 40 Wochenstunden) mit Auszahlung von bspw lediglich 85 % des zustehenden Gehalts und monatlicher Ansammlung der Differenz von 15 % des Gehalts eingearbeitet. 323 Das Zeitwertkontoguthaben wird dann zu einem späteren Zeitpunkt zur Finanzierung einer Dienst-Freistellungsphase (Konsumationsphase) mit (teilweiser) Auszahlung des angesparten Guthabens als Entgelt (auf Basis in Höhe von zumindest 15 Wochenstunden bis maximal 40 Wochenstunden) und aufrechter SV in KV und PV (mit 15 Wochenstunden wird die Geringfügigkeitsgrenze von derzeit Stand 2021: € 475,86 überschritten) herangezogen. Alternativmodelle sehen statt des finanziellen Zeitwertkontoguthabens das Ansparen von zeitlichen Zeitboni wie Zeitausgleich vor.
Ähnlich – jedoch mit einer zeitlichen Begrenzung der Anspar- und Freistellungsphase und einem während dieses Gesamtzeitraums auszubezahlenden Monatsentgelt im Ausmaß entsprechend dem Anteil der Dienstleistungszeit an der gesamten Rahmenzeit – funktioniert das Sabbatical.
Zu den Auswirkungen der Freistellungsphase des Sabbaticals auf den Anspruch auf das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld gibt es mittlerweile auch bereits oberstgerichtliche Rsp mit OGH vom 24.11.2020, 10 ObS 129/20y: Da die Voraussetzungen des Familienzeitbonus sich am einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld orientieren (Relevanz des 182-tägigen Beobachtungszeitraums vor der Geburt des Kindes bzw dem [vorzeitigen] Beschäftigungsverbot der Mutter), ist diese Entscheidung auch für den Familienzeitbonus bedeutsam. Überdies wird mit dieser Entscheidung auch die hier besprochene Rsp zum Sonderurlaub und Familienzeitbonus bestätigt und insofern fortgesetzt: Ein Bundesbediensteter (Polizeibeamter) vereinbarte mit seinem DG ein Sabbatical für den Zeitraum 1.4.2016 bis 31.3.2018 (Rahmenzeit) mit der Freistellungsphase vom 1.4 bis 1.10.2017 (Dienstfreistellung), wobei während des gesamten Zeitraums des Sabbaticals der Durchschnittsbezug 75 % des Grundentgelts betrug (sowohl im Dienstleistungszeitraum als auch im Dienstfreistellungszeitraum) und die Sozialversicherungspflicht in KV und PV (und UV) – somit Vollversicherung bei der BVAEB – für den gesamten Zeitraum des Sabbaticals vorlag. Strittig war das Bestehen des Anspruchs auf einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld für die im März 2018 geborene Tochter für den Zeitraum 11.3. bis 10.5.2019 trotz der Freistellungsphase des Sabbaticals vom 1.4. bis 1.10.2017 – somit eine Dienstfreistellung für 21 Tage im relevanten Beobachtungszeitraum der letzten 182 Tage vor der Geburt (10.9.2017 bis 10.3.2018) – und das Erfüllen des Kriteriums der durchgehenden Erwerbstätigkeitsausübung. Gestützt auf die Argumentationen hinsichtlich des Sonderurlaubs mit Entgeltfortzahlung und Sozialversicherungspflicht der OGH-E vom 13.10.2020, 10 ObS 99/20m, zum Familienzeitbonus und den Vergleich des Verbrauchs des Zeitguthabens für die Freistellungsphase des Sabbaticals mit der Konsumation von Zeitausgleich wird der Anspruch auf einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld bestätigt.
Der „Konsumation der Freistellungsphase bei einem Sabbatical“ kommt daher die rechtliche Qualifikation als „tatsächliche Ausübung einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit“ zu.
Die physische Ausübung von Arbeitstätigkeit wird daher weder vom FamZeitbG noch KBGG verlangt. Von Relevanz ist für diese Dienstfreistellungsfälle (Zeitwertkonto, Sabbatical, sonstige Zeitausgleichsguthaben, Dienstfreistellung wegen Zuordnung zur COVID-19-Risikogruppe, etc) nur die Entgeltfortzahlung durch die/den DG und das Weiterbestehen der Sozialversicherungspflicht in KV und PV (daher erforderliche Entgeltfortzahlung bzw Auszahlung der Zeitguthaben als Entgelt über der Geringfügigkeitsgrenze von derzeit Stand 2021: € 475,86). Somit liegt eine geklärte Rechtslage sowohl für den Familienzeitbonus als auch das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld vor.
Die Kombination Sonderurlaub Vaterschaftsfrühkarenz für zwei Wochen (14 Tage – wobei die Berechnung in Stunden erfolgt – bei Vollzeitkräften somit maximal 80 Stunden) sowie zwei Sonderurlaubstage anlässlich der Geburt des Kindes (somit in Summe 16 Tage Sonderurlaub) mit Entgeltfortzahlung des DG und aufrechter Pflichtversicherung in KV und PV mit unmittelbar anschließendem 28-tägigen Familienzeitbonus-Bezug während der (Vaterschafts-)Frühkarenz ist somit rechtlich zulässig und möglich und in familienpolitischer Hinsicht als Förderung der Väterbeteiligung begrüßenswert.
Auch andere Formen der Dienstfreistellungen mit Entgeltfortzahlung durch DG mit weiterhin bestehender Pflichtversicherung in KV und PV sowie durch DN finanzierte Dienstfreistellungen im Rahmen von bspw Sabbaticals bzw Zeitwertkonten im relevanten 182-tägigen Beobachtungszeitraum stehen Familienzeitbonus-Ansprüchen (wie auch dem einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld) nicht entgegen.
Finanziell ist der Betrag des Familienzeitbonus von lediglich € 22,60 täglich (Maximalbetrag für 31 Tage somit € 700,60) mE generell zu überdenken, denn Familien sind in der Praxis bei Familiengründung mit Hausbau/Wohnungskauf und damit verbundenen Krediten sowie den Kosten für das Kind belastet. Wenn nun auch das Einkommen für den Vater für diesen Monat wegfällt, so ist der Lebensunterhalt für manche dieser Familien mit dem Familienzeitbonus und gegebenenfalls dem Wochengeld der Mutter nicht ausreichend finanzierbar. Auch die Anrechnung des Familienzeitbonus auf einen späteren Kinderbetreuungsgeld-Bezug (siehe § 2 Abs 7 und § 24e KBGG) ist kontraproduktiv. Der Zweck der Förderung der Väterbeteiligung wird somit mE nicht in ausreichendem Ausmaß erreicht (siehe zu der Thematik auch Schrattbauer, Drei Jahre Familienzeitbonus – kritische Revision einer noch jungen Familienleistung, JAS 2020, 244 ff). Wünschenswert wäre, wenn die EU-Work-Life-Balance-RL 2019/11/1158 zum Anlass des Gesetzgebers für Verbesserungen beim Familienzeitbonus führen würde. 324