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Ausschließlich den Arbeitnehmer bindende Schlichtungsklausel ist gröblich benachteiligend und deshalb nichtig

KLAUSBACHHOFER

Der Kl war von 1.10.2012 bis 15.6.2017 bei der Bekl beschäftigt. Das Dienstverhältnis endete durch AN-Kündigung. Im Dienstvertrag findet sich ua nachfolgende Klausel: „Der/Die DienstnehmerIn verpflichtet sich, sämtliche aus diesem Dienstvertrag herrührenden Streitigkeiten vor Inanspruchnahme der zuständigen Gerichte an eine aus drei SchlichterInnen gebildete Schlichtungsstelle heranzutragen und zugleich ein Mitglied dieser Schlichtungsstelle zu nominieren. In diesem Fall ist von der Dienstgeberin ebenfalls ein Mitglied der Schlichtungsstelle zu nominieren. Die beiden genannten Mitglieder sollen sich ohne Verzug auf ein drittes Mitglied einigen, welches den Vorsitz der Schlichtungsstelle übernimmt. Die Schlichtungsstelle hat die Aufgabe durch geeignete Vorschläge eine gütliche Streitbeilegung herbeizuführen. Die Anrufung des Gerichts ist zulässig, wenn das Schlichtungsverfahren abgeschlossen wurde.“

Erst nach der Einbringung der Klage bei Gericht am 26.3.2018 begehrte der Kl mit Schreiben an die Bekl vom 5.6.2018 „aus anwaltlicher Vorsicht“ die Bildung einer Schlichtungsstelle. Ua schlug dieser – neben der Festlegung der Verfahrensregeln – eine Regelung der Verfahrenskosten vor. Die Kosten sollten von beiden Parteien zu gleichen Teilen im Rahmen von Kostenvorschüssen getragen werden. Der Kl verlangte daraufhin, dass die Kosten zur Gänze von der Bekl als DG getragen werden. Diese wiederum bestand auf eine Kostenteilung. Zu einer Einigung über die Kostenfrage und damit zu einer Weiterführung des Schlichtungsverfahrens kam es nicht.

Der Kl begehrt die Zahlung offener Provisionen, eine Abrechnung des Provisionsanspruchs und die Ausstellung eines Dienstzeugnisses. Er bringt auch vor, dass die im Dienstvertrag enthaltene Schlichtungsklausel gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB sei, da die Verpflichtung zur Anrufung der Schlichtungsstelle ausschließlich den DN treffe und nicht den DG. Dazu komme, dass die Schlichtung eine unzumutbare Verzögerung bei der Rechtsverfolgung bewirke, da nicht vorgesehen sei, dass der Kl nach einer bestimmten Dauer des Schlichtungsverfahrens das Gericht anrufen könne. Eine Schlichtungsklausel, die kostenpflichtig sei und AN-Ansprüche daran binde, dass zunächst ein Schlichtungsverfahren durchgeführt werde, sei rechtsmissbräuchlich.

Die Bekl bestritt und wandte ua die mangelnde Klagbarkeit infolge Nichtanrufung der vereinbarten Schlichtungseinrichtung ein.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Die Parteien hätten vereinbart, dass vor Inanspruchnahme des Gerichts eine Schlichtungsstelle anzurufen sei. Dass mit der Vereinbarung eines solchen Verfahrens auch Kosten verbunden seien, stehe ihrer Wirksamkeit nicht entgegen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl nicht Folge. Dass die Schlichtungsklausel lediglich den AN binde, stelle keine Sittenwidrigkeit dar. Der Tatsache, dass der AN seine Ansprüche vor gerichtlicher Geltendmachung an eine Schlichtungsstelle heranzutragen habe, könne die Absicht, den AN zu benachteiligen, nicht entnommen werden. Auch eine Pflicht, anteilige Kosten zu tragen, begründe keine Sittenwidrigkeit, da diese als vorprozessuale Kosten ersatzfähig seien.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die außerordentliche Revision des Kl, die entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts vom OGH für zulässig und iSd Aufhebungsantrags auch als berechtigt erkannt wurde.

Der Gerichtshof referierte zunächst die gesetzlichen Bestimmungen sowie seine einschlägige Rsp: Nach § 9 Abs 2 ASGG ist eine Vereinbarung, wonach ein Rechtsstreit durch einen oder mehrere Schiedsrichter entschieden werden soll, in Arbeitsrechtssachen nach § 50 Abs 1 ASGG nur für bereits entstandene Streitigkeiten wirksam. Dagegen sind Schlichtungsklauseln, die die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens vor der Anrufung des Gerichts vorschreiben, von der Regelung des § 9 Abs 2 ASGG nicht berührt und daher grundsätzlich zulässig. Anders als bei einer Schiedsklausel, bei der das Schiedsgericht die Sache anstelle des staatlichen Gerichts zu entscheiden hat, besteht das Wesen einer Schlichtung im Bemühen einer unparteiischen Rechtsschutzeinrichtung, Rechtsstreitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis, die zwischen den Parteien eines Einzelvertrags bestehen, durch Herbeiführung einer Einigung beizulegen, sodass sich die Anrufung des Gerichts erübrigt. Die Nichteinhaltung einer Schlichtungsklausel begründet kein zur Klagszurückweisung führendes Prozesshindernis, sondern den materiell-rechtlichen Einwand mangelnder Klagbarkeit des Anspruchs.

Schlichtungsvereinbarungen müssen gewissen inhaltlichen Mindesterfordernissen entsprechen. Sie haben ein Mindestmaß an Bestimmtheit aufzuweisen. Die Zusammensetzung muss außerdem die Objektivität und Sachkunde der Schlichtungsstelle gewährleisten. Im Fall einer Zwangsschlichtung ist außerdem deutlich zu machen, dass die Arbeits- und Sozialgerichte erst angerufen werden dürfen, wenn die Schlichtung nicht zu einer Streitbeilegung geführt hat. Die Einbringung der Klage287 beim ordentlichen Gericht darf darüber hinaus durch die Schlichtungsklausel nicht ungebührlich verzögert werden.

Der Kl beruft sich in der außerordentlichen Revision auf die Nichtigkeit der Schlichtungsvereinbarung, weil danach nur der AN gezwungen sei, sich vor Anrufung der Gerichte an eine Schlichtungsstelle zu wenden. Dies sei gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB.

Nach § 879 Abs 3 ABGB ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung, die nicht eine der beidseitigen Hauptleistungen festlegt, nichtig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Falls einen Teil gröblich benachteiligt.

Im vorliegenden Fall verpflichtet die Klausel den AN, vor Inanspruchnahme der Gerichte sämtliche Streitigkeiten an eine Schlichtungsstelle heranzutragen. Für eine ergänzende Vertragsauslegung, dass auch der AG verpflichtet wäre, Ansprüche zunächst vor eine Schlichtungsstelle zu bringen, bietet der Vertrag keine Grundlage. Das führt aber dazu, dass ausschließlich für den AN und damit einseitig die Durchsetzung von Ansprüchen erschwert wird, weil allein der AN vor Anrufung des Gerichts ein Schlichtungsstellenverfahren einleiten muss. Damit wird aber auch die Durchsetzung seiner Ansprüche verzögert, da erst das Schlichtungsverfahren durchgeführt und abgewartet werden muss, bevor bei einer Nichteinigung eine Anrufung des Gerichts möglich ist. Die Klausel selbst enthält keine Höchstfrist für die Dauer, die vor Anrufung des Gerichts zugewartet werden muss, wenn es im Schlichtungsverfahren zu keiner Einigung kommt, sondern stellt auf „den Abschluss“ des Schlichtungsverfahrens ab, was auch immer darunter zu verstehen ist. Selbst wenn man Fristen über sechs Monate als im Regelfall unzulässig ansieht und diese Befristung ergänzend auf die vorliegende Vereinbarung überträgt, entsteht eine entsprechende Verzögerung bei der Rechtsdurchsetzung nur für den AN, nicht den AG.

Zusätzlich relevierte der OGH, dass keine Regelung hinsichtlich der Kostentragung in der Klausel zu finden ist. Folgt man dem Standpunkt der Bekl, dass diese Kosten von jeder Partei zunächst selbst zu tragen sind, bedeutet dies aber – so der OGH – für den AN, dass er diese Kosten vorschießen muss. Damit kann auch eine nicht unwesentliche Verteuerung für die Durchsetzung seiner Ansprüche verbunden sein. Allein, dass diese Kosten beim nachfolgenden Verfahren als vorprozessuale Kosten geltend gemacht werden können, ändert daran nichts, ist es doch Zweck des Schlichtungsverfahrens, durch eine Einigung im Schlichtungsverfahren ein Gerichtsverfahren zu vermeiden.

Dem Kl wurde daher vom OGH zugestimmt, dass die vorliegende Klausel für den AN gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB und daher nichtig ist.

Da die Vorinstanzen, ausgehend von ihrer vom OGH nicht geteilten Rechtsansicht, die Klage wegen Nichtanrufung der Schlichtungsstelle abgewiesen haben, ohne eine inhaltliche Prüfung der Ansprüche des Kl vorzunehmen, wurden die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Anmerkung des Bearbeiters:

Der OGH fasst mit dieser E Wertungsgesichtspunkte zusammen, die an eine Sittenwidrigkeitsprüfung gem § 879 Abs 3 ABGB anzulegen sind, und lässt dabei auch konsequenterweise im Arbeitsrecht stets mitzudenkende wirtschaftliche Aspekte der Kostentragung eines Schlichtungsverfahrens miteinfließen.