135Arbeitsunfall mit Hubstapler: Keine Verkehrsopferentschädigung bei unabwendbarem Ereignis iSd § 9 EKHG
Arbeitsunfall mit Hubstapler: Keine Verkehrsopferentschädigung bei unabwendbarem Ereignis iSd § 9 EKHG
Die in einem Werk als Maschinistin beschäftigte Kl erlitt einen Arbeitsunfall, der sich dadurch ereignete, dass die Kl, die mit dem Rücken zum Fahrweg des von einer Arbeitskollegin gelenkten Elektrohubstaplers stand, eine Rückwärtsbewegung machte, dadurch in den Fahrraum des Staplers kam und am Fuß schwer verletzt wurde.
Die Kl brachte Klage gegen ihre Arbeitskollegin und den gem Verkehrsopfer-Entschädigungsgesetz (VOEG) haftpflichtigen Verband ein, worin sie Schadenersatzleistung und Feststellung begehrte.
Die Vorinstanzen gingen von einem unabwendbaren Ereignis iSd § 9 Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz (EKHG) aus, verneinten eine Sorgfaltspflichtverletzung durch die Arbeitskollegin und lehnten eine Ersatzpflicht ab. Der OGH wies die dagegen erhobene außerordentliche Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurück.
Die Unabwendbarkeit eines Ereignisses iSd § 9 EKHG setzt voraus, dass Betriebsunternehmer und Betriebsgehilfen jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beachtet haben und dass das Unfallgeschehen auch bei Anwendung äußerster und nach den Umständen möglicher Sorgfalt nicht zu vermeiden war. Der Umfang der gem § 9 Abs 2 EKHG gebotenen Sorgfalt hängt dabei von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab.
Die Erstbekl, die die Kl wahrgenommen hatte, fuhr lediglich in Schrittgeschwindigkeit bei ausreichender Durchfahrtsbreite und mit einem an sich ausreichenden Abstand und musste mit der Rückwärtsbewegung der Kl auch nicht rechnen. Da keine kritische Situation zu befürchten war, hatte die Erstbekl auch keinen Grund, ihre Fahrgeschwindigkeit noch weiter zu verlangsamen oder den Stapler überhaupt zum Stillstand zu bringen. Die Ansicht der Kl liefe auf die Pflicht hinaus, ein Stapler-Fahrzeug selbst bei Schrittgeschwindigkeit jedenfalls für mit Arbeitsprozessen beschäftigte AN anzuhalten. Das würde die zumutbaren Sorgfaltspflichten überspannen.
Die Kl meint auch, das Berufungsgericht habe sich darüber hinweggesetzt, dass für einen Entfall der Haftung nach § 9 EKHG auch der Halter jede nach den Umständen gebotene Sorgfalt aufgewendet haben müsse, wofür die Zweitbekl als Haftpflichtige beweispflichtig sei. Der vorliegende Fall indiziert jedoch objektiv keine Anhaltspunkte dafür. Die Kl hat auch kein entsprechendes Tatsachensubstrat in den Raum gestellt, das überhaupt eine Sorgfaltsverletzung des Halters ergäbe und zu dem die Zweitbekl Vorbringen erstatten hätte können. Dass sich ein Halter von sämtlichen erdenklichen, im Verfahren nicht thematisierten Gründen freibeweisen müsste, trifft nicht zu.
Die Verneinung einer Entschädigungspflicht durch die Vorinstanzen bedurfte nach Ansicht des OGH somit keiner Korrektur.
Gem § 6 VOEG hat der Fachverband der Versicherungsunternehmungen Entschädigung für Personen- und Sachschäden zu leisten, die durch nicht versicherungspflichtige Fahrzeuge (ua Elektrohubstapler) verursacht werden, falls dem Geschädigten aus der Gefährdungs- oder Verschuldenshaftung ein Schadenersatzanspruch zukommen würde. Dabei wird fingiert, dass der Anspruch durch eine gesetzliche Kfz-Haftpflichtversicherung gedeckt ist, sodass der Fachverband den Schaden wie ein Kfz-Haftpflichtversicherer im Rahmen der gesetzlichen Versicherungspflicht zu ersetzen hat. Nach § 9 EKHG ist eine Ersatzpflicht ausgeschlossen, wenn ein Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wird, dessen Annahme ua voraussetzt, dass die beim Betrieb eines Kfz tätigen Personen „jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beachtet haben“.
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