136Ex-lege-Beendigung einer begünstigten behinderten Vertragsbediensteten wegen langem Krankenstand
Ex-lege-Beendigung einer begünstigten behinderten Vertragsbediensteten wegen langem Krankenstand
Die dem Kreis der begünstigten Behinderten angehörige Kl war Vertragsbedienstete der Stadt Graz und zuletzt als Reinigungskraft eingesetzt. Unstrittig ist, dass bei der Kl am 27.11.2019 eine bereits ein Jahr dauernde Dienstverhinderung wegen Krankheit bestand. Auf ihr Dienstverhältnis kommt das Grazer Gemeindevertragsbedienstetengesetz (G-GVBG) zur Anwendung. Dessen § 22 Abs 10 normiert, dass bei ein Jahr andauernden Dienstverhinderungen wegen eines Unfalls, einer Krankheit oder aus Gründen des Abs 8 oder wegen Haft das Dienstverhältnis mit Ablauf dieser Frist endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Auf diese Bestimmung stützte die DG die Beendigung des Dienstverhältnisses. Die DN brachte eine Feststellungsklage, gerichtet auf aufrechten Fortbestand des Dienstverhältnisses ein, wobei die Vorinstanzen nicht von einem Fortbestand des Dienstverhältnisses ausgingen. Gegen diese Ansicht richtet sich die Kl mit ihrer außerordentlichen Revision.
Der OGH wies die Revision zurück und führte aus:
Die Ansicht der Vorinstanzen, das Dienstverhältnis habe mit 18.1.2020 geendet und bestehe seither nicht mehr aufrecht fort, findet im G-GVBG Deckung und steht auch im Einklang mit der bisherigen Rsp zu § 8a BEinstG.
Anders als in § 24 Abs 9 dritter Satz VBG 1948 in Bezug auf privatrechtliche Dienstverhältnisse zum Bund ist im G-GVBG keine Verpflichtung des DG enthalten, den Vertragsbediensteten zuvor über den bevorstehenden Ablauf der Einjahresfrist und das kraft Gesetzes eintretende Ende des Dienstverhältnisses nach § 22 Abs 10 G-GVBG schriftlich zu verständigen. Dass die Bekl die Kl auf die bevorstehende Ex-lege-Beendigung ihres Dienstverhältnisses mit Ablauf des 27.11.2019 nicht aufmerksam gemacht hat, um ihr Gelegenheit zu entsprechenden Dispositionen zu geben, führt daher nach dem G-GVBG nicht zum Fortbestehen des Dienstverhältnisses.
Im Hinblick auf die Zugehörigkeit der Kl zum Kreis der begünstigten Behinderten (§ 2 BEinstG) hatte die Bekl jedoch die in § 8a BEinstG normierte Verständigungspflicht zu beachten, nach der der Behindertenausschuss spätestens drei Monate vor Ablauf der Einjahresfrist zu verständigen ist, um diesem die Möglichkeit zu geben, zur Zweckmäßigkeit einer Vereinbarung über die Fortsetzung des Dienstverhältnisses Stellung zu nehmen. Im vorliegenden Fall hätte die Verständigung des Behindertenausschusses spätestens am 27.8.2019 erfolgen müssen.
Wenngleich die Bekl diese Frist nicht eingehalten hat und dem Behindertenausschuss die Verständigung über den bevorstehenden Ablauf der Einjahresfrist erst am 18.10.2019 zukommen ließ, hindert auch dies die Beendigung des Dienstverhältnisses kraft Gesetzes nicht. Es trat durch die verspätete Verständigung lediglich die Folge ein, dass die Beendigung erst drei Monate nach der Verständigung des Behindertenausschusses wirksam werden konnte, also am 18.1.2020. Wie sich dazu aus den Gesetzesmaterialien zur BEinstG-Novelle BGBl I 1999/17 ergibt, war die Verständigungspflicht des Behindertenausschusses in der Praxis in vielen Fällen unbeachtet geblieben. Um dem entgegenzuwirken, wurde die Nichtbefassung (bzw verspätete Befassung) des Behindertenausschusses insofern sanktioniert, als eine Beendigung des Dienstverhältnisses – unbeschadet der dienstrechtlichen Vorschriften – frühestens drei Monate nach erfolgter Verständigung des Behindertenausschusses eintreten kann. Die Nichtverständigung führt demnach zu einem Hinausschieben des Endigungstermins. Dies dient dazu, ein gesetzeskonformes Verhalten des AG zu erreichen, um die Stellungnahme des Behindertenausschusses tatsächlich zu ermöglichen.
Das Fortbestehen des Dienstverhältnisses wurde hier auch nicht dadurch bewirkt, dass die Kl nach Erhalt des Schreibens des Behindertenausschusses am 13.12.2019 ihren Krankenstand beendet und ihren Dienst wieder angetreten hat. Wie feststeht, reagierte die Bekl darauf mit Schreiben vom 17.12.2019, in dem sie die Kl davon in Kenntnis setzte, dass das Dienstverhältnis kraft Gesetzes nach einjährigem Krankenstand ende, die Kl diese Voraussetzung bereits mit Ablauf des 27.11.2019 erfüllt habe und das Dienstverhältnis drei Monate nach Meldung an den Behindertenausschuss mit 18.10.2019, somit mit Ablauf des 18.1.2020 enden werde. Die Bekl hat auf diese Weise klargestellt, dass die Ex-lege-Beendigung des Dienstverhältnisses nach § 22 Abs 10 G-GVBG erfolgt, sie einem etwaigen Interesse der Kl auf Fortführung des Dienstverhältnisses ablehnend gegenübersteht und sie auch nicht in Betracht zieht, mit der Kl eine Vereinbarung über die Fortsetzung des Dienstverhältnisses zu treffen.
Dieser Vorgangsweise entspricht § 22 Abs 10 G-GVBG, der keine besondere Regelung darüber enthält, dass die Ex-lege-Beendigung des Dienstverhältnisses durch eine Vereinbarung über die Fortsetzung des Dienstverhältnisses verhindert werden kann. Eine derartige Regelung findet sich aber im VBG 1948, nach dessen § 24 Abs 9 ein vertragliches Dienstverhältnis zwar nach Ab291lauf der Jahresfrist ex lege endet, der Personalstelle aber dennoch das Ermessen darüber eingeräumt ist, ob sie von dieser Beendigungsmöglichkeit Gebrauch macht oder von der automatischen Beendigung Abstand nimmt und dem DG die weitere Fortsetzung des Dienstverhältnisses empfiehlt. Aus der Überlegung der Revisionswerberin, dass auch § 22 Abs 10 G-GVBG – ungeachtet des Fehlens eines Vorbehalts für die Bekl – als eine „Kann-Bestimmung“ zu verstehen sei, ist für ihren Standpunkt nichts zu gewinnen. Das Zustandekommen einer Vereinbarung über die Verlängerung des Dienstverhältnisses wurde nämlich von den Vorinstanzen nicht angenommen.
Wenn die Vorinstanzen nach Lage des Falls auch weder einen konkludenten Verzicht auf die Ausübung der Auflösungsmöglichkeit nach § 22 Abs 10 G-GVBG angenommen haben, noch davon ausgingen, dass konkludent ein unbefristeter Dienstvertrag entstanden ist, stellt dies eine auf die Umstände des Einzelfalls bezogene Beurteilung dar, die regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage begründet und auch im konkreten Fall keiner Korrektur durch den OGH bedarf.
Wie sich aus dem insoweit klaren Wortlaut des § 22 Abs 10 G-GVBG ergibt, ist darin die automatische Beendigung des Dienstverhältnisses bei Langzeitkrankenständen vorgesehen. Der Landesgesetzgeber stellt bei der Ex-lege-Beendigung nach deren Bestimmung nicht auf das Vorliegen der Dienstunfähigkeit zu einem „Stichtag“ ab, sondern knüpft die Ex-lege-Beendigung an das Vorliegen einer zumindest einjährigen Dienstverhinderung infolge Krankheit an. Im vorliegenden Fall war die Voraussetzung des einjährigen Krankenstands mit Ablauf des 27.11.2019 erfüllt. Die Beendigung wurde aber infolge der am 18.10.2019 erfolgten Verständigung des Behindertenausschusses erst am 18.1.2020 wirksam. Bis dahin bestand das Dienstverhältnis noch – wenngleich im Beendigungsstadium – fort.
Aus § 22 Abs 10 G-GVBG iVm mit § 8a BEinstG ergibt sich keine „rollierende Stichtagsregelung“ in dem Sinn, dass die Dienstunfähigkeit nicht nur zum „Stichtag“ 27.11.2019, sondern auch noch zum weiteren „Stichtag“ 18.1.2020 gegeben sein müsste.
Die außerordentliche Revision der Kl war somit mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO als unzulässig zurückzuweisen.
Der OGH hatte sich im vorliegenden Fall nicht mit der Frage einer etwaigen Behindertendiskriminierung durch die Ex-lege-Beendigung zu befassen, wenngleich sich mE diese Frage durchaus stellt, wenn die langen Krankenstandszeiträume zumindest teilweise auf Behinderungen iSd §§ 2 und 3 BEinstG zurückzuführen sind. Betroffene DN werden nämlich durch Regelungen zur Ex-lege-Beendigung in den verschiedenen Vertragsbedienstetengesetzen hinsichtlich der Beendigungsmodalitäten (Kündigungsgrund, -frist und -termin) sowie im Falle von DN mit Begünstigtenstatus auch hinsichtlich der Rechtsschutzmöglichkeit (Verfahren auf Zustimmung zur Kündigung vor dem Sozialministeriumservice) benachteiligt. Ob hier ein Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht vorliegt, müsste mE einer gerichtlichen Prüfung unterzogen werden.