141Zur Aufgriffsobliegenheit bei der Geltendmachung eines aufrechten unbefristeten Arbeitsvertrags nach Mehrfachbefristung
Zur Aufgriffsobliegenheit bei der Geltendmachung eines aufrechten unbefristeten Arbeitsvertrags nach Mehrfachbefristung
Die Kl war bei der Bekl ab 30.11.2009 als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig. Der Arbeitsvertrag (ProjektmitarbeiterInnenvertrag) wurde zunächst bis 29.1.2012 befristet. In der Folge wurde dieser Dienstvertrag neun Mal befristet verlängert, der letzte dieser Verträge endete am 31.3.2015. Im Jänner 2015 gab es eine Besprechung über die Möglichkeit einer weiteren Verlängerung. Davor hatte die Kl nämlich eigeninitiativ ein drittmittelfinanziertes Projekt eingeworben. Damit hatte die Kl erstmals die Möglichkeit, als Projektleiterin zu fungieren. Es wurde der Kl mitgeteilt, dass eine Verlängerung des Dienstverhältnisses mit voller Laufzeit des Projekts von drei Jahren aufgrund der Kettenvertragsregelung im Universitätsgesetz (UG) wahrscheinlich nicht möglich sei. Aufgrund des Einwands der Kl, dass eine kürzere Dauer des Projekts nicht sinnvoll sei, wurde ihr vorgeschlagen, in der Begründung des Antrags anzuführen, dass es sich um eine Verlängerung des vorherigen Projekts handle. Die Kl verwies dem folgend daher in ihrem Antrag darauf, dass es sich um die „Beschäftigung im selben Projekt“ handle. Tatsächlich war es jedoch ein neues Projekt. Daraufhin wurde mit 10. Nachtrag des ProjektmitarbeiterInnenvertrags das Dienstverhältnis der Kl bis zum 31.3.2018 verlängert.299
Bei der Besprechung im Jänner war der Kl gesagt worden, dass es dann keinen Vertrag mehr gäbe, da „müsse sie sechs Monate Pause machen“. Dementsprechend ging die Kl davon aus, dass sie nach diesen sechs Monaten nach Ablauf des letzten befristeten Dienstvertrags einen weiteren befristeten Dienstvertrag bei der Bekl bekommen werde. Die Kl bemühte sich ab 4.7.2018 aufgrund eines konkreten Angebots um eine neuerliche Anstellung. Mit Schreiben vom 18.9.2018 teilte die Bekl der Kl jedoch mit, dass eine Anstellung nicht möglich sei, da die Unterbrechung von 6 1/2 Monaten zu kurz wäre. Da sich die Kl ungerecht behandelt fühlte, weil bei anderen Mitarbeitern sechs Monate Unterbrechung ausgereicht hatten, um einen neuen Vertrag zu erhalten, wandte sie sich an die Arbeiterkammer, von der sie im Oktober 2018 darauf hingewiesen wurde, dass ihr Dienstverhältnis zur Bekl bereits unbefristet aufrecht bestehe. Dies machte sie mit Schreiben vom 23.10.2018 über die Arbeiterkammer erstmals gegenüber der Bekl geltend.
Die Kl begehrte mit ihrer Klage die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis zur Bekl über den 31.3.2018 hinaus aufrecht fortbesteht sowie die Zahlung von € 38.511,12 an offenen Entgelten bis inklusive Februar 2019. Durch den letzten Nachtrag zum ProjektmitarbeiterInnenvertrag sei die Höchstgrenze für mehrmalige, unmittelbar aufeinander folgende Befristungen nach § 109 Abs 2 Satz 2 UG ohne sachliche Rechtfertigung überschritten worden. Das Arbeitsverhältnis habe daher über den 31.3.2018 aufrecht fortbestanden. Das mehrmonatige Zuwarten sei nicht als stillschweigender Verzicht auf die Geltendmachung des Fortsetzungsanspruchs zu verstehen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kl gegen diese Entscheidung nicht Folge. Nach § 109 Abs 2 Satz 2 UG sei die Grenze der Gesamtdauer unmittelbar aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverhältnisse grundsätzlich mit sechs (bei Teilzeitbeschäftigung mit acht) Jahren beschränkt. Dies entspreche auch der RL 1999/70/EG des Rates vom 28.6.1999, nach der die Mitgliedstaaten zur Missbrauchsvermeidung eine insgesamt maximal zulässige Dauer befristeter Arbeitsverhältnisse festlegen können. Davon ausgehend könne die Zulässigkeit mehrfach befristeter Arbeitsverhältnisse vom Vorliegen eines sachlichen Grundes abhängig gemacht werden. Die letzte Befristung liege überwiegend im Eigeninteresse der Kl, weshalb eine den im Gesetz aufgezählten Gründen vergleichbare sachliche Rechtfertigung zu bejahen sei.
Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht zugelassen, weil keine höchstgerichtliche Judikatur zur Auslegung des Begriffs der „sachlichen Rechtfertigung“ im Kontext des § 109 Abs 2 letzter Satz UG bestehe. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision. Die Revision war zulässig, aber nicht berechtigt.
Aus Zweckmäßigkeitsgründen prüfte der OGH zunächst, ob der Kl die Verletzung einer Aufgriffsobliegenheit zur Last zu legen ist. Nach der Rsp bedingt das Klarstellungsinteresse des DG am Bestand oder Nichtbestand des Dienstverhältnisses eine Aufgriffsobliegenheit des DN, sein Interesse an der Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses ohne Aufschub gegenüber dem DG geltend zu machen. Zur Beurteilung der Unverzüglichkeit ist ein angemessener, zur Erkundung und Meinungsbildung objektiv ausreichender Zeitraum heranzuziehen. Mangels einer gesetzlichen Frist ist die zeitliche Grenze unter Bedachtnahme auf § 863 ABGB zu ziehen und zu beurteilen, ob das Verhalten des AN als stillschweigendes Einverständnis mit der Beendigung bzw als Verzicht auf die Geltendmachung der Unzulässigkeit der Beendigung aufzufassen ist. Die bloße Nichtgeltendmachung durch längere Zeit dokumentiert für sich allein in der Regel noch keinen Verzicht. Vielmehr müssen besondere Umstände hinzukommen, die die spätere Geltendmachung als unzulässig erscheinen lassen (OGH 26.1.2000, 9 ObA 322/99i mwN). Der OGH hat wiederholt ausgesprochen, dass es keine fixen Fristen gibt (OGH 19.3.2013, 9 ObA 12/13z; OGH 11.10.2001, 8 ObA 190/01a ua).
In der Zeit bis 23.10.2018 hat die Kl gegenüber der Bekl kein aufrechtes Dienstverhältnis behauptet, sondern im Gegenteil wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass sie sich nach der Beendigung des letzten Arbeitsverhältnisses und einer Unterbrechung der Beschäftigung von sechs Monaten den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags wünscht, und auch entsprechende Anträge gestellt. Damit hat sie aber der Bekl vermittelt, dass sie gerade nicht davon ausgeht, dass das bisherige Arbeitsverhältnis unbeendet aufrecht besteht, sondern sie ebenso wie die Bekl die Meinung vertritt, dass für eine weitere Tätigkeit für die Bekl der Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags nötig ist.
Auch wenn festgestellt wurde, dass die Kl erstmals bei der Arbeiterkammer erfahren hat, dass das Arbeitsverhältnis ohnehin bereits als unbefristet aufrecht angesehen werden könnte, wäre ihr zumutbar gewesen, schon vorher entsprechende Nachforschungen anzustellen. Insb war bei der letzten Verlängerung von Seiten der Bekl ohnehin die Gefahr einer Überschreitung der höchstzulässigen Befristung angesprochen worden, woraufhin die Kl in Übereinstimmung mit der Personalabteilung inhaltlich unrichtig das neue Projekt als eine bloße Fortsetzung des Projekts, an dem sie zuletzt gearbeitet hatte, darstellte und so die Verlängerung der Befristung erreichte. Damit musste ihr aber bewusst sein, dass300 die tatsächlich vorliegende Sachlage, nämlich dass es sich um ein unabhängiges, neues Projekt handelt, Auswirkungen auf die Zulässigkeit der neuerlichen Befristung hat.
Wenn daher die Kl im Vertrauen darauf, nach einer mehrmonatigen Unterbrechung einen neuen Dienstvertrag zu bekommen, die Geltendmachung eines allfälligen Fortsetzungsanspruchs über die letzte Befristung hinaus über einen Zeitraum von sechs Monaten hinaus unterlassen hat, liegt darin in Bezug auf die der Klage zugrundeliegende Geltendmachung eines ohnehin aufrechten unbefristeten Dienstverhältnisses eine Verletzung der Aufgriffsobliegenheit.
Damit kommt es aber auf die Frage, inwieweit die letzte Befristung iSd § 109 Abs 2 Satz 3 UG gerechtfertigt war, nicht an. Der Revision der Kl war daher nicht Folge zu geben.